OLG Hamm 28. November 2022
22 U 28/22
BGB §§ 434, 444

Offenbarungspflichtiger Sachmangel bei Blindgängerverdacht auf Nachbargrundstück

letzte Aktualisierung: 2.2.2023
OLG Hamm, Urt. v. 28.11.2022 – 22 U 28/22

BGB §§ 434, 444
Offenbarungspflichtiger Sachmangel bei Blindgängerverdacht auf Nachbargrundstück

1. Ein über einen bloßen Mangelverdacht hinausgehender, offenbarungspflichtiger Sachmangel
(hier: Blindgängerverdachtspunkt auf dem Nachbargrundstück) liegt vor, wenn dieser zu einer
verkehrserheblichen Einschränkung der Nutzung des veräußerten Grundstücks führt. Dies ist
insbesondere dann der Fall, wenn Bauvorhaben auf dem veräußerten Grundstück einer
vorhergehenden Anzeige bedürfen und behördliche Anordnungen, etwa eine Untersuchung des
Grundstücks mittels Bohrungen, nach sich ziehen können.
2. Der Feststellung von Arglist i. S. v. § 444 BGB steht nicht entgegen, dass die Verkäuferseite
die Käufer über die Existenz eines objektiv offenbarungspflichtigen Sachmangels nicht aufklärte,
weil sie diesen als unbedeutend ansah.

Gründe

I.
Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Ansprüche aus Mängelgewährleistung
aufgrund eines ihm bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrags verschwiegenen sog.
Blindgängerverdachtspunkts (auch Bombenverdachtspunkt genannt) auf einem
benachbarten Flurstück geltend.

Ursprünglich standen das hier streitgegenständliche Hausgrundstück sowie die beiden
angrenzenden Flurstücke im jeweils hälftigen Miteigentum der Eltern der Beklagten, G1
und G2, die das Haus selbst bewohnten. Nachdem der Vater der Beklagten im Jahre 2019
verstorben und von den Beklagten beerbt worden war, übertrug die Zeugin G2 den
Beklagten ihren hälftigen Miteigentumsanteil am streitgegenständlichen Hausgrundstück,
um diesen die Veräußerung des Hausgrundstücks zu ermöglichen. Zum Zeitpunkt des
Abschlusses des notariellen Kaufvertrages waren die Beklagten Eigentümer der
streitgegenständlichen Flächen.

Vor Beurkundung des Kaufvertrages besichtigte der Kläger das Kaufobjekt zweimal, wobei
die Zeugin G2 jeweils anwesend war und Auskünfte und Erläuterungen bezüglich des
Hausgrundstücks gab. Dabei wurde der Kläger nicht darüber informiert, dass auf dem
unmittelbar an die vom Kläger erworbenen Flurstücke F2, F4 und F3 angrenzenden
Flurstück F1, nahe der Grenze zum als Zuwegung genutzten Flurstück F4, ein sog.
Blindgängerverdachtspunkt liegt, d.h. ein Verdachtspunkt für eine Einschlagstelle von nicht
detonierten Kampfmitteln („Bombenblindgänger“). Diesbezüglich hatten die Stadt D und
die Eltern der Beklagten im Jahre 2019 – im Zuge einer von der Stadt D beabsichtigten
Überprüfung des Verdachtspunkts, die u.a. Bohrungen auf dem streitgegenständlichen
Flurstück F4 erfordern sollte – eine umfassende Korrespondenz geführt, wegen deren
Einzelheiten auf Anlage K3, Bl. 160 ff. d.A., Bezug genommen wird. Zu einer Überprüfung
des Verdachtspunkts ist es bisher jedoch nicht gekommen.

Die Parteien schlossen am 23.10.2020 einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über das
Hausgrundstück C-Straße #, D, Flurstück F2, sowie über die angrenzenden Flurstücke F4
und F3. Als Kaufpreis wurden 385.000,00 Euro vereinbart. In § 3 Abs. 2 des Vertrages
schlossen die Parteien Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels aus. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag, Anlage K1, Bl. 13 ff. d.A., Bezug
genommen.

Einen Tag nach der Beurkundung des Kaufvertrages trafen sich die Parteien an dem
Kaufobjekt. Anwesend war auch hier wiederum die Zeugin G2. Im Rahmen dieser
Zusammenkunft informierte sie den Kläger erstmals über den Blindgängerverdachtspunkt
auf dem Nachbargrundstück und übergab ihm einen von ihr zuvor zusammengestellten
Ordner, der Unterlagen betreffend das Kaufobjekt sowie die mit der Stadt D im Jahre 2019
geführte Korrespondenz bezüglich des Verdachtspunkts enthielt.

Der Kläger zahlte in der Folge zunächst lediglich einen Betrag von 335.000,00 Euro an die
Beklagten und behielt einen Betrag von 50.000,00 Euro unter Hinweis auf den ihm
verschwiegenen Blindgängerverdachtspunkt „bis zur Klärung des Sachverhalts“ ein.
Mit Schreiben vom 03.12.2020 (Anlage B2, Bl. 75 ff. d.A.) teilte die Stadt D dem Beklagten
zu 1.) auf entsprechende Anfrage hin u.a. mit, dass eine Überprüfung des
Verdachtspunktes in der Regel dann stattfinde, wenn eine Baumaßnahme in dessen Nähe
durchgeführt werden solle, weil im Falle mechanischer oder thermischer Beanspruchung
des Grundes (z.B. durch baggern, bohren oder rammen) eine erhöhte Gefahr von
Kampfmitteln ausgehen könne.

Im Zuge eines Bauvorhabens (Setzen eines Zaunes) auf den Flurstücken F4, F3, F2
wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 26.07.2021 an die Stadt D. Diese teilte ihm mit
Schreiben vom 24.08.2021 mit, dass jegliche Baumaßnahmen innerhalb eines 20m-
Radius um den streitgegenständlichen Blindgängerverdachtspunkt herum einer vorherigen
Kontaktaufnahme mit der Behörde bedürften (Anlage K8, Bl. 171 ff. d.A.).

Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten von der Existenz des Verdachtspunktes
bereits vor Vertragsschluss gewusst. Er hat die Ansicht vertreten, dass das Vorhandensein
des Blindgängerverdachtspunkts einen Sachmangel darstelle. Hierzu hat der Kläger
behauptet, dass er das erworbene Grundstück nicht vertragsgemäß nutzen könne, zum
einen, weil das Risiko bestehe, dass der Blindgänger detonieren und das Kaufgrundstück
in Mitleidenschaft gezogen werden könne, zum anderen, weil er bei jeder geplanten
Baumaßnahme im Bereich des Verdachtspunktes immer zuvor einen Antrag bei der Stadt
D stellen müsse. Letztere könne jederzeit eine Untersuchung des Verdachtspunktes
anordnen, was zwangsläufig zu erheblichen Eingriffen in das Kaufgrundstück durch
Bohrungen oder ähnliche Maßnahmen führe und mit erheblichen Kosten verbunden sei.
Diese seien nach Auskunft der Zeugin G2 mit ca. 15.000,00 Euro zu beziffern. In dieser
Höhe sei, so hat er – der Kläger – gemeint, der Kaufpreis zu reduzieren.

Der Kläger hat sich ursprünglich mit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die von den
Beklagten angedrohte Zwangsvollstreckung wegen des ausstehenden Restkaufpreises
gewehrt und beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Kaufvertragsurkunde
für unzulässig zu erklären. Nachdem der Kläger im Februar 2021 den restlichen Kaufpreis
von 50.000,00 Euro an die Beklagten gezahlt hatte, hat er die ursprünglichen Anträge für
erledigt erklärt und sodann beantragt,

1. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat, soweit er beantragt hat, die
Zwangsvollstreckung aus dem notariell abgeschlossenen Kaufvertrag vom 23.10.2020 des
Notars E, D, Urkundennummer 0/2020, für unzulässig zu erklären;
2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 15.000,00 Euro zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten zu 1. bis 3. verpflichtet sind, ihm sämtliche mögliche
Schäden zu erstatten, die ihm künftig im Zusammenhang mit dem auf dem Flurstück F1
liegenden Bomben-Verdachtspunkt VP 6311 entstehen werden.

Die Beklagten haben sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben gemeint, dass ein Verdachtspunkt auf einem Nachbargrundstück
keinen Sachmangel des Kaufgegenstandes begründe. Sie haben behauptet, dass von
dem Verdachtspunkt keinerlei Gefahr für das streitgegenständliche Grundstück ausgehe
und auch aufseiten der Stadt D kein akuter Handlungsbedarf bestehe. Sie – die Beklagten
– hätten keine Kenntnis von dem Vorliegen des Verdachtspunktes gehabt. Ihre Mutter, die
Zeugin G2, habe sich bei den Besichtigungsterminen an das Vorliegen des
Verdachtspunkts nicht erinnert. Im Übrigen sei eine etwaige Kenntnis ihrer Mutter, so
meinen sie – die Beklagten –, ihnen nicht nach §§ 166, 278 BGB zurechenbar. Schließlich
sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden; der Vortrag zur geltend gemachten
Schadenshöhe sei unschlüssig. Im Übrigen treffe eine Pflicht zur Kostentragung für
etwaige Untersuchungs- und Beseitigungsmaßnahmen auch nicht den Kläger, da dieser
nicht Eigentümer der Verdachtsfläche sei.

Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 3., gerichtet auf Feststellung, dass die Beklagten
gegenüber dem Kläger zur Erstattung sämtlicher möglicher Schäden aufgrund des
Verdachtspunktes verpflichtet sind, stattgegeben. Hierzu hat es ausgeführt, dass das
Vorhandensein des Verdachtspunkts, entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu sog.
„Altlastenfällen“, einen Sachmangel darstelle. Das Gewährleistungsrecht sei auch nicht
durch § 3 Abs. 2 des Kaufvertrages ausgeschlossen, da die Beklagten den Verdachtspunkt
arglistig verschwiegen hätten (§ 444 BGB). Dahinstehen könne, ob die Beklagten vom
Bestehen des Verdachtspunktes Kenntnis hatten. Die Beklagten müssten sich das Wissen
ihrer Mutter, der Zeugin G2, die bei den Besichtigungsterminen als deren
Verhandlungsgehilfin aufgetreten und der der Verdachtspunkt bekannt gewesen sei,
gemäß §§ 166, 278 BGB zurechnen lassen. Rechtsfolge sei, dass die Beklagten für
etwaige Schäden einzustehen hätten, die sich aus dem Vorliegen des Verdachtspunktes
ergeben. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Nicht gegeben sei der mit
Klageantrag zu 2. geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 15.000,00 Euro wegen
eines etwaigen Minderwerts des Grundstücks. Es sei weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich, dass das Grundstück aufgrund des Blindgängerverdachts am Markt geringer
bewertet werden würde. Ein Anspruch bestehe aber auch deswegen nicht, weil der Kläger
nicht zugleich die Kosten für die Mangelbeseitigung (Kosten für eine etwaige
Untersuchung bzw. Entschärfung), mit denen er den Feststellungsantrag begründe, und
einen etwaigen Minderwert verlangen könne. Wegen der erstinstanzlichen tatsächlichen
Feststellungen und rechtlichen Ausführungen im Einzelnen wird auf das angefochtene
Urteil Bezug genommen.

