OLG Koblenz 12. März 2024
3 U 970/23
BGB §§ 894, 1026; ErbbauRG § 1

Abschreibung einer Nebenfläche des Erbbaugrundstücks; Erlöschen des Erbbaurechts

letzte Aktualisierung: 8.7.2024
OLG Koblenz, Urt. v. 12.3.2024 – 3 U 970/23

BGB §§ 894, 1026; ErbbauRG § 1
Abschreibung einer Nebenfläche des Erbbaugrundstücks; Erlöschen des Erbbaurechts

1. Ein Erbbaurecht erlischt entsprechend § 1026 BGB, wenn eine nicht von der Ausübung erfasste
Nebenfläche später vom Erbbaugrundstück abgeschrieben wird und sich die Ausübung des
Erbbaurechts auf das verselbstständigte Teilgrundstück nicht erstreckt.
2. Voraussetzung für das Freiwerden des verselbstständigten Teilgrundstücks von dem Erbbaurecht
ist – neben der erfolgten Teilung des ursprünglichen Grundstücks –, dass der Inhaber des
Erbbaurechts gehindert ist, das Teilgrundstück in Anspruch zu nehmen, weil es außerhalb des
Ausübungsbereichs des Erbbaurechts liegt.
3. Das Rechtsmittelgericht hat die Kosten des Rechtsstreits unter den Parteien nach dem Verhältnis
des endgültigen Obsiegens und Unterliegens zu verteilen. Legt nur ein Streitgenosse Berufung ein,
kann das Berufungsgericht im Rechtsmittelverfahren die vorinstanzliche Kostenentscheidung
insgesamt auch insoweit überprüfen und abändern, als sie einen im Berufungsverfahren nicht mehr
beteiligten Streitgenossen betrifft (Anschluss an BGH, Urteil vom 14.07.1981, VI ZR 35/79; OLG
Frankfurt, Urteil vom 02.09.2005, 2 U 32/01).

Gründe

I.
Die Parteien streiten u. a. um die Löschungsbewilligung eines im Grundbuch eingetragenen
Erbbaurechts hinsichtlich der Nutzung eines Kellers sowie um die Zahlungspflicht der
Entwässerungskosten für die betreffenden Grundstücke.

Die Klägerin ist alleinige Eigentümerin des Grundstücks lfd. Nr. […], Flur […], Flurstück
421/4, eingetragen im Grundbuch von […], Amtsgericht […], Blatt […]. Dieses Grundstück ist
gemeinsam mit dem Flurstück 421/3 aus einer Teilung des ehemaligen Flurstücks 431/1 im Jahr
2006 hervorgegangen. Im Grundbuch und im zugehörigen Erbbaugrundbuch […], Amtsgericht
[…], Blatt […] war bei Rechtshängigkeit der Klage hinsichtlich des Grundstücks der Klägerin
Flurstück 421/4 sowie hinsichtlich der Grundstücke lfd. Nr. […] und […], Flur […], Flurstücke
421/3 und 421/2, deren Eigentümerin ebenfalls die Klägerin neben dem Kläger und weiteren
Erben ist, jeweils in Abteilung II, lfd. Nr. 1 folgendes Recht eingetragen: „Veräußerliches und
vererbliches Recht […], unter der Oberfläche des Grundstücks Flur […] Nr. 421/1 und 421/2
einen 60 qm großen Keller zu haben, an der Stelle, welche in dem den Anlegungsakten A 575
beiliegenden Messbrief des Geometers […] in […] vom 18./19.05.1902 näher angegeben ist.
Dieses Recht ist begründet durch den Privatvertrag de dato […], am 20.07.1864 und hat Rang
vom letztgenannten Datum ab.“

Gegenstand des geltend gemachten Löschungsanspruchs im Berufungsverfahren ist aufgrund
entsprechender Beschränkung der Berufung sowie nach Rücknahme der Berufung des Klägers
(vgl. Schriftsatz vom 20.11.2023, Bl. 54 eAkte OLG) nur noch das im Alleineigentum der
Klägerin stehende Grundstück Flur […], Flurstück 421/4.

