BFH 20. November 2024
VI R 21/22
EStG §§ 8 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ErbStG §§ 13a, 13b, 19a

Schenkweise Übertragung von Geschäftsanteilen auf leitende Mitarbeiter; keine Besteuerung als Arbeitslohn bei Schenkung zur Sicherung der Unternehmensnachfolge; fehlende Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis

letzte Aktualisierung: 20.2.2025
BFH, Urt. v. 20.11.2024 – VI R 21/22

EStG §§ 8 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ErbStG §§ 13a, 13b, 19a
Schenkweise Übertragung von Geschäftsanteilen auf leitende Mitarbeiter; keine
Besteuerung als Arbeitslohn bei Schenkung zur Sicherung der Unternehmensnachfolge;
fehlende Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis

Die schenkweise Übertragung von Geschäftsanteilen auf leitende Mitarbeiter zur Sicherung der
Unternehmensnachfolge führt nicht ohne Weiteres zu Arbeitslohn.

Entscheidungsgründe

II.
Die Revision des FA ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der in der schenkweisen Übertragung der Beteiligung an der GmbH liegende Vorteil keinen Arbeitslohn der Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellt.

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) -- neben Gehältern und Löhnen‑‑ auch andere Bezüge und Vorteile in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EStG), die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).

a) Der hiernach für das Vorliegen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zunächst erforderliche geldwerte Vorteil liegt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats insbesondere im Falle der Übertragung einer Beteiligung nicht in der übertragenen Beteiligung selbst. Er besteht ‑‑soweit der Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung in Rede steht‑‑ vielmehr in der Verbilligung, also in dem Preisnachlass. Der Erwerb einer solchen Beteiligung zum marktüblichen Preis kann hingegen keinen geldwerten Vorteil in diesem Sinne bewirken (zuletzt Senatsurteil vom 14.12.2023 - VI R 1/21, BStBl II 2024, 387, Rz 22, m.w.N.).

b) Arbeitslohn setzt des Weiteren voraus, dass der betreffende geldwerte Vorteil für eine Beschäftigung gewährt wird, also durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist, ohne dass ihm eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn der Vorteil dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließt und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellt (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 01.09.2016 - VI R 67/14, BFHE 255, 125, BStBl II 2017, 69, Rz 20, m.w.N.). Arbeitslohn kann dabei auch in der Zuwendung eines Dritten bestehen, wenn diese ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll (Senatsurteil vom 01.09.2016 - VI R 67/14, BFHE 255, 125, BStBl II 2017, 69, Rz 21, m.w.N.). Dagegen liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (Senatsbeschluss vom 21.06.2022 - VI R 20/20, BFHE 277, 338, BStBl II 2023, 87, Rz 12, m.w.N.).

c) Ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu beurteilen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG; dies gilt auch für die Zuwendung durch einen oder an einen Dritten. Denn ob der entsprechende Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten sind insoweit unerheblich. Entscheidend sind die vorgefundenen objektiven Tatumstände, die vom FG als Tatsacheninstanz eigenständig zu würdigen sind (Senatsbeschluss vom 26.06.2014 - VI R 94/13, BFHE 246, 182, BStBl II 2014, 864, Rz 23, m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben hält die vom FG vorgenommene Würdigung rechtlicher Nachprüfung stand. Es hat eine Gesamtwürdigung vorgenommen, die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist (hierzu z.B. Senatsurteile vom 12.02.2009 - VI R 32/08, BFHE 224, 314, BStBl II 2009, 462 und vom 21.01.2010 - VI R 2/08, BFHE 228, 80, BStBl II 2010, 639, Rz 11, jeweils m.w.N.). Im Streitfall ist die Würdigung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das FG hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der verbilligte Erwerb einer Beteiligung (s. Senatsurteil vom 07.05.2014 - VI R 73/12, BFHE 245, 230, BStBl II 2014, 904) ‑‑im Streitfall eines GmbH-Anteils‑‑ zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 EStG führen kann, wenn der Vorteil hieraus dem Arbeitnehmer "für" seine Arbeitsleistung gewährt wird.

b) Das FG hat des Weiteren zutreffend erkannt, dass (ausnahmsweise) auch ein dem Arbeitnehmer nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch einen Dritten (hier durch die Gesellschafter der Arbeitgeberin) eingeräumter Vorteil zu Arbeitslohn führen kann, wenn sich die Leistung des Dritten für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber ‑‑das heißt als Ertrag für die in der Vergangenheit erbrachten oder in Zukunft zu erbringenden Dienste‑‑ darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (Senatsurteil vom 16.12.2022 - VI R 53/18, Rz 25, m.w.N.). Dies hat das FG im Wege einer Gesamtwürdigung verneint, was unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nicht nur möglich, sondern offensichtlich naheliegend ist und keine Rechtsfehler erkennen lässt.

