Heilberufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg; Partnerschaft zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt zulässig
letzte Aktualisierung: 19.5.2022
BGH, Beschl. v. 15.2.2022 – II ZB 6/21
HeilBKG BW § 30 Abs. 1 S. 2
Heilberufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg; Partnerschaft
zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt zulässig
Eine Partnerschaft zwischen einem Tierarzt und einem Betriebswirt ist nach dem
Heilberufekammergesetz des Landes Baden-Württemberg zulässig.
Gründe:
A. Die Beteiligte zu 2 ist approbierte Tierärztin, der Beteiligte zu 3 ist
Diplom-Betriebswirt (Diplom-Ökonom und LL.M. [corp.-restruc.]). Sie gründeten
die Beteiligte zu 1, eine Partnerschaftsgesellschaft, und meldeten diese beim
Amtsgericht - Registergericht - zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an.
Als Gegenstand der Partnerschaft benannten die Beteiligten zu 2 und 3 "die gemeinschaftliche
Berufsausübung als Tierarzt und beratender Betriebswirt im
Rahmen des berufsrechtlich zulässigen Umfangs insbesondere Einrichtung, Ausstattung
und Betrieb von tiermedizinischen Zentren, Praxen und dazugehörigen
Hausapotheken sowie die Erbringung von Dienstleistungen für solche".
Das Registergericht nahm die Eintragung vor. Hiergegen wandte die
Beteiligte zu 4, die Landestierärztekammer Baden-Württemberg, ein, nach § 21a
Abs. 1 Satz 2 Berufsordnung der Landestierärztekammer Baden-Württemberg
(nachfolgend: BO) sei eine Partnerschaftsgesellschaft nur unter Tierärzten möglich.
Das Registergericht hat der Beteiligten zu 1 mitgeteilt, dass nach § 395
FamFG die Eintragung der Partnerschaft im Partnerschaftsregister wegen des
Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig und daher von Amts
wegen zu löschen sei. Gegen die Löschungsankündigung haben die Beteiligten
zu 1 bis 3 Widerspruch eingelegt. Das Registergericht hat den Widerspruch
zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Beschwerdegericht
zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wenden sich
die Beteiligten zu 1 bis 3 weiter gegen die Ankündigung der Löschung.
B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt, das Registergericht sei befugt gewesen, die berufsrechtliche
Zulässigkeit der Berufsausübung als wesentliche Voraussetzung der
Eintragung zu überprüfen. Die Partnerschaft der Beteiligten zu 2 und 3 verstoße
gegen § 21a Abs. 1 Satz 2 BO, wonach Partnerschaften im Sinne des PartGG
nur unter Tierärzten zulässig seien. Daraus folge ein generelles Verbot von interprofessionellen
Zusammenschlüssen mit Tierärzten.
§ 21a Abs. 1 Satz 2 BO sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Befugnis der Landestierärztekammer Baden-Württemberg, die in § 21a
Abs. 1 Satz 2 BO geregelte Einschränkung zu erlassen, folge mittlerweile aus
§ 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW idF vom 4. Februar 2021.
§ 21a Abs. 1 Satz 2 BO verstoße nicht gegen die in
geregelte Berufsfreiheit. Die Regelung sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes
Mittel, um die wesentlichen tierärztlichen Grundpflichten zu sichern
und die Unabhängigkeit tierärztlicher Entscheidungen von merkantilen Erwägungen
zu gewährleisten. Die nach § 203 Nr. 1 StGB strafbewehrte Verpflichtung zur
Verschwiegenheit zähle zu den tierärztlichen Grundpflichten gemäß § 3 B. Abs. 1
BO. Ein vergleichbares Schutzniveau sei bei Betriebswirten nicht gewährleistet.