Mit der eingelegten Berufung begehren die Beklagten – unter Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils – die vollständige Abweisung der Klage. Zudem sei das Urteil des
Landgerichts überraschend gewesen, weil nicht ersichtlich gewesen sei, dass das
Landgericht von der zunächst geäußerten Ansicht, der Verdachtspunkt stelle schon keinen
Sachmangel dar, habe abrücken wollen. Das Landgericht habe die Zeugin G2 zudem
verfahrensfehlerhaft nicht zu einer etwaigen Kenntnis von dem Verdachtspunkt, die
bestritten werde, vernommen. Des Weiteren sei der Tenor des landgerichtlichen Urteils
hinsichtlich des zugesprochenen Feststellungsantrags zu unbestimmt und zu weit gefasst.
Im Übrigen vertiefen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagten beantragen,
unter teilweiser Abänderung des am 04.03.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts
Bielefeld, Az.: 18 O 1/21, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er ergänzt seinen erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.11.2022 die Mutter der
Beklagten, Frau G2, zeugenschaftlich vernommen. Wegen des Inhalts der Aussage wird
auf die Sitzungsniederschrift vom 07.11.2022 (Bl. ff. 154 GA) Bezug genommen. Wegen
der Angaben der in der vorgenannten Sitzung angehörten Parteien wird auf den Inhalt des
Berichterstattervermerks vom 07.11.2022 (Bl. 158 f. GA) verwiesen.

II.
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

1.
Der in der Berufung ausschließlich streitgegenständliche Klageantrag zu 3. ist zulässig,
aber nur im tenorierten Umfang begründet.

a.
Der Klageantrag zu 3. ist als Feststellungsklage zulässig.

aa.
Der Kläger macht mit den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen ein
feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen ihm und den Beklagten geltend. Er hat
auch ausreichend dazu vorgetragen, dass von dem Verdachtspunkt die potentielle Gefahr
des Eintritts von Schäden auf seinem Grundstück ausgeht, so dass das notwendige
Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO vorliegt.

bb.
Entgegen der mit der Berufung vertretenen Ansicht der Beklagten ist der
Feststellungsantrag auch hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag eine
bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs
enthalten. Damit werden der Streitgegenstand abgegrenzt und die Grenze der
Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der
Entscheidungsbefugnis des Gerichts bestimmt. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung
erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstands. Der Kläger muss die gebotene
Bestimmung des Streitgegenstands vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des
Gerichts stellen. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags wie des Klagegrundes ist
in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli
2018 – VII ZR 19/18, ZfBR 2018, 775 m.w.N.; BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 – VI ZR
481/17, NJW 2019, 1669 m.w.N.).

Soweit die Beklagten einwenden, ein Anspruch des Klägers könne allenfalls gerichtet sein
auf Erstattung von Kosten einer etwaigen Mängelbeseitigung, nicht jedoch auf Ersatz
eines – ebenfalls vom Antrag umfassten – merkantilen Minderwerts oder entgangenen
Gewinns im Falle eines späteren Verkaufs der streitgegenständlichen Immobilie, betrifft
dies nicht die Frage einer hinreichenden Bestimmtheit i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, also
der Zulässigkeit des Antrags, sondern die materiell-rechtliche Frage des Umfangs etwaiger
Ersatzansprüche des Klägers aufgrund des streitgegenständlichen
Blindgängerverdachtspunktes. Der Antrag des Klägers und die Tenorierung des
Landgerichts umfassen „sämtliche“ mögliche Schäden, die dem Kläger künftig aufgrund
des Blindgängerverdachtspunktes entstehen werden. Damit ist ausreichend klargestellt,
dass jegliche noch eintretende Schäden, sowohl solche, die auf einer Mangelbeseitigung
beruhen, als auch solche, die aus der Realisierung eines etwaigen Minderwerts des
Grundstücks resultieren, abgedeckt sein sollen. Die Frage, ob und in welchem Umfang
derartige Ansprüche bestehen, ist allein Frage der Begründetheit der Klage.

b.
Der Klageantrag zu 3. ist im tenorierten Umfang begründet.
Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung zu, dass ihm
sämtliche mögliche Schäden zu erstatten sind, die ihm künftig aufgrund des auf dem
Flurstück F1 liegenden Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 entstehen werden, mit
Ausnahme eines etwaigen Minderwertes des streitgegenständlichen Grundstücks, der zum
Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages bereits bestanden hat.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz etwaig eintretender Schäden statt oder neben
der Leistung aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB oder §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1
BGB gegenüber den Beklagten zu.

aa.
Der auf dem benachbarten Flurstück F1 gelegene Blindgängerverdachtspunkt VP 6311
stellt einen offenbarungspflichtigen Mangel des streitgegenständlichen Kaufobjekts dar,
den die Beklagten arglistig verschwiegen haben.

Im Einzelnen:

(1)
Der auf dem Flurstück F1 gelegene Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 begründet einen
Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB in der zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses maßgeblichen Fassung vom 02.01.2002 (nachfolgend: a.F.), weil das
Kaufobjekt aufgrund des Verdachtspunkts nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei
Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für die rechtliche Wertung nicht
entscheidend darauf an, dass derzeit nur der bloße Verdacht des Vorhandenseins eines
Blindgängers und seitens der Behörde kein „akuter Handlungsbedarf“ besteht. Denn
anders als in den im landgerichtlichen Urteil zitierten „Altlastenfällen“ (vgl. etwa BGH, Urteil
vom 08. Juli 2016 – V ZR 35/15 –, Rn. 8, juris m.w.N.) oder „Kontaminationsfällen“ (etwa
BGH, Urteil vom 16. April 1969, VIII ZR 176/66 – Salmonellenbefall; BGH, Urteil vom 07.
Februar 2003, V ZR 25/02, juris – Hausschwamm; Senat, Beschluss vom 13. Februar
2017 – I-22 U 104/16 –, Rn. 24, juris – Marderbefall), in denen die Frage
streitentscheidend ist, ob und unter welchen Voraussetzungen ein (allein) bestehender
Mangelverdacht einen offenbarungspflichtigen Sachmangel darstellen kann, führt der auf
dem benachbarten Flurstück F1 gelegene Blindgängerverdachtspunkt im vorliegenden Fall
zu einer verkehrserheblichen Einschränkung der Nutzung des streitgegenständlichen
Grundstücks, die einen – über den bloßen Mangelverdacht hinausgehenden –
Sachmangel begründet.

