Eintritt der Legitimationswirkung einer geänderten Gesellschafterliste
letzte Aktualisierung: 23.3.2022
OLG Jena, Beschl. v. 15.2.2021 – 2 W 53/21
Eintritt der Legitimationswirkung einer geänderten Gesellschafterliste
1. Im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern ist allein die Eintragung
in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste maßgeblich. Diese entfaltet
Legitimationswirkung für die Geltendmachung sämtlicher Gesellschafterrechte, ohne dass es auf die
wahre Berechtigung ankommt, sodass auch nur der in die Gesellschafterliste Eingetragene zur
Gesellschafterversammlung zu laden ist.
2. Für den Eintritt der Legitimationswirkung kommt es auf den Zeitpunkt der Aufnahme der
Gesellschafterliste im Handelsregister an. Nach Aufnahme der Liste in das Handelsregister gilt die
unwiderlegliche Vermutung oder gesetzliche Fiktion der Berechtigung des in die Liste
Eingetragenen. Bis zur Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister gilt der durch die alte
Liste legitimierte Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft weiter als Gesellschafter mit allen
Rechten und Pflichten. Erst mit der Aufnahme der geänderten Liste im Handelsregister
tritt der Erwerber als Gesellschafter auch gegenüber der Gesellschaft an die Stelle des Veräußerers
und gehen sämtliche Mitgliedschaftsrechte und -pflichten auf den
Erwerber über. Deswegen kann der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer ihn nicht
mehr ausweisenden Gesellschafterliste seine mitgliedschaftlichen Rechte nicht länger ausüben.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Am 14.12.2020 ging eine geänderte Gesellschafterliste beim Registergericht ein (Blatt 28 der Registerakte),
die nicht mehr wie zuvor die M_ GmbH G_ als Alleingesellschafterin der Antragstellerin
auswies, sondern die G_ GmbH. Der Vorgang wurde der Rechtspflegerin am 15.12.2020 vorgelegt
und die geänderte Gesellschafterliste an diesem Tag in das Handelsregister aufgenommen.
Am 05.01.2021 ging die Anmeldung vom 14.12.2020 (UR-Nr. __/__ der Notarin L_, S_) bei Gericht
ein, mit der die Beendigung des zwischen der Antragstellerin und der M_ GmbH G_ bestehenden
Gewinnabführungsvertrages zum 31.12.2020 zur Eintragung angemeldet wurde. Beigefügt
waren der notariell beurkundete Aufhebungsvertrag und die ebenfalls notariell beurkundeten
Zustimmungserklärungen der beteiligten Gesellschaften.
Mit Verfügung vom 12.01.2021 (Blatt 32 der Registerakte) wies das Amtsgericht die Antragstellerin
darauf hin, dass aus der Gesellschafterliste vom 14.12.2020 ersichtlich sei, dass mit der Vorurkunde
Nr. __/__ sämtliche Anteile an die G_ GmbH übertragen wurden und die M_ GmbH G_
daher nicht berechtigt gewesen sei, als Gesellschafterin der Aufhebung zuzustimmen. Es sei daher
eine notariell beurkundete Zustimmung der G_ GmbH vorzulegen. In ihrer Stellungnahme vom
13.01.2021 (Blatt 36 der Akte) machte die Antragstellerin geltend, die M_ GmbH G_ sei zur Beschlussfassung
berechtigt gewesen, da sie zu diesem Zeitpunkt noch in der in das Handelsregister
eingestellten Gesellschafterliste eingetragen gewesen sei.
Mit Zwischenverfügung vom 20.01.2021, der Antragstellerin am 22.01.2021 zugestellt (Blatt 38, 39
der Registerakte) hielt das Registergericht an seiner Beanstandung fest und führte aus, es habe
seiner Prüfung die zum Stichtag 14.12.2020 in den Registerordner eingestellte Gesellschafterliste
zu Grunde zu legen.
Hiergegen richtet sich die am 25.01.2021 bei Gericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin,
mit der ausgeführt wird, die Veräußerung des Geschäftsanteils sei erst im Anschluss an die
Zustimmungsbeschlüsse beurkundet worden. Die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste
sei erst am 15.12.2020 erfolgt.
Das Registergericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 01.02.2021 nicht ab und führte aus,
es sei die Gesellschafterliste maßgebend, geltend ab dem Ausstellungsdatum bzw. dem angegebenen
Stichtagsdatum, in dessen Zeitraum der Tag der Gesellschafterversammlung gefallen sei.
Wann die Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner erfolgt sei, sei nicht zu beachten.
II.
Die gemäß
Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das vom Registergericht benannte Eintragungshindernis
besteht nicht. Da weitere Eintragungshindernisse weder vom Registergericht benannt
noch sonst ersichtlich geworden sind, wird das Registergericht angewiesen, die angemeldeten
Tatsachen in das Handelsregister einzutragen.