Des Weiteren verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung entrichteter Beiträge
zur Niederschlagswasserbeseitigung über die bereits in dem angefochtenen Urteil
zugesprochenen 86,72 € hinaus in Höhe von weiteren 2.541,76 € betreffend sämtlicher
Grundstücke Flur […], Flurstücke 421/2, 421/3 und 421/4 sowie die Feststellung einer
zukünftigen Ersatzpflicht in Höhe von 100 %.

Einer Darstellung weiterer tatsächlicher Feststellungen i. S. d. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO
bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, §§ 540
Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 543, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise, bezogen auf die begehrte
Löschungsbewilligung des Erbbaurechts, Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung
der Löschungsbewilligung durch den Beklagten für das zu seinen Gunsten bzw. zu Gunsten der
Nebenintervenientin im Grundbuch von […], Amtsgericht […], Blatt […] in Abteilung II, lfd.
Nr. 1 eingetragene Erbbauchrecht bezogen auf das Grundstück lfd. Nr. […], Flur […],
Flurstück 421/4. Der Antrag der Klägerin ist ausreichend bestimmt (1.). Der Beklagte ist trotz
der nach Rechtshängigkeit erfolgten Veräußerung weiterhin passivlegitimiert (2.).
Anspruchsgrundlage für die Löschungsbewilligung ist § 894 BGB, dessen Voraussetzungen hier
vorliegen (3.). Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, weil der Klägerin gegen den Beklagten
im Zusammenhang mit den Entwässerungskosten keine weiteren (Zahlungs-)Ansprüche
zustehen (4.).

Im Einzelnen:

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Berufungsantrag zu I. 1. der Klägerin (vgl.
Berufungsbegründung vom 02.10.2023, Bl. 28 ff. eAkte OLG) nicht mangels hinreichender
Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

a) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret
bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO)
absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322
ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens der Klägerin nicht durch vermeidbare
Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem
Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, Urteil
vom 21.11.2017, II ZR 180/15, juris Rn. 8; Urteil vom 14.12.1998, II ZR 330/97; Urteil vom
13.10.2015, VI ZR 271/14; Urteil vom 02.12.2015, IV ZR 28/15).

b) Gemessen an diesem Maßstab erfüllt der von der Klägerin gestellte Antrag zu I. 1. die nach
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheitserfordernisse. Insbesondere verwendet er
keine auslegungsbedürftigen Begriffe, über deren Inhalt zwischen den Parteien Zweifel
bestehen.

Die Formulierung, wonach beantragt wird, die Löschung gegenüber dem „jeweiligen
Eigentümer“ zu bewilligen, ist nicht zu beanstanden. Die Eigentümerstellung der Klägerin ist
unstreitig. Hinsichtlich des Inhalts des Begriffs „jeweiliger Eigentümer“ besteht mithin zwischen
den Parteien kein Zweifel. Durch die Formulierung wird lediglich klargestellt, dass die
Löschungsbewilligung auch gegenüber etwaigen Rechtsnachfolgern der Klägerin abzugeben ist.
Mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren ist nicht zuletzt vor dem
Hintergrund, dass sich die Eigentümerstellung an Hand des Grundbuchs nach § 892 BGB stets
nachvollziehen lässt, nicht zu rechnen.

2. Der Beklagte ist passivlegitimiert.

Dem steht nicht entgegen, dass er das Erbbaurecht nach Rechtshängigkeit an die
Nebenintervenientin rechtsgeschäftlich übertragen hat und diese zwischenzeitlich im
Grundbuch eingetragen wurde. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ändert sich hierdurch an seiner
Parteistellung nichts (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 265 ZPO, Rn. 6).
Der Beklagte ist kraft Gesetzes Prozessstandschafter der Nebenintervenientin geworden (BGH,
Urteil vom 14.09.2018, V ZR 267/17, juris Rn. 7).

Die Klägerin war auch nicht gehalten, die Klage nach § 264 Nr. 3 ZPO umzustellen. Denn sie
kann nach §§ 727, 731 ZPO gegen die Nebenintervenientin aus dem Urteil vollstrecken
(Zöller/Greger, a. a. O., § 265 ZPO, Rn. 6b, m. w. N.).

3. Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Bewilligung der Löschung des
Erbbauchrechts folgt aus § 894 BGB. Denn das Grundbuch ist diesbezüglich unrichtig. Dabei
steht im Berufungsverfahren fest, dass das zu Gunsten des Beklagten im Grundbuch
eingetragene Erbbaurecht zur Unterhaltung des Kellers wirksam entstanden und an ihn
übertragen wurde (a)). Das Grundstück der Klägerin lfd. Nr. […], Flur […], Flurstück 421/4,
welches unstreitig durch Teilung des ehemaligen Flurstücks 421/1 entstanden ist, wurde
aufgrund der Teilung jedoch von der Erbbaulast frei, weil es von dem Keller nicht berührt wird
und damit außerhalb des Ausübungsbereichs des Erbbaurechts liegt. Dies folgt aus einer
entsprechenden Anwendung von § 1026 BGB (b)). Auf eine etwaige Verletzung der
Hinweispflicht des Landgerichts und einer damit verbundenen behaupteten Verletzung des
rechtlichen Gehörs kommt es daher nicht an (c)).

a) Das Landgericht hat festgestellt, dass das Erbbaurecht zur Unterhaltung des Kellers wirksam
entstanden ist und auf den Beklagten rechtsgeschäftlich übertragen wurde. Der privatschriftliche
Vertrag vom 20.07.1864 (Anlage B 3, Bl. 108 ff. Papierakte LG) sei nicht wegen
Formunwirksamkeit nichtig. Der Entstehung des Erbbaurechts stehe nicht entgegen, dass sich
dieses lediglich auf einen Teil des Grundstücks beziehe. Dieses sei auch weder wegen einer
faktischen Aushöhlung des Eigentumsrechts noch wegen eines unverhältnismäßigen
Missverhältnisses zwischen Kosten und Nutzen nach § 138 BGB sittenwidrig. Die im Jahr 1902
erfolgte Eintragung im Grundbuch (vgl. zur Transkription das Gutachten des Sachverständigen
Streicher vom 13.05.2022, Bl. 403 ff. Papierakte LG) sei auf Überführung des Rechts in die
Rechtsordnung des BGB gerichtet gewesen und habe keiner vormundschaftsgerichtlichen
Zustimmung gemäß § 1643 Abs. 1 i. V. m. § 1850 Nr. 1 BGB bedurft. Schließlich sei die
rechtsgeschäftliche Übertragung mit notariellem Vertrag vom 18.09.1935 (Anlage K 5 zur
Klageschrift vom 11.12.2018, Anlagenband Papierakte LG) und anschließend vom 07.05.1979
(Anlage B 1, Bl. 59 ff. Papierakte LG) an den Beklagten nicht zu beanstanden.

Der Senat nimmt insofern Bezug auf die ausführliche und überzeugende Begründung in dem
angefochtenen Urteil und macht sich diese zu eigen. Diese wird mit der Berufung auch nicht
angegriffen.

b) Entsprechend § 1026 BGB ist das Grundstück der Klägerin lfd. Nr. […], Flur […], Flurstück
421/4 aufgrund der Teilung des ehemaligen Flurstücks 421/1 und der Tatsache, dass es
außerhalb des Ausübungsbereichs des Erbbaurechts liegt, von diesem freigeworden.

aa) Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, der sich der Senat
anschließt, erlischt das Erbbaurecht entsprechend § 1026 BGB, wenn eine nicht von der
Ausübung erfasste Nebenfläche später vom Erbbaugrundstück abgeschrieben wird und sich die
Ausübung des Erbbaurechts auf das verselbstständigte Teilgrundstück nicht erstreckt (OLG
Hamm, Beschluss vom 07.06.2005, 15 W 158/05, juris Rn. 15; Staudinger/Weber (2017) BGB,
§ 1026 Rn. 3; Bauer/Schaub, Grundbuchordnung, 5. Auflage 2023, F. Erbbaurecht,
Wohnungserbbaurecht, Rn. 174 und 34; BeckOK BGB/Maaß, 68. Ed. 01.11.2023, ErbbauRG
§ 1 Rn. 26; Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, Band 3: Sachenrecht, 5. Auflage 2022,
BGB § 1026 Rn. 1, 2; Demharter, GBO, 33. Auflage 2023, Anh. § 8 Rn. 13).

