OLG Karlsruhe 30. Juni 2023
14 W 38/23 (Wx)
ErbbauRG § 10

Abweichen vom Erfordernis der ersten Rangstelle: Begriff der Schädlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 2 ErbbauRG

letzte Aktualisierung: 31.8.2023
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.6.2023 – 14 W 38/23 (Wx)

ErbbauRG § 10
Abweichen vom Erfordernis der ersten Rangstelle: Begriff der Schädlichkeit i. S. d. § 10
Abs. 2 ErbbauRG

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG kann ein Erbbaurecht nur zur ausschließlich ersten
Rangstelle am Erbbaugrundstück bestellt werden, es sei denn, dass gem. §§ 10 Abs. 2 ErbbauRG, 1
ErbbauRGV BW vom Erfordernis der ersten Rangstelle durch die Erteilung eines
Unschädlichkeitszeugnisses abgewichen werden kann. Dazu muss das Grundbuchamt feststellen,
dass dies weder für den Berechtigten des eingetragenen Rechts noch für den Bestand des
Erbbaurechts schädlich ist.
2. Bei der Auslegung des Begriffs der „Schädlichkeit“ im Sinne der §§ 10 Abs. 2 ErbbauRG, 1
ErbbauRGV BW ist danach zu differenzieren, ob es um „Schädlichkeit“ für den Bestand des
Erbbaurechts oder Schädlichkeit für die Person des Berechtigten des vorrangig eingetragenen
dinglichen Rechts geht.
3. „Schädlichkeit“ für den Berechtigten des eingetragenen Rechts liegt dabei bei sachgerechter
Auslegung des Begriffs schon dann vor, wenn das Nebeneinander des erstrangig eingetragenen
dinglichen Rechts sowie des nachrangig einzutragenden Erbbaurechts zu mehr als lediglich
geringfügigen wirtschaftlichen Nachteilen führen würde. Dagegen ist mit „Schädlichkeit“ für den
„Bestand des Erbbaurechts“ jede nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung der aus dem Erbbaurecht
folgenden Rechtsposition gemeint.

Gründe

I.
Die Antragstellerin greift die Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines
Unschädlichkeitszeugnisses nach §§ 1 ff. ErbbauRgV BW durch das Amtsgericht -
Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen an.

Mit Einreichung der notariellen Urkunde UR … vom 30.11.2021 durch Notar … beantragten
die Erbbauberechtigten … und … und bewilligte die Antragstellerin als
Grundstückseigentümerin die Eintragung eines Erbbaurechts am Grundstück Flurstück … im
Grundbuch von … Blatt Nr. …. Unzutreffend ist in dem notariellen Erbbaurechtsvertrag unter
„I. Vorbemerkungen“ vermerkt, das Grundstück sei in Abt. II und III des Grundbuchs
lastenfrei. Tatsächlich ist das Grundstück in Abt. II Nr. 4 mit einer Grunddienstbarkeit
(Kanalrecht, ausweislich der Eintragungsbewilligung mit Betretungsrecht zur Unterhaltung und
Erneuerung) belastet. Das Grundbuchamt hat Notar … mit Zwischenbescheid vom 12.12.2022
darauf hingewiesen, dass die bereits eingetragene Grunddienstbarkeit der Eintragung des
Erbbaurechts vor dem Hintergrund des Erfordernisses der ersten Rangstelle gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 ErbbauRG entgegenstehe. Die vom Grundbuchamt erbetene Löschungsbewilligung oder
die Rangrücktrittsbewilligungen der Grunddienstbarkeitsberechtigten zum Zwecke der
Verschaffung der ersten Rangstelle des Erbbaurechts wurde in der Folge nicht beigebracht.
Stattdessen beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.02.2023 ein
Unschädlichkeitszeugnis gemäß § 1 ErbbauRgV BW. Zur Begründung ihres Antrags führte sie
unter anderem aus, die Dienstbarkeit sei weder für die Dienstbarkeitsberechtigten noch für den
Bestand des Erbbaurechts schädlich. Das unterirdische Leitungsrecht sei nach telefonischer
Aussage der Erbbauberechtigten für die angestrebte Bebauung nicht störend. Eine
Rangrücktrittserklärung der Berechtigten des bisher eingetragenen Rechts sei nicht oder nur
unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erlangen, jedenfalls nicht kurzfristig. Die
Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch sei höchst eilbedürftig, ein weiteres Zuwarten den
Beteiligten nicht zumutbar. Bei den Dienstbarkeitsberechtigten handele es sich um die
Eigentümer des östlich angrenzenden Grundstücks Flurstück …, eine
Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Parteien. Die Anschriften der
Wohnungseigentümer seien nicht bekannt. Es sei davon auszugehen, dass es sich hier teilweise
um Zweitwohnungen handele, deren Eigentümer nicht in … wohnten. Die Stadt … benötige
dringend Wohnraum, weshalb die Realisierung des im Erbbaurechtsvertrag geregelten Projektes
durch die Erbbauberechtigten von großer Bedeutung sei. Den Erbbauberechtigten drohten,
wenn sie das beabsichtigte Projekt nicht rasch realisierten, finanzielle Nachteile unterschiedlicher
Art, letztlich drohe das Projekt insgesamt zu scheitern. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Antragsbegründung wird auf das Schreiben der Stadt … - Abteilung Grundstücksmanagement -
vom 03.02.2023 Bezug genommen.

