Gerichtliche Bestellung von Liquidatoren; Eintragung einer gelöschten GmbH von Amts wegen
letzte Aktualisierung: 7.9.2022
BGH, Beschl. v. 26.7.2022 – II ZB 20/21
GmbHG §§ 66 Abs. 4 u. 5, 70
Gerichtliche Bestellung von Liquidatoren; Eintragung einer gelöschten GmbH von Amts
wegen
Eine gelöschte GmbH und ihre Liquidatoren sind grundsätzlich von Amts wegen einzutragen, wenn
die Liquidatoren durch das Gericht ernannt worden sind, weil sich nach der Löschung der
Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der
Verteilung unterliegt.
Gründe:
I.
Die Beteiligte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde 2006
gemäß § 141a FGG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Mit Beschluss vom
6. Dezember 2019 hat das Amtsgericht Charlottenburg K. gemäß
§ 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG zum Liquidator bestellt und den "Wirkungskreis des
der gelöschten Gesellschaft hinsichtlich der im Eigentum der Gesellschaft stehenden
Teileigentumseinheiten G. straße /O. straße verzeichnet im
Grundbuch von F. Blatt "
beschränkt.
Unter dem 27. Mai 2021 hat K. beantragt, die Beteiligte und sich
"als Nachtragsliquidator" in das Handelsregister einzutragen. Zur Begründung
hat er ausgeführt, dass das Grundbuchamt als der beantragten Eintragung von
Grundpfandrechten entgegenstehendes Hindernis den fehlenden Nachweis der
Vertretungsberechtigung nach § 32 GBO benannt habe. Die gegen diese
Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde habe das Kammergericht mit Beschluss
vom 29. April 2021 zurückgewiesen.
Das Amtsgericht hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen
gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht
zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihr
Eintragungsbegehren weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung der Zurückweisungsbeschlüsse
zur Anweisung an das Registergericht, die Beteiligte
und ihren Liquidator in das Handelsregister einzutragen.
1. Das Beschwerdegericht (KG,
seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Liquidation, die gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG nach Löschung einer
GmbH wegen Vermögenslosigkeit trotz vorhandenen Vermögens erfolge, sei
wie die Nachtragsliquidation lediglich darauf gerichtet, die noch für die Vollbeendigung
der Gesellschaft notwendigen Einzelmaßnahmen durchzuführen.
Dementsprechend könne die Vertretungsmacht des Liquidators auf die einzelnen,
gemäß § 70 GmbHG erforderlichen Abwicklungsmaßnahmen beschränkt
werden. Es gebe keinen Grund, den Liquidator mit einer "überschießenden"
Vertretungsmacht auszustatten, die ihm und dem Rechtsverkehr Befugnisse
"vorzuspiegeln" geeignet sei, die dieser nicht habe. Die Eintragung der Gesellschaft
und ihres Liquidators im Handelsregister könne nach pflichtgemäßem
Ermessen des Gerichts unterbleiben, wenn der zu erwartende Umfang und die
Qualität der erforderlichen Handlungen der Liquidatoren eine Eintragung nicht
erfordere. Dies sei hier der Fall, weil nur noch Teileigentumsrechte zu verwerten
seien. Der Beschluss des ersten Zivilsenats des Kammergerichts (ZIP 2021,
2125), wonach die Handelsregistereintragung zur Eintragung der Grundpfandrechte
erforderlich sei, binde den Senat nicht. Er überzeuge auch in der Sache
nicht, weil der Liquidator seine Vertretungsbefugnis durch Vorlage einer Ausfertigung
des Bestellungsbeschlusses in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO
nachweisen könne.
2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß
auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis der Beteiligten ergibt
sich schon daraus, dass ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts
zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020
- II ZB 26/19,
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil das Beschwerdegericht die
gemäß § 59 Abs. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde
rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat. Der gerichtlich ernannte Liquidator K.
ist gemäß
einzutragen. Dazu gehört auch die Eintragung der Beteiligten als der zu liquidierenden
Gesellschaft (vgl.
