Pflicht zur Einzahlung der noch ausstehenden Beiträge auf gezeichnete Genossenschaftsanteile
letzte Aktualisierung: 11.11.2020
LG Stuttgart, Urt. v. 25.6.2020 – 6 O 195/19
GenG §§ 7, 15 Abs. 2
Pflicht zur Einzahlung der noch ausstehenden Beiträge auf gezeichnete
Genossenschaftsanteile
Nach den Grundsätzen des fehlerhaften Genossenschaftsbeitritts lässt die Nichtigkeit der
Ratenzahlungsvereinbarung die Pflicht zur Einzahlung der noch ausstehenden Beiträge auf die
gezeichneten Genossenschaftsanteile nicht entfallen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in der Sache erfolgreich.
Die Beklagte schuldet nach den Grundsätzen des fehlerhaften Genossenschaftsbeitritts die
noch ausstehenden, rückständigen Mitgliedsbeiträge.
1. Die im Rahmen der Beitrittserklärung zwischen der Geno und der Beklagten unter Ziffer 6
geschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung über die Einzahlung auf die gezeichneten
Genossenschaftsanteile war nichtig.
a) Der Kläger leitet die Nichtigkeit der Ratenzahlungsvereinbarung aus
außer bei Pflichtbeteiligungen – nicht zugelassen werden, bevor nicht alle Geschäftsanteile des
Mitglieds – bis auf den zuletzt neu übernommenen – voll eingezahlt sind. Er qualifiziert die von
der Stundungsregelung erfassten „weiteren Pflichtanteile“ gemäß § 33 Abs. 3 der
streitgegenständlichen Satzung nicht als Pflichteinlage im Sinne von
daher die Stundungsregelung des § 33 Abs. 3 der Satzung für unwirksam.
b) Es kann offen bleiben, ob § 33 Abs. 3 der Satzung gegen
der Qualifizierung der weiteren Pflichtanteile als Pflichteinlagen im Sinne von
die Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 der Satzung vorliegend nicht gegeben sind. Die zwischen
den Parteien getroffene Ratenzahlungsvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 7 Nr. 1
GenG unwirksam. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Stundung der Pflicht zur Einzahlung des
Mitgliedsbeitrags und damit - wegen der mit ihr verbundenen Stundungswirkung - jeder
Ratenzahlungsvereinbarung ist im Hinblick auf
Genossenschaft eine Regelung enthalten ist, nach der die Einzahlung der Pflichteinlage in
entsprechenden Raten erfolgen darf. Ohne eine derartige satzungsmäßige Grundlage sind
Ratenzahlungsvereinbarungen zwischen der Genossenschaft und dem einzelnen Mitglied
unwirksam (BGH, Beschluss vom 16.3.2009 – II ZR 138/08, juris Rn. 7 m.w.N.).
Zwischen den Parteien wurde – von § 33 Abs. 3 der Satzung abweichend – bei Zeichnung von
insgesamt 657 Pflichtanteilen ein monatlicher Zahlbetrag von zunächst lediglich 100,00 €
vereinbart. Eine solche Vereinbarung ist von der Satzung der Geno nicht gedeckt, da ein
Monatsbeitrag von 100,00 € den von der Satzung vorgegebenen Mindestratenbetrag von 1/300
des insgesamt gezeichneten Betrags unterschreitet.
c) Die Unwirksamkeit der Ratenzahlungsvereinbarung führt gemäß
Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts der Beklagten. Der für die Anwendbarkeit des § 139
BGB erforderliche Einheitlichkeitswille (siehe dazu Ellenberger in Palandt, 78. Auflage, § 139
BGB Rn. 5 ff. m.w.N.) folgt bereits aus der Tatsache, dass die Beitrittserklärung der Beklagten
zu der Geno und die Vereinbarung über die Ratenzahlung sowie die Einziehungsermächtigung
hinsichtlich der Raten in einem Formular zusammengefasst sind. Ohne die
Ratenzahlungsvereinbarung wäre allein anhand der in der mündlichen Verhandlung von der
Beklagten geschilderten wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten ein Beitritt in dieser Höhe
undenkbar gewesen. Ist – wie hier – ein Teil eines teilbaren Rechtsgeschäfts unwirksam, ist
gemäß
auch ohne den unwirksamen Teil vorgenommen sein würde. Vom beweisbelasteten Kläger
(vgl. BGH, Beschluss vom 16.3.2009 – II ZR 138/08, juris Rn. 9 m.w.N.) wurden keine
entgegenstehenden Tatsachen vorgetragen.
