Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen fehlender Kenntnis erheblicher Nachlaßverbindlichkeiten
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 834
letzte Aktualisierung: 14. Juli 1999
Nachlaßverbindlichkeiten
(hier Einkommensteuerschulden des Erblassers) kann die Anfechtung der
Erbschaftsannahme w egen Irrtums über eine verkehrsw esentliche Eigenschaft des
Nachlasses begründen. Dies setzt aber voraus, daß die Verbindlichkeit für den Wert
des Nachlasses w esentliche Bedeutung hat und der Irrtum für die Annahme der
Erbschaft kausal w ar. Davon kann in der Regel nicht ausgegangen w erden, w enn
auch unter Berücksichtigung der Verbindlichkeit im Zeitpunkt der
Erbschaftsannahme ein deutlicher Überschuß der Aktiva des Nachlasses über die
Passiva verbleibt.
Gründe:
I.
Der 1996 verstorbene Erblasser war verheiratet, lebte jedoch von seiner Ehefrau, der
Beteiligten zu 1, getrennt. Der aus dieser Ehe stammende Beteiligte zu 2 ist sein einziges
Kind. Mit der Beteiligten zu 3 hatte er in der Zeit vor seinem Tod eine partnerschaftliche
Beziehung.
Der Erblasser war Eigentümer einer Eigentumswohnung, die er 1992 zum Preis von
370.000 DM (gemäß Nachlaßverzeichnis) erworben hatte. Außerdem hatte er zusammen
mit seiner Ehefrau jeweils zu hälftigem Miteigentum im Jahr 1993 eine Doppelhaushälfte
(Kaufpreis 500.000 DM), im .Jahr 1994 ein Einfamilienhaus (Kaufpreis 700.000 DM) und
im .Jahr 1995 eine weitere Eigentumswohnung (Kaufpreis 442.800 DM) erworben. Die
Objekte wurden zur Finanzierung des Kaufpreises jeweils mit Grundschulden belastet, die
im Zeitpunkt des Erbfalls noch mit über 900.030 DM valutiert waren. Ferner waren
Bankguthaben in Hohe von ca. 40.000 DM vorhanden. Das Nachlaßgericht ordnete am
21.6.1996 Nachlaßpflegschaft an, die am 10.8.1998 wieder aufgehoben wurde.
Der Erblasser hat drei letztwillige Verfügungen hinterlassen. ~n 26.5.1993 hat er mit seiner
Ehefrau einen Erbvertrag geschlossen, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu
Alleinerben bestimmt haben. Am 30.1.1996 hat er in einem privatschriftlichen Testament
die Beteiligte zu 3 zu seiner alleinigen Erbin eingesetzt, nachdem er am 25.1.1996 die
Scheidung eingereicht hatte. Am 15.4.1996 hat er diese Erbeinsetzung in einem
notariellen Testament wiederholt.
Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 3 beantragten jeweils einen Erbschein, der sie als
Alleinerbin ausweisen sollte. Das Nachlaßgericht führte Ermittlungen durch zu der Frage,
ob im Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen für eine Scheidung des Erblassers von
der Beteiligten zu 1 gegeben waren. In der Folgezeit zeigte sich, daß die zum Nachlaß
gehörenden Immobilien nicht zum Anschaffungspreis veräußert werden konnten.
Außerdem machte das Finanzamt Einkommensteuernachzahlungen für die Jahre 1994
und 1995 in Höhe von zusammen ca. 340.000 DM geltend. Mit Schreiben vom 26.1.1998
nahm die Beteiligte zu 1 ihren Erbscheinsantrag zurück. Am 29.1.1998 erteilte das
Nachlaßgericht der Beteiligten zu 3 einen Erbschein als Alleinerbin. Eine Ausfertigung
wurde am 3.2.1998 an die Beteiligte zu 3 hinausgegeben. Mit notariell beglaubigter
Erklärung vom 11.2.1998 schlug die Beteiligte zu 3 die Erbschaft aus allen
Berufungsgründen aus und erklärte gleichzeitig vorsorglich die Anfechtung einer etwa
erfolgten Annahme der Erbschaft wegen Irrtums bezüglich der Werthaltigkeit des
Nachlasses. Außerdem nahm sie ihren Erbscheinsantrag zurück und beantragte, falls ein
Erbschein bereits erteilt sein sollte, dessen Einziehung. Bereits am 4.2.1998 war bei dem
Nachlaßgericht eine weitere notarielle Urkunde eingegangen, in der die Beteiligte zu 1 die
Anfechtung ihrer Erbscheinsannahme erklärt und gleichzeitig die ihr angefallene Erbschaft
ausgeschlagen hatte.