Die Erbbauberechtigten haben gemäß § 2 Abs. 3 ErbbbauRgV BW der nachrangigen Bestellung
des Erbbaurechts zugestimmt.

Mit Beschluss vom 07.02.2023 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen
den Antrag nach § 18 Abs. 1 GBO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die
Voraussetzungen für die nur in absoluten Ausnahmefällen mögliche Erteilung eines
Unschädlichkeitszeugnisses nicht vorlägen. Zum einen könne das Grundbuchamt entgegen § 1
ErbbauRgV BW nicht feststellen, dass die Bestellung eines Erbbaurechts an zweiter Rangstelle
weder für den Berechtigten des vorrangigen Rechts noch für den Bestand des Erbbaurechts
schädlich sei. Da sich das zu bestellende Erbbaurecht auf das gesamte Grundstück beziehe und
seine Ausübung daher unbeschränkt sei, beeinträchtige es die Grunddienstbarkeitsberechtigten,
deren Kanalrecht ein Betretungsrecht für die Unterhaltung und Erneuerung beinhalte. Die
Zulässigkeit des Antrages setze gemäß § 2 Abs. 2 ErbbauRgV BW darüber hinaus voraus, dass
die Rangrücktrittserklärung der Berechtigten nicht oder nur unter unverhältnismäßigen
Schwierigkeiten zu erlangen sei. Die Einholung der Rücktrittsbewilligungen durch die
Berechtigten stelle indes keine unverhältnismäßige Schwierigkeit dar. Diese seien in den
Grundbüchern von … Blatt … bis … eingetragen. Unter Nutzung ihres Akteneinsichtsrechts in
das Grundbuch könne die Stadt … die Beteiligten mit den ihr zu Verfügung stehenden Mitteln
ohne weiteres ermitteln. Die Voraussetzungen der Bestellung eines Pflegers gemäß § 3 Abs. 2
ErbbauRgV BW lägen nicht vor, da die Beteiligten ermittelt werden könnten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 20.03.2023, die deren
Verfahrensbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 14.04.2023 begründet hat. Die Antragstellerin
trägt unter anderem vor, im Bereich des Kanals seien lediglich PKW-Stellplätze, dagegen keine
Gebäudebebauung vorgesehen. Die entsprechend beantragte Baugenehmigung sei mittlerweile
erteilt worden. Wie auf dem Lageplan (vorgelegt als Anlage BG 3) und dem Bebauungsplan
(vorgelegt als Anlage BG 6) ersichtlich, befinde sich die Kanalleitung außerhalb des
ausgewiesenen Baufensters. Eine Überbauung sei in diesem Bereich mithin nicht möglich. Der
zwischenzeitlich erfolgte Versuch, von den durch die Grunddienstbarkeit begünstigten
Eigentümern der Wohnungen in der Wohnanlage auf dem Grundstück Flurstück …
Rangrücktrittserklärungen zu erhalten, sei gescheitert. Somit lägen unverhältnismäßige
Schwierigkeiten im Sinne von § 2 Abs. 2 ErbbauRgV BW vor, da Rangrücktrittserklärungen
nicht erreicht werden könnten. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung des
beantragten Unschädlichkeitszeugnisses lägen vor. Die gemäß § 2 Abs. 3 ErbbauRgV BW
erforderliche Zustimmung der Erbbauberechtigten zur nachrangigen Bestellung sei erteilt. Die
Bestellung eines Erbbaurechts an zweiter Rangstelle sei weder für die Berechtigten der
Grunddienstbarkeit noch für den Bestand des Erbbaurechts „schädlich“. Das durch die
Grunddienstbarkeit gesicherte Kanalleitungsrecht liege außerhalb der überbaubaren
Grundstücksfläche. Das Kanalleitungsrecht sei damit von einer Bebauung nicht tangiert. Aber
auch der Bestand des nur an zweiter Rangstelle eingetragenen Erbbaurechts sei nicht gefährdet,
da die Stadt … als Körperschaft des öffentlichen Rechts „insolvenzsicher“ sei und daher auch
keine Zwangsversteigerung des Grundstücks drohe.

Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27.04.2023 nicht
abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung
hat es unter anderem ausgeführt, dem Argument der besonderen Eilbedürftigkeit aufgrund der
vertraglichen Verpflichtung des Erbbauberechtigten gegenüber der Beschwerdeführerin könne
nicht gefolgt werden, da es in deren Macht liege, inwieweit sie auf die Einhaltung der
vertraglichen Pflichten bestehe, zumal sie es selbst versäumt habe, das Grundbuch zu
überprüfen. § 10 Abs. 1 ErbbauRG diene vor allem der Absicherung des Erbbaurechts über die
gesamte Laufzeit, im vorliegenden Fall somit bis 31.12.2101. Auch Grunddienstbarkeiten, aus
denen keine Zwangsversteigerung betrieben werden könne, dürften dem Erbbaurecht im Rang
nicht vorgehen, da diese aufgrund der aus ihnen abzuleitenden Benutzungsbefugnisse das
Eigentum des Erbbauberechtigten störten. Die Rangstelle im Grundbuch sichere nicht nur die
Verwertbarkeit des Rechts, sondern auch die Verwirklichungsreihenfolge. Das
Unschädlichkeitszeugnis sei nur zu erteilen, wenn die dinglich Berechtigten nur geringfügig
betroffen seien, was vorliegend nicht der Fall sei. Da sich der Ausübungsbereich der
Grunddienstbarkeit unmittelbar unter den neu zu erstellenden Parkplätzen befinde, sei eine
Erneuerung oder Unterhaltung des Privatkanals unverhältnismäßig erschwert. Auch ein
finanzieller Nachteil des Dienstbarkeitsberechtigten sei zu befürchten, da der Berechtigte
aufgrund § 3 der Dienstbarkeitsbestellung für die Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten
hafte. Der zu betreibende Aufwand im Schadensfalle sei, wenn die Leitungen unter den
Stellplätzen liegen, erheblich. Auch das Erbbaurecht sei beeinträchtigt, da das Kanalleitungsrecht
aufgrund seines Vorranges zu dulden sei und im Schadensfalle eine Reparatur und Sanierung der
Leitungen zu erfolgen habe, die die Nutzbarkeit der betroffenen Stellplätze für den Zeitraum bis
zum Abschluss der Arbeiten ausschlösse. Die nach § 4 des Erbbaurechtsvertrages beabsichtigte
Aufteilung in Wohnungs- und Teilerbbaurechte und die damit verbundene Zuweisung der
Stellplätze als Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht gestalte sich als problematisch.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG kann das Erbbaurecht nur zur ausschließlich ersten
Rangstelle am Erbbaugrundstück bestellt werden, also weder nachrangig noch gleichrangig mit
einem anderen Recht am Grundstück. Der erste Rang des Erbbaurechts kann auch später nicht
geändert werden. Ist das mit dem Erbbaurecht zu belastende Grundstück nicht lastenfrei im
Grundbuch eingetragen, sind daher bereits eingetragene (rangfähige) Rechte in Abt. II und/oder
Abt. III des Grundbuchs entweder zu löschen oder im Wege eines Rangrücktritts hinter das zu
bestellende Erbbaurecht zu setzen. Andernfalls ist die Einräumung eines Erbbaurechts am
Grundstück grundsätzlich nicht möglich.

§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG betrifft nicht nur dingliche Befriedigungs- bzw.
Verwertungsrechte wie Hypotheken oder Grundschulden, sondern auch Dienstbarkeiten
jeglicher Art. Solche Dienstbarkeiten stehen der von § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG für das
Erbbaurecht geforderten Rangstelle auch dann entgegen, wenn sich ihre Ausübung nur auf eine
kleine Teilfläche des Grundstücks beschränken, nach herrschender Meinung selbst dann, wenn
sich die Ausübungsbereiche von Dienstbarkeit und Erbbaurecht nicht überschneiden. Ist ein
Grundstück mit einer Dienstbarkeit belastet, kann ein Erbbaurecht daher grundsätzlich nur
bestellt werden, wenn entweder – soweit möglich – eine den jeweiligen Ausübungsbereichen
entsprechende Teilung des Grundstücks erfolgt oder der Berechtigte dem Erbbaurecht den
Vorrang einräumt (zum Ganzen BeckOGK/Toussaint, Stand: 15.03.2023, ErbbauRG § 10 Rn.
3 ff.; Schöner/Stöber, GrundbuchR, 16. Aufl. 2020, Rn. 1731 ff.; Ingenstau/Hustedt,
ErbbauRG-Kommentar, 12. Aufl. 2022, § 10 ErbbauRG Rn. 3, jeweils mit zahlreichen weiteren
Nachweisen aus Rspr. und Lit.). Eine Mindermeinung (Grziwotz in: Erman, BGB, Kommentar,
16. Aufl. 2020, ErbbauRG § 10 Rn. 1) hält eine teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1
ErbbauRG – also die nachrangige Eintragung des Erbbaurechts – (nur) dann für möglich, wenn
es sich bei dem vorrangigen Recht um kein Verwertungsrecht handelt und der
Ausübungsbereich des vorrangigen Rechts denjenigen des Erbbaurechts samt
Erstreckungsfläche nicht betrifft.