Ebenso wenig sei die berufliche Unabhängigkeit des Tierarztes bei einer gemeinschaftlichen
Berufsausübung mit einem Betriebswirt gewährleistet. Nach den
gleichen Grundsätzen sei ein Verstoß gegen Art. 9 GG zu verneinen. Auch Art. 3
Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Es fehle bereits an einer Ungleichbehandlung.
II. Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte
Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, § 70 Abs. 1, § 71 Abs. 1 FamFG,
und begründet. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 gegen den Beschluss
des Registergerichts, mit dem ihr Widerspruch gegen die Löschungsankündigung
des Registergerichts zurückgewiesen wurde, ist zulässig und begründet.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1
bis 3 ist gemäß
auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist begründet. Der Widerspruch der Beteiligten zu 1 bis
3 gegen die vom Registergericht angekündigte Löschung der Eintragung der
Beteiligten zu 1 im Partnerschaftsregister hat Erfolg. Die Voraussetzungen für die
gemeinschaftliche Berufsausübung der Beteiligten zu 2 und 3 in der Rechtsform
einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
liegen vor.
a) Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung
des Beschwerdegerichts, die in § 21a Abs. 1 Satz 2 BO enthaltene Regelung,
wonach Partnerschaften im Sinne des PartGG nur unter Tierärzten zulässig
seien, woraus ein generelles Verbot von interprofessionellen Zusammenschlüssen
mit Tierärzten folge, stehe der Eintragung der Beteiligten zu 1 entgegen.
§ 21a Abs. 1 Satz 2 BO verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes und ist deshalb
nichtig.
aa) Da es sich bei der Berufsordnung der Beteiligten zu 4 nicht um ein
förmliches Landesgesetz handelt, ist insoweit keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
gemäß
310 f. mwN). Vielmehr hat der Senat über die Wirksamkeit von § 21a Abs. 1
Satz 2 BO selbst zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2014
- I ZR 137/12,
bb) § 21a Abs. 1 Satz 2 BO verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes,
weil gemäß § 30a Abs. 1 Satz 2 Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg
(nachfolgend: HBKG BW), eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Heilberufe-
Kammergesetzes vom 4. Februar 2021, Art. 1 Nr. 18 (GBl. S. 77), Tierärzte
als Kammermitglieder nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW eine Praxis gemeinsam
mit Personen führen können, die einem in
Fassung genannten staatlichen Ausbildungsberuf im Gesundheitswesen,
einem naturwissenschaftlichen oder einem sozialpädagogischen Beruf angehören.
§ 21a Abs. 1 Satz 2 BO verbietet eine interprofessionelle Zusammenarbeit
von Tierärzten in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
dagegen generell.
Die durch § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW ausdrücklich erlaubten interprofessionellen
Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern können durch das Satzungsrecht
der Kammern nicht eingeengt werden (vgl.
329 zu § 13 BORA). Auch § 31 Abs. 3 Nr. 11 HBKG BW idF vom 17. Dezember
2015 (jetzt § 31 Abs. 4 Nr. 11 HBKG BW idF vom 4. Februar 2021), wonach die
Berufsordnung weitere Vorschriften über Berufspflichten, insbesondere hinsichtlich
der Zusammenarbeit zwischen Berufsangehörigen und Angehörigen anderer
Berufe, enthalten kann, lässt sich nicht entnehmen, dass der Landesgesetzgeber
eine § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW einschränkende Regelung durch den Verordnungsgeber
gestatten wollte. Soweit der Landesgesetzgeber in § 30a Abs. 1
Satz 2 HBKG BW die interprofessionelle Zusammenarbeit von Kammermitgliedern
mit anderen, dort genannten Berufe in Praxen ausdrücklich gestattet, fehlt
§ 21a Abs. 1 Satz 2 BO als untergesetzlicher Norm des Berufsrechts die Kraft für
eine dahinter zurückbleibende Regelung.