Das Nachlaßgericht hat eine Einziehung des Erbscheins abgelehnt. Das Landgericht hat
die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Gegen diese
Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3; über deren Antrag
auf Eröffnung des Nachlaßkonkursverfahrens ist noch nicht entschieden.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, das Nachlaßgericht habe zu Recht die Einziehung des
Erbscheins vom 29.1.1998 abgelehnt. Dieser gebe die Erbfolge aufgrund der Testamente
des Erblassers vom 30.1. und 15.4.1996 zutreffend wieder. Die Beteiligte zu 3 habe durch
ihren Erbscheinsantrag vom 1.7.1996 die Erbschaft schlüssig angenommen. Denn sie
habe durch den Antrag zum Ausdruck gebracht, daß sie die Erbschaft behalten wolle. Sie
habe deshalb am 11.2.1998 die Erbschaft nicht mehr ausschlagen können, zumal auch
die Ausschlagungsfrist langst verstrichen gewesen sei. Die vorsorglich erklärte Anfechtung
der Annahme wegen Irrtums greife nicht durch. Eine fehlerhafte Vorstellung über die
Werthaltigkeit des Nachlasses könne die Anfechtung nicht begründen. Eine
Überschuldung des Nachlasses liege nicht vor, da nach den Bericht des Nachlaßpflegers
selbst unter Berücksichtigung der Steuerschulden die Passiva des Nachlasses dessen
Aktiva nicht überstiegen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (
zwar nicht in vollem Umfang stand. Die weitere Beschwerde bleibt jedoch im Ergebnis
ohne Erfolg (
a) Die Zulässigkeit der Erstbeschwerde hat das Landgericht zutreffend bejaht. Die
Beteiligte zu 3 erstrebt die Einziehung des Erbscheins vom 29.1.1998, da dieser sie zu
Unrecht als Erbin ausweise. Sie war gemäß § 20 Abs.1 FGG berechtigt, gegen die
Ablehnung der Erbscheinseinziehung ein Rechtsmittel einzulegen ungeachtet dessen, daß
sie den Erbschein so wie er erteilt worden ist selbst beantragt hatte (BayObLGZ 1995,
120/123 m.w.N.).
b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Erblasser die Beteiligte zu 3
jedenfalls durch das Testament vom 15.4.1996 wirksam zur Erbin eingesetzt hat. Es hat
sich in diesem Zusammenhang zwar nicht ausdrücklich zu der Frage geäußert, ob die
Bindungswirkung des Erbvertrages vom 26.5.1993 der Wirksamkeit dieser Erbeinsetzung
entgegensteht (
Auffassung des Nachlaßgerichts gefolgt. Dieses war, wie sich aus der
Sitzungsniederschrift vom 12.11.1997 und dem Nichtabhilfebeschluß vom 5.5.1998 ergibt,
aufgrund der durchgeführten Ermittlungen zu dem Ergebnis gekommen, daß jedenfalls im
Einsetzung der Beteiligten zu 1 zur Alleinerbin gemäß § 2077 Abs.1 Satz 2 BGB
unwirksam geworden war (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 58. Aufl. § 2279 Rn. 2).
Diese Auffassung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Erblasser hatte am
25.1.1996 die Scheidung beantragt, der Scheidungsantrag war der Beteiligten zu 1 am
1.2.1996, also vor dem Tod des Erblassers zugestellt worden (vgl. zu diesem Erfordernis
schriftlich erholten Auskünfte offensichtlich dahin gewertet, daß die materiellen
Voraussetzungen für eine Scheidung gegeben waren, d.h. daß die Ehe des Erblassers mit
der Beteiligten zu 1 gescheitert war (
ff.). Der Erblasser hatte sich nach diesen Auskünften Anfang Januar 1995 von seiner
Ehefrau getrennt. Das Nachlaßgericht durfte den Auskünften auch entnehmen, daß eine
Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten war. Die
Beteiligte zu 1 hat dieser Würdigung nicht widersprochen. Auch die Beteiligte zu 3 wendet
sich nicht gegen deren Ergebnis.
