Anwendung des § 2077 BGB auf vier Tage vor Eheschließung geschlossenen Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung; enger zeitlicher Bezug zur Eheschließung
letzte Aktualisierung: 24.3.2025
OLG Celle, Beschl. v. 27.1.2025 – 6 W 148/24
BGB §§ 2077, 2279
Anwendung des § 2077 BGB auf vier Tage vor Eheschließung geschlossenen Erbvertrag
mit gegenseitiger Erbeinsetzung; enger zeitlicher Bezug zur Eheschließung
1. Die Vorschrift des § 2077 BGB ist auf einen vier Tage vor der geplanten Eheschließung zwischen
den künftigen Ehegatten geschlossenen Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung entsprechend
anwendbar.
2. Eine im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren erfolgte Ankündigung einer Zustimmung zum
beabsichtigen Ehescheidungsantrag des anderen Ehegatten kann im hier vorliegenden Fall als
vorsorglich vorweg erklärte Verfahrenshandlung verstanden werden und genügt daher der Anforderung
von § 2077 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Gründe
I.
Der am 25. August 1960 geborene und zwischen dem 19. Dezember 2023 und 6. Januar 2024
verstorbene Erblasser war seit dem 18. September 2015 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet
(Kopie der Heiratsurkunde Bl. 21 Testamentsakten 7 IV ##/24 Amtsgericht Soltau). Die
Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers aus einer anderen Verbindung. Vier Tage vor der
Eheschließung, am 14. September 2015, hatten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 vor dem
Notar A. I. in T. sowohl einen Erbvertrag, Urkundenrollen-Nr. ###/ 2015 (Bl. 15 f. der
vorgenannten Testamentsakten), als auch einen Ehevertrag (Bl. 3 der beigezogenen
Scheidungsakten 13 F ###/21 S Amtsgericht - Familiengericht - Soltau) miteinander
geschlossen. In dem Erbvertrag haben der Erblasser und die Beteiligte zu 1 gegenüber dem
Notar ihren letzten Willen wie folgt erklärt:
Wir widerrufen hiermit alle bisherigen letztwilligen Verfügungen.
Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein.
Ich, die (Beteiligte zu 1) setze meiner behinderten Tochter (...) ein Vermächtnis in Höhe eines
Viertels des Nachlasses aus. Das Vermächtnis ist in Geld zu gewähren.
Die Verwaltung des Vermächtnisses soll durch meinen Ehemann, den Erschienenen zu 2,
erfolgen, im Verhinderungsfalle durch den amtlich bestellten Vormund meiner Tochter. (...)
Dieser Erbvertrag soll auch schon vor unserer Eheschließung gelten.
Am 29. Dezember 2021 reichte die Beteiligte zu 1 bei dem Familiengericht einen
"Verfahrenskostenhilfeantrag und Antrag auf Scheidung" ein und gab an, die Parteien lebten
spätestens seit 23. August 2020 voneinander getrennt. Der Erblasser, anwaltlich vertreten durch
Rechtsanwältin B., nahm im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom
31. Januar 2022 (Bl. 16 der Scheidungsakten) Stellung und erklärte
"1. Auch der Antragsgegner hält die Ehe der Beteiligten für gescheitert und möchte geschieden
werden.
Er wird einer Ehescheidung zustimmen oder einen eigenen Scheidungsantrag stellen.
2. Der Versorgungsausgleich ist von Amts wegen durchzuführen."
Am 7. März 2022 wurde dem Erblasser der Scheidungsantrag zu Händen seiner
Verfahrensbevollmächtigten zugestellt (Bl. 31 der Scheidungsakten). Der Erblasser hat im
Scheidungsverfahren die Unwirksamkeit der Regelungen im Ehevertrag geltend gemacht, weil
sie ihn einseitig belasteten und auf ungleicher Verhandlungsbasis erfolgt seien. Er machte die
Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich im Scheidungsverbund anhängig.