Dass der Blindgängerverdachtspunkt auf dem Flurstück F1 zu einer verkehrserheblichen
Einschränkung der Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks führt, steht zur
Überzeugung des Senats aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schreiben der Stadt
D, deren Inhalt unstreitig ist, fest.

So hat die Stadt D dem Kläger mit Schreiben vom 24.08.2021 (Bl. 171, 172 d.A.) mitgeteilt,
dass im Falle der Durchführung von Baumaßnahmen in einem Radius von 20 Metern um
den Verdachtspunkt herum eine Anzeigepflicht gegenüber der Behörde besteht.
Ausweislich des dem vorgenannten Schreiben angehängten und in Bezug genommenen
Lageplans (Bl. 173 d.A.) betrifft der dort „rot gekennzeichnete Bereich“, also der Bereich,
auf den sich eine Anzeigepflicht des Klägers im Falle eines Bauvorhabens bezieht, einen
Großteil des in seinem Eigentum stehenden Flurstücks F4.

Dass ein Bauvorhaben im vorgenannten, von dem Verdachtspunkt betroffenen Bereich
Einschränkungen oder behördliche Anordnungen nach sich ziehen kann, ist zwar in dem
vorgenannten Schreiben vom 24.08.2021 nicht ausdrücklich mitgeteilt, folgt jedoch
eindeutig aus den mit Vorlage der zwischen den Eltern der Beklagten und der Stadt D im
Jahre 2019 geführten Korrespondenz (Anlage K3, Bl. 160 ff. d.A.) belegten Umständen,
die im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben des Grundstücksnachbarn, dem Zeugen H,
standen. Letzterer hatte im Zuge seines Bauvorhabens geplant, im Bereich des
Verdachtspunkts eine Baustellenzufahrt zu errichten. In diesem Zusammenhang hatte die
Stadt D eine Überprüfung des Verdachtspunktes angeordnet mit der Begründung, dass
von Blindgängern eine erhöhte Gefahr ausgehe, wenn sie, insbesondere durch
Baumaßnahmen in diesem Bereich, „mechanisch oder thermisch - z.B. durch baggern,
bohren, rammen u. a. - beansprucht“ würden (vgl. Bl. 164 d.A.). Die geplante Überprüfung
des Verdachtspunkts hätte auch Bohrungen auf dem streitgegenständlichen Flurstück F4
erfordert (vgl. Schreiben der Stadt D vom 03.12.2020, Bl. 75, 76 d.A.) mit der Folge, dass
das betroffene Flurstück, das insbesondere der Zufahrt zum Hausgrundstück dient,
während laufender Untersuchungen nicht hätte genutzt werden können. Zwar ist es im
Folgenden zu der geplanten Untersuchung nicht gekommen, da die geplante, mittels
Verdichtungsarbeiten herzustellende Baustellenzufahrt nicht errichtet worden ist, sondern
die vorhandene Zuwegung unter Beachtung bestimmter Auflagen befahren werden durfte
(Bl. 76 d.A.). Die Stadt D hat jedoch im Schreiben vom 29.05.2019 (Bl. 160 d.A.)
klargestellt, dass eine Prüfung des Verdachtspunktes „zunächst zurückgestellt“ werde und
„zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant“ sei. Im Schreiben vom 03.12.2020 (Bl. 76 d.A.)
findet sich zudem der Hinweis der Behörde, dass ein Blindgängerverdachtspunkt in der
Regel überprüft werde, „wenn eine Baumaßnahme in dessen Nähe durchgeführt werden
soll“.

Eine Gesamtbetrachtung der genannten Umstände lässt den sicheren Schluss darauf zu,
dass im Falle der Realisierung eines Bauvorhabens im betroffenen Bereich behördliche
Anordnungen getroffen werden, die die uneingeschränkte Nutzung des Grundstücks
zumindest erschweren und beeinträchtigen.

Soweit die Beklagten rügen, dass das Schreiben der Stadt D vom 24.08.2021 deshalb
unbeachtlich sei, weil es nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages datiere, ist dies
unerheblich. Denn der Verdachtspunkt und die sich hieraus ergebenden, oben
dargestellten Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung lagen schon vor
Gefahrübergang vor.

Der Verweis der Beklagten auf das Urteil des BGH vom 21. Dezember 1989 (III ZR 118/88,
BGHZ 109, 380-396) verfängt ebenfalls nicht. Denn dem zitierten Urteil lag ein gänzlich
anderer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um die Frage, ob planbetroffene Dritte
Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB gegenüber dem Staat
geltend machen können, wenn ihr Grundstück selbst von Schadstoffen unbelastet ist, aber
die Wohnqualität dadurch beeinträchtigt wird, dass es in der Nachbarschaft oder
Umgebung schadstoffbelasteter Grundstücke liegt, was u.a. aufgrund der zu beachtenden
planerischen Aspekte im Ergebnis abzulehnen war. Im Übrigen unterscheidet sich der
zitierte Fall von dem vorliegenden Fall auch dadurch, dass das Vorhandensein des
Verdachtspunkts hier, wie oben dargelegt, zu konkreten (Nutzungs-)Einschränkungen des
streitgegenständlichen Grundstücks führt.

Ohne Erfolg rügen die Beklagten schließlich, dass das Landgericht das Vorliegen eines
Sachmangels verfahrensfehlerhaft, unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in Gestalt der Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§
139 ZPO) festgestellt habe. Denn ein solcher Verstoß könnte allenfalls zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO führen,
die die Beklagten indes nicht beantragt haben. Im Übrigen haben die Beklagten im
Rahmen des Berufungsverfahrens ausreichend Gelegenheit erhalten, zur Frage des
Vorliegens eines Sachmangels Stellung zu nehmen und hiervon auch Gebrauch gemacht,
so dass ein etwaiger Verstoß jedenfalls in der Berufungsinstanz geheilt ist.