1.
Das vom Registergericht benannte Eintragungshindernis besteht nicht; es bestehen keine Bedenken
gegen die Wirksamkeit der Zustimmung der Antragstellerin zur Aufhebung des Gewinnabführungsvertrages.
a)
Gegenstand der Aufhebung und Anmeldung ist ein Gewinnabführungsvertrag, mithin ein Unternehmensvertrag
im Sinne des
GmbH abgeschlossen worden war.
Auf Unternehmensverträge im Sinne des
mit beschränkter Haftung abgeschlossen werden, sind die bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrags
geltenden Formvorschriften (
durch einen Unternehmensvertrag bewirkte Eingriff in den Gesellschaftszweck, die Zuständigkeitskompetenz
der Gesellschafter und ihr Gewinnbezugsrecht satzungsgleich die rechtliche
Grundstruktur der verpflichteten GmbH ändert und ihm auch eine einer Satzungsänderung entsprechende
Bedeutung zukommt (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 175/18 –, Rn. 17, juris).
Die Wirksamkeitsvoraussetzungen für Unternehmensverträge mit einer GmbH als verpflichteter
Gesellschaft sind primär aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über Satzungsänderungen
im Recht der GmbH abzuleiten. Die Vorschriften der
entsprechende Anwendung, wenn der Schutzzweck der Vorschrift bei einer abhängigen
GmbH gleichermaßen zutrifft und sie nicht auf Unterschieden der Binnenverfassung zwischen
der Aktiengesellschaft und der GmbH beruhen. Soweit das GmbHG - wie mit den §§ 53 und 54 -
Regelungen enthält, die der durch einen Unternehmensvertrag geschaffenen Situation für die Gesellschaft
Rechnung tragen, liegt deren Heranziehung näher als ein Rückgriff auf die Regelungen
des Aktiengesetzes (BGH, Urteil vom 16. Juli 2019 – II ZR 175/18 –, Rn. 22, juris).
Dies gilt ebenso bei einer Aufhebung eines Unternehmensvertrages, denn auch damit ist ein Eingriff
in die Organisationsstruktur der Gesellschaft verbunden und wird der rechtliche Status der
verpflichteten Gesellschaft geändert (BGH, Urteil vom 31. Mai 2011 – II ZR 109/10 –, Rn. 19, juris;
Centrale für GmbH - Rodewald, GmbH-Handbuch, 174. Lieferung 10.2020, Der GmbH-Konzern,
Rn. 2947; Baumbach/Hueck-Beurskens, GmbHG, 22. A., KonzernR, Rn. 94, 124; Krafka, aaO,
Rn. 1116c; Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. A., Anhang zu
Lutter/Hommelhoff - Hommelhoff, GmbHG, 20. A., Anhang zu
§ 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ist daher für die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages u.a. die
notariell beurkundete Zustimmung der verpflichteten Gesellschaft erforderlich (Baumbach/Hueck -
Beurskens, aaO, KonzernR, Rn. 133; Lutter/Hommelhoff - Hommelhoff, aaO, anh.
Rn. 89, 51).
Die notariell beurkundete Zustimmung zum Aufhebungsvertrag wurde in der Gesellschafterversammlung
der Antragstellerin am 14.12.2020 erklärt. Diese Versammlung wurde u.a. unter Verzicht
auf die Einhaltung der gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Form- und Fristvorschriften
für die Einberufung abgehalten, da die in der Gesellschaftsversammlung vertretene und die
Zustimmung erklärende M_ GmbH G_ zu diesem Zeitpunkt als Alleingesellschafterin der Antragstellerin
angesehen und behandelt wurde. Wäre dementgegen in rechtlicher Hinsicht davon auszugehen,
dass stattdessen die G_ GmbH als Alleingesellschafterin zu behandeln und zu laden
gewesen wäre, so wäre die in der Gesellschafterversammlung erklärte Zustimmung nichtig (OLG
Düsseldorf, Urteil vom 24. Juni 2016 - 16 U 75/15 -, Rn. 44, juris; Baumbach/Hueck -
Zöllner/Noack, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 28).
b)
Es bestehen aber keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Zustimmung.
aa)
Zwar wurde mit Urkunde vom 14.12.2020 - also am Tage der obengenannten Gesellschafterversammlung
- die Veräußerung und Abtretung des Geschäftsanteiles durch die M_ GmbH G_ an
die G_ GmbH beurkundet. Auf die materiellrechtliche Wirksamkeit und den zeitlichen Ablauf der
Gesellschafterversammlung und der Abtretung des Geschäftsanteiles kommt es hier aber nicht
an; maßgeblich ist vielmehr der Inhalt der in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste.