b) Auch § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW steht bei einer Auslegung im Lichte
des
und eines Betriebswirts in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach
dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz nicht entgegen. Es liegen keine Gemeinwohlbelange
vor, die eine restriktive, eine solche interprofessionelle Zusammenarbeit
ausschließende Auslegung des § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW
rechtfertigen können.
aa) Zu der durch
zählt auch die Freiheit, den Beruf gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufe
auszuüben (
zu der sich die Beteiligte zu 2 und der Beteiligte zu 3 zur
gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen haben, kann sich
gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf den Schutz dieses Grundrechts berufen, weil
und diesen gleichstehende Personengesellschaften des Privatrechts anwendbar
ist (
Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1
GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den
Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit genügen (
15. Mai 2014 - I ZR 137/12,
bb) § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW ist im Lichte der grundrechtlich gewährleisteten
Berufsfreiheit nicht abschließend zu verstehen, so dass eine interprofessionelle
Zusammenarbeit einer Tierärztin und eines Betriebswirts in der
Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
zulässig ist.
(1) Der Wortlaut des § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW ("können") schließt
interprofessionelle Zusammenschlüsse von Kammermitgliedern gemäß § 2
Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW mit anderen als dort genannten Berufen in Praxen nicht
aus, wenn auch rechtssystematisch § 30a Abs. 3 HBKG BW, wonach die Kammern
in besonderen Einzelfällen oder zur Erprobung neuer Versorgungsangebote
Ausnahmen von Absatz 1 zulassen können, wenn sichergestellt ist, dass
berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt werden, als Anhaltspunkt für einen
abschließenden Charakter der Norm angesehen werden könnte.
(2) Gegen einen abschließenden Charakter der in § 30a Abs. 1 Satz 2
HBKG BW aufgeführten interprofessionellen Partnerschaften spricht, dass § 31
Abs. 3 Nr. 11 HBKG BW in der bis zum 15. Februar 2021 geltenden Fassung,
wonach die Berufsordnung weitere Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen
Berufsangehörigen und Angehörigen anderer Berufe enthalten kann, in §
31 Abs. 4 Nr. 11 HBKG BW idF vom 4. Februar 2021 erhalten geblieben ist. Wenn
§ 30a HBKG BW die Zusammenarbeit zwischen Berufsangehörigen und Angehörigen
anderer Berufe abschließend regeln würde, hätte die Vorschrift praktisch
keinen Anwendungsbereich mehr. Für dieses Verständnis der Vorschrift spricht
auch, dass sie vorhandene Regelungen in Berufsordnungen aufgreift, die offenkundig
nicht abschließend gemeint sind. So können nach § 23b Abs. 1 Satz 1 der
Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 21. September
2016 (ÄBW 2016, S. 506), zuletzt geändert durch Satzung vom 22. April 2020
(ÄBW 2020, S. 259), Ärztinnen und Ärzte sich auch mit selbständig tätigen und
zur eigenverantwortlichen Berufsausübung befugten Berufsangehörigen anderer
akademischer Heilberufe im Gesundheitswesen oder staatlicher Ausbildungsberufe
im Gesundheitswesen sowie anderen Naturwissenschaftlerinnen und
Naturwissenschaftlern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sozialpädagogischer
Berufe zur kooperativen Berufsausübung zusammenschließen. Dieser
§ 30a Abs. 1 HBKG BW ähnlichen Regelung folgt mit § 23c der Berufsordnung,
wonach es Ärztinnen und Ärzten gestattet ist, mit Angehörigen anderer Berufe
als den in § 23b beschriebenen in allen Rechtsformen zusammen zu arbeiten,
wenn sie nicht die Heilkunde am Menschen ausüben, eine Vorschrift, die ausdrücklich
die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Berufen wie
Rechtsanwälten oder Architekten erlaubt (vgl. Spickhoff/Scholz, Medizinrecht,
3. Aufl., § 23c MBO-Ä 1997 Rn. 1). Auch § 17 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung
der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg vom 10. September 2010
(Zahnärzteblatt Baden-Württemberg, Heft 10/2010, S. 56), zuletzt geändert durch
Satzung vom 24. Juli 2021 (Zahnärzteblatt Baden-Württemberg, Heft 10/2021,
S. 55), trifft wie § 23b Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Landesärztekammer
Baden-Württemberg eine § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW ähnelnde Regelung,
wonach Zahnärzte sich auch mit selbstständig tätigen und zur eigenverantwortlichen
Berufsausübung berechtigten Angehörigen anderer Heilberufe oder staatlicher
Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen sowie naturwissenschaftlichen
oder sozialpädagogischen Berufen in den rechtlich zulässigen Gesellschaftsformen
zusammenschließen können, wenn ihre eigenverantwortliche, fachlich
unabhängige sowie freiberufliche Berufsausübung gewährleistet ist. Nach § 17
Abs. 1 Satz 2 Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
gilt gleiches für den Zusammenschluss mit anderen freien Berufen, die ebenfalls
einer berufsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen.
