BGH 30. April 1982
V ZR 104/81
BGB §§ 313, 125, 242, 925

Zur Formbedürftigkeit der Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages

m.
Rechtsprechung
A.
Bürgerliches Recht
1. BGB §§ 313, 125, 242, 925(Zur Formbedürftigkeit der Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages)
Zur Formbedürftigkeit eines Vertrages, durch den ein
Grundstückskaufvertrag aufgehoben werden soll.
BGH, Urteil vom 30.4.1982 — V ZR 104/81 — mitgeteilt von D.
Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer am 28. Januar 1976 verstorbenen
Mutter. Die Erblasserin hatte durch notariellen Vertrag vom 15. Juni
1972 ein ihr gehörendes Grundstück an den Beklagten verkauft und
aufgelassen. Am 15. August 1972 ist zugunsten des Käufers eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen worden. Durch
privatschriftliche Vereinbarung vom 6. Juni 1974 haben die Erblasserin und der Beklagte die Aufhebung des Kaufvertrags erklärt. Der Beklagte hat dies dem Grundbuchamt mitgeteilt. Die Klägerin, die als
Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist, verlangt vom
Beklagten die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht
hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Aus. den Gründen:
Die Frage, in welcher Form ein Kaufvertrag über ein Grundstück von den Beteiligten aufgehoben werden kann, ist vom
Senat im Urteil vom 26. Februar 1964, V ZR 154/62, WM 1964,
509, 510 dahingehend beantwortet worden, daß vor dem
Vollzug des Kaufvertrages im Grundbuch eine mündliche
Aufhebungsvereinbarung wirksam sei. In dem entschiedenen Fall war für den Käufer eine Auflassungsvormerkung im
Grundbuch eingetragen. Auf dem Boden dieser Entscheidung würde auch — wie im vorliegenden Fall — eine schriftliche Aufhebungsabsprache möglich sein. Nach erneuter
Überprüfung hält der Senat an der im oben bezeichneten Urteil vertretenen Auffassung nicht mehr uneingeschränkt
fest:
a) Ist ein Kaufvertrag durch Auflassung und Eintragung des
Eigentumsüberganges im Grundbuch vollzogen, so begründet seine Aufhebung die Verpflichtung des Käufers zur Zurückübertragung des bereits in seinem Eigentum befindlichen Grundstücks auf den Verkäufer. Enthält der Aufhebungsvertrag die Rückübertragungsverpflichtung, so bedarf
er gemäß § 313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung.
Aber auch für den Fall, daß die Aufhebungsvereinbarung
selbst eine vertragliche Rückübertragungspflicht nicht begründen sollte, sondern diese sich nach Aufhebung des
Kaufvertrages und nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) richten würde, ergibt sich der Zwang der notariellen Beurkundung aus der
entsprechenden Anwendung des § 313 Satz 1 BGB. Der
Zweck der Formvorschrift, den Grundstückseigentümer auf
die Wichtigkeit des Geschäftes, das zur Grundstücksübertragungspflicht führt, hinzuweisen und ihm die Möglichkeit
rechtskundiger Belehrung und Beratung nahezulegen, trifft
in gleicher Weise sowohl auf den die Übertragungspflicht
unmittelbar begründenden Vertrag als auch auf die Aufhebungsvereinbarung zu, die nur den Rechtsgrund für den Verbleib des Grundstücks im Vermögen des Käufers beseitigt
und die Übertragungspflicht nach § 812 BGB auslöst. Es ist
zudem kein sachlicher Grund ersichtlich, das Erfordernis