c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, die Beteiligte zu 3 habe die
Erbschaft angenommen und deshalb nicht mehr durch die Erklärung vom 11.2.1998
ausschlagen können (
Beteiligten zu 3 vom 1.7.1996 eine Annahme der Erbschaft gesehen. Diese tatsächliche
Würdigung, die der Senat nur auf Rechtsfehler zu überprüfen hat (BayObLGZ 1983,
153/159), ist angesichts des Inhalts der Urkunde naheliegend. Die Beteiligte zu 3 hat
nämlich ausdrücklich angegeben, sie habe die Erbschaft angenommen, und gleichzeitig
einen Erbschein als Alleinerbin beantragt. Sofern man in dieser Erklärung nicht eine
ausdrückliche Annahmeerklärung sieht, hat die Beteiligte zu 3 durch dieses Verhalten
jedenfalls, wie dies für eine Annahme der Erbschaft erforderlich ist (vgl. BayObLG aaO
und MünchKomm/Leipold BGB 3. Aufl. § 1943 Rn. 3), objektiv für jeden vernünftigen
Betrachter klar erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß sie sich für die Erbin halte und die
Erbschaft behalten wolle. Auf die Frage, ob in einem Erbscheinsantrag desjenigen, der für
sich die Erbschaft ;n Anspruch nimmt, schon für sich genommen eine Annahme der
Erbschaft zu sehen ist (so für den Regelfall die ganz herrschende Meinung, vgl.
Palandt/Edenhofer Rn. 3, MünchKomm/Leipold Rn. 5 jeweils zu § 1943 m.w.N.), kommt es
nicht mehr an. Ebenso kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Beteiligte zu 3
bei Abgabe der Erklärung einen Annahmewillen hatte vgl.
Denn das Fehlen eines solchen Willens kann nur nach den Regeln der Anfechtung geltend
gemacht werden (MünchKomm/Leipold § 1943 Rn. 4 m.w.N.).
d) Das Landgericht hat eine wirksame Anfechtung der Annahme (
verneint. Auch dies ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend. Die von der Beteiligten zu 3
erklärte Anfechtung hat daher nicht dazu geführt, daß die Erbschaft gemäß § 1957 Abs. 1
BGB als ausgeschlagen gilt.
aa) Die Beteiligte zu 3 hat in der notariellen Urkunde vom 11.2.1998 die Annahme der
Erbschaft wegen "Irrtums bezüglich der Werthaltigkeit des Nachlasses" angefochten. Einer
genaueren Angabe des Anfechtungsgrundes bedurfte es nicht (BayObLG FamRZ 1994,
848/849). Allerdings durften sich das Nachlaßgericht und das Landgericht auf die
Nachprüfung beschränken, ob die von der Beteiligten zu 3 in der Anfechtungserklärung
und im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Anfechtungstatsachen zutreffen, und
ob sie die Anfechtung rechtfertigen (BayObLG aaO). Insoweit hat die Beteiligte zu 1 den
Anfechtungsgrund in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 18.3.1998 verdeutlicht. Sie hat
geltend gemacht, daß sich die Überschuldung des Nachlasses erst mit der Vorlage des
Nachlaßverzeichnisses "vom 31.12.1997" (gemeint ist wohl der Bericht des
Nachlaßpflegers vom 4.3.1998, Stand 31.12.1997) herausgestellt habe, da die in der
Vergangenheit vorgelegten Zwischenberichte die als Nachlaßverbindlichkeiten
bestehenden Steuerschulden nicht oder nur unvollständig wiedergegeben hatten, und die
tatsächlichen Marktsituation entsprochen hätten.
bb) Das Gesetz geht zwar in den §§ 1954 bis 1957 BGB von der Möglichkeit einer
Anfechtung der Annahme einer Erbschaft aus, enthält jedoch dort keine besonderen
Bestimmungen zu den Gründen, die eine solche Anfechtung rechtfertigen können. Daraus
folgt, daß insoweit die allgemeinen Bestimmungen der
(MünchKomm/Leipold § l954 Rn. 3). Hinsichtlich der hier geltend gemachten
Anfechtungsgründe (Überschuldung des Nachlasses, mangelnde Kenntnis einzelner
wichtiger Verbindlichkeiten, fehlerhafte Einschätzung des Wertes einzelner
Nachlaßgegenstände) kommt nur ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer
Sache gemäß
Vorschrift im Rahmen der Anfechtung gemäß
anzusehen (BayObLG
Staudinger/Otte BGB 13. Bearb. Rn. 7, MunchKomm/Leipold Rn. 7, jeweils zu § 1954),
d.h. der dem Erben angefallene Nachlaß oder Nachlaßteil.
cc) Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Überschuldung der Erbschaft eine
verkehrswesentliche Eigenschaft gemäß
der Annahme der Erbschaft berechtigen kann (
sowie BayObLG
113/114). Es hat jedoch, ohne daß dies aus Rechtsgründen zu beanstanden ist, eine
Überschuldung des Nachlasses bei, d.h. im Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklarung
(vgl.