(2)
Die Beklagten können sich auch nicht auf den in § 3 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages
vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Dieser scheitert an § 444 BGB, da die
Beklagten bei Vertragsschluss den Blindgängerverdachtspunkt – trotz Bestehens einer
Aufklärungspflicht – arglistig verschwiegen haben.

Arglist setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest
Eventualvorsatz voraus; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen
nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer den
Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit
rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei
Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.
Dagegen genügt es nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger
Tatsachen hätte aufdrängen müssen, weil dann die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und
der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde. Auch
ein bewusstes Sichverschließen genügt nicht den Anforderungen, die an die Arglist zu
stellen sind (vgl. BGH Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 23/15 – NJW 2017, 150 Rn. 21).
Voraussetzung für ein vorsätzliches Verschweigen eines Mangels ist stets, dass der
Verkäufer den konkreten Mangel kennt oder zumindest für möglich hält (vgl. BGH, Urteil
vom 16. März 2012 − V ZR 18/11 – NJW-RR 2012, 1078 Rn. 24).

(a)
Der Blindgängerverdachtspunkt stellt einen offenbarungspflichtigen Mangel dar.
Bei dem Verkauf eines Grundstücks besteht eine Pflicht zur Offenbarung verborgener
Mängel oder von Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung
bestimmter Mängel schließen lassen, wenn es sich um Umstände handelt, die für den
Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung
erheblich zu mindern geeignet sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2012 – V ZR 18/11 –,
Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 19. Februar 2016 – V ZR 216/14 –, Rn. 11, juris). Bei den
Mängeln, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind,
besteht dagegen keine Offenbarungspflicht. Der Käufer kann insoweit eine Aufklärung
nicht erwarten, weil er diese Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt
selbst wahrnehmen kann. Nicht ohne weiteres erkennbar sind indes solche Mängel, von
denen bei einer Besichtigung zwar Spuren zu erkennen sind, die aber keinen tragfähigen
Rückschluss auf Art und Umfang des Mangels erlauben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober
2000 – V ZR 285/99 – NJW 2001, 64; BGH, Urteil vom 12. Januar 2001 – V ZR 322/99 –
juris, Rn. 9). In diesen Fällen muss der Verkäufer gemäß seinem Kenntnisstand aufklären
und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhalten.

Über den Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 als Sachmangel hätten die Beklagten den
Kläger aufklären müssen. Denn der Mangel war bei einer Besichtigung des Kaufobjekts
nicht erkennbar.

Die Offenbarungspflicht entfällt nicht deswegen, weil es – wie die Beklagten behaupten –
allgemein bekannt sei und sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergebe, dass das
Stadtgebiet D und dort insbesondere Bereiche in der Nähe von Bahntrassen wie dem „J“
mit Blindgängern stark belastet seien. Die Beklagten behaupten schon nicht, dass dem
Kläger der Verdachtspunkt 6311 hätte konkret bekannt sein können, und dass und in
welchen öffentlich zugänglichen Quellen der Verdachtspunkt vermerkt sein soll. Allein die
etwaige Kenntnis von dem Umstand, dass der Bereich, in dem das streitgegenständliche
Grundstück liegt, im zweiten Weltkrieg unter Beschuss gestanden hat und die abstrakte
Möglichkeit des Vorhandenseins eines Blindgängers besteht, begründet keine
entsprechende Nachforschungspflicht des Käufers.

(b)
Die Beklagten haben die ihnen danach obliegende Aufklärungspflicht nicht erfüllt. Es ist
unstreitig, dass der Kläger erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages über das
Vorhandensein des Blindgängerverdachtspunktes informiert worden ist. Insoweit handelten
die Beklagten arglistig. Dabei müssen sie sich das Wissen und Verhalten der Zeugin G2,
die von den Beklagten bei den Besichtigungsterminen als deren Verhandlungsgehilfin
eingesetzt worden ist und derer sie sich zur Erfüllung der ihnen obliegenden
Aufklärungspflichten bedient haben, zurechnen lassen. Dass der Zeugin G2 der
Blindgängerverdachtspunkt VP 6311 bekannt und bewusst war und sie es zumindest
billigend in Kauf genommen hat, dass der Kläger, wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt
worden, den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte, steht
zur Überzeugung des Senats nach Durchführung der Beweisaufnahme fest.

Im Einzelnen:

(aa)
Die Zeugin G2 war Verhandlungsgehilfin der Beklagten.

Beim Grundstückskauf ist dem Verkäufer gemäß § 166 Abs. 1 BGB (analog) das Wissen
desjenigen zuzurechnen, der Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe ist (vgl. hierzu
BGH, Urteil vom 02. Juni 1995 – V ZR 52/94 –, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 14. Mai 2004
– V ZR 120/03 –, NJW-RR 2004, 1196). Verhandlungsgehilfe ist, wer im Rahmen der
Vertragsanbahnung originär im Zuständigkeitsbereich des Verkäufers liegende Aufgaben
für diesen übernimmt, insbesondere die Gespräche oder die Korrespondenz mit den
Kaufinteressenten führt und die Besichtigungstermine leitet, also nicht nur weisungsgemäß
etwaigen Kaufinteressenten das Haus aufschließt, um eine Besichtigung zu ermöglichen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Zeugin G2 – nach den oben dargelegten
Maßstäben – als Verhandlungsgehilfin der Beklagten aufgetreten ist. Es steht aufgrund der
Angaben der nach § 141 ZPO im Senatstermin angehörten Beklagten sowie der Aussage
der Zeugin G2 fest, dass diese von den Beklagten mit der eigenverantwortlichen
Durchführung von Vertragsverhandlungen und -gesprächen betraut wurde.
Der Beklagte zu 2. hat im Senatstermin angegeben, dass die Zeugin G2 mit ihm
zusammen alle Besichtigungstermine, auch diejenigen in Anwesenheit des Klägers,
durchgeführt habe. Weiter hat der Beklagte zu 2. bekundet, dass die Zeugin G2 das
streitgegenständliche Haus „mit gebaut“ und es lange Jahre – bis zu ihrem Auszug im
Jahre 2017 oder 2018 – bewohnt habe. Das Haus sei „ihre Baustelle“ gewesen; sie wisse
am besten, „welche Heizung oder welche Steine verbaut“ worden seien, wobei selbst der
Vater „teilweise außen vor“ gewesen sei. Er – der Beklagte zu 2. – hätte hierzu nichts
sagen können.

Aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Beklagten zu 2. ist zu schließen,
dass die Zeugin G2 damit betraut wurde, als Repräsentantin der Beklagten in eigener
Verantwortung Nachfragen der Kaufinteressenten zu beantworten sowie Kenntnisse und
Informationen über das streitgegenständliche Kaufobjekt weiterzugeben, über die die
Beklagten selbst nicht verfügten. Die Beklagten haben somit die Erfüllung der ihnen
obliegenden Auskunfts- und Offenbarungspflichten hinsichtlich des Kaufobjekts vollständig
ihrer Mutter überlassen, die ihnen gegenüber insoweit einen erheblichen
Wissensvorsprung hatte.

Gestützt wird dies durch den – unstreitig gebliebenen – Umstand, dass die Zeugin G2
ihren Miteigentumsanteil an dem Kaufobjekt den Beklagten erst kurze Zeit vor Abschluss
des streitgegenständlichen notariellen Kaufvertrages übertragen hatte, damit, wie der
Beklagte zu 2. im Senatstermin unbestritten angegeben hat, das Haus veräußert werden
könne und ihre Mutter „nichts mehr damit zu tun“ habe. Mag die Zeugin G2 zum Zeitpunkt
der Besichtigungstermine auch nicht mehr Eigentümerin im Rechtssinne gewesen sein,
bekleidete sie dennoch – auch im Außenverhältnis zum Kläger – faktisch eine Stellung, die
derjenigen einer Eigentümerin und Verkäuferin des Grundstücks nahe kam.
Dass die Zeugin G2 weitaus mehr war als eine am Verkauf völlig unbeteiligte Dritte, ergibt
sich zudem daraus, dass die Zeugin G2 auch nach Durchführung der
Besichtigungstermine als „Ansprechpartnerin“ für die Beklagten tätig wurde. So hat sich
der Kläger nach Besichtigung des Objekts mit der Kundgabe seines Kaufinteresses nicht
an die Beklagten, sondern zunächst an die Zeugin G2 gewandt (whatsapp-Nachricht vom
04.09.2020, Anlage K2, Bl. 25 d.A.). Dass die Zeugin G2 nach dem Vortrag der Beklagten
keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht hatte, sich die Beklagten vielmehr den
Abschluss des notariellen Vertrages selbst vorbehielten und sie auch keine Befugnis hatte,
etwa über den vorgegebenen Preis zu verhandeln, ist nicht von Bedeutung, denn dies ist
für ihre Repräsentantenstellung nach den oben dargelegten Maßstäben gerade nicht
Voraussetzung (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 27. Juni 2018 – 5 U 93/17 –, BeckRS
2018, 21461 Rn. 24).

Schließlich wird die Überzeugung des Senats indiziell auch dadurch gestützt, dass die
Zeugin G2 – unstreitig – auch nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages als
Ansprechpartnerin hinsichtlich des Kaufobjekts auftrat und sie es war, die den Kläger über
das Vorhandensein des Blindgängerverdachtspunktes informierte. Dass die Zeugin G2 mit
dieser Rolle eigenverantwortlich betraut war, folgt auch aus dem von ihr im Senatstermin
glaubhaft geschilderten und letztlich unstreitig gebliebenen Umstand, dass sie einen
Ordner mit Unterlagen betreffend das streitgegenständliche Kaufobjekt zusammengestellt
hat, den sie dem Kläger nach Abschluss des Kaufvertrages übergeben und mit ihm
„durchgeblättert“ hat.

Der Verweis der Beklagten auf die obergerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang
mit Maklertätigkeiten, wonach ein Verkäufer nicht in jedem Fall für unzutreffende Angaben
seines Maklers haftet (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Januar 2011 – 13 U
148/10 –, Rn. 13, juris), geht fehl. Denn die Zeugin G2 war nicht „Maklerin“ im Rechtssinne
(§§ 652 ff. BGB) und ist auch nicht nur beschränkt „wie eine Maklerin“ tätig geworden.
Dass sich die Grundsätze einer Wissenszurechnung im Falle der Einschaltung eines
Maklers anders darstellen können als im Falle der Einschaltung eines
Verhandlungsgehilfen, liegt daran, dass der Makler durch seine Vermittlungstätigkeit eine
eigene – vertragliche und vergütungspflichtige – Leistung gegenüber dem Auftraggeber
erbringt, die nicht ohne weiteres zugleich die Verpflichtung des Auftraggebers gegenüber
dem späteren Vertragspartner erfüllt. Auch aus dessen Sicht erscheint der Makler nicht
generell als Hilfsperson des Kontrahenten, sondern - je nach Sachlage - als Dritter, der
durch seine Tätigkeit die Parteien zusammenbringt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.
Januar 2011 – 13 U 148/10 –, Rn. 13 ff., juris). In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, §§
166, 278 BGB (analog) nur dann anzuwenden, wenn der Makler mit Wissen und Wollen
des Verkäufers dessen Aufgaben übernimmt und so in dessen Pflichtenkreis tätig wird (vgl.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Januar 2011 – 13 U 148/10 –, Rn. 14, juris). Wie oben
dargelegt, trat die Zeugin G2 vorliegend allein aufseiten der Beklagten als deren
Verhandlungsgehilfin auf und fungierte als deren Ansprechpartnerin, so dass die
Voraussetzungen einer Wissenszurechnung auch im Lichte der von den Beklagten
zitierten Rechtsprechung zu bejahen sind.