Ratio des Erfordernisses der ersten Rangstelle ist zum einen die Gewährleistung des ungestörten
Bestands des Erbbaurechts für seine ganze Dauer, indem durch die Erstrangigkeit
ausgeschlossen ist, dass ein im Grundbuch eingetragener vorrangiger Berechtigter am
Grundstück die Zwangsversteigerung desselben betreibt und das Erbbaurecht dadurch gemäß
§§ 52 Abs. 1 Satz 2, 91 Abs. 1 ZVG erlischt; die Vorschrift des § 25 ErbbauRG verlängert
diesen Schutz für die Fälle der Zwangsversteigerung aus einer nicht eingetragenen Belastung
nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG oder einer Belastung nach § 10 Abs. 2 ErbbauRG (statt
vieler MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, ErbbauRG § 10 Rn. 1). Ratio des § 10 Abs. 1 ErbbauRG
ist aber auch, das grundstücksgleiche Eigentum des Erbbauberechtigten vor Störungen zu
schützen, die beispielsweise von aus einer Grunddienstbarkeit abzuleitenden
Benutzungsbefugnissen resultieren könnten; dies ist der Grund dafür, dass auch Dienstbarkeiten
oder sonstige Rechte, aus denen keine Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, dem
Erbbaurecht im Range nicht vorgehen dürfen (Staudinger/Rapp, Neubearbeitung 2021,
ErbbauRG § 10 Rn. 1a). Hintergrund ist, dass der Rang eines Rechts eben auch die Funktion
hat, zwischen zwei sich überschneidenden Rechten die Berechtigung hinsichtlich der Nutzungen
zu priorisieren (BeckOGK/Kesseler, Stand: 01.02.2023, BGB § 879 Rn. 2). Mittelbar schützt das
Erfordernis der ersten Rangstelle damit auch den Dienstbarkeitsberechtigten, der durch die
Verweigerung seiner Zustimmung zum Rangrücktritt die Eintragung des Erbbaurechts
regelmäßig verhindern kann, was zu einer starken Verhandlungsposition führt, wenn es um die
Frage der Absicherung des zurücktretenden Rechts geht (Ingenstau/Hustedt, a. a. O., § 10
ErbbauRG Rn. 2: „Vetoposition“).

Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat von der Verordnungsermächtigung des §
10 Abs. 2 ErbbauRG, wonach Bestimmungen getroffen werden können, die bei der Bestellung
des Erbbaurechts von dem Erfordernis der ersten Rangstelle abweichen, wenn dies für die
vorhergehenden Berechtigten und den Bestand des Erbbaurechts unschädlich ist, durch die
Verordnung der Landesregierung über den Rang von Erbbaurechten vom 17. Januar 1994 (GBl.
1994, 49) Gebrauch gemacht. Nach § 1 ErbbauRgV BW kann vom Erfordernis der ersten
Rangstelle unter anderem hinsichtlich einer vorrangig eingetragenen Dienstbarkeit abgewichen
werden, wenn das Grundbuchamt festgestellt hat, dass dies weder für den Berechtigten des
eingetragenen Rechts noch für den Bestand des Erbbaurechts schädlich ist (einen Überblick zu
den baden-württembergischen Regelungen [ohne indes auf den Begriff der „Schädlichkeit“
einzugehen] bietet Panz, Überlegungen zum Unschädlichkeitszeugnis, BWNotZ 1998, 16).

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall der Anwendungsbereich des § 10
Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG eröffnet (dazu a) und kommt eine Ausnahme vom Erfordernis der
ersten Rangstelle nach § 1 ErbbauRgV BW nicht in Betracht (dazu b).

a) Bei dem im Grundbuch in Abt. II eingetragenen Kanalrecht handelt es sich um eine
Grunddienstbarkeit im Sinne des § 1018 BGB und damit ein bereits eingetragenes, rangfähiges
Recht, das in Anbetracht der damit einhergehenden Benutzungsbefugnisse - namentlich des
Betretungsrechts zur Unterhaltung und Erneuerung (s. § 3 des Gestattungsvertrags vom
03.06.1997) - nach Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG dem vorgesehenen
Erbbaurecht im Range nicht vorgehen darf, da auch das Erbbaurecht mit der Befugnis zur
(sogar uneingeschränkten) Grundstücksnutzung einhergeht, die Rechte sich somit partiell
überschneiden und die Rangfolge auch Auswirkungen auf die Frage der Priorisierung der
jeweiligen Ausübungsbefugnis hat.

b) Zutreffend ist das Grundbuchamt in seiner Nichtabhilfeentscheidung davon ausgegangen,
dass mittlerweile zwar die formellen Voraussetzungen (dazu aa) für die Erteilung des
Unschädlichkeitszeugnisses vorliegen, nach wie vor jedoch nicht die materiellen
Voraussetzungen (dazu bb).

aa) Auch der Senat geht davon aus, dass mittlerweile die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen
Antrag auf Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses nach § 2 Abs. 2 ErbbauRgV BW erfüllt
sind. Angesichts der ausdrücklichen Weigerung von fünf Wohnungseigentümern des Flurstücks
… (jeweils wegen einer grundsätzlich negativen Einstellung zu dem Bauvorhaben), einem
Rangrücktritt zuzustimmen, und der fehlenden Rückmeldung vier weiterer Eigentümer ist die
Rangrücktrittserklärung im vorliegenden Fall nicht, jedenfalls nicht ohne unverhältnismäßige
Schwierigkeiten zu erlangen; aus Perspektive der auf das Kanalrecht zwingend angewiesenen
Dienstbarkeitsberechtigten ist dies - ganz unabhängig von grundsätzlichen Vorbehalten gegen
das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück - angesichts der mit einem Rangrücktritt
verbundenen Risiken für den Bestand des zurücktretenden Rechts (dazu eingehend Ott, Das
Sicherungsbedürfnis von Dienstbarkeitsberechtigten bei der Bestellung eines Erbbaurechts,
DNotZ 2015, 341) im Übrigen durchaus nachvollziehbar.

