OLG München 18. Dezember 2011
34 Wx 417/11
GBO § 53 Abs. 1 S. 2; BGB § 1090

Bezugnahme auf „Grundsätze der Denkmalpflege“ genügt nicht Bestimmtheitsgrundsatz

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 34wx417_11
letzte Aktualisierung: 15.03.2012
OLG München, 19.12.2011 - 34 Wx 417/11
GBO § 53 Abs. 1 S. 2; BGB § 1090
Bezugnahme auf „Grundsätze der Denkmalpflege“ genügt nicht Bestimmtheitsgrundsatz
Eine Dienstbarkeit nach der der Grundstückseigentümer Handlungen zu unterlassen hat, die
gegen die Grundsätze der Denkmalpflege und die jeweils einzuholenden Weisungen einer
Behörde verstoßen, genügt nicht dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.


Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind jeweils zu 233/1000 als Miteigentümer sowie hinsichtlich eines
weiteren Miteigentumsanteils zu 301/1000 in Erbengemeinschaft als Eigentümer von
Grundbesitz, auf dem sich ein historisches Gebäude befindet, im Grundbuch eingetragen. In der
Zweiten Abteilung des Grundbuchs ist unter lfd. Nr. 1 als beschränkte persönliche Dienstbarkeit
für den Beteiligten zu 4 ein Abbruch- und Veränderungsverbot (denkmalpflegerische
Verpflichtung) eingetragen. Dabei ist auf eine Bewilligung vom 3.12.1971/15.12.1971 Bezug
genommen. In der Urkunde vom 3.12.1971 ist folgende Klausel enthalten:
„Der Käufer verpflichtet sich für sich und seine Rechtsnachfolger
bei Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen an
dem Gebäude, dem Denkmalscharakter und unbedingte
Schutzwürdigkeit zuzuerkennen ist, alle Handlungen zu
unterlassen, die gegen die Grundsätze der Denkmalspflege und
die jeweils einzuholenden Weisungen des Bay. Landesamtes für
Denkmalspflege verstoßen. Er verpflichtet sich in gleicher Weise
einen Abbruch des Gebäudes zu unterlassen.“
Unter dem 25.5.2011 haben die Beteiligten zu 1 bis 3 - anwaltlich vertreten - begehrt, von Amts
wegen die Grunddienstbarkeit zu löschen, da sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße.
Dieser verlange, dass der in der Grunddienstbarkeit geregelte Anspruch nach Inhalt oder
Gegenstand genügend bestimmt oder bestimmbar ist. Die Nutzungsbeschränkung entsprechend
den „allgemeinen Grundsätzen der Denkmalspflege“ sei mehrdeutig und damit zu unbestimmt.
Nach Anhörung des Beteiligten zu 4 hat das Grundbuchamt den Antrag zurückgewiesen mit der
Begründung, hinsichtlich des Abbruchs des Gebäudes sei die Verpflichtung bestimmt, so dass
schon deshalb eine vollständige Löschung ausscheide. Im Übrigen seien die Maßnahmen, bei
denen der Grundstückseigentümer durch die Dienstbarkeit beschränkt werde, konkretisiert.
Ausdrücklich seien nämlich Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen an dem
Gebäude angeführt. Die Formulierung „Handlungen zu unterlassen, welche gegen die
Grundsätze der Denkmalpflege verstoßen“ könne nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr
bestehe ein untrennbarer Sachzusammenhang mit der Verpflichtung, bei den genannten
Maßnahmen die Weisungen des Landesamts für Denkmalspflege einzuholen. Aufgrund der
Komplexität des Denkmalschutzes würde es den Rahmen einer Eintragungsbewilligung
sprengen, wenn man alle nur erdenklichen Konstellationen in die Eintragungsbewilligung
aufnehme. Die Dienstbarkeit sei so zu verstehen, dass es der Grundstückseigentümer zu
unterlassen habe, Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen ohne (An-)
Weisung der Denkmalschutzbehörde vorzunehmen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3, der das Grundbuchamt nicht
abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 1, § 73 GBO, § 10 Abs. 2 S. 1 FamFG zulässig. Lehnt
nämlich das Grundbuchamt die von Amts wegen vorzunehmende Löschung einer Eintragung als
inhaltlich unzulässig ab, ist hiergegen die Beschwerde statthaft (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl.
§ 53 Rn. 61). Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind auch beschwerdeberechtigt, da sie als betroffene
Eigentümer im Falle der Unrichtigkeit der Eintragung nach § 894 BGB einen Anspruch auf
Grundbuchberichtigung hätten (vgl. Demharter, § 71 Rn. 69).
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Im Grundsatz dürfte eine denkmalpflegerische Dienstbarkeit über den öffentlich-rechtlichen
Denkmalschutz (Art. 4 ff. DSchG) hinaus auf privatrechtlicher Ebene in Betracht kommen (vgl.
LG Passau MittBayNot 1977, 191, 192; Quack, Rpfleger 1979, 281). Hier handelt es sich jedoch
um die inhaltlich unzulässige Eintragung einer Dienstbarkeit, die rechtlich wirkungslos und
daher nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO von Amts wegen zu löschen ist (vgl. z.B. Senat vom 27.5.2008
Dienstbarkeit auch daraus ergeben, dass diese nicht ausreichend bestimmt ist (vgl. Senat a. a. O.;
Staudinger/Frank, BGB, Neubearb. 2009, § 1090 Rn. 6; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14.
Aufl., Rn. 1211).
2. Dabei ist die Grenze zwischen Bestimmtheit und Unbestimmtheit fließend. Einerseits werden
die Anforderungen überspannt, wenn man eine Begriffsbestimmung fordert, die von vornherein
für alle nur denkbaren Fälle jede Möglichkeit eines Zweifels ausschließt, denn dies wird vielfach
nicht möglich sein. Die Bezeichnung muss aber so bestimmt sein, dass der Richter im Streitfall
nach verständigem Ermessen - bei sinnvoller Auslegung - in der Lage ist, die Grenze zu ziehen
(vgl. OLG Düsseldorf Rpfleger 1979, 305). Es muss nämlich jedermann aus dem Grundbuch und
den dazugehörigen Urkunden den Inhalt der Eintragung klar ersehen können. Der Rechtsinhalt
muss aufgrund objektiver Umstände bestimmbar und für einen Dritten erkennbar und
verständlich sein, so dass dieser in der Lage ist, die hieraus folgende höchstmögliche Belastung
des Grundstückseigentums einzuschätzen und zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu
gewinnen, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum konkret haben kann (vgl. OLG
Brandenburg FGPrax 2009, 100; Senat NJW-RR 2011, 1461; Staudinger/Meyer, BGB,
Neubearb. 2009, § 1018 Rn. 88). Der Bestimmtheitsgrundsatz soll nämlich auch Streitfälle
vermeiden helfen, indem für alle Beteiligten und Interessenten Klarheit über den Inhalt und
Umfang des Rechts geschaffen wird (vgl. OLG Düsseldorf Rpfleger 1979, 305). Dabei können
die objektiven Umstände jedoch auch außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar
und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind. Je gravierender allerdings die
mit der Dienstbarkeit verbundene Einschränkung des betroffenen Eigentümers ist, desto größere
Anforderungen müssen an die Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes gestellt werden. Das
bedeutet aber auch, dass zum Verständnis nicht die Kenntnis von Grundsätzen notwendig sein
darf, die beim „normalen“ Grundbuchinteressenten billigerweise nicht vorausgesetzt werden
können (vgl. Senat MittBayNot 2008, 380, für die Kenntnis örtlicher Rechtsvorschriften).
3. Diesen Anforderungen genügt die Dienstbarkeit nicht.
a) Hierbei ist nicht zu unterscheiden zwischen dem Verbot des Abbruchs und dem Verbot