2. Die Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts führt zur Anwendung der Grundsätze des
fehlerhaften Gesellschafts-/Genossenschaftsbeitritts mit der Folge, dass die Beklagte bis zum
Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung wie ein Genosse mit allen damit verbundenen Rechten und
Pflichten behandelt wird; insbesondere ist sie zur Leistung ihrer noch ausstehenden Einlage
verpflichtet, soweit sie sie noch nicht vollständig erbracht hat (BGH, Beschluss vom 16.3.2009
– II ZR 138/08, juris Rn. 10; Beschluss vom 5.5.2008 – II ZR 292/06, juris Rn. 9 BGH, Urteil
vom 16.12.2002 – II ZR 109/01,
Dies gilt sogar selbst dann, wenn man – wie der Kläger – die Nichtigkeit der Beitrittserklärung
mit der Zeichnung der weiteren Genossenschaftsanteile aufgrund eines Verstoßes gegen § 15b
Abs. 2 GenG begründet. Auch ein solcher Verstoß gegen
Bezug auf die weiteren Genossenschaftsanteile nicht unwirksam und befreit nicht von den auf
diese Anteile entfallenden genossenschaftsrechtlichen Verpflichtungen (OLG Hamburg, Urteil
vom 4.4.2008 – 11 U 208/06, juris Rn. 70).
3. Die Anwendung der Grundsätze über den fehlerhaften Genossenschaftsbeitritt auf den hier
vorliegenden Fall der Nichtigkeit des Beitritts ist – gemessen an Grund und Zielen dieser Lehre
– sachgerecht. Die Rechtsfolge der Abwicklung des Beitritts nur für die Zukunft (ex nunc)
anstelle einer vollständigen Rückabwicklung (ex tunc) trägt der Besonderheit des
Verbandsrechts Rechnung, dass – nachdem die Organisationseinheit bzw. der Beitritt hierzu
erst einmal, wenn auch auf fehlerhafter Grundlage, in Vollzug gesetzt worden sind – die
Ergebnisse dieses Vorgangs, der regelmäßig mit dem Entstehen von Verbindlichkeiten
verbunden ist, nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden können. In der Rechtsfolge der
Auflösung für die Zukunft ist grundsätzlich ein gerechter Ausgleich zu sehen zwischen
einerseits den Interessen der anderen Mitglieder am Bestand des Verbandes und der
Gläubiger an der Erhaltung der Haftungsmasse, andererseits den Interessen
ausscheidenswilliger Gesellschafter oder Genossen, die sich auf die Fehlerhaftigkeit des
Beitritts berufen wollen. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter oder Genosse aufgrund
einer arglistigen Täuschung zum Beitritt veranlasst worden ist. Angesichts dessen ist die
Anwendung der Lehre über den fehlerhaften Beitritt fraglos dann gerechtfertigt, wenn der
Beitritt "nur" deshalb nichtig ist, weil eine im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des
Beitretenden liegende Regelung unwirksam ist und die Nichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts
nach sich zieht (BGH, Beschluss vom 16.3.2009 – II ZR 138/08, juris Rn. 11 m.w.N.).
4. Daher kann die Beklagte auch nicht einwenden, dass sie bei Abgabe der Beitrittserklärung
nicht hinreichend beraten und über die wirtschaftliche Situation der Geno getäuscht sowie nicht
ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sei, weshalb sie mit Schreiben vom
2.8.2018 bzw. vom 12.3.2019 die Kündigung bzw. den Widerruf sowie hilfsweise die
Anfechtung erklärt hat. Diese Rechte greifen alle – selbst bei Vorliegen der jeweiligen
Tatbestandsvoraussetzungen – vorliegend nicht durch, da diese nach Insolvenzeröffnung
ausgeübt wurden und daher aufgrund der Grundsätze des fehlerhaften
Genossenschaftsbeitritts und der damit einhergehenden ex nunc Wirkung solcher
Gestaltungserklärungen nur für die Zukunft wirken und somit vorliegend keine eigenständige
Bedeutung mehr einnehmen können.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 30.4.2020 die Klage teilweise zurückgenommen hat, hat
er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (
folgt aus
Satz 2 ZPO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Stuttgart
Erscheinungsdatum:25.06.2020
Aktenzeichen:6 O 195/19
Rechtsgebiete:
Genossenschaft
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
GenG §§ 7, 15 Abs. 2