(1) Eine Überschuldung des Nachlasses liegt als Voraussetzung der Eröffnung des
Nachlaßkonkurses (
Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva des Nachlasses die Verbindlichkeiten den Wert
der Nachlaßgegenstände übersteigen (Palandt/Edenhofer § 1980 Rn. 3, Kuhn/Uhlenbruck
KO 11. Aufl. § 215 Rn. 2). Das ist hier, bezogen auf den Zeitpunkt der Annahme der
Erbschaft am 1.7.1996, nicht der Fall. Ausweislich des durch den Nachlaßpfleger zum
24~6.1996 erstellten Verzeichnisses beliefen sich die Aktiva des Nachlasses zu diesem
Zeitpunkt auf insgesamt 1.234.284,55 DM. Dabei wurde der Wert der Immobilien jeweils
mit dem (anteiligen? Kaufpreis angesetzt (zusammen 1.191.400 DM). Maßgebend für die
Bewertung von Nachlaßgegenständen im Rahmen der Überschuldungsprüfung ist der
jeweilige Liquidationswert (Kuhn/Uhlenbruck § 215 Rn. 2), d.h. hier der Wert, zu dem die
Immobilien veräußert werden konnten. Für dessen Ermittlung kann, auch unter
Berücksichtigung der Einwände der Beteiligten zu 3, auf die durch den beauftragten
Makler erstellte Liste vom 13.1.1997 über die voraussichtlich erzielbaren Verkaufserlöse
zurückgegriffen werden. Daraus errechnet sich ein Gesamtwert der in den Nachlaß
fallenden Immobilien beziehungsweise Miteigentumsanteile von 982.500 DM, ein
Gesamtwert der Aktiva von 1.024.384,55 DM.
Dem standen zwar Verbindlichkeiten laut Verzeichnis in Hohe von 987.135,46 DM
gegenüber. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß diese Verbindlichkeiten zu einem
erheblichen Teil Darlehen betrafen, die für den Erwerb der Immobilien aufgenommen und
durch entsprechende Grundpfandrechte an diesen abgesichert waren. Soweit die
Immobilien, wie überwiegend, zur Hälfte im Miteigentum der Beteiligten zu 1 standen,
waren nach den Feststellungen des Nachlaßpflegers, gegen die sich die Beteiligte zu 1
nicht gewandt hat, diese Verbindlichkeiten von ihr zur Hälfte zu tragen. Ein
entsprechender Anspruch gegen die Beteiligte zu 1 fällt in den Nachlaß. Er richtet sich
entweder darauf, bei der Befreiung von der Schuld mitzuwirken (Palandt/Heinrichs § 426
Rn. 4) oder, nach Begleichung der Schuld aus dem Nachlaß, auf hälftigen Ausgleich
gemäß
sind die um den Freistellungs- bzw. Ausgleichsanspruch geminderten Passiva gemäß
nachträglich bekannt gewordenen, aber am 1~7.1996 bereits entstandenen (vgl. § 36 Abs.
1 EStG) Einkommensteuerschulden des Erblassers für die Veranlagungszeiträume 1994
und 1995 gemäß den Steuerbescheiden vom 4.9.1997 und 28.1.19g8 (jeweils ohne
Zinsen und Verspätungszuschlag) in Höhe von 125.820 DM für den Veranlagungszeitraum
1994 und 194.356,34 DM für den Veranlagungszeitraum 1995. Die in den
Steuerbescheiden ausgewiesenen Verzugszinsen und Verspätungszuschläge sind, da
zum großen Teil erst nach dem 1.7.1996 entstanden, nur zu einem Teilbetrag zu
berücksichtigen. Der Gesamtbetrag der Passiva belauft sich daher auf ca. 920.000 DM.