(1) Dies folgt bereits aus § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG, wonach auf das Erbbaurecht die sich
auf Grundstücke beziehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 925, 927, 928 BGB sowie die
Vorschriften über Ansprüche aus dem Eigentum entsprechende Anwendung finden, soweit sich
nicht aus dem Erbbaurechtsgesetz ein anderes ergibt. Diese Verweisung umfasst auch die
entsprechende Anwendung des § 1026 BGB (MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, ErbbauRG § 11
Rn. 39; Nagel/Götting, 1. Aufl. 2022, ErbbauRG § 11 Rn. 146; Heller, Erbbaurechtsgesetz, § 11
Rn. 21).

(2) Die entsprechende Anwendung des § 1026 BGB ist vorliegend auch sachgerecht.
Für Grunddienstbarkeiten enthalten § 1026 BGB und § 1025 BGB nähere, jedoch nicht
abschließende Regelungen für den Fall der Teilung des dienenden bzw. herrschenden
Grundstücks. Eine Grunddienstbarkeit kann nur entstehen und weiterhin bestehen, wenn sie für
das herrschende Grundstück einen Vorteil bietet. Der Vorteil ist eine materiell-rechtliche
Entstehungsvoraussetzung der Grunddienstbarkeit. Mit dem Vorteil steht und fällt die
Grunddienstbarkeit. § 1025 Satz 2 BGB bestätigt diesen Grundsatz für den Fall, dass der Vorteil
nach Teilung des herrschenden Grundstücks nur noch für einen Teil fortbesteht. Umgekehrt
legt § 1026 BGB fest, dass der Teil, auf dem die Grunddienstbarkeit nicht mehr ausgeübt
werden kann, von der Belastung frei wird (BeckOGK/Kazele, 01.11.2023, BGB § 1026 Rn. 2-
4).

Für das Erbbaurecht besteht im Erbbaurechtsgesetz eine vergleichbare Regelung nicht.
Gleichwohl ist es nach allgemeiner Auffassung zulässig, mit dinglicher Wirkung die Ausübung
des Erbbaurechts auf einen Teil des belasteten Grundstücks zu beschränken, mit der Folge, dass
dann die materiell-rechtliche Belastung und die reale Ausübung auseinanderfallen.
Belastungsgegenstand ist das Grundstück in seiner Gänze, der Inhalt des Erbbaurechts
beschränkt sich aber auf eine Teilfläche (BeckOGK/Toussaint, 01.12.2023, ErbbauRG § 1
Rn. 44).

In einem solchen Fall ist die nachträgliche Abschreibung und rechtliche Verselbstständigung des
von der Rechtsausübung nicht betroffenen Grundstücksteils mit der in § 1026 BGB geregelten
Teilung eines mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks vergleichbar.

bb) Voraussetzung für das Freiwerden des Grundstücks der Klägerin Flur […], Flurstück 421/4,
von dem Erbbaurecht ist – neben der unstreitig erfolgten Teilung des ursprünglichen
Grundstücks Flurstück 421/1 –, dass der Beklagte gehindert ist, das Grundstück in Anspruch zu
nehmen, weil es außerhalb des Ausübungsbereichs des Erbbaurechts liegt (Bauer/Schaub, a. a.
O., C. Zweite Abteilung des Grundbuchs, Rn 388, 389).

Dies ist vorliegend der Fall.

(1) Der gerichtlich bestellte Sachverständige […] hat in seinem Gutachten vom 27.01.2021 (Bl
231 ff. Papierakte LG) festgestellt, dass sich der Keller nicht auf das klägerische Grundstück
Flurstück 421/4 erstreckt. Insofern wird auf den dem Gutachten beigefügten Übersichtsplan
(Bl. 256 Papierakte LG) Bezug genommen.

Der Sachverständige hat ausführlich und überzeugend dargelegt, wie er zu diesem von ihm
gefundenen Ergebnis gelangt ist. Der Senat hat keinerlei Anlass, an der Richtigkeit dieser
Ausführungen zu zweifeln. Einwendungen gegen das Gutachten werden mit der Berufung auch
nicht erhoben.