sonstiger Maßnahmen. Der Abbruch des Gebäudes hat unter denselben Voraussetzungen zu
unterbleiben wie Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen. Es ist alles zu
vermeiden, was gegen die Grundsätze der Denkmalspflege und die jeweils einzuholenden
Weisungen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalspflege verstößt. Situationen, in denen ein
Abbruch den Grundsätzen der Denkmalspflege entspricht, sind nicht ausschließbar.
b) Dem Grundbuchamt ist darin Recht zu geben, dass die Maßnahmen, bei denen die Grundsätze
der Denkmalspflege zu beachten sind, konkretisiert sind. Es handelt sich letztlich um jede
bauliche Maßnahme an dem Gebäude. Nicht ausreichend konkretisiert ist aber, unter welchen
Umständen diese Handlungen zu unterlassen sind. Insoweit ist auf die „Grundsätze der
Denkmalspflege“ verwiesen. Diese sind aber nicht ohne weiteres für jeden Interessenten
erkennbar. Sie sind fließend, einem Wandel unterworfen und auch anderweitig - etwa durch
Rechtsquellen - nicht ausreichend konkretisiert. Um diese Grundsätze einschätzen zu können,
sind spezielle Fachkenntnisse erforderlich. Es ist schließlich nicht ausgeschlossen, dass auch
unter den Fachleuten Uneinigkeit herrscht, welche Grundsätze im Einzelnen wann anzuwenden
sind.
c) Zwar wahrt ein umfassender Verzicht auf die Ausübung von Rechten den
Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. BayObLGZ 2004, 103). Der Bestimmtheitsgrundsatz wäre daher
gewahrt, wenn jede Maßnahme, die in den baulichen Bestand eingreift, von der Zustimmung
einer Behörde abhängig gemacht worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Nach dem Wortlaut
der Bewilligung muss der Grundstückseigentümer (nur) Handlungen unterlassen, die gegen die
Grundsätze der Denkmalspflege und die „einzuholenden“ Weisungen des Bayerischen
Landesamts für Denkmalspflege verstoßen. Es ergibt sich daraus schon nicht eindeutig, wann
derartige Weisungen eingeholt werden müssen. Insbesondere stehen die Grundsätze der
Denkmalspflege gleichberechtigt neben den Weisungen. Die Bewilligung stellt auch nicht klar,
ob und inwieweit das Bayerische Landesamt für Denkmalspflege die Möglichkeit eingeräumt
bekommt, über die öffentlich-rechtlichen Vorschriften hinaus Anforderungen zu stellen und auf
zivilrechtlichem Weg durchzusetzen oder auch abweichend von den „Grundsätzen der
Denkmalpflege“ Handlungen zu genehmigen.
III.
Über die Kosten des Löschungsverfahrens ist nach §§ 81 bis 84 FamFG zu befinden. Dem Senat
erscheint es sachgerecht, ausdrücklich auszusprechen, dass Gebühren nach der Kostenordnung
nicht erhoben werden. Für die Beschwerdeinstanz folgt dies unmittelbar aus § 131 Abs. 3 KostO,
weil die Beteiligten zu 1 bis 3 als Beschwerdeführer obsiegt haben. Soweit der Antrag
erstinstanzlich Gebühren ausgelöst hat (vgl. § 2 Nr. 1 KostO), ist es gerechtfertigt, solche im
Hinblick auf den Verfahrensausgang nicht zu erheben (siehe § 81 Abs. 1 S. 2 KostO). Der
Beteiligte zu 4 scheidet als Kostenschuldner aus (§ 11 Abs. 1 S. 1 KostO). Hingegen liegen keine
besonderen Umstände vor, nach denen es billig erschiene, auch eine Kostenerstattung zugunsten
der Beteiligten zu 1 bis 3 anzuordnen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht
vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

18.12.2011

Aktenzeichen:

34 Wx 417/11

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Grundbuchrecht

Erschienen in:

NotBZ 2012, 115-116

Normen in Titel:

GBO § 53 Abs. 1 S. 2; BGB § 1090