Auch auf der Grundlage niedrigerer Verkehrswerte für die Immobilien verblieb somit am
Stichtag 1.7.1996 mit ca. 100.000 DM ein deutlicher Überschuß der Aktiva über die
Nachlaßverbindlichkeiten. Selbst wenn man die Pfichtteilsansprüche der Beteiligten zu 1
und 2 (
sich diese doch nur aus diesem Überschuß (
(2) Unter diesen Umständen durfte das Landgericht davon ausgehen, daß der Nachlaß,
auch bei Berücksichtigung von Wertschwankungen im einzelnen und der im Ergebnis
geringfügigen Zinsen, die für die Einkommensteuerschuld des Jahres 1994 bereits
angelaufen sein konnten, am 1.7.1996 nicht überschuldet
(3) Soweit eine Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Überschuldung in Betracht
kommt, bedarf es daher keiner Entscheidung darüber ob eventuelle fehlerhafte
Vorstellungen der Beteiligten zu 3 über den Wert der Immobilien überhaupt geeignet
waren, die Anfechtung zu rechtfertigen (BGB-RGRK/Johannsen 12. Aufl. § 1954 Rn. 4),
oder ob einschränkend nur Fehlvorstellungen in Betracht kommen, die sich auf die
Zugehörigkeit bestimmter Gegenstände zum Nachlaß oder dem Bestand bestimmter
Nachlaßverbindlichkeiten beziehen (MünchKomm/Leipold Rn. 7 und Staudinger/Otte Rn.
8, jeweils zu
dd) Zutreffend ist das Landgericht allerdings zu dem Ergebnis gekommen, daß eventuelle
Fehlvorstellungen der Beteiligten zu 3 über den Wert der zum Nachlaß gehörenden
Immobilien für sich die Anfechtung der Annahme nicht begründen können. Der Wert der
Nachlaßgegenstande als solcher stellt keine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinn von
Anfechtung schon deshalb keinen Erfolg haben, weil insoweit die Anfechtungsfrist (§ 1954
Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB) bereits verstrichen war. Der geringere Wert der
Immobilien war der Beteiligten zu 3 seit Januar 1997 bekannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte
ihr der Nachlaßpfleger eine Auflistung übermittelt, in welcher der beauftragte Makler die für
die Immobilien erzielbaren Verkaufspreise deutlich niedriger angegeben hatte als die
Werte r die im ursprünglichen Nachlaßverzeichnis angesetzt waren. Auch aus den von der
Beteiligten zu 3 selbst angeführten Verkaufsbemühungen hinsichtlich einer Wohnung
ergab sich, daß die vom Erblasser gezahlten Preise für die Immobilien nicht mehr zu
erzielen waren.
ee) Das Landgericht ist allerdings nicht darauf eingegangen, daß die Beteiligte zu 3 ihre
Anfechtung auch auf fehlende Kenntnis der Einkommensteuerschulden des Erblassers
gestützt hat. Ein Irrtum über das Bestehen solcher Verbindlichkeiten kann zwar
grundsätzlich die Anfechtung begründen. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß eine
einzelne Verbindlichkeit nur ein Rechnungsfaktor für die Bewertung der gesamten
Erbschaft und damit auch die Überschuldung ist, die nach herrschender Meinung ebenfalls
die Anfechtung der Annahme rechtfertigt. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, in
welchem Verhältnis diese beiden Gesichtspunkte in Bezug auf die Anfechtung der
Verkehrswesentlichkeit beim Eigenschaftsirrtum. Denn die Anfechtung greift hier im
Ergebnis jedenfalls deshalb nicht durch, weil nicht angenommen werden kann, daß die
Beteiligte zu 3 bei Kenntnis der Schulden und verständiger Würdigung die Erbschaft
ausgeschlagen hatte (§ 119 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB).