Ebenso wie Ärzten nach § 23c der Berufsordnung der Landesärztekammer
Baden-Württemberg ist es einem Zahnarzt nach § 17 Abs. 2 Berufsordnung der
Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg gestattet, in Partnerschaften
gemäß
anderer Berufe als den in Abs. 1 beschriebenen zusammen zu arbeiten,
wenn er in dieser Partnerschaft oder Gesellschaft nicht die Zahnheilkunde am
Menschen ausübt. Aus der Gesetzesbegründung ist nichts dafür ersichtlich, dass
der Landesgesetzgeber mit der Neuregelung in § 30a Abs. 1 HBKG BW diese
verfassungsrechtlich gebotenen berufsrechtlichen Regelungen in den Berufsordnungen
der Landesärztekammer und Landeszahnärztekammer in Baden-Württemberg
untersagen wollte (Gesetzentwurf der Landesregierung von Baden-
Württemberg vom 24. November 2020, LT-Drucks. 16/9344, S. 23). Naheliegender
ist vielmehr, dass mit § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW nur ein Mindeststandard
für die berufliche Zusammenarbeit eingeführt und die interprofessionelle Zusammenarbeit
mit anderen Berufen über § 31 Abs. 4 Nr. 11 HBKG BW weiterhin den
Berufsordnungen überlassen werden sollte.
(3) Auch Sinn und Zweck des § 30a HBKG BW stehen einer
interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen einer Tierärztin und einem Betriebswirt
in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
nicht entgegen. Der aus der Gesetzesbegründung erkennbare
Wille des Gesetzgebers, die eigenverantwortliche und unabhängige
Berufsausübung der Kammermitglieder in interprofessionellen Partnerschaftsgesellschaften
nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz zu schützen, wird auch
gewahrt, wenn weitere, nicht im Gesetz genannte interprofessionelle Partnerschaften
zulässig sind, und spricht deshalb gegen einen abschließenden, die vorgenannte
interprofessionelle Zusammenarbeit ausschließenden Charakter des
§ 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW.
(a) Ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch die Einfügung des
§ 30a HBKG BW der Grundsatz der eigenverantwortlichen und unabhängigen
Berufsausübung der dort genannten Heilberufe geschützt und eine gewerbliche
heilberufliche Tätigkeit grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die Definition der
erlaubten Formen der Berufsausübung solle sicherstellen, dass die Einhaltung
der Berufspflichten bei heilberuflichen Tätigkeiten in allen rechtlichen Gestaltungsformen
durchgesetzt werden könne. Die Kammern der genannten approbierten
Heilberufe erhielten so den Spielraum, ihre Kammermitglieder bei einer
heilberuflichen Tätigkeit in der Rechtsform des Privatrechts vor einer unerw
nschten Beeinflussung durch wirtschaftliche Interessen zu schützen (Gesetzentwurf
der Landesregierung von Baden-Württemberg vom 24. November 2020,
LT-Drucks. 16/9344, S. 23). Der Gesetzgeber wollte damit eine gewerbliche heilberufliche
Tätigkeit grundsätzlich ausschließen. Gewerblich tätig sind Personenhandelsgesellschaften
und juristische Personen, nicht aber die Angehörigen
Freier Berufe gemäß
Beteiligte zu 3 - zählt. Nur für die heilberufliche Tätigkeit in juristischen Personen
hat der Gesetzgeber in § 30a Abs. 2 HBKG BW deshalb detaillierte Voraussetzungen
aufgestellt, um eine gewerbliche heilberufliche Tätigkeit auszuschließen.