(2) Nicht ausreichend für die entsprechende Anwendung des § 1026 BGB ist, wenn der Beklagte
zum Zeitpunkt der Teilung nur einen bestimmten Teil des Grundstücks nutzt, jedoch berechtigt
ist, die Nutzung auch auf andere Flächen auszudehnen. Der Beklagte muss vielmehr unmittelbar
nach dem Rechtsinhalt des Erbbaurechts oder aufgrund rechtsgeschäftlich vereinbarter
Ausübungsregelung dauernd rechtlich – und nicht nur tatsächlich – gehindert sein, bestimmte
Teile des belasteten Grundstücks zu benutzen (BGH, Urteil vom 03.05.2002, V ZR 17/01, NJW
2002, 3021, zur Dienstbarkeit; BeckOGK/Kazele, 01.11.2023, BGB, § 1026 Rn. 35).
So liegt der Fall hier.

Zwar hat der Beklagte vorgetragen, dass es in Zukunft zu einer Erstreckung des Erbbaurechts
kommen könne. Es sei nicht auszuschließen, dass zukünftig bauliche Veränderungen, wie
beispielsweise einer Veränderung der Abluftsituation oder der Versorgungleitungen notwendig
werden könnten, die sich auch auf das Grundstück der Klägerin beziehen könnten. Auch seien
zukünftig gegebenenfalls Stabilisierungsmaßnahmen auf dem Grundstück der Klägerin
notwendig.

Unabhängig davon, dass es sich hierbei um Vermutungen des Beklagten lediglich „ins Blaue
hinein“ handelt, die konkreten Vortrag zu der Notwendigkeit etwaiger Maßnahmen vermissen
lassen, was sich bereits darin zeigt, dass der Keller offensichtlich jedenfalls seit dem Jahr 1935 in
seiner grundsätzlichen Ausprägung unverändert besteht, überzeugt diese Argumentation nicht.
Denn der Beklagte verkennt die inhaltliche Reichweite des Erbbaurechts.

Er ist berechtigt, „einen 60 qm großen Keller zu haben an der Stelle, welche in dem den
Anlegungsakten A 575 beiliegenden Messbrief des Geometers […] in […] vom 18./19.05.1902
näher angegeben ist“. Damit wird deutlich, dass der bauliche Umfang des Kellers anhand des
Messbriefs (vgl. Bl. 252 Papierakte LG) klar begrenzt ist. Gleiches ergibt sich auch aus der
Verhandlung des Großherzoglichen Amtsgerichts […] über die Überführung des Erbbaurechts
in das Grundbuch vom 28.05.1902, in der, nach dem Transkriptionsgutachten des
Sachverständigen […] vom 15.05.2022 (dort Seite 3, Bl. 405 Papierakte AG), festgehalten wurde,
dass sich die „Größe des Kellers und die nähere Stelle an welcher sich dieser befindet“ aus dem
Messbrief ergibt. Eine bauliche Erweiterung dergestalt, dass das Grundstück der Klägerin
Flurstück 421/4 in Anspruch genommen würde, ist von dem im Grundbuch eingetragenen, mit
Vertrag vom 20.07.1864 begründeten und mit Vertrag vom 07.05.1979 auf den Beklagten
übertragenen Erbbaurecht nicht umfasst. Das Recht zur Unterhaltung beinhaltet die Erhaltung,
Instandhaltung, Reparatur und Wartung des Kellers, aber nicht eine Inanspruchnahme der
Grundstücke über die im Messbrief bezeichnete Stelle hinaus. Auch die von dem Beklagten
angeführten etwaigen zukünftigen Stabilisierungsmaßnahmen wären räumlich auf das absolut
Notwendige zu begrenzen. Dass sich diese auch auf das Grundstück der Klägerin erstrecken
könnten, ist aufgrund der Lage des Kellers ausgeschlossen.

c) Vor diesem Hintergrund braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob das Landgericht eine
Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO verletzt hat.