(bb)
Die Zeugin G2 hat zur Überzeugung des Senats trotz Kenntnis des
Blindgängerverdachtspunktes VP 6311 die Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger
arglistig nicht erfüllt.

Dass die Zeugin G2 zum Zeitpunkt der Durchführung der Besichtigungstermine Kenntnis
von dem Blindgängerverdachtspunkt hatte, steht fest aufgrund ihrer glaubhaften Angaben
im Senatstermin. Die Zeugin hat bereits zu Beginn ihrer Vernehmung freimütig eingeräumt,
Kenntnis von dem Verdachtspunkt gehabt zu haben. Wann genau sie von dem
Verdachtspunkt Kenntnis erlangt habe, wisse sie nicht mehr. Sie wisse jedoch, ein
Schreiben von der Stadt D erhalten zu haben.

Soweit sich die Zeugin G2 im Senatstermin darauf berufen hat, sie habe bei den
Besichtigungen nichts zu dem Bombenverdachtspunkt gesagt, weil sie diesen nicht für
relevant gehalten und sie nicht daran gedacht habe, ist dies unbeachtlich. Diese erst im
weiteren Verlauf der Vernehmung und auf entsprechende Nachfrage des Senats gefallene
Äußerung der Zeugin G2 ist – betrachtet man den Gesamtkontext ihrer Angaben in der
Vernehmung – so zu verstehen, dass sie lediglich ergänzend zu erklären und zu
rechtfertigen versucht hat, weshalb sie den Kläger – vor Abschluss des Kaufvertrages -
nicht aufgeklärt hat. Denn ihre diesbezügliche Angabe steht im Widerspruch zu ihrer
spontanen Äußerung zu Beginn ihrer Vernehmung, sie habe Kenntnis vom
Blindgängerverdachtspunkt gehabt. Der Senat ist auf Grundlage dieser Angabe davon
überzeugt, dass die Zeugin im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins stets
Kenntnis von dem Bombenverdachtspunkt hatte und die Angabe, sie habe den
Verdachtspunkt nicht für relevant gehalten und nicht daran gedacht, als eine sie selbst und
die Beklagten – ihre Söhne – entlastende Schutzbehauptung zu werten ist.

Selbst wenn man die Aussage der Zeugin G2 indes so verstünde, dass sie eine Aufklärung
nicht für (rechtlich und tatsächlich) relevant gehalten, also angenommen habe, dass keine
Rechtspflicht zur Offenbarung bestehe, ist hieraus nichts zugunsten der Beklagten
abzuleiten. Denn für einen den Vorsatz und damit die Arglist ausschließenden
Rechtsirrtum tragen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast (vgl. hierzu etwa BGH,
Urteil vom 12. Mai 2009 – XI ZR 586/07 –, Rn. 20, beck-online; Grüneberg/Grüneberg, 81.
Aufl. 2022, Rn. 11 zu § 276 BGB). Hierzu haben die Beklagten jedoch weder konkret
vorgetragen, noch den Beweis erbracht. Vielmehr ist der Senat im Gegenteil davon
überzeugt, dass die Zeugin keinem erheblichen (Rechts-)irrtum unterlag, sondern das
Bewusstsein hatte, pflichtwidrig zu handeln. So hat die Zeugin G2 in ihrer Vernehmung
selbst eingeräumt, von dem Schreiben der Stadt D vom 10.04.2019 (Anlage K3, Bl. 164 ff.
d.A.) Kenntnis gehabt zu haben. Sie wusste also, dass der Verdachtspunkt im
Zusammenhang mit der Baumaßnahme des Nachbarn H untersucht werden sollte und
dass Bohrungen auf dem – ausdrücklich im vorgenannten Schreiben genannten –
streitgegenständlichen Flurstück F4 geplant waren. Sie wusste demnach auch, dass die
(bauliche) Nutzung des vorgenannten Flurstücks aufgrund des Vorhandenseins des auf
dem Flurstück F1 gelegenen Verdachtspunkts durch behördliche Maßnahmen auch künftig
eingeschränkt werden konnte, woraus sich die Aufklärungsbedürftigkeit über die Existenz
des Verdachtspunktes ergibt. Dass die Zeugin die vorgenannten Umstände für rechtlich
relevant erachtete, ergibt sich auch daraus, dass sie nach Abschluss des notariellen
Kaufvertrages dem Kläger den von ihr zusammengestellten Ordner mit den
Hausunterlagen übergab, der auch die Korrespondenz über den Bombenverdachtspunkt
enthielt.

Der Senat ist schließlich davon überzeugt, dass die Zeugin zumindest mit der Möglichkeit
der Unkenntnis des Klägers bezüglich des streitgegenständlichen Mangels rechnete und
billigend in Kauf nahm, dass die Kenntnis des Klägers Auswirkungen auf den
Kaufentschluss gehabt hätte. Denn es war offensichtlich, dass der Kläger von der
Besichtigung des Bombenverdachtspunktes und den hierdurch hervorgerufenen
Aktivitäten der Behörde keine Kenntnis haben konnte. Dass der Mangel Bedeutung für die
Kaufentscheidung des Klägers hat, lag ebenfalls auf der Hand. Die Beklagten haben im
Übrigen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslasten nicht zu einer diesbezüglich
abweichenden Vorstellung der Zeugin vorgetragen, was zu ihren Lasten geht (vgl. hierzu
BGH, Urteil vom 12. November 2010 – V ZR 181/09 –, Rn. 14 ff., juris).