der notariellen Beurkundung davon abhängig zu machen, ob
die Vertragspartner die Rückübertragungsverpflichtung in
den Aufhebungsvertrag aufnehmen oder davon mit Rücksicht auf die nach Aufhebung ohnehin bestehende gesetzliche Verpflichtung Abstand nehmen. In beiden Fällen besteht daher die Pflicht zur notariellen Beurkundung des Aufhebungsvertrags (vgl. hierzu auch Staudinger/Wufka, BGB
12. Aufl. § 313 Rdnr. 65).
b) Andererseits kann auch nicht fraglich sein, daß ein Kaufvertrag über ein Grundstück, nach dessen Abschluß weder
eine Auflassung erklärt noch eine Auflassungsvormerkung
in das Grundbuch eingetragen worden ist, formfrei aufgehoben werden kann. Die Aufhebung begründet in. Bezug auf
das verkaufte Grundstück nämlich keine irgendwie geartete
unmittelbare oder mittelbare Rückübertragungs- oder Erwerbsverpflichtung.
c) Zwischen den oben aufgezeigten beiden Fallgruppen
sind Abschnitte im Völlzug eines Grundstückskaufvertrages
denkbar, nach deren Erreichen die Frage nach der Formbedürftigkeit eines Aufhebungsvertrages unterschiedlich beantwortet werden muß:
(1) Ist nach einem Grundstückskaufvertrag die.Auflassung
gemäß § 925 BGB erklärt, ohne daß eine Auflassungsvormerkung eingetragen oder ein Eigentumsumschreibungsantrag gestellt ist, so ist das Grundstückseigentum seinem
wesentlichen Umfang nach noch im Vermögen des Veräußerers. Zwar ist dieser nach § 873 Abs. 2 BGB im Verhältnis
zum Käufer an die dingliche Einigung gebunden; diese Bindung bewirkt jedoch keine Verfügungsbeschränkung. Der
Verkäufer kann das Grundstück nach wie vor anderweitig
veräußern und belasten. Gleiches gilt dann auch, wenn der
Veräußerer zugunsten des Auflassungsempfängers einen
Eintragungsantrag gestellt hat, den er aber jederzeit wieder
zurücknehmen kann (vgl. BGHZ 45, 186, 190[= DNotZ 1966,
673]). Steht das Grundstückseigentum aber noch zur freien
Verfügung des Veräußerers, so wird durch eine in diesem
Stadium des Vollzuges des Kaufvertrages vereinbarte Vertragsaufhebung keine Verpflichtung des Käufers begründet,
auf die Sinn und Zweck des §.313 Satz 1 BGB zutreffen würden. Die Vertragsaufhebung kann folglich formfrei erfolgen.
(2) Ein Beurkundungszwang besteht jedoch dann, wenn der
Auflassungsempfänger in Bezug auf das Grundstück bereits ein Anwartschaftsrecht erlangt hat. Ein — heute allgemein anerkanntes — Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn
von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtes schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, daß von einer
gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechtes Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag (Senatsurteile BGHZ 45, 186, 188, 189 [ = DNotZ 1966, 673]; 49, 197, 201
[= DNotZ 1968, 483]). Ein derartiges Anwartschaftsrecht
des Auflassungsempfängers ist zu bejahen, wenn er selbst
den Antrag auf Eintragung als Eigentümer gestellt hat; denn
nach § 17 GBO muß das Grundbuchamt diesen Antrag vor
zeitlich nachfolgenden Eintragungsanträgen erledigen, so
daß der Erwerber vor anderweitigen Verfügungen des Veräußerers geschützt ist (vgl. BGHZ 49, 197, 200, 201). Eine einseitige Zerstörung der Rechtsposition des Auflassungsempfängers durch den Veräußerer ist aber auch dann nicht mehr
116 MittBayNot 1982 Heft 3