2125, 2126; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 66 Rn. 39;
Nerlich in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 66
Rn. 100; Paura in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 66 Rn. 84;
Scholz/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 69; Scholz/K. Schmidt/Scheller,
GmbHG, 12. Aufl., § 66 Rn. 58; aA Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 75 Rn. 67).
a) Ob eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte Gesellschaft und ihre
Liquidatoren im Fall des § 66 Abs. 5 GmbHG ins Handelsregister eingetragen
werden müssen, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet.
Teilweise wird die Eintragung ausnahmslos für erforderlich erachtet (KG,
JW 1937, 1739, 1740; Beckmann/Winter,
in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 66 GmbHG Rn. 34; Harders in Bumiller/
Harders, FamFG, 12. Aufl., § 394 Rn. 10; Keidel/Heinemann, FamFG, 20. Aufl.,
§ 394 Rn. 37; Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 6. Aufl.,
§ 394 Rn. 81).
Anderer Auffassung zufolge kann von einer Eintragung im Einzelfall aus
pragmatischen Gründen abgesehen werden, insbesondere wenn nur noch einzelne,
schnell zu erledigende Abwicklungsmaßnahmen zu erfolgen hätten und
der Liquidationszweck die Eintragung nicht erfordere (OLG München, ZIP 2010,
2204; Grziwotz,
7. Aufl., § 74 Rn. 26; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 66
Rn. 39; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 74 Rn. 20;
Kolmann/Riedemann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., § 74 Rn. 71;
Nerlich in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 66
Rn. 100; Scholz/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 69; Scholz/
K. Schmidt/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 66 Rn. 58; Wilsch, NotBZ 2022,
184 ff.).
b) Eine gelöschte GmbH und ihre Liquidatoren sind nach § 67 Abs. 4
GmbHG grundsätzlich von Amts wegen einzutragen, wenn die Liquidatoren
durch das Gericht ernannt worden sind, weil sich nach der Löschung der Gesellschaft
wegen Vermögenslosigkeit herausstellt, dass Vermögen vorhanden
ist, das der Verteilung unterliegt (§ 66 Abs. 5 GmbHG). Es bedarf keiner Entscheidung,
ob die Eintragung einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft
und ihrer Liquidatoren im Einzelfall aus verfahrensökonomischen
Gründen unterbleiben kann. Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen
Feststellungen ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben.
aa) Der Wortlaut von
Abs. 5 Satz 2 GmbHG ernannten Liquidatoren. Gesetzessystematisch schließt
jene Bestimmung diese ebenfalls ein. Die Gesetzesgenese bietet auch keine
Anhaltspunkte für ein einschränkendes Normverständnis. § 66 Abs. 5 GmbHG
ist zwar durch Art. 48 Nr. 9 Buchst. b des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung
vom 5. Oktober 1994 (EGInsO, BGBl. I 2911) nachträglich in das
GmbHG eingefügt worden. Allerdings sah schon § 2 Abs. 3 LöschG die gerichtliche
Bestellung der Liquidatoren unter den in § 66 Abs. 5 GmbHG geregelten
Voraussetzungen vor, was deren Eintragung von Amts wegen gemäß § 67
Abs. 4 GmbHG zur Folge hatte (vgl.
GmbHG wollte der Gesetzgeber § 2 Abs. 3 LöschG lediglich mit einigen redaktionellen
Anpassungen ins GmbHG überführen (RegE EGInsO,
BT-Drucks. 12/3803, S. 90). Schließlich lässt sich Sinn und Zweck von § 67
Abs. 4 GmbHG, die Liquidation und die gerichtlich ernannten Liquidatoren publik
zu machen, auch in den Fällen des § 66 Abs. 5 GmbHG erfüllen. Bei der
Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit kommt der Publizitätsfunktion
besondere Bedeutung zu, weil in aller Regel noch kein Liquidationsverfahren
mit Gläubigeraufruf (
hat. Schweigt das Handelsregister, wird sich ein Gläubiger vielfach nicht veranlasst
sehen, seine Forderungen geltend zu machen (Beckmann/Winter,
Rn. 58). Der unrichtige Eindruck einer werbenden Gesellschaft wird durch die
Eintragung nicht hervorgerufen (so aber Wilsch,
die Liquidatoren sind als solche und in den Fällen gerichtlicher Ernennung gemäß
§ 19 Abs. 2 Satz 1 HRV zudem unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage
einzutragen.