4. Dagegen stehen der Klägerin gegen den Beklagten im Zusammenhang mit den
Entwässerungskosten keine weiteren Ansprüche zu, weder bezogen auf die Rückzahlung von ihr
geleisteter Beiträge (a)) noch bezogen auf die Feststellung einer zukünftigen Einstandspflicht
(b)). Diesbezüglich ist die Berufung unbegründet.

a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten über die bereits zugesprochenen 86,72 € hinaus keinen
weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von weiteren 2.541,76 €. Es fehlt an einer entsprechenden
Anspruchsgrundlage.

aa) Eine entsprechende Zahlungspflicht des Beklagten lässt sich insbesondere nicht Ziffer 5 des
Kaufvertrages über das Erbbaurecht vom 07.05.1979 (UR-Nr. 666/1979 des Notars […], Bl. 59
ff. Papierakte LG) entnehmen.

Dort ist geregelt, dass „die auf dem verkauften Grundbesitz ruhenden öffentlichen Abgaben
und Lasten“ mit dem 01.05.1979 auf den Beklagten übergehen. „Grundbesitz“ meint dabei
entgegen der Ansicht der Klägerin nicht das Grundstück selbst, sondern – entsprechend der
ausdrücklichen Definition im Vertrag – das Erbbaurecht zur Unterhaltung des Kellers.
Der Vertrag stellt mithin lediglich klar, dass die mit dem Erbbaurecht verbundenen Abgaben
und Lasten von dem Beklagten zu tragen sind. Insofern hat das Landgericht zutreffend
festgestellt, dass der Klägerin gegen den Beklagten, da sie von der Gemeinde nach der geltenden
Entgeltsatzung für die öffentliche Abwasserbeseitigung in Anspruch genommen wurde, im
Innenverhältnis ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Verhältnis der
Nutzungsanteile an den Grundstücken zusteht. Dafür, dass die Parteien des Kaufvertrages vom
07.05.1979 in Ziffer 5 dem Beklagten die vollen Abgaben und Lasten für die gesamte
Grundstücksfläche auferlegen wollten, ist – unabhängig von der Frage, ob sich die Klägerin
hierauf überhaupt berufen könnte – nichts ersichtlich.

bb) Die Klägerin kann dabei auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Grundstücke
unbebaut seien und von den Eigentümern nicht genutzt würden.

Denn dies trifft allenfalls auf die Grundstücke Flur […], Flurstücke 421/2 und 421/3, nicht aber
auf das in dem Alleineigentum der Klägerin stehende und unstreitig bebaute Grundstück
Flurstück 421/4 zu. Ferner lässt § 15 Abs. 1 der Entgeltsatzung für die öffentliche
Abwasserbeseitigung der Stadt […] und der Verbandsgemeinde […] vom 03.12.2009 die
Beitragspflicht hinsichtlich der wiederkehrenden Beiträge für die Möglichkeit der Einleitung von
Niederschlagswasser bei unbebauten Grundstücken gerade nicht entfallen.
cc) Etwas anderes folgt auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend
§§ 1020 Satz 2, 1021 Abs. 1 BGB bzw. § 995 Satz 2 BGB.

Zwar kann der Beklagte zur Unterhaltung des Kellers verpflichtet sein. Eine alleinige
Kostentragungspflicht des Beklagten hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung lässt sich
daraus indes nicht ableiten. Denn die Gebühren sind grundstücks- und nicht gebäudebezogen
und würden – wie oben ausgeführt – auch erhoben, wenn das Erbbaurecht bzw. der Keller
selbst nicht existieren würden.

Für die von der Klägerin angeführte ergänzende Vertragsauslegung ist zudem vor dem
Hintergrund des eindeutigen Wortlauts der Regelung in Ziffer 5 des Kaufvertrages über das
Erbbaurecht vom 07.05.1979 (UR-Nr. 666/1979 des Notars […], Bl. 59 ff. Papierakte LG) kein
Raum. Aufgrund der vertraglichen Definition des „Grundbesitzes“ als das Erbbaurecht zur
Unterhaltung des Kellers kann die Klägerin hieraus keine weitergehenden Ansprüche herleiten.
dd) Auch ist in der bloßen Zahlung des Beklagten in der Vergangenheit keine konkludente
Vereinbarung einer Kostenübernahmepflicht zu sehen. Eine solche kommt nur dann in
Betracht, wenn der Beklagte aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall bei seiner Leistung
aus der Sicht der Klägerin als Empfängerin der Zahlung den Eindruck erweckt hätte, er handele
mit einem auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung gerichteten Rechtsfolgewillen (OLG
München, Urteil vom 28.04.2021, 10 U 6788/20, BeckRS 2021, 10103). Daran fehlt es hier.
Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass in der Vergangenheit Streit oder Ungewissheit über das
Bestehen der Zahlungsverpflichtung herrschte und damit der Wille erkennbar wurde, diese
Unsicherheit durch eine entsprechende Vereinbarung zu beseitigen (BGH, Urteil vom
21.10.2008, XI ZR 256/07, BeckRS 2008, 24094).