möglich, wenn zugunsten des Auflassungsempfängers eine
Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, die nach den
§§ 883 Abs. 2, 888 BGB Schutz vor einer anderweitigen Verfügung des Veräußerers gewährt (vgl. BGHZ 45, 186, 190).
Das Anwartschaftsrecht ist ein dem Volleigentum wesensähnliches Recht (BGHZ 45, 186, 192), eine selbständig verkehrsfähige Vorstufe des Grundstückseigentums, deren Erstarkung zum Vollrecht vom Veräußerer nicht mehr verhindert werden kann. Die Wesensähnlichkeit mit dem Grundstückseigentum führt dazu, daß das Anwartschaftsrecht
nicht durch Abtretung nach §§ 398, 413 BGB sondern durch
Auflassung nach § 925 BGB übertragen wird (BGHZ 49, 197,
202).
Das dem Volleigentum somit weitgehend angenäherte Anwartschaftsrecht führt in der Regel zu einem Wechsel in der
Rechtszuständigkeit in Bezug auf das Grundstück. Bei dieser Rechtslage ist es geboten, nicht nur die Übertragung
des Anwartschaftsrechts der für das Volleigentum geltenden Form des § 925 BGB, sondern — wie beim Vollrecht —
schon die Verpflichtung zur Übertragung dem Formerfordernis des § 313 Satz 1 BGB zu unterstellen. Der Normzweck
der letztgenannten Vorschrift, nämlich den Veräußerer und
den Erwerber eines Grundstücks vor übereilten Verträgen zu
bewahren und ihnen reifliche Überlegungsfreiheit sowie
sachkundige und unparteiische Beratung durch den Notar
zu gewähren (Warn- und Schutzfunktion), trifft mit der weiteren Beweis- und Gewährsfunktion (vgl. Staudinger/Wufka,
BGB 12. Aufl. § 313 Rdnr. 3 m.w. N.) voll auf die Verpflichtung
zur Übertragung des Anwartschaftsrechtes zu. Mit ihr wird
praktisch über die Verpflichtung zur Übertragung des Volleigentums entschieden. Der Vertrag über die Verpflichtung
zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstücksanwartschaftsrechts bedarf daher in entsprechender Anwendung des § 313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung.
Aus der Gleichbehandlung des Anwartschaftsrechtes mit
dem Eigentum folgt, daß auch für die Formbedürftigkeit einer Aufhebungsvereinbarung zu einem Grundstückskaufvertrag die gleichen Regeln wie beim bereits übertragenen Vollrecht gelten. Der Inhaber des Anwartschaftsrechts wird
durch den Aufhebungsvertrag gezwungen, seine gesicherte
Rechtsposition in Bezug auf das Grundstück zugunsten des
Verkäufers wieder aufzugeben. Er muß daher wie ein Grundstückseigentümer vor übereilten Verträgen, durch die er seine Anwartschaft auf ein Grundstück verliert, geschützt werden. Die Aufhebungsvereinbarung ist daher unter entsprechender Anwendung des § 313 Satz 1 BGB formbedürftig (so
wie hier: MünchKomm-Kanzleiter, § 313 Rdnr. 16 und 49;
Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. §313 Rdnr. 19 und 66;
Palandt/Heinrichs, BGB 40. Aufl. § 313 Anm. 9; Ertl, DNotZ
1976, 73; 1977, 84; a.A.: BGB-RGRK 12. Aufl. § 313 Rdnr. 83).
Würde man die zum Verlust des Anwartschaftsrechts führende Aufhebungsvereinbarung nicht dem Formzwang unterstellen, so hinge die Anwendung des § 313 Satz 1 BGB
z. B. davon ab, ob bei erklärter Auflassung das Grundbuchamt im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung einem gestellten Umschreibungsantrag bereits entsprochen hat oder
nicht. Im ersten Fall wäre das Eigentum bereits auf den Käufer übergegangen, im zweiten Fall würde zum Eigentumsübergang nur noch die vom Willen der Vertragspartner unabhängige Erledigung des Umschreibungsantrages fehlen. Ob
aber einem Eintragungsantrag bereits entsprochen ist oder
nicht, braucht den Parteien im Zeitpunkt des Abschlusses.
