Keine Beendigung der Genossenschaftsmitgliedschaft bei Formwechsel
letzte Aktualisierung: 09.07.2020
OLG Naumburg, Urt. v. 12.12.2019 – 1 U 125/19
Keine Beendigung der Genossenschaftsmitgliedschaft bei Formwechsel
1. Die Genossenschaftsmitgliedschaft einer eingetragenen Genossenschaft endet nicht nach oder
analog
beschränkter Haftung. Eine solche Umwandlung hat weder die Auflösung noch das Erlöschen der
eingetragenen Genossenschaft zur Folge. Ebenso wenig tritt eine Rechtsnachfolge ein.
2. Wird in der Mitgliederliste dennoch die Beendigung der Mitgliedschaft vermerkt, hat die
Gesellschaft gegen die Genossenschaft einen auf Berichtigung gerichteten Anspruch.
Gründe:
I.
Die Beklagte ist eine Genossenschaft, deren Zweck in der Förderung des Erwerbs und der
Wirtschaft der Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb besteht, wozu ( u.a. )
der Ankauf, die Trocknung, Aufbereitung und Vermarktung von Gewürzpflanzen zählt ( § 2
Abs. 2, Abs. 2 lit. 2 der Satzung ( K1 Anlagenband K ).
Mitglied der Beklagten war eine " Agrargenossenschaft K. e.G.".
Im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Stendal ( GnR 2476 ) wurde eingetragen:
Die Generalversammlung vom 27.2.2018 hat die formwechselnde Umwandlung der Genossenschaft
in die Agrargesellschaft K. mbH mit dem Sitz in A. ( … ) beschlossen,
bei der es sich um die Klägerin handelt. Mit Schreiben vom 27.7.2018 teilte die Beklagte der
Klägerin unter Hinweis auf
" wird im Fall der Gesamtrechtsnachfolge die Mitgliedschaft bis zum Schluss des Geschäftsjahres
durch den Gesamtrechtsnachfolger fortgesetzt. Die Mitgliedschaft endet zum Schluss
des Geschäftsjahres".
Man werde daher folgende Eintragung in die Mitgliederliste vornehmen:
Die Beendigung der Mitgliedschaft der Agrargesellschaft K. mbH ( Agrargenossenschaft
K. e.G. ) bei der Genossenschaft zum Schluss des am 30.6.2018 endenden
Geschäftsjahres.
§ 8 der Satzung lautet:
Wird eine juristische Person oder eine Personengesellschaft aufgelöst oder erlischt sie, so
endet die Mitgliedschaft mit dem Schluss des Geschäftsjahres, in dem die Auflösung wirksam
geworden ist. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge wird die Mitgliedschaft bis zum
Schluss des Geschäftsjahres durch den Gesamtrechtsnachfolger fortgesetzt.
Die Klägerin ist der Löschung aus der Mitgliederliste der Beklagten entgegengetreten und
hat den Standpunkt vertreten, dass sich die Agrargenossenschaft K. e.G. durch
die Umwandlung weder aufgelöst habe, noch erloschen sei. Sie habe sich lediglich formwechselnd
in die Agrargesellschaft K. mbH umgewandelt. Zwischen beiden Gesellschaften
bestehe vollkommene Rechtsidentität. Die Agrargesellschaft K. mbH
sei damit nicht Gesamtrechtsnachfolger der Agrargenossenschaft K. e.G. Angesichts
ihres Formwechsel lägen weder die Voraussetzungen von
der Satzung vor. Für eine analoge Anwendung von
planwidrigen Lücke.
Die Beklagte ist der Klage mit der Ansicht entgegengetreten, der vormalige Rechtsträger
existiere in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft nicht mehr, sondern folge
ihm in der Rechtsform einer GmbH nach, was jedenfalls eine entsprechende Anwendung
von
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung
etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird darüber hinaus nach § 540 Abs. 2
ZPO i.V.m.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht
auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 513 Abs. 1 ZPO.
