Kammergericht 05. Juli 2021
1 W 26/21
HGB § 49 Abs. 2

Gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB auch für nicht im Eigentum des Prinzipals stehende Grundstücke

HGB § 49 Abs. 2
Gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB auch für nicht im Eigentum des Prinzipals stehende Grundstücke

Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB besteht unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist (Anschluss an OLG Köln, NJW-RR 2020, 530; entgegen OLG Hamm, DNotZ 2012, 230).

KG, Beschl. v. 5.7.2021 – 1 W 26/21

Problem und Kontext der Entscheidung
Die Beteiligte – eine Aktiengesellschaft – ist Testamentsvollstreckerin über einen Nachlass, in den ein Grundstück fällt. Zwei gemeinsam vertretungsberechtigte Prokuristen der AG bewilligten die Eintragung einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch. Auf den Eintragungsantrag hin beanstandete das Grundbuchamt per Zwischenverfügung, die Prokuristen könnten die Beteiligte nicht vertreten, da sie laut Handelsregister nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken ermächtigt seien. Nachdem der Vorstand der AG die Erklärungen genehmigt hatte, war die Vormerkung eingetragen worden. Die AG verfolgte ihre Beschwerde mit dem Antrag weiter, festzustellen, dass die Zwischenverfügung sie in ihren Rechten verletzt habe.

Die Frage, ob ein Prokurist ohne entsprechende Ermächtigung über Grundstücke verfügen darf, die nicht seinem Prinzipal gehören, ist in Rspr. und Lit. umstritten (Reimann, ZEV 2020, 175). Sie hat bereits verschiedene Oberlandesgerichte beschäftigt. Das OLG Köln hatte § 49 Abs. 2 HGB in einem 2019 ergangenen Beschluss (Beschl. v. 9.12.2019 – 2 Wx 346/19, NJW-RR 2020, 530) für anwendbar gehalten und sich damit gegen die Auffassung des OLG Hamm ausgesprochen, das eine teleologische Reduktion von § 49 Abs. 2 HGB für angezeigt hielt (Beschl. v. 13. 10. 2011 – I-15 Wx 117/11, DNotZ 2012, 230). Das KG schließt sich in dem vorliegenden Beschluss der Auffassung des OLG Köln an.

Entscheidung
Die Bewilligung der Vormerkung ist nach Auffassung des KG gem. § 49 Abs. 2 HGB nicht von der Prokura erfasst. Eine besondere Befugnis zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 2 HGB sei den Prokuristen nicht erteilt worden.

Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB bestehe unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des zu belastenden Grundstücks sei. Zwar diene die Beschränkung nach heutigem Verständnis dem Schutz des Kaufmanns im Hinblick auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung, die Grundstücksgeschäften regelmäßig zukomme. Dieser Gesichtspunkt greife aber nicht nur für Grundstücke, die im Eigentum des Prinzipals stünden. Veräußere etwa der Prokurist eines Komplementärs Grundstücke der Kommanditgesellschaft, könne dies erhebliche wirtschaftliche Folgen für den Komplementär haben. Auch soweit der Kaufmann als rechtsgeschäftlicher Vertreter eines Dritten oder – wie hier – als Träger eines privaten Amtes im eigenen Namen, aber mit Wirkung für einen Dritten handele, komme Grundstücksgeschäften wegen des Haftungsrisikos besondere Bedeutung zu.

Nichts anderes folge auch aus einem Beschluss des BGH aus dem Jahr 1991 (DNotZ 1992, 584). In jener Entscheidung hatte der BGH die Frage zu klären, ob zwei Prokuristen einer Kommanditistin die Firmenänderung der Kommanditgesellschaft – aus dem Blickwinkel der Kommanditgesellschaft ein Grundlagengeschäft – anmelden durften. Der BGH bejahte dies. Es handele sich zwar um ein Grundlagengeschäft, aber aus Sicht der Prokuristen eben nicht um eines der eigenen Gesellschaft. Nach Auffassung des Gerichts spricht die vorgenannte BGH-Entscheidung nicht für eine teleologische Reduktion: Das Gesetz schließe den Prokuristen von der Vertretung bei Grundstücksgeschäften aus, gleichgültig ob diese Grundlagengeschäfte seien (oder sein könnten).

Nach Auffassung des KG besteht im Übrigen kein praktisches Bedürfnis für eine teleologische Reduktion. Der Kaufmann habe die Möglichkeit, den Prokuristen gemäß § 49 Abs. 2 HGB zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken zu ermächtigen. Der Kaufmann könne eine erteilte Ermächtigung auf fremde Grundstücke beschränken oder auf das Handeln als Testamentsvollstrecker erstrecken. Es stehe dem Kaufmann ferner frei, dem Prokuristen gesonderte (Einzelfall-)Vollmacht zu erteilen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

05.07.2021

Aktenzeichen:

1 W 26/21

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 133-134

Normen in Titel:

HGB § 49 Abs. 2