Für Partnerschaftsgesellschaften verbleibt es damit beim weiteren gesetzgeberischen
Willen, durch die Vorschrift den Grundsatz der eigenverantwortlichen und
unabhängigen Berufsausübung der genannten Heilberufe zu schützen (Gesetzentwurf
der Landesregierung von Baden-Württemberg vom 24. November 2020,
LT-Drucks. 16/9344, S. 23).
(b) Es liegen keine Gemeinwohlbelange vor, die den Ausschluss einer
interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen einer Tierärztin und einem
Betriebswirt rechtfertigen können. Die wesentlichen tierärztlichen Grundpflichten
und die eigenverantwortliche und unabhängige tierärztliche Berufsausübung
werden durch eine interprofessionelle Zusammenarbeit mit einem Betriebswirt in
einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
nicht beeinträchtigt.
(aa) Die tierärztliche Verschwiegenheitspflicht steht der interprofessionellen
Zusammenarbeit mit einem Betriebswirt nicht entgegen.
Nach § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW können Kammermitglieder nach § 2
Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 - hier die Beteiligte zu 2 als Kammermitglied der
Landestierärztekammer, § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW - eine Praxis gemeinsam mit
Personen führen, die einem in
im Gesundheitswesen, einem naturwissenschaftlichen oder einem
sozialpädagogischen Beruf angehören. Damit wird durch § 30a Abs. 1 Satz 2
HBKG BW für die Kammermitglieder nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 HBKG
BW, zu deren Grundpflichten - wie hier bei der Beteiligten zu 2 gemäß § 3 B.
Abs. 1 BO - u.a. die gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrte Verpflichtung
zur Verschwiegenheit gehört, eine interprofessionelle Zusammenarbeit in einer
Praxis in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft mit Personen gestattet,
die keiner beruflichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen bzw. bei denen
ein Verstoß gegen eine berufliche Verschwiegenheitspflicht nicht strafbewehrt ist.
Bei den meisten Personen der von § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW genannten
naturwissenschaftlichen Berufen wird es ohne arbeitsvertragliche Verpflichtung
bereits an einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht fehlen. Die einen naturwissenschaftlichen
Beruf ausübenden Personen unterliegen nur als Angehörige der
in § 203 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 StGB genannten Personengruppen der Strafandrohung
des
(vgl. Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 203 Rn. 89; Münch-
KommStGB/Cierniak/Niehaus, 4. Aufl.,
der in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW weiter genannten sozialpädagogischen
Berufe werden Sozialarbeiter und Sozialpädagogen nur bei staatlicher Anerkennung,
die ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium voraussetzt,
vom Täterkreis des § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB erfasst. Keine tauglichen Täter
iSv § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB sind hingegen staatlich anerkannte Erzieher, wenn
sie nicht andere Merkmale des Abs. 1 erfüllen (MünchKommStGB/Cierniak/
Niehaus, StGB, 4. Aufl., § 203 Rn. 42; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl.,
§ 203 Rn. 62). Die fehlende berufliche und nicht gemäß
Verschwiegenheitspflicht eines Betriebswirts vermag deshalb nicht den
Ausschluss seiner interprofessionellen Zusammenarbeit mit einem Kammermitglied
nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW zu
begründen, da die tierärztliche Verschwiegenheitspflicht durch eine solche Zusammenarbeit
nicht stärker gefährdet wird als bei einer Zusammenarbeit mit den
durch § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW für eine interprofessionelle Zusammenar-
beit ausdrücklich zugelassenen Berufen. Ohnehin ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit
im engeren Sinne nicht mehr gewahrt, wenn das Verbot der interprofessionellen
Zusammenarbeit allein darauf gestützt wird, dass ein nicht der Verschwiegenheit
unterliegender Partner im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit
eines der beruflichen Verschwiegenheit unterliegenden Partners Kenntnisse
erlangt, für ihn aber keine eigene berufliche Verschwiegenheitspflicht besteht
(vgl.