Die Beteiligte zu 1 erklärte mit Schriftsatz vom 9. März 2022 (Bl. 27 der Scheidungsakten) in
dem Ehescheidungsverfahren hilfsweise die Anfechtung der Eheschließung und beantragte die
Aufhebung der Ehe gemäß
8. April 2022 zu den Schriftsätzen "vom 01.03., 09.03. und 23.03.22 wie folgt Stellung" und
beantragte, "die mit Schriftsatz der Antragstellerin gestellten Anträge zurückzuweisen", weil ein
Aufhebungsgrund nicht vorliege und die Antragsfrist des § 1317 BGB auch nicht eingehalten
sei. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag und die
Folgesachen am 13. Juli 2023 (Bl. 114 f. der Scheidungsakten) stellte die Beteiligte zu 1 ihren
Scheidungsantrag und wurde persönlich von der Familienrichterin angehört. Der Erblasser war
zu dem Termin nicht erschienen und ließ sich durch seine Verfahrensbevollmächtigte vertreten,
die ausweislich der Sitzungsniederschrift dem Scheidungsantrag der Beteiligten zu 1 weder
widersprach, noch zustimmte, noch einen eigenen Scheidungsantrag für den Erblasser stellte. In
der Sitzungsniederschrift heißt es, dass der Erblasser "aus gesundheitlichen Gründen" nicht zum
Termin erschienen sei und dass die Familienrichterin beabsichtigte, den Erblasser in einem
neuen Termin ggf. online anzuhören, da in absehbarer Zeit auch die dreijährige Trennungszeit
ablaufe und ggf. auch auf die Anhörung ganz verzichtet werden könne. Mit Verfügung vom
15. Dezember 2023 beraumte die Familienrichterin neuen Termin zur mündlichen Verhandlung
über den Scheidungsantrag und die Folgesachen auf den 6. Februar 2024 an. Mit Schriftsatz
vom 22. Januar 2024 (Bl. 156 der Scheidungsakten) teilte die Verfahrensbevollmächtigte des
Erblassers mit, dass der Erblasser verstorben ist, woraufhin die Familienrichterin den Termin
vom 6. Februar 2024 aufhob und mitteilte, dass sich die Ehesache gemäß
habe.
Die Beteiligte zu 1 hat ebenso wie die Beteiligte zu 2 bei dem Nachlassgericht einen sie jeweils
als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt. Die Beteiligte zu 1 hat sich zur Begründung
ihres Antrags auf den Erbvertrag vom 14. September 2015 berufen, die Beteiligte zu 2 auf den
Eintritt der gesetzlichen Erbfolge. Die Beteiligte zu 2 hat gemeint, der Erbvertrag sei
entsprechend
Ehescheidung zum Zeitpunkt des Todes vorgelegen hätten und der Erblasser der Scheidung
zugestimmt hatte. Damit sei auch das gesetzliche Ehegattenerbrecht der Beteiligten zu 1
entfallen (§ 1933 Satz 1 und 2 BGB). Die Beteiligte zu 1 hat unter Verweis auf die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23, gemeint, § 2077 BGB
würde auf den vorliegenden Erbvertrag keine Anwendung finden, weil der Erbvertrag vor der
Eheschließung erfolgt sei. Selbst wenn man die grundsätzliche Anwendbarkeit bejahte, seien die
Voraussetzungen der
eigentlichen Scheidungsverfahren weder einen eigenen Scheidungsantrag gestellt noch dem
Scheidungsantrag zugestimmt habe.
Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und die zur
Erteilung des von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für
festgestellt erachtet. Seine Entscheidung hat das Amtsgericht im Wesentlichen wie folgt
begründet: das bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Soltau rechtshängige
Ehescheidungsverfahren habe sowohl nach § 1933 BGB zum Ausschluss des gesetzlichen
Ehegattenerbrechts als auch zur Unwirksamkeit der in dem notariell beurkundeten Erbvertrag
vom 14. September 2015 enthaltenen vertragsmäßigen Zuwendung des Erblassers in
entsprechender Anwendung der §§ 2077 Abs. 1 Satz 2, 1, 2279 Abs. 1 BGB geführt. Die
Voraussetzungen für den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts und für die
Unwirksamkeit der erbvertraglichen Verfügung seien erfüllt. Zwar setze die direkte Anwendung
des
letztwilligen Verfügung voraus und der Erblasser und die Beteiligte zu 1 hätten den Erbvertrag
vier Tage vor der Eheschließung geschlossen. Vorliegend sei aber der zeitliche enge Bezug
zwischen Eheschließung und Abschluss des Erbvertrages offensichtlich gegeben. Dass der
Erbvertrag nach dem Willen der Vertragschließenden auch schon vor der Eheschließung gelten
sollte, sei für die hier vorzunehmende Auslegung des Erblasserwillens ohne entscheidende
Bedeutung. Vielmehr habe der Erblasser seine künftige Ehefrau vier Tage vor der Heirat nur aus
den Gründen der bevorstehenden Eheschließung bedacht wissen wollen und umgekehrt. Für
den Fall der Ehescheidung sei am selben Tag in dem Ehevertrag ein Verzicht auf Unterhaltsund
Zugewinnausgleichsansprüche sowie den Versorgungsausgleich vorgenommen worden.