der Aufhebungsvereinbarung nicht einmal bekannt zu sein.
Der Formzwang hinge also davon ab, wie schnell oder langMittBayNot 1982 Heft 3
sam das Grundbuchamt einen Eintragungsantrag erledigt.
Für ein derartiges, den Parteien eine sichere Beurteilung eines Formerfordernisses verwehrendes Ergebnis wäre aber
eine sachliche, mit Sinn und Zweck des § 313 Satz 1 BGB zu
vereinbarende Rechtfertigung nicht zu finden.
d) Die Aufhebungsvereinbarung vom 6. Juni 1974 bedurfte
daher in Übereinstimmung mit der Auffassung des Berufungsgerichts der notariellen Beurkundung. Ohne Beachtung dieser Form ist sie nach §§ 313, 125 BGB nichtig.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch ein treuwidriges Verhalten des Beklagten (§ 242 BGB) im Zusammenhang mit der Formnichtigkeit verneint. Auch die Revision
hat nicht auf Umstände hinzuweisen vermocht, nach denen
die Berufung auf die Formnichtigkeit zu einem schlechthin
untragbaren Ergebnis führen würde.
2. BGB §§ 633 ff., 459 ff. (Zum Gewährleistungsausschluß
für Sachmängel in notariellen Verträgen)
a) Sachmängelansprüche richten sich auch dann nach
Werkvertragsrecht, wenn ein für eine Ausstellung bestimmtes Musterhaus erworben wird, das bei Vertragsschluß fertiggestellt ist.
b) Zum formelhaften Ausschluß der Gewährleistung für
Sachmängel in notariellen Verträgen (Fortführung von
BGHZ 74, 209).
BGH, Urteil vom 6. 5. 1982 — VII ZR 74/81 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte ist Architekt. Er errichtete in L. ein Musterhaus für eine
Ausstellung, die in der Zeit vom 18. bis 26. September 1976 durchgeführt wurde. Das Gebäude ist bestimmungsgemäß auch ein halbes
Jahr danach noch besichtigt worden.
Durch notariellen Vertrag vom 18. März 1977 „verkaufte" der Beklagte
das Grundstück an die Klägerin. Nach § 3 Abs. 1 des Vertrages erfolgte die Übertragung „in dem der Erwerberin bekannten Zustand des
Objekts unter Ausschluß der Haftung für Sach- und Rechtsmängel
sowie der weiteren Bebaubarkeit des Grundstücks". In §6 aaO trat
der Beklagte. Ansprüche, „soweit (sie ihm) aus der Herstellung des
Hauses gegen Dritte zustehen", an die Klägerin ab.
Später stellte sich heraus, daß die Drainage des Hauses infolge eines
Planungsfehlers des Beklagten mangelhaft ist.
Mit der im Jahre 1979 erhobenen Klage verlangt die Klägerin 13.000
DM als Vorschuß auf die Mängelbeseitigungskosten. Der Beklagte
beruft sich auf den vertraglichen Haftungsausschluß und auf Verjährung.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben.
Die zugelassene Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht beurteilt die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährleistung wegen der mangelhaften Drainage nach Werkvertragsrecht. Verantwortlich sei der Beklagte; er habe sich von seiner Haftung schon deshalb nicht
wirksam freigezeichnet, weil der Mangel auf einem Fehler
seiner eigenen Planung beruhe. Da er die Nachbesserung
verweigert habe, könne die Klägerin den von ihr verlangten
Betrag als dazu erforderlichen Vorschuß beanspruchen.
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Ihre Meinung, daß hier nur Kaufrecht in Betracht komme und etwaige Gewährleistungsansprüche mithin verjährt seien, geht
fehl. Unrichtig ist auch ihre Auffassung, daß der Beklagte
sich jedenfalls auf die Freizeichnungsklausel berufen
könne.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

30.04.1982

Aktenzeichen:

V ZR 104/81

Erschienen in:

MittBayNot 1982, 116-117

Normen in Titel:

BGB §§ 313, 125, 242, 925