Auch die gemäß § 2 Abs. 3 ErbbauRgV BW erforderliche Zustimmung der Berechtigten des zu
bestellenden Erbbaurechts zur nachrangigen Bestellung liegt vor.

bb) Dagegen fehlt es an der materiellen Voraussetzung des § 1 ErbbauRgV, wonach ein
Abweichen vom Erfordernis der ersten Rangstelle nur möglich ist, wenn dies weder für den
Berechtigten des eingetragenen Rechts noch für den Bestand des Erbbaurechts schädlich ist.

(1) „Schädlichkeit“ für den Berechtigten des eingetragenen Rechts im Sinne der Verordnung
liegt dabei bei sachgerechter Auslegung des Begriffs dann vor, wenn das Nebeneinander des
erstrangig eingetragenen dinglichen Rechts sowie des nachrangig einzutragenden Erbbaurechts
zu mehr als lediglich geringfügigen wirtschaftlichen Nachteilen führen würde.

(a) Für dieses Begriffsverständnis sprechen bereits die Systematik des § 1 ErbbauRGV BW
sowie die semantische Betrachtung des Begriffs der „Schädlichkeit“.

§ 1 ErbbauRGV BW differenziert zwischen Schädlichkeit für den Bestand des Erbbaurechts
und Schädlichkeit für die Person des Berechtigten des vorrangig eingetragenen dinglichen
Rechts. Während sich der Begriff der Schädlichkeit somit in einem Fall ausdrücklich auf das
Recht - namentlich das Erbbaurecht - bezieht, geht es im anderen Fall um Schädlichkeit für den
Inhaber des vorrangig eingetragenen, dinglichen Rechts, also gerade nicht (lediglich) das Recht
selbst.

Nach allgemeinem juristischem Sprachgebrauch versteht man unter dem Begriff „Schaden“
jeden Nachteil, den jemand durch ein bestimmtes Ereignis erleidet. Der Begriff umfasst dabei
sowohl den Vermögensschaden, das heißt den in Geld oder geldwerten Gütern ausdrückbaren
Nachteil, als auch den ideellen oder immateriellen Nichtvermögensschaden (Weber,
Rechtswörterbuch, 20. Edition 2023, „Schaden“, beck-online). Die Beeinträchtigung eines
Rechts kann danach zwar ohne weiteres einen Schaden begründen, der Begriff des Schadens
(und damit auch der „Schädlichkeit“) geht aber weit darüber hinaus.

(b) Auch die - freilich nur sehr begrenzt ergiebige - historische Auslegung spricht für dieses
Begriffsverständnis.

In der Begründung des 1918 veröffentlichten Entwurfs (s. Sonder-Beilage zum Deutschen
Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger Nr. 104 vom 03.05.1918) zu § 10
ErbbauRG-E heißt es:

„Infolge des Erfordernisses der ersten Rangstelle können sich der Begründung von
Erbbaurechten aber leicht wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Schwierigkeiten
entgegenstellen. Zu denken ist hier vornehmlich an die Verfügungsbeschränkungen des
Eigentümers bei dem gebundenen Grundbesitz und an voreingetragene Rechte, die den Bestand
des Erbbaurechts nicht gefährden können. Es empfiehlt sich daher, die der deutschen
Gesetzgebung bereits bekannte Einrichtung der Unschädlichkeitszeugnisse – vergl. Art. 120 EG.
zum BGB – auch für die Begründung von Erbbaurechten auf vorbelasteten Grundstücken zu
verwerten. Der Entwurf sieht dementsprechend vor, daß durch landesherrliche Verordnung eine
Befreiung von dem Erfordernis der ersten Rangstelle in bestimmten Fällen vorgesehen werden
darf.“

In der nach Erlass der ErbbauVO im Jahre 1919 veröffentlichten Begründung (Erste Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger Nr. 26 vom 31.01.1919, S. 3)
heißt es zu § 10 ErbbauVO ganz ähnlich:

„Infolge des Erfordernisses der ersten Rangstelle können sich der Begründung von
Erbbaurechten aber leicht wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Schwierigkeiten
entgegenstellen. Zu denken ist hier vornehmlich an die Verfügungsbeschränkungen bei dem
gebundenen Grundbesitz – Lehns-, Familienfideikommiß- und Stamm-Gütern – sowie an
voreingetragene Rechte, die den Bestand des Erbbaurechts nicht gefährden können. Die
Meinung, daß derartige Verfügungsbeschränkungen in keinem Rangverhältnis zu den
Eintragungen in Abt. II und III des Grundbuchs stehen könnten, ist nicht unbestritten. Geht
man von der entgegengesetzten Ansicht aus, so kann dies dazu führen, daß z. B. Erbbaurechte
an Fideikommissen nicht bestellt werden können, weil, falls ein Rangverhältnis zwischen der
eingetragenen Fideikommißeigenschaft und der Belastung mit dem Erbbaurecht angenommen
wird, der Grundbuchvermerk über die Fideikommißeigenschaft im Range nicht verändert
werden kann. Eine Klarstellung scheint daher erforderlich; zugleich ist die Möglichkeit
vorzusehen, daß eine Änderung der Rechtsanschauungen die Bestellung von Erbbaurechten an
gebundenem Besitz nicht ausschließt. Es empfiehlt sich dabei, die der deutschen Gesetzgebung
bereits bekannte Einrichtung der Unschädlichkeitszeugnisse – vergl. Art. 120 EG zum BGB –
auch für die Begründung von Erbbaurechten auf vorbelasteten Grundstücken zu verwerten. Der
Entwurf sieht dementsprechend vor, daß und auf welchem Wege durch landesherrliche
Verordnung eine Befreiung von dem Erfordernis der ersten Rangstelle in bestimmten Fällen
vorgesehen werden darf.“