Schließlich besitzt ein Tierarzt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 HBKG BW) - anders als
die weiter von § 30a Abs. 1 Satz 2 erfassten Kammermitglieder nach § 2 Abs. 1
Nr. 1, 2 und teilweise nach Nr. 5 HBKG BW - kein Zeugnisverweigerungsrecht
gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Im Gegensatz zu den weiteren Kammermitgliedern
nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und teilweise nach Nr. 5 HBKG BW besteht bei
einem Tierarzt kein besonderes Vertrauensverhältnis zu seinem Auftraggeber,
welches die Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsbelange umfasst und
verlangt (vgl.
(bb) Ebenso wird die tierärztliche Unabhängigkeit einer Tierärztin durch
die interprofessionelle Zusammenarbeit mit einem Betriebswirt in der Organisationsform
der Partnerschaftsgesellschaft nicht stärker gefährdet als bei einer
Zusammenarbeit mit den in § 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW für eine interprofessionelle
Zusammenarbeit zugelassenen Berufen. Der Umstand, dass der Beteiligte
zu 3 als Berufsfremder aus einem völlig anderen Tätigkeitsfeld in der interprofessionellen
Berufsausübungsgemeinschaft zu einem Entscheidungsträger
der Praxis wird und damit die rechtliche und tatsächliche Handlungsfreiheit des
tierärztlichen Partners einschränken könnte, vermag den Ausschluss von Betriebswirten
aus dem Kreis der für eine interprofessionelle Zusammenarbeit nach
§ 30a Abs. 1 Satz 2 HBKG BW in Betracht kommenden Berufe nicht zu rechtfertigen.
Das folgt aus den besonderen Vorschriften für die Partnerschaftsgesellschaft.
Die Berufsausübung in einer solchen Gesellschaft kann den jeweiligen
Berufsträger nach
befreien (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schaffung
von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze, BTDrucks.
12/6152, S. 15), so dass der tierärztliche Partner weiterhin seiner beruflichen
Unabhängigkeit verpflichtet bleibt. Diese berufsrechtlichen Bindungen des
Tierarztes können seine Partner nicht übergehen. Denn der Grundsatz der
Selbstorganschaft ist, ungeachtet der Möglichkeiten, die aufgrund der Vertragsfreiheit
insbesondere für die Gestaltung des Innenverhältnisses ansonsten eröffnet
sind, bei der Partnerschaftsgesellschaft aufgrund der zwingenden Regelung
in
der Bundesregierung zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und
zur Änderung anderer Gesetze, BT-Drucks. 12/6152, S. 15). Danach kann die
Geschäftsführungsbefugnis des einzelnen Partners insoweit nicht beschränkt
werden, als seine Berufsausübung betroffen ist. Sichergestellt ist damit zumindest,
dass berufsfremde Partner die tierärztliche Berufstätigkeit nicht im Rahmen
der Geschäftsführung beeinflussen können (vgl.
§ 59a BRAO).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.02.2022
Aktenzeichen:II ZB 6/21
Rechtsgebiete:
Partnerschaftsgesellschaft (PartGG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
HeilBKG BW § 30 Abs. 1 S. 2