bb.
Soweit eine Fristsetzung zur Nachbesserung erforderlich ist, ist diese im Falle eines – wie
hier vorliegenden – arglistigen Verschweigens von Mängeln entbehrlich (vgl. BGH,
Beschluss vom 08.12.2006 – V ZR 249/05 –, juris).

cc.
Ein Verschulden der Beklagten liegt vor; zu ihrer Exkulpation ist nichts vorgetragen, § 280
Abs. 1 S. 2 BGB.

dd.
Der Kläger kann von den Beklagten im Rahmen des geltend gemachten
Schadensersatzanspruchs grundsätzlich Ersatz der künftig entstehenden
Mangelbeseitigungskosten (nach §§ 437 Nr. 3 a.F., 280 Abs. 1 und 2, 281 BGB) sowie
weitere Schäden (nach §§ 437 Nr. 3 a.F., 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB) verlangen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Kläger mit Kosten, die mit einer
Untersuchung des Verdachtspunktes und einer daran möglicherweise anschließenden
Entschärfung und Bergung des Kampfmittels einhergehen, grundsätzlich belegt werden.
Dies ergibt sich nicht nur aus dem Schreiben der Stadt D vom 03.12.2020 (Anlage B2, Bl.
57 d.A.), wonach der Grundstückseigentümer die Kosten „für vorbereitende, begleitende
sowie nachbereitende Maßnahmen (z.B. Bewuchs entfernen, Beseitigung von
offensichtlich eisenhaltigen Auffüllungen, Wiederherstellung der Ausgangssituation, etc.)“
tragen muss, sondern auch aus dem Runderlass des Ministeriums des Innern - 36-54.01 -
vom 16. März 2022, in dem in Ziff. 2.3. geregelt ist, dass „die Kosten vor- und
nachbereitender Maßnahmen nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes in
Verbindung mit § 1004 BGB und § 19 AKG von der örtlichen Ordnungsbehörde
beziehungsweise von der oder dem Dritten auf dessen Kosten zu erledigen“ sind. Daraus
folgt, dass der Kläger zwar nicht die Kosten der Untersuchung, Entschärfung oder Bergung
selbst zu tragen hat, jedoch mit Folgekosten wie insbesondere das Aufnehmen und
Neuverlegen von Pflastersteinen auf dem Flurstück F4 im Zusammenhang mit
Untersuchungs- und Entschärfungsmaßnahmen belegt werden kann.

Ein Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Minderwertes des Kaufobjekts, der zum Zeitpunkt
des Abschlusses des Kaufvertrages bereits bestanden hat, scheidet demgegenüber aus,
so dass der Tenor des angefochtenen Urteils entsprechend abzuändern ist. Denn das
Landgericht hat den in erster Instanz gestellten Klageantrag zu 2., gerichtet auf Ersatz
eines bestehenden Minderwerts aufgrund der „Belastung“ des Kaufobjekts mit dem
Blindgängerverdachtspunkt, rechtskräftig abgewiesen. Ein Sachurteil, das eine
Leistungsklage abweist, stellt grundsätzlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge – hier
Ersatz eines bei Abschluss des Kaufvertrags etwaig bestehenden Minderwerts – aus dem
Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann (vgl.
BGH, Urteil vom 17. März 1995 – V ZR 178/93 –, Rn. 10, juris; OLG Hamm, Urteil vom 13.
November 2015 – I-12 U 8/15 –, Rn. 29, juris). Damit hat das Landgericht für den Senat
nach § 322 Abs. 1 ZPO bindend festgestellt, dass ein Anspruch des Klägers auf Ausgleich
eines Minderwerts des Grundstücks nicht besteht, so dass der Feststellungsantrag des
Klägers diese Rechtsfolge nicht (mehr) umfassen konnte und durfte.

Das von den Beklagten mit der Berufung darüber hinaus aufgeworfene Problem, dass der
Kläger nach dem Tenor des angegriffenen Urteils – kumuliert – sowohl die Kosten der
Mangelbeseitigung als auch einen etwaigen Minderwert des Grundstücks hätte geltend
machen können, stellt sich nach der oben begründeten Abänderung des Urteilstenors nicht
mehr.

ee.
Die Beklagten haften nach § 421 BGB als Gesamtschuldner, was im Tenor des
angefochtenen Urteils entsprechend klarzustellen ist.

2.
Die Kostenentscheidung folgt für die I. Instanz aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, für die II. Instanz
aus §§ 92 Abs. 2 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Bei der Bildung der Kostenquote für die Kostenentscheidung I. Instanz war zu sehen, dass
der Kläger lediglich mit dem Klageantrag zu 3.), dessen Streitwert mit 3.000,00 Euro zu
bemessen war, obsiegt hat. Im Übrigen ist er unterlegen, so dass – ausgehend von einem
Gesamtstreitwert von 24.721,03 €, der die vor der erstinstanzlichen mündlichen
Verhandlung erklärte, einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung hinsichtlich des
ursprünglich gestellten Klageantrags zu 1.) berücksichtigt – der Kläger die Kosten zu 88 %
und die Beklagten die Kosten zu 12 % zu tragen haben.

Für die Kostenentscheidung II. Instanz war zu berücksichtigen, dass – wie oben dargelegt
– ein Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Minderwerts des Grundstücks nicht besteht und
der Kläger insoweit unterlegen ist. Ausgehend von dem für die I. Instanz festgesetzten
Streitwert von 3.000,00 Euro für den Wert des Klageantrags zu 3. (Feststellungen der
Ersatzpflicht hinsichtlich der weiteren Kosten neben dem Zahlungsantrag zu 2.) ergibt sich
bei einem Streitwert für den Klageantrag zu 3.) von 13.000,00 Euro in II. Instanz eine
Kostentragungsquote von 77 % aufseiten des Klägers und 23 % aufseiten der Beklagten.

3.
ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

28.11.2022

Aktenzeichen:

22 U 28/22

Rechtsgebiete:

Maklervertrag
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Kaufvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 434, 444