Zugewinnausgleichsansprüche hätten dem jeweiligen Ehepartner nur im Falle des Todes zu
stehen sollen. Ferner sei davon auszugehen, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 1 vier Tage
vor der Eheschließung miteinander verlobt gewesen seien. Die in dem
Verfahrenskostenhilfeverfahren zum Scheidungsantrag der Beteiligten zu 1 erfolgte Erklärung
des Erblassers, er halte die Ehe für gescheitert und wolle geschieden werden verbunden mit der
Ankündigung der Zustimmung zum Ehescheidungsantrag oder der Stellung eines eigenen
Scheidungsantrags habe mit der anschließend eingetretenen Rechtshängigkeit des
Scheidungsverfahrens zum Wegfall des Ehegattenerbrechts der Ehefrau geführt. Die
Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag sei eine Prozesshandlung und müsse dem
Familiengericht gegenüber in prozessual wirksamer Form erklärt werden. Dabei genüge eine im
vorausgegangenen Verfahrenskostenhilfeverfahren abgegebene Erklärung, wenn sie durch die
nachfolgende Rechtshängigkeit als Prozesshandlung wirksam werde. Prozesshandlungen
könnten nämlich auch vorsorglich für den Fall des späteren Eintritts einer bestimmten
Prozesslage vorgenommen werden, wenn nicht Interessen des Gegners oder der Rechtspflege
entgegenstehen. Hier bestünden keine Bedenken, die Prozesshandlung bereits im
Verfahrenskostenhilfeverfahren und vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit als zulässig
anzusehen. Die Verhinderung des Erblassers an der Teilnahme an der Sitzung sei im Hinblick
auf den Wegfall des Ehegattenerbrechts unschädlich.
Dagegen wendet die Beteiligte zu 1 sich mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt, den Antrag
auf Erteilung des Erbscheins der Beteiligten zu 2 zurückzuweisen und einen Erbschein zu
erteilen, der sie (die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ausweist. Die Beteiligte zu 1 wiederholt und
vertieft ihre erstinstanzlichen Rechtsansichten. Insbesondere ist sie der Ansicht, dass eine
Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag nicht vorgelegen hat, weil eine solche nicht
als Prozesserklärung abgegeben worden sei. Darüber hinaus zweifelt sie auch an der Anwendung
des § 2077 BGB auf vorliegenden Erbvertrag.
Die Beteiligte 2 verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die im Erbvertrag vom
14. September 2015 zugunsten der Beteiligten zu 1 erfolgte Erbeinsetzung des Erblassers gemäß
§ 2077 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB unwirksam und das gesetzliche Erbrecht der Beteiligten zu 1 als
Ehegatte gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Insoweit ist - teilweise die
amtsgerichtliche Begründung wiederholend - auszuführen:
1.
Gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen
Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst
worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die
Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung
beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Verfügung ist nur dann
nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall
getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 BGB). Auf vertragsmäßige Zuwendungen finden die für
letztwillige Verfügungen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 2279 Abs. 1
BGB).
a) Der Erblasser ist zwischen dem 19. Dezember 2023 und dem 6. Januar 2024 verstorben. Zu
diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vor.
aa) Gemäß § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert
ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und
nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Gemäß
Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder
der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
bb) Vorliegend war beim Erbfall unwiderlegbar zu vermuten, dass die Ehe des Erblassers und
der Beteiligten zu 1 gescheitert ist. Die Beteiligte hat in ihrem Verfahrenskostenhilfeantrag und
später bei ihrer persönlichen Anhörung vor der Familienrichterin (Bl. 114 R der
Scheidungsakten) mitgeteilt, dass die räumliche Trennung der Ehegatten am 23. August 2020
vollzogen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei sie aus der gemeinsamen Ehewohnung
ausgezogen und seitdem auch nicht wieder dorthin zurückgekehrt. Sie halte die Ehe für
gescheitert und sei nicht bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederaufzunehmen. Die
Trennung dauerte mithin deutlich länger als ein Jahr an. Die Beteiligte zu 1 hatte den
Ehescheidungsantrag auch gestellt.