(1) Zu den Eigenschaften einer Sache rechnet zwar nicht der Wert der Sache selbst, aber
doch alle wertbildenden Merkmale, die die Sache unmittelbar kennzeichnen
(Palandt/Heinrichs § 119 Rn. 27). Geht es wie hier um die Eigenschaften einer
Sachgesamtheit, den Nachlaß, so stellt deren Zusammensetzung ein solches
wertbildendes Merkmal dar. Deshalb gehört es zu den wertbildenden Faktoren der
Erbschaft, mit welchen Verbindlichkeiten der Nachlaß belastet ist (MünchKomm/Leipold
Rn. 8, Staudinger/Otte Rn. 7, jeweils zu
wenn sich das Bestehen einer solchen Verbindlichkeit als verkehrswesentliches Merkmal
(§ 119 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB) darstellt und der Irrtum hierüber für die Erklärung der
Annahme ursächlich war (
Insoweit ist bei der Beurteilung von der Erbschaft als ganzes, d.h. als Zusammenfassung
aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten abzustellen. Deshalb können nur
wertbildende Faktoren von besonderem Gewicht als im Verkehr wesentlich angesehen
werden (Lange/Kuchinke Erbrecht 4. Aufl. § 8 VII 2 f). Die Verbindlichkeit muß daher eine
im Verhältnis zur gesamten Erbschaft erhebliche und für den Wert des Nachlasses
wesentliche Bedeutung haben.
Darüber hinaus muß anzunehmen sein, daß der Erbe bei Kenntnis der Verbindlichkeit und
verständiger Würdigung des Falles die Annahme nicht erklärt hätte (
Denn das Gesetz will nur dem verständlichen Interesse des Irrenden seinen Schutz
gewähren (BayObLG
wird aber in aller Regel nicht gegeben sein, wenn auch unter Berücksichtigung der
zunächst unbekannten Verbindlichkeit ein deutlicher Überschuß der Aktiva des
Nachlasses über die Passiva verbleibt. Denn es ist davon auszugehen, daß man im
allgemeinen bei verständiger Würdigung auch kleinere Erbschaften anzunehmen pflegt
(Staudinger/Otte § 1954 Rn. 9). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß
sich der Erbe trotz Kenntnis der Verbindlichkeit für eine Annahme entscheiden kann, weil
ihm die Möglichkeit einer Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß durch die
Beantragung von Nachlaßkonkurs oder Nachlaßverwaltung offensteht (vgl.
Staudinger/Otte aaO).
Schließlich muß auch in einem solchen Fall die Anfechtung binnen einer Frist von 6
Wochen erklärt werden, nachdem dem Erben die Verbindlichkeit bekannt geworden ist (§
1954 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 1 BGB).
(2) Nach diesen Grundsätzen kann die Beteiligte zu 3 ihre Anfechtung nicht auf einen
Irrtum über das Bestehen der Einkommensteuerschuld für das Jahr 1994 stützen. Diese
Verbindlichkeit in Höhe von 125.820 DM war ihr zwar im Zeitpunkt der Annahmeerklärung
unbekannt, da die Einkommensteuerschuld erst durch den Bescheid vom 4.9.1997
festgesetzt wurde. Jedoch hatte der Nachlaßpfleger im Termin vor dem Nachlaßgericht
am 12.11.1997 in Gegenwart des Verfahrensbevollmachtigten der Beteiligten zu 3 auf
diese Steuerschuld hingewiesen. Die Kenntnis ihres Verfahrensbevollmächtigten muß sich
die Beteiligte zu 3 zurechnen lassen (vgl. den Rechtsgedanken des
Palandt/Heinrichs § 166 Rn. 6). Daher war im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung am
11./12.2.1998 die Wochen-Frist gemäß
(3) Anderes gilt für die Einkommensteuerschuld für das Jahr 1995. Diese Verbindlichkeit in
Hohe von 194.356,34 DM ist erst durch Bescheid vom 29.1.1998 festgesetzt worden. Sie
war der Beteiligten zu 3 nach ihrem Vortrag, von dem mangels anderer Feststellungen des
Annahmeerklärung am 1.7.1996 nicht bekannt und ist ihr erst durch diesen
Festsetzungsbescheid bekannt geworden. Damit war im Zeitpunkt der
Anfechtungserklärung (11./12.2.1998) die Frist gemäß
abgelaufen.
(4) Gleichwohl hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht die Anfechtung der Annahme
nicht durchgreifen lassen. Denn auch wenn man davon ausgeht, daß der Beteiligten zu 3
das Bestehen der Steuerschulden im Zeitpunkt der Annahmeerklärung nicht bekannt war,
kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie bei Kenntnis der Sachlage und bei
verständiger Würdigung des Falles die Annahmeerklärung nicht abgegeben haben würde
(
Aus der Sicht einer voll informierten Person stellte sich die Sachlage im Zeitpunkt der
Annahmeerklärung (1.7.1996) wie folgt dar: Der Erblasser war Eigentümer bzw.