Soweit die Materialien Beispiele nennen, die der historische Gesetzgeber im Blick hatte, sind sie
für die Frage der Auslegung des Begriffs „Schädlichkeit“ (für den Inhaber des eingetragenen
Rechts) unergiebig. Denn die genannten Beispiele befassen sich nicht mit möglichen Nachteilen
für die Berechtigten des voreingetragenen Rechts. Ausdrücklich genannt werden lediglich
voreingetragene Rechte, die den Bestand des Erbbaurechts nicht gefährden, sowie der (heute
nicht mehr bedeutsame) Spezialfall von Verfügungsbeschränkungen bei gebundenem
Grundbesitz.

Soweit die Materialien empfehlen, die der deutschen Gesetzgebung bereits bekannte Einrichtung
des Unschädlichkeitszeugnisses nach Art. 120 EGBGB auch für die Begründung von
Erbbaurechten auf vorbelasteten Grundstücken zu verwerten, spricht dies dafür, unter
Schädlichkeit für den Berechtigten des voreingetragenen Rechts wirtschaftliche Nachteile zu
fassen. Denn bei den Unschädlichkeitszeugnissen nach Art. 120 EGBGB - also dem
historischen Vorbild des § 1 ErbbauRGV BW - meint der Begriff der Schädlichkeit jedenfalls
auch (und vor allem) wirtschaftliche Nachteile für von einer lastenfreien Veräußerung von
Teilflächen betroffene, dinglich abgesicherte Sicherungsgeber (Staudinger/Mittelstädt, 2018,
EGBGB Art 120, Rn. 1). So heißt es etwa in Art. 72 Abs. 3 BayAGBGB: „Die Rechtsänderung
ist unschädlich, wenn 1. der Umfang und der Wert des belasteten Grundstücks (Abs. 1 Satz 1)
oder 2. der Wert der Drittbelastung (Abs. 1 Satz 2) nur geringfügig geschmälert wird.“ Nach der
zugrundeliegenden Gesetzesbegründung des „Gesetzes zur Änderung des Gesetzes, das
Unschädlichkeitszeugnis betreffend, vom 07.08.2003“ darf ein Unschädlichkeitszeugnis nur
erteilt werden, wenn die Verfügung über das Grundstück für einen an diesem Grundstück
dinglich Berechtigten rechtlich und wirtschaftlich unschädlich ist (Kirchmayer, Das Bayerische
Unschädlichkeitszeugnisgesetz vom 07.08.2003, Rechtspfleger 2004, 203). § 23 AGBGB BW
enthält der Sache nach eine vergleichbare Vorschrift.

(c) Wenn § 1 ErbbauRGV BW ein Absehen vom Erfordernis der ersten Rangstelle hinsichtlich
einer vorrangig eingetragenen Dienstbarkeit nur dann erlaubt, wenn das Grundbuchamt
festgestellt hat, dass dies weder für den Berechtigten des eingetragenen Rechtes noch für den
Bestand des Erbbaurechts schädlich ist, können damit bezogen auf die vorrangig eingetragene
Grunddienstbarkeit schon mit Blick auf die grundbuchrechtliche Bedeutung des Rangs nur
Nachteile faktischer, insbesondere wirtschaftlicher Art gemeint sein. Denn das Rangverhältnis
regelt die Reihenfolge, in der die im Grundbuch eingetragenen Rechte verwirklicht werden. Bei
konkurrierenden Nutzungsrechten setzt sich das besserrangige gegenüber dem
schlechterrangigen durch (OLG München, Beschluss vom 17.06.2014 - 34 Wx 206/14, FGPrax
2014, 198; BeckOK GBO/Zeiser, Stand: 28.04.2023, GBO § 45 Rn. 1). Insofern ist nicht
ersichtlich, inwieweit ein nachrangig eingetragenes Recht schädliche Auswirkungen auf das
vorrangig eingetragene Recht als solches haben sollte; es entspricht dem Wesen der
Vorrangigkeit, dass sie von nachrangig eingetragenen Rechten rechtlich nicht tangiert werden.
Dies ist auch der Hintergrund der oben (a) dargestellten Differenzierung in § 1 ErbbauRGV
BW.