aa) Auch wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt, ist sie durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Das FG hat überzeugend darauf abgestellt, dass entscheidendes Motiv für die Übertragung für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge war. Dies hat im Vertrag durch die darin in § 9 Abs. 2 vereinbarte erbschaftsteuerliche Rückfallklausel jedenfalls mittelbar Niederschlag gefunden und kommt daneben im Protokoll der von A und B in 2013 abgehaltenen Gesellschafterversammlung klar zum Ausdruck. Entsprechend ihrem Nachfolgekonzept haben A und B ihren Sohn zwar mit 74,61 % als Hauptanteilseigner bedacht, zugleich aber dafür Sorge getragen, dass die in der Geschäftsleitung des Unternehmens erfahrene Klägerin und die weiteren leitenden Angestellten mit zusammen 25,39 % der Anteile über die Sperrminorität verfügen und dadurch maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen können.

Die Wertung, dass durch die Einbindung der fähigsten Mitarbeiter in den Gesellschafterbestand der Fortbestand und die Weiterentwicklung der Gesellschaft im Wege der Unternehmensnachfolge gesichert werden soll, stellt auch das FA nicht in Frage. Die fachliche Kompetenz für die Unternehmensleitung, die die Nachfolger, durch ihre (jahrelange) Mitarbeit in dem Unternehmen gezeigt haben, ist bei einer Unternehmensnachfolge ein durchaus essentielles Kriterium (s. Daragan, Recht der Familienunternehmen ‑‑RFamU‑‑ 2022, 530; Deutschlands nächste Unternehmergeneration 6. Studie der Stiftung Familienunternehmen, 2023, S. 38). Entsprechend sind bei einer Unternehmensnachfolge, die die Übernahme von Leitungsaufgaben voraussetzt, die Nachfolger regelmäßig bereits vor der Anteilsübertragung in dem Unternehmen tätig (s. Daragan, RFamU 2022, 530). Der Sachgrund der Übertragung ist in diesem Fall die Regelung der Unternehmensnachfolge. Vor dem Hintergrund der Förderung der Unternehmensnachfolge durch die §§ 13a, 13b und 19a ErbStG muss dies auch gelten, wenn der Nachfolger nicht der Unternehmerfamilie angehört (ebenso Daragan, RFamU 2022, 530). Die Gewährung der steuerlichen Verschonung nach §§ 13a, 13b und 19a ErbStG durch das zuständige FA wurde vorliegend in § 9 Abs. 2 des Vertrags ausdrücklich zur Vertragsgrundlage erklärt. Insoweit geht es auch ‑‑anders als das FA meint‑‑ nicht nur um eine subjektive Einschätzung der Beteiligten (hierzu Senatsbeschluss vom 26.06.2014 - VI R 94/13, BFHE 246, 182, BStBl II 2014, 864, Rz 25).

bb) Dass der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil in diesem Fall nach Ansicht des FG (auch) keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste darstellt, ist revisionsrechtlich daher nicht zu beanstanden (Arbeitslohn in einer solchen Situation verneinend auch FG Bremen, Urteil vom 27.01.2022 - 1 K 152/21 (5), RFamU 2022, 327, Rz 69 und 74).

Gestützt wird dies zum einen durch den Umstand, dass die Anteilsübertragungen vorliegend nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft wurden; zum anderen dadurch, dass der bei der Klägerin ‑‑und ebenso bei den anderen Beschenkten‑‑ vom FA angenommene Vorteil in Höhe von … € im Vergleich zu deren Bruttoarbeitslöhnen (der Arbeitslohn der Klägerin betrug im Streitjahr … €) deutlich aus dem Rahmen fällt. Warum A und B als Dritte trotz ihres eigenen Ausscheidens aus der GmbH der Klägerin sowie den weiteren leitenden Angestellten allein für ihre in der Vergangenheit geleisteten Dienste eine solche Summe zukommen lassen sollten, ist nicht erkennbar. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall maßgeblich von dem Sachverhalt, der dem Senatsbeschluss vom 30.12.2004 - VI B 67/03 (BFH/NV 2005, 702) zugrunde lag. Denn dort hatte das FG im Zuge der Bejahung von Arbeitslohn entscheidend darauf abgestellt, dass es um die zukünftige Bindung und Erprobung des dortigen Klägers ging, von dessen Fähigkeiten als Geschäftsführer und Sanierer der Unternehmensgruppe sich die Altgesellschafter erst hätten überzeugen wollen. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, warum A und B ihre leitenden Angestellten trotz sehr unterschiedlicher Beschäftigungsdauer und unterschiedlicher Gehälter mit nämlichen Beteiligungen einheitlich "entlohnen" sollten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

20.11.2024

Aktenzeichen:

VI R 21/22

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer
Erbschafts- und Schenkungsteuer

Normen in Titel:

EStG §§ 8 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ErbStG §§ 13a, 13b, 19a