Auch die Zustimmung des Erblassers zur Ehescheidung liegt vor. Er hatte zuvor über seine
Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 31. Januar 2022 (Bl. 16 der Scheidungsakten)
mitgeteilt, dass auch er die Ehe der Beteiligten für gescheitert hält und geschieden werden
möchte sowie angekündigt, der Ehescheidung zuzustimmen oder einen eigenen
Scheidungsantrag zu stellen. Dadurch hat der Erblasser deutlich zu erkennen gegeben, auch
geschieden werden zu wollen. Dass er die Zustimmung lediglich angekündigt hat, weil es sich
um eine Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gehandelt hat, lässt die
Wirksamkeit der Zustimmung nicht entfallen. Der Scheidungsantrag ist dem Erblasser zeitnah
am 7. März 2022 nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zugestellt worden (Bl. 31 d. A.).
Bis zu seinem Tod hat der Erblasser dem Scheidungsantrag nicht widersprochen und auch seine
angekündigte Zustimmung nicht zurückgezogen. Zu einer persönlichen Anhörung, im Rahmen
derer er die Zustimmung zur Ehescheidung noch einmal ausdrücklich zu Protokoll des
Familiengerichts hätte erklären können, ist es nicht gekommen. Bei dem ersten anberaumten
Termin am 23. Juni 2023 war der Erblasser laut Sitzungsniederschrift "aus gesundheitlichen
Gründen" nicht erschienen. Er ist dann vor dem weiteren auf den 6. Februar 2024 anberaumten
Termin verstorben. Der Erblasser hat zu keiner Zeit im laufenden Scheidungsverfahren zum
Ausdruck gebracht, die Ehescheidung nicht mehr zu wünschen, insbesondere auch nicht
dadurch, dass er die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich anhängig
gemacht hat. Dass der Erblasser die Fragen des Unterhalts und Zugewinnausgleichs zugleich mit
der Scheidung klären wollte und dadurch der Scheidungsausspruch zeitlich hinausgeschoben
worden ist, bringt nicht zum Ausdruck, der von der Beteiligten zu 1 beantragten Scheidung
grundsätzlich nicht mehr zustimmen zu wollen. Eine Ehescheidung wäre bei Abtrennung der
Folgesachen möglich gewesen, weil die Ehe gescheitert war. Das Scheitern ist der
Anknüpfungspunkt für die Unwirksamkeit der Erbeinsetzung und den Wegfall des gesetzlichen
Erbrechts.
Dieser Feststellung des Senats steht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, hier BGH, Urteil
vom 30. November 1994 zu IV ZR 290/93, nicht entgegen, soweit dort ausgeführt wird, dass
die Zustimmung eine Prozesshandlung ist, die im Scheidungsverfahren dem Gericht gegenüber
erklärt werden muss und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung widerrufen werden kann
(
Bundesgerichtshof entschiedenen vorgenannten Fall hatte die überlebende Ehegattin die
Zustimmung gerade nicht gegenüber dem Familiengericht, sondern lediglich außergerichtlich
gegenüber ihrem Ehemann in einer Unterhaltsvereinbarung mitgeteilt. Im dem hier
vorliegenden Fall hat der anwaltlich vertretene Erblasser als Antragsgegner des
Ehescheidungsverfahrens jedoch bereits gegenüber dem Familiengericht erklärt, dass auch er die
Ehe für gescheitert hält und geschieden werden möchte. Die erfolgte angekündigte Zustimmung
zur Scheidung im Verfahrenskostenhilfeverfahren kann daher wie ausgeführt als vorsorglich
vorweg erklärte Verfahrenshandlung verstanden werden (vgl. OLG Zweibrücken, NJW 1995,
601 [OLG Zweibrücken 25.11.1994 - 3 W 165/94]; Staudinger/Reuß (2024) BGB, § 1566,
Rn. 65, jeweils zitiert nach juris). Der danach angekündigte Zurückweisungsantrag des
Erblassers bezog sich nur auf den erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags hilfsweise
von der Beteiligten zu 1 gestellten Antrag auf Aufhebung der Ehe nach § 1314 BGB.