(d) Nur dieses Begriffsverständnis der „Schädlichkeit“ harmoniert auch mit Sinn und Zweck des
§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG, soweit es um das Erfordernis des ersten Ranges auch im
Verhältnis zu Dienstbarkeiten geht, aus denen keine Zwangsvollstreckung betrieben werden
kann. Wie dargestellt lässt sich das Erfordernis der Erstrangigkeit insoweit lediglich mit Blick auf
konkurrierende, sich wechselseitig gegebenenfalls störende Ausübungsbefugnisse begründen.
Konsequenterweise kommt es auch für die Frage der „Schädlichkeit“ dann aber darauf an, ob
die nachrangige Eintragung eines Erbbaurechts aufgrund der hierdurch entstehenden
Ausübungsbefugnis des Erbbauberechtigten nachteilige Auswirkungen tatsächlicher,
insbesondere wirtschaftlicher Art auf die Ausübungsbefugnisse des Dienstbarkeitsberechtigten
haben kann. Auch hier ist zu sehen, dass das Erbbaurecht wegen seiner Nachrangigkeit das
Recht des Dienstbarkeitsberechtigten von vornherein nicht berühren könnte, wenn § 1
ErbbauRGV BW zur Anwendung gelangte.

(2) Der Senat teilt die Auffassung des Grundbuchamts, dass das Abweichen vom Erfordernis
der ersten Rangstelle, wodurch die Eintragung des Erbbaurechts erst ermöglicht würde, für die
Dienstbarkeitsberechtigten mit erheblichen Nachteilen faktischer, insbesondere wirtschaftlicher
Art verbunden wäre. Da die Berechtigten des Kanalrechts nach § 2 des Gestattungsvertrags vom
27.05./03.06.1997 mit sämtlichen Reinigungs-, Unterhaltungs- und Erneuerungskosten im
Zusammenhang mit dem Privatkanal belastet sind und nach § 3 Satz 2 des Gestattungsvertrags
zudem nach Durchführung von Unterhaltungsarbeiten verpflichtet sind, den früheren Zustand
des Grundstücks auf eigene Kosten wiederherzustellen, kann die konkurrierende
Ausübungsbefugnis der Erbbauberechtigten rein faktisch und wirtschaftlich zu einem erheblich
größeren Aufwand im Falle der Vornahme von Reparatur-, Sanierungs- oder
Erneuerungsarbeiten führen. Auch wenn es für die Frage der „Schädlichkeit“ lediglich auf
potentiell störende Ausübungsbefugnisse ankommen kann und nicht darauf, ob bereits eine
Planung existiert oder diese gar bereits umgesetzt ist, zeigt dies die nach der zwischenzeitlich
erteilten Baugenehmigung beabsichtigte Bebauung exemplarisch: Der Kanal verläuft unmittelbar
unter den vorgesehenen, neu zu schaffenden Stellplätzen. Stellplätze für Kfz stellen als bauliche
Anlagen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 LBO in der Regel befestigte, abgegrenzte Flächen dar, mit
deren Herstellung eine Verdichtung, häufig sogar eine Versiegelung des Bodens einhergeht, und
deren Eröffnung wesentlich aufwendiger ist als die Eröffnung unbefestigten Terrains. Die
Erbbauberechtigten hätten im Rahmen ihrer Ausübungsbefugnis jederzeit die Möglichkeit, die
Stellplätze beispielsweise (genehmigungsfrei nach § 50 Abs. 1 LBO BW i. V. m. Anhang zu § 50
Abs. 1, Nr. 1b) als offene Carports auszugestalten, was im Falle der Erforderlichkeit von
Aufgrabungen erheblichen weiteren Aufwand bedeuten könnte.

Kanalarbeiten führten in Anbetracht der nach § 4 des Erbbaurechtsvertrages beabsichtigten
Aufteilung in Wohnungs- und Teilerbbaurechte notwendigerweise auch zu Eingriffen in die
Rechte der Sondereigentümer oder Sondernutzungsberechtigten der Stellplätze, was aus
Perspektive der Dienstbarkeitsberechtigten im Falle der Ausübung ihrer Nutzungsbefugnisse zu
zusätzlichen rechtlichen Risiken führen würde, könnten sie sich im Falle der Uneinigkeit
hinsichtlich der Reichweite ihrer Ausübungsbefugnis doch der Inanspruchnahme nicht nur
durch den Grundstückseigentümer, sondern - gegebenenfalls auch mehreren - weiteren
Personen, denen Rechte an den Stellplätzen zugewiesen sind, ausgesetzt sehen.
Soweit die Beschwerdeführerin, die den Begriff der „Schädlichkeit“ im Übrigen ebenfalls rein
faktisch versteht, in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2023 meint, durch die Erteilung des
Unschädlichkeitszeugnisses träten keine „substantiellen Nachteile“ für die
Dienstbarkeitsberechtigten ein, kann dem nicht gefolgt werden. Die Auffassung, derartige
substantielle Nachteile lägen deswegen nicht vor, weil nicht zu erwarten sei, dass man den Kanal
während der Laufzeit des Erbbaurechts (bis zum Jahr 2101) mehr als einmal komplett erneuern
müsse, Reparatur- und Sanierungsarbeiten ohnehin „regelmäßig“ ohne Aufgrabungen mittels
eines sogenannten Inliner-Verfahrens bewerkstelligt werden könnten und im Falle
gegebenenfalls doch erforderlich werdender konventioneller Aufgrabungen die Stellplätze auch
nur „relativ kurz“ beeinträchtigt würden, überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Die
Bewilligung des Kanalrechts stammt aus dem Jahr 1997. Dass Aufgrabungen zu Reparatur- oder
Sanierungszwecken in der Zeit des Erbbaurechts erforderlich werden können, steht zur
Überzeugung des Senats außer Frage und wird letztlich auch von der Beschwerdeführerin nicht
bestritten. Die Dienstbarkeitsberechtigten auf ein Rohr-in-Rohr-Verfahren zu verweisen,
scheidet schon deswegen aus, weil gerichtsbekannt ist, dass die Anwendung des Inline-
Verfahrens bei schweren Rohrschäden und bei bestimmten Rohren (abhängig vom
Rohrdurchmesser) schon grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

