OLG München 11. Juni 2012
34 Wx 115/12
GBO § 22; BGB §§ 883, 885, 163

Löschung einer Rückerwerbsvormerkung durch Unrichtigkeitsnachweis; Löschung bei Befristung der Vormerkung selbst

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Dokumentnummer: 34wx115_12
letzte Aktualisierung: 21.6.2012
OLG München, 11.6.2012 - 34 Wx 115/12
GBO § 22; BGB §§ 883, 885, 163
Löschung einer Rückerwerbsvormerkung durch Unrichtigkeitsnachweis; Löschung bei
Befristung der Vormerkung selbst
1. Wird nur ein befristetes Recht (hier: Rückauflassungsvormerkung) zur Eintragung
bewilligt, ist die Befristung (Tod des Berechtigten) selbst in den Eintragungsvermerk
aufzunehmen; eine Bezugnahme ist unzulässig. Wenn wegen fehlender Aufnahme der
Befristung in den Eintragungsvermerk ein unbefristetes Recht in das Grundbuch eingetragen
ist, entsteht materiell-rechtlich lediglich ein befristetes Recht.
2. In einem derartigen Fall kann das Grundbuchamt die Vormerkung allein aufgrund
Todesnachweises löschen. Auf die Fragen zur Wiederaufladbarkeit einer Vormerkung kommt
es in diesem Zusammenhang nicht an.


Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München Grundbuchamt - vom 1. März 2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im Grundbuch (Zweite Abt. lfd. Nr. 7) war eine Rückauflassungsvormerkung zugunsten
Therese S. gemäß Bewilligung vom 17.11.1995 für den Hälfteanteil der ursprünglichen
Miteigentümerin Monika S. eingetragen. In der maßgeblichen notariellen Urkunde hatte
Therese S. die beiden Hälfteanteile an ihren Sohn, den Beteiligten zu 1, und an ihre Tochter
Monika S. übertragen und sich die jeweilige Rückübereignung unter bestimmten
Voraussetzungen vorbehalten. Zur Sicherung dieser bedingten Ansprüche wurde (je) eine
Vormerkung,
"deren Sicherungswirkung jeweils mit dem Tod des Berechtigten endet",
bewilligt und am 21.12.1995 im Grundbuch eingetragen.
Das Grundbuchamt hat anlässlich der Veräußerung des Miteigentums von Monika S. an die
Beteiligte zu 2 die Vormerkung an deren Hälfteanteil am 29.11.2011 antragsgemäß gelöscht.
Vorgelegt wurde ihm dazu die notariell beglaubigte Ablichtung aus dem Sterbebuch, wonach
die Berechtigte am 9.4.2011 verstorben war.
Mit Schreiben vom 28.2.2012 wandte sich der Beteiligte zu 1, der als Erbe seiner Mutter
Therese S. in Betracht kommt, an das Grundbuchamt mit dem Begehren, die Löschung der
Rückauflassungsvormerkung rückgängig zu machen. Die Löschung sei rechtswidrig gewesen,
weil er dieser als Erbe nicht zugestimmt habe. Die Löschungsvoraussetzung sei im
Grundbuch selbst nicht eingetragen gewesen, der Todesnachweis allein sei somit nicht
ausreichend. Eine Ausnahme vom Bewilligungsgrundsatz komme nicht in Betracht. Ferner
werde beantragt, einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs einzutragen,
soweit es das auf ihn übergegangene Recht der Rückauflassungsvormerkung betreffe.
Das Grundbuchamt hat die Anträge mit Beschluss vom 1.3.2012 zurückgewiesen. Es sei zwar
richtig, dass die Befristung des eingetragenen Rechts aus dem Grundbuch selbst ersichtlich
sein müsse, dies nicht der Fall gewesen und eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung
genommen, sei aber gleichwohl ein befristetes Recht entstanden. Demgemäß sei die
Rückauflassungsvormerkung auf die Lebensdauer der Berechtigten befristet gewesen und das
Grundbuchamt habe beim Vollzug des Löschungsantrags auch die Befristung des Rechts aus
der Bewilligungsurkunde entnehmen können, da diese die Grundlage der
Grundbucheintragung vom 21.12.1995 gebildet habe. Die Löschung der Vormerkung
aufgrund Unrichtigkeitsnachweises gemäß § 22 GBO habe deshalb ohne Bewilligung des
Erben vorgenommen werden können.
Weil bei der Löschung des Rechts keine gesetzlichen Vorschriften verletzt worden seien, das
Grundbuch auch nicht unrichtig geworden sei, seien die Eintragung eines Amtswiderspruchs
sowie die Wiedereintragung der Rückauflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 1
weder erforderlich noch möglich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1 mit dem Hinweis auf die mögliche
Wiederaufladung der Vormerkung. Das Grundbuchamt habe nicht davon ausgehen dürfen,
dass das betroffene Recht tatsächlich erloschen sei. Auf die Grundakten, insbesondere auf die
Eintragungsbewilligung vom 17.11.1995, habe das Grundbuchamt nicht zurückgreifen dürfen.
Die Klärung der materiellen Rechtslage müsse dem Verfahren nach § 894 BGB vorbehalten
bleiben.
Vorsorglich werde die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.
Die vom Senat angehörte, seit 3.1.2012 eingetragene Miteigentümerin (Beteiligte zu 2) ist
dem Antrag entgegengetreten.
II.
Die Beschwerde bleibt erfolglos.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 71, 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG), jedenfalls
insoweit, als es auf die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung der
Vormerkung gerichtet ist (vgl. § 71 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO). Hingegen
kann das Grundbuchamt nicht angewiesen werden, die Löschung als solche rückgängig zu
machen. Dem steht § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO entgegen, wonach gegen Eintragungen, auch
Löschungen (Demharter GBO 28. Aufl. § 71 Rn. 36 und 49), nicht die Wiedereintragung
verlangt werden kann. Die Eintragung eines Amtswiderspruchs steht in jedem Fall unter den
Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO (Demharter § 71 Rn. 49).
Richtet sich die Beschwerde, wie hier, gegen die Zurückweisung eines Antrags auf
Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO), ist weiter zu beachten, dass nur beschwerdeberechtigt
ist, wer, falls die Eintragung unrichtig wäre, nach § 894 BGB einen Anspruch auf
Berichtigung des Grundbuchs hätte, zu dessen Gunsten also der Widerspruch gebucht werden
müsste (h. Rspr.; z. B. OLG Hamm FGPrax 1996, 210; Demharter § 71 Rn. 69 m.w.N.; ferner
auch ohne förmlichen Erbennachweis, zu. Denn es besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass
sein aus der Rechtsnachfolge der Erblasserin abgeleitetes Recht an dem Sicherungsmittel - der
Vormerkung - durch die ohne seine Bewilligung (§ 19 GBO) vorgenommene Löschung
beeinträchtigt ist.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Das Grundbuchamt war nicht gehindert - im Gegensatz sogar dazu verpflichtet -, den Inhalt
der Vormerkung sowohl auf der Grundlage der Eintragung im Grundbuch als auch in
Verbindung mit der in der Eintragung in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung (§ 874
BGB) auszulegen (vgl. OLG Hamm NZM 2012, 318). Es ist hierbei zum Ergebnis gelangt,
dass das Recht auf die Lebenszeit der eingetragenen Berechtigten befristet war (§ 163 BGB).
Dies ergibt sich auch für den Senat als Tatsacheninstanz (§ 74 GBO) zweifelsfrei aus dem
ausdrücklichen Zusatz, dass die Sicherungswirkung der Vormerkung jeweils mit dem Tod des
Berechtigten endet. Wird nur ein befristetes Recht zur Eintragung bewilligt, ist die Befristung
selbst in den Eintragungsvermerk aufzunehmen; eine Bezugnahme nach § 874 BGB (§ 44
Abs. 2 GBO) ist unzulässig (OLG Schleswig FGPrax 2010, 280/281; Palandt/Bassenge BGB
71. Aufl. § 874 Rn. 3 und 5). Wenn wegen fehlender Aufnahme der Befristung in den
Eintragungsvermerk ein unbefristetes Recht in das Grundbuch eingetragen ist (§ 873 BGB),
entsteht materiell-rechtlich lediglich ein befristetes Recht, weil sich Einigung und Eintragung
nur insoweit decken (BGH FGPrax 2011, 163/164; Palandt/Bassenge § 873 Rn. 12; § 874
Rn. 5). Soweit über die dingliche Einigung hinaus ein unbedingtes Recht eingetragen ist, liegt
teilweise Grundbuchunrichtigkeit vor (siehe BGH NJW 1990, 112/114 unter 3.a; BayObLG
NJW-RR 1998, 1025; OLG Hamm NZM 2012, 318/319).
Es kann nun dahinstehen, ob bei anfänglicher Unrichtigkeit unter Berücksichtigung der
materiellen Rechtslage, nämlich der Befristung der Rückauflassungsvormerkung selbst, das
Grundbuchamt einen Widerspruch (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO) hätte eintragen müssen. Das
Grundbuchamt hat jedenfalls allein aufgrund Todesnachweises zu Recht die Löschung
vorgenommen, weil es auf das Bestehen oder Nichtbestehen des durch die Vormerkung
gesicherten Anspruchs ebenso wenig wie auf eine etwaige Wiederaufladung der Vormerkung
noch ankam. Denn die bewilligte Befristung führt ohne Weiteres zum Untergang des Rechts
(vgl. auch BayObLG Rpfleger 1998, 334; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 266,
276) und damit zur Grundbuchunrichtigkeit (vgl. § 22 Abs. 1 GBO).
3. Nach § 84 FamFG sind dem Beteiligten zu 1 die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten
Rechtsmittels aufzuerlegen. Besondere Umstände, von dieser gesetzlichen Kostenfolge
abzuweichen, sind nicht vorhanden. Die Kostenentscheidung umfasst neben den gerichtlichen
Kosten des Beschwerdeverfahrens auch die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 2.
Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO
und orientiert sich am - nicht näher bewertbaren - Interesse an der fortbestehenden
Sicherungswirkung.
4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 Abs. 2 GBO)
liegen nicht vor. Insbesondere kommt es nach den vorstehenden Ausführungen auf die
2000, 805; dazu jeweils Demharter MittBayNot 2008, 214 und MittBayNot 2000, 106) nicht
an.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

11.06.2012

Aktenzeichen:

34 Wx 115/12

Rechtsgebiete:

Vormerkung
Grundbuchrecht

Erschienen in:

ZEV 2012, 428-429

Normen in Titel:

GBO § 22; BGB §§ 883, 885, 163