bb) Auf Grundlage des vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalts
kommt ein Absehen von der Eintragung nicht in Betracht. Danach ist die
Beteiligte Eigentümerin von fünf Teileigentumsrechten. Deren Wert hat sie mit
In Anbetracht dieses Vermögens kann keine Rede davon sein, dass der
Liquidationszweck die Eintragung nicht erfordere, weil nur noch einzelne,
schnell zu erledigende Abwicklungsmaßnahmen vonnöten seien. Vielmehr finden
gemäß
(Beckmann in Gehrlein/Born/Simon, 5. Aufl., § 66 Rn. 32; Büteröwe in
Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 66 Rn. 34; Haas in Noack/Servatius/Haas,
GmbHG, 23. Aufl., § 66 Rn. 41; MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl., § 66
Rn. 88; Paura in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 66 Rn. 88;
Scholz/K. Schmidt/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 66 Rn. 59).
Danach ist der Liquidator nach den in Rede stehenden Vermögenswerten
in nicht unerheblichem Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 71
Abs. 1,
von ihm in Geld umzusetzen (
Geschäfte eingehen, z. B. Renovierungsarbeiten beauftragen oder zur Absicherung
der Kaufpreisfinanzierung Grundpfandrechte bestellen (§ 70 Satz 2
GmbHG). Seine Vertretungsberechtigung dazu kann er gegenüber dem Grundbuchamt
gemäß § 32 GBO durch das Handelsregister nachweisen. Da ihm das
Gesetz diese Möglichkeit eröffnet, ist es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts
unerheblich, ob er seine Vertretungsberechtigung grundbuchverfahrensrechtlich
auch durch eine Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses
nachweisen könnte. Die Verteilung des durch Veräußerung der
Teileigentumsrechte eingenommenen Geldes darf der Liquidator nach § 73
Abs. 1 GmbHG auch erst frühestens mit Ablauf eines Jahres seit dem Tage
vornehmen, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger gemäß § 65 Abs. 2
GmbHG erfolgt ist.
cc) Unklar ist, worauf der Hinweis des Beschwerdegerichts abzielt, es
gebe keinen Grund, den Liquidator mit einer "überschießenden" Vertretungsmacht
auszustatten und ihm und dem Rechtsverkehr eine solche Befugnis "vorzuspiegeln".
Falls das Beschwerdegericht damit ein Eintragungshindernis hat
benennen wollen, läge ein solches Hindernis nicht vor. Die Eintragung nach
Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 67 Rn. 16 mwN). Die Vertretungsbefugnis
des Liquidators ergibt sich aus dem Gesetz. Sie ist gemäß § 71 Abs. 4,
§ 37 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar (BGH,
Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18,
Liquidator eingetragen wird und diese Eintragung richtig ist, wird dem Rechtsverkehr
auch nichts "vorgespiegelt".
III.
Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die
Sache ist zur Endentscheidung reif, weil das Registergericht mit der Bestellung
des Liquidators die Bestellungsvoraussetzungen bejaht hat. Das Registergericht
ist, da keine anderen Eintragungshindernisse ersichtlich sind, anzuweisen,
die Beteiligte und den Liquidator in das Handelsregister einzutragen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:26.07.2022
Aktenzeichen:II ZB 20/21
Rechtsgebiete:
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbHG §§ 66 Abs. 4 u. 5, 70