Miteigentümer verschiedener Immobilien, die er in den Jahren 1992 bis 1995 erworben
hatte. Legte man den jeweiligen Ankaufspreis zugrunde, so stellten diese Immobilien
zusammen mit dem vorhandenen Geldvermögen einen Wert von I.234.284,55 DM dar
(vgl. das Nachlaßverzeichnis des Nachlaßpflegers vom 24.10.1996). Dem standen zwar
Verbindlichkeiten in Hohe von 987.135,46 DM gegenüber. Diese Verbindlichkeiten
stammten jedoch überwiegend aus der Aufnahme von Darlehen zum Ankauf der
genannten Immobilien, wobei hinsichtlich des größten Teils eine Mithaft der Beteiligten zu
1 als hälftiger Miteigentümerin der Immobilien bestand. Es war daher damit zu rechnen,
daß diese Verbindlichkeiten von zusammen über 790.000 DM jeweils hälftig von den
Miteigentümern zu bedienen und zu tilgen sein wurden. Insoweit bestand im
Innenverhältnis ein Freistellungs-, bei Tilgung ein Ausgleichsanspruch gemäß
des Nachlasses gegen die Beteiligte zu 1. Wirtschaftlich gesehen reduzierten sich daher
die Verbindlichkeiten um ca. 395.000 DM. Sie erhöhten sich andererseits um die
Einkommensteuer, die noch für die Jahre 1994 und 1995 zu zahlen war, d.h. um ca.
340.000 DM (einschließlich Zinsen). Damit verblieb ein (möglicher) Reinnachlaßwert von
ca. 300.000 DM. Aus diesem waren die Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 1 und des
Beteiligten zu ~ zu berechnen, die sich auf die Hälfte dieses Wertes beliefen (6 2303
BGB).
Wirtschaftlich in Rechnung zu stellen war nun, daß sich ein Verkauf der Immobilien
schwieriger gestalten konnte und mit Preisabschlägen gerechnet werden mußte, ferner
daß bis zum Verkauf der Immobilien Zinsen auf die Darlehen anfallen würden.
Andererseits verminderten sich auch die Pflichtteilsansprüche, wenn sich herausstellen
sollte, daß die Immobilien
nicht den durch den Ankaufspreis ausgewiesenen Wert hatten. Schließlich bestand kein
Risiko für das eigene Vermögen des Annehmenden, da die Möglichkeit bestand (und
besteht), die Haftung als Erbe gegebenenfalls durch Beantragung der Nachlaßverwaltung,
äußerstenfalls des Nachlaßkonkurses und die Erhebung der Dürftigkeitseinrede (§ 1990
BGB) auf den Nachlaß zu beschränken. Unter diesen Umständen kann nicht davon
ausgegangen werden, daß ein vernünftig denkender Erbe zum damaligen Zeitpunkt die
Erbschaft ausgeschlagen und sich damit der Chance begeben hätte, eine im wesentlichen
risikolose Vermehrung des eigenen Vermögens zu erzielen.
3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde
ist nicht veranlaßt. Von der Anordnung der Erstattung von Kosten gemäß § 13 a Abs. 1
Satz 2 FGG sieht der Senat ab, weil die anderen Beteiligten im
Rechtsbeschwerdeverfahren nicht hervorgetreten sind (vgl. Keidel/Zimmermann FGG §
13a Rn. 161.
4. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30
Abs. 2 Satz 1 KostO. Die Beteiligte zu 3 erstrebt mit ihrem Rechtsmittel, nicht durch einen
derzeit gering, möglicherweise ist der Nachlaß inzwischen überschuldet. Das Ziel des
Rechtsmittels liegt damit in erster Linie in der Befreiung von der Erbenhaftung. Da der
Beteiligten zu 3 andererseits auch als Erbin die Möglichkeit einer Beschränkung der
Haftung auf den Nachlaß zur Verfügung steht, kann dieses Interesse wirtschaftlich nicht
exakt bewertet werden. Daher ist auf den Regelwert des
zurückzugreifen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BayObLG
Erscheinungsdatum:10.01.1999
Aktenzeichen:1Z BR 113/98
Erschienen in:
DNotI-Report 1999, 139
MittBayNot 1999, 571-574
MittRhNotK 1999, 153-155
NJW-RR 1999, 590-593
BGB §§ 1954, 1943, 119