Nach
den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligungen als Inhaber eines Geschäftsanteils
nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste
eingetragen ist. Greift die Vermutung des
sämtliche Mitgliedschaftsrechte, d.h. auch das Stimmrecht, gegenüber der Gesellschaft
zu, ohne dass es auf seine wahre Berechtigung ankommt (BGH, Urteil vom 20. November 2018 –
II ZR 12/17 –, Rn. 23, juris). § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG begründet eine relative oder formale
Rechtsstellung des Gesellschafters durch Normierung einer gesetzlichen Fiktion - oder nach anderer
Auffassung einer unwiderleglichen Vermutung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. November
2016 – 20 W 269/16 –, Rn. 33, juris). Die materielle Gesellschafterstellung wird zwar
durch den Inhalt der Gesellschafterliste nicht berührt (Baumbach/Hueck - Servatius, aaO, § 16
GmbHG, Rn. 2; Lutter/Hommelhoff - Bayer, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 29). Im Innenverhältnis zwischen
der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern ist aber allein die Eintragung in die in das Handelsregister
aufgenommene Gesellschafterliste maßgeblich. Diese entfaltet Legitimationswirkung
für die Geltendmachung sämtlicher Gesellschafterrechte, ohne dass es auf die wahre Berechtigung
ankommt (Baumbach/Hueck - Servatius, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 3, 14), so dass auch nur
der in die Gesellschafterliste Eingetragene zur Gesellschafterversammlung zu laden ist
(Baumbach/Hueck - Zöllner/Noack, aaO, § 51 GmbHG, Rn. 3).
Für den Eintritt der Legitimationswirkung kommt es auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Gesellschafterliste
im Handelsregister an. Nach Aufnahme der Liste in das Handelsregister gilt die unwiderlegliche
Vermutung oder gesetzliche Fiktion der Berechtigung des in die Liste Eingetragenen.
Bis zur Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister gilt der durch die alte Liste legitimierte
Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft weiter als Gesellschafter mit allen Rechten
und Pflichten. Erst mit der erfolgten Aufnahme der geänderten Liste im Handelsregister tritt der
Erwerber als Gesellschafter auch gegenüber der Gesellschaft an die Stelle des Veräußerers und
gehen sämtliche Mitgliedschaftsrechte und -pflichten von diesem Zeitpunkt an auf den Erwerber
über (Baumbach/Hueck - Servatius, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 2 aE, 14, 17, 18; s.a.
Lutter/Hommelhoff - Bayer, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 28;
GmbHG, 12. A., § 16 GmbHG, Rn. 35 - 37; Münchener Kommentar zum GmbHG - Heidinger, 3.
A., § 16 GmbHG, Rn. 80, 83, 134, 137). Deswegen kann der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der
Aufnahme einer ihn nicht mehr aufführenden Gesellschafterliste zum Handelsregister seine mitgliedschaftlichen
Rechte nicht länger ausüben (BGH, Urteil vom 10. November 2020 – II ZR
211/19 –, Rn. 14, juris; BGH, Urteil vom 02. Juli 2019 – II ZR 406/17 –, Rn. 35, juris). Hieran ist
auch das Registergericht gebunden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10. Juli 2001 – 15 W 81/01
–, Rn. 16, juris). Dementsprechend sind die eingegangenen Listen in zeitlicher Reihenfolge in den
Registerordner einzustellen und das Datum der Aufnahme in den Registerordner zu vermerken
(Baumbach/Hueck - Servatius, aaO,
März 2019 – 3 Wx 53/18 -,
bb)
Die geänderte Gesellschafterliste, die nunmehr nicht mehr die M_ GmbH G_, sondern die G_
GmbH als Alleingesellschafterin der Antragstellerin auswies, wurde zwar unter dem 14.12.2020
erstellt und ging auch bereits an diesem Tage beim Registergericht ein. Der Vorgang wurde der
Rechtspflegerin aber am 15.12.2020 vorgelegt und die Gesellschafterliste unstreitig auch erst an
diesem Tag in den Registerordner eingestellt. Am 14.12.2020 hatte die Antragstellerin also noch
die M_ GmbH G_ als Alleingesellschafterin zu behandeln und war diese für die Wahrnehmung der
gesellschafterlichen Rechte legitimiert.
c)
Ansonsten wurden weder weitere Eintragungshindernisse durch das Amtsgericht benannt noch
sonst ersichtlich.
3.
Da keine sonstigen Eintragungshindernisse ersichtlich sind, hat der Senat in der Sache selbst
entschieden, § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG, und das Registergericht angewiesen, die Eintragung
vorzunehmen.
Die Nichterhebung der Gerichtskosten beruht auf
lage für die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht gegeben.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Jena
Erscheinungsdatum:15.02.2021
Aktenzeichen:2 W 53/21
Rechtsgebiete:
GmbH
Konzernrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbHG § 16