b) Das Amtsgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Vorschrift des § 2077 BGB auf den zwischen
der Beteiligten zu 1 und dem Erblasser geschlossenen Erbvertrag und die dort zugunsten der
Beteiligten zu 1 getroffene Erbeinsetzung angewendet.
aa) Die Regelung des § 2077 BGB soll einer nachträglich eintretenden wesentlichen
Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten mit Rücksicht auf die
allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gesetz gibt mit der Norm eine dispositive
Auslegungsregel entsprechend dem vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf
Hinfälligkeit des Testaments unter anderem im Scheidungsfall gerichtet ist. Für den Regelfall
misst
des Bestehens der Ehe getroffen zu sein (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23.,
Rn. 14 m. w. N.). Das gleiche gilt gemäß § 2077 Abs. 2 BGB, wenn der Erblasser seine
letztwillige Verfügung zugunsten seines Verlobten getroffen hat, das Verlöbnis aber vor dem
Eintritt des Todesfalls aufgelöst worden ist (BGH a. a. O.).
bb) Die Beteiligte zu 1 kann aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom
22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23, zitiert nach juris, nichts für ihre Position herleiten. Der vom
Bundesgerichtshof entschiedene Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden bereits dadurch,
dass in dem dortigen Fall der Erbvertrag viereinhalb Jahre vor der Eheschließung geschlossen
worden war und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags die Beteiligten nicht
miteinander verlobt waren. Für den hiesigen Fall hat das Amtsgericht zutreffend
herausgearbeitet, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 1 den Erbvertrag vier Tage vor der
bereits feststehenden Eheschließung, für die das Aufgebot beim Standesamt bestellt war,
geschlossen hatten, also ein ernstliches Eheversprechen im Sinne einer Verlobung (BGH a. a.
O., Rn. 16) vorlag. In dem Erbvertrag wird der Erblasser bereits als "Ehemann" bezeichnet.
Ferner haben die künftigen Ehegatten geregelt, dass "dieser Erbvertrag auch schon vor unserer
Eheschließung gelten (soll)". Gerade der letztgenannte Satz bringt zum Ausdruck, dass der
Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung im Hinblick auf die Eheschließung zustande
gekommen ist. Daraus, dass der Erbvertrag vor der Eheschließung gelten sollte, lässt sich nicht
der Umkehrschluss ziehen, dass der Erbvertrag nach einer Ehescheidung fortbestehen sollte (§
2077 Abs. 3 BGB). Zwar haben die Ehegatten am Tag der Errichtung des Erbvertrages auch
einen Ehevertrag geschlossen. In diesem haben die künftigen Ehegatten aber für den Fall der
Ehescheidung gegenseitige Ansprüche ausgeschlossen. Es handelt sich um getrennte notarielle
Urkunden ohne gegenseitige Bezugnahmen, sodass anders als in dem vom BGH entschiedenen
Fall hier nicht angenommen werden kann, dass die Ehegatten bei Abschluss des Erbvertrages
die Möglichkeit der Ehescheidung bedacht haben und eine Fortgeltung der gegenseitigen
Erbeinsetzungen auch für den Fall der Ehescheidung gewollt haben.
2.
Die Beteiligte zu 1 ist - wie im angefochtenen Beschluss ebenfalls zutreffend ausgeführt - auch
nicht gesetzliche (Mit-)Erbin des Erblassers geworden, weil das Erbrecht des überlebenden
Ehegatten gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn zur Zeit des Todes des
Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser der
Scheidung zugestimmt hatte. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1
Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 36 Abs. 1. Der Senat legt einen reinen Nachlass von
200.000 € zugrunde, wie von der Beteiligten zu 2 in ihrem Erbscheinsantrag angegeben (Bl. 17 d.
A.). Davon zieht der Senat ein Drittel wegen der eingeschränkten Funktion des Erbscheins
(lediglich Legitimationswirkung) ab.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Celle
Erscheinungsdatum:27.01.2025
Aktenzeichen:6 W 148/24
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Gesetzliche Erbfolge
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 2077, 2279