(2) Ein Abweichen vom Erfordernis der ersten Rangstelle ist aus den genannten Gründen auch
für den „Bestand des Erbbaurechts“ schädlich. Dabei kann mit dem in diesem Zusammenhang
etwas missverständlich verwendeten Begriff „Bestand“ nicht das Bestehen des Erbbaurechts in
dem Sinne gemeint sein, dass Schädlichkeit nur anzunehmen wäre, wenn die Existenz des
Erbbaurechts infolge des Abweichens vom Erfordernis der ersten Rangstelle bedroht wäre.
Denn da § 25 ErbbauRG auch bei vorrangigen Rechten, die zur Verwertung des Grundstücks
im Wege der Zwangsversteigerung führen können, von vornherein das Erlöschen des
Erbbaurechts verhindert, gefährdet die Vorrangigkeit als solche in keinem denkbaren Fall die
Existenz des Erbbaurechts. Mit dem Grundbuchamt geht daher auch der Senat davon aus, dass
mit der Formulierung „für den Bestand des Erbbaurechts schädlich“ jede nicht nur unerhebliche
Beeinträchtigung der aus dem Erbbaurecht folgenden Rechtsposition gemeint ist. Das
Abweichen vom Erfordernis der ersten Rangstelle würde die uneingeschränkte
Nutzungsbefugnis der Erbbauberechtigten am Grundstück tangieren. Im Falle der Vornahme
von Kanalarbeiten wäre die Nutzbarkeit der Stellplätze während der Dauer der Arbeiten
beeinträchtigt; auf die zutreffenden Ausführungen des Grundbuchamts im
Nichtabhilfebeschluss vom 27.04.2023 wird Bezug genommen.

3. Der Senat verkennt nicht, dass die Nichterteilung des Unschädlichkeitszeugnisses das
verfahrensgegenständliche Bauprojekt insgesamt zu gefährden geeignet ist. Dies liegt indes an
Versäumnissen, die nicht in den Verantwortungsbereich der Dienstbarkeitsberechtigten fallen.
Die Vertragsparteien hätten bei vorheriger Kenntnisnahme des Grundbuchstandes und
vorausschauender Planung mehrere Möglichkeiten in Erwägung ziehen können, die die
Realisierbarkeit des Bauvorhabens auch ohne Rangrücktrittserklärung der
Dienstbarkeitsberechtigten ermöglicht hätten. Durch die Übertragung des Vollrechts und eine
abweichende, unter Berücksichtigung des Verlaufs des Kanals tatsächlich „unschädliche“
Planung wäre die Realisierbarkeit des Bauvorhabens auch ohne jede Mitwirkung der
Dienstbarkeitsberechtigten möglich gewesen. Auch die Abtrennung des Grundstückteils, unter
dem der Kanal verläuft, hätte in Betracht gezogen werden können. Unter Umständen kommt
sogar ein aus § 242 BGB ableitbarer Anspruch der Grundstückseigentümerin auf Zustimmung
zum Rangrücktritt gegen die Dienstbarkeitsberechtigten in Betracht, dessen Durchsetzung die
Beschwerdeführerin hätte betreiben können. Voraussetzung hierfür wäre in der Regel die
erstrangige Eintragung der Grunddienstbarkeit am Erbbaurecht im Zuge der Eintragung des
Erbbaurechts, damit dem Dienstbarkeitsberechtigten gegenüber dem Erbbauberechtigten die
gleichen Rechte wie bisher gegenüber dem Grundstückseigentümer zustehen
(Ingenstau/Hustedt, a. a. O., § 10 ErbbauRG, Rn. 5 mit weit. Nachw.), sowie ein Ausschluss des
Entschädigungsanspruchs nach § 27 Abs. 1 ErbbauRG im Erbbaurechtsvertrag - nach
Erlöschen des Erbbaurechts könnte sonst nämlich bei einer Versteigerung aus dem
Entschädigungsanspruch die Grunddienstbarkeit ausfallen (näher MüKoBGB/Weiß, a. a. O.,
ErbbauRG § 10 Rn. 4; Ingenstau/Hustedt, a. a. O., § 10 ErbbauRG Rn. 5); der
zugrundeliegende Erbbaurechtsvertrag sieht eine solche Entschädigung jedoch ausdrücklich vor.
Dass derartige Möglichkeiten nicht in Betracht gezogen worden sind, kann nicht zu Lasten der
Dienstbarkeitsberechtigten gehen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 2 Abs. 2 FamGKG, 7 Abs. 1 Nr. 2 LJKG BW.
Ein Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht gegeben.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Karlsruhe

Erscheinungsdatum:

30.06.2023

Aktenzeichen:

14 W 38/23 (Wx)

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Grundbuchrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Erbbaurecht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

ErbbauRG § 10