ee) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es im Rahmen des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB
vorliegend auch sachgerecht, auf die Grundstücksfläche abzustellen. Denn diese stellt die
Berechnungsgrundlage für die nach § 15 Abs. 1 der Entgeltsatzung für die öffentliche
Abwasserbeseitigung der Stadt […] und der Verbandsgemeinde […] vom 03.12.2009 zu
entrichtenden Entwässerungskosten dar, die in gleicher Höhe anfallen würden, wenn der Keller
nicht vorhanden wäre. Auch eine hälftige Kostentragung des Beklagten ist daher nicht angezeigt.
Lediglich ergänzend kann hier auf das Mietrecht verwiesen werden. Eine Verteilung der
Nebenkosten nach Fläche ist dort ebenfalls anerkannt.

b) Der Feststellungsantrag teilt das Schicksal des Zahlungsanspruchs.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob der Feststellungsantrag wegen des Vorrangs der Leistungsklage
bereits unzulässig ist.

bb) Denn er ist jedenfalls unbegründet. Aus den oben darstellten Gründen fehlt es an einer
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung.

III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100, 101, 516 Abs. 3 ZPO.

a) Die Kosten der ersten Instanz sind entsprechend dem Ergebnis des Rechtsstreits, wie es sich
nach Abschluss des Berufungsverfahrens darstellt, unter Einbeziehung des Klägers zu verteilen,
obwohl das Urteil hinsichtlich des Klägers infolge der Rücknahme seiner Berufung rechtskräftig
geworden ist. Denn die Verteilung der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten steht, soweit
sie letztlich auf der Mithaftung für Streitgenossen beruht, notwendigerweise unter dem
Vorbehalt, dass sich das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zwischen den
Streitgenossen nicht nachträglich verschiebt. Dieses Ergebnis entspricht dem in § 308 Abs. 2
ZPO zum Ausdruck kommenden Gedanken, dass über die Kosten des Rechtsstreits von Amts
wegen zu entscheiden ist, also ohne Rücksicht auf Anträge oder Anregungen der Parteien als
Folge der letztlich zwischen ihnen ergehenden Sachentscheidung. Die nur einen Teil der
Prozessparteien betreffende Rechtskraft der materiellen Entscheidung soll die im Endergebnis
richtige Kostenverteilung zwischen allen Beteiligten nicht hindern, selbst wenn einer der
Prozessbeteiligten infolge der materiellen Rechtskraft der für oder gegen ihn ergangenen
Entscheidung bereits aus dem Prozess ausgeschieden ist (OLG Frankfurt, Urteil vom
02.09.2005, 2 U 32/01, Rn. 17, juris; Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024,
§ 100 ZPO, Rn. 8).

b) Bei der Verteilung der Kosten der zweiten Instanz ist zu berücksichtigen, dass der Kläger
seine Berufung zurückgenommen (§ 516 Abs. 3 ZPO) und diese nicht zu einer Erhöhung des
Streitwertes geführt hat.

2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i. V. m.
§§ 3, 7 ZPO bestimmt.

Auf den Berufungsantrag zu 1. entfallen 11.666,67 € (1/3 von 35.000 €), auf den Antrag zu 2.
2.541,76 € und auf den Antrag zu 3. 1.779,22 € (3,5fache der jährlichen Zahlungen in Höhe von
657,12 €, abzüglich 20 % für Feststellungsantrag, vgl. Zöller/Herget, a. a. O., § 9 ZPO, Rn. 1;
hiervon 96,7 % unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen teilweisen Verurteilung).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Koblenz

Erscheinungsdatum:

12.03.2024

Aktenzeichen:

3 U 970/23

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Erbbaurecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 894, 1026; ErbbauRG § 1