Die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat die Abweisung der Klage wie folgt begründet:
Ein Berichtigungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der Mitgliederliste folge nicht aus § 30 Abs. 2
GenG. Zwar werde bei dem auf Klägerseite durchgeführten Formwechsel "die Klägerin" nicht aufgelöst,
sondern die Identität des Rechtsträgers gewahrt und es trete keine Gesamtrechtsnachfolge ein.
Der Formwechsel an sich rechtfertige daher die Löschung der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten
nicht. Die Agrargenossenschaft K. e.G. sei aber im Genossenschaftsregister gelöscht
worden, was eine analoge Anwendung von
vorbehalten bleiben solle, bei einer Änderung der Unternehmensform darüber zu entscheiden,
das Mitglied zu behalten oder eben nicht ( unter Hinweis auf OLG Stuttgart Urteil vom 24.2.1989 –
2 U 113/87 – [ z.B. ZiP 1989, 1148 ] ). Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass
die Klägerin ihre Verpflichtung aus § 12 lit. g der Satzung zur Produktion von Gewürzpflanzen nicht
erfülle. Soweit die Klägerin die Behauptung der Beklagten, dass die Agrargenossenschaft K.
e.G. im Genossenschaftsregister gelöscht worden sei, unter Hinweis auf die Anlage K 9 bestreite,
komme es darauf entscheidungserheblich nicht an, weil die analoge Anwendung des
von der Frage des Erlöschens der Genossenschaft zur Beendigung der Mitgliedschaft führe.
Dieser Zirkelschluss hält einer Überprüfung durch den Senat nicht stand. Entgegen der Ansicht
des Landgerichts endete die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten nicht zum
30.6.2018, sodass festzustellen ist, dass die Klägerin über den 30.6.2018 hinaus Mitglied der
Beklagten ist. Daneben hat die Beklagte die Mitgliederliste durch Streichung des Beendigungsvermerks
zu berichtigen, um die Klägerin gemäß §§ 30 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 2 S. 1
GenG dort weiter als Mitglied der Genossenschaft erscheinen zu lassen.
Die Satzung regelt die Beendigung der Mitgliedschaft in § 4. Soweit das Landgericht in den
Entscheidungsgründen ausführt, dass die Klägerin ihrer Anbau- und Lieferverpflichtung entgegen
§ 12 lit. g des Satzung nicht nachkomme, kann dies dahinstehen. Mit der Frage einer
Beendigung der Mitgliedschaft durch Auflösung i.S.v. § 8 der Satzung ( bzw.
hat eine solche ( unterstellte ) Pflichtverletzung nichts zu tun. Inwieweit dies die Beendigungstatbestände
der Kündigung ( § 5 der Satzung ) oder des Ausschlusses ( § 9 der Satzung
) berühren könnte, kann ebenfalls offen bleiben. Die Beklagte hat im Schreiben vom
5.8.2018 ( K 5 Anlagenband K ) ausdrücklich klargestellt, dass es sich beim Inhalt des
Schreibens vom 11.7.2018 ( K 3 Anlagenband K ) weder um eine Kündigung noch um einen
Ausschluss der Klägerin handele, abgesehen von der Frage, ob die ( schon formalen ) Voraussetzungen
für einen Ausschluss gemäß § 9 der Satzung überhaupt vorlägen.
Als einziger denkbarer Beendigungstatbestand kommt daher nur eine Auflösung der Agrargenossenschaft
K. e.G. i.S.v. § 4 lit. d in Verbindung mit § 8 der Satzung ( wortgleich
mit
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass
durch Formwechsel ( §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 190ff. UmwG ) anwendbar sei. Im Anschluss
an die Entscheidung des OLG Stuttgart ( a.a.O., S. 775, re. Sp. ) meint es offenbar,
dass in einem solchen Fall eine Rechtsnachfolge eintritt. Ob dies zur Rechtslage im Jahre
1989 angenommen werden kann, muss der Senat nicht klären. Mit Blick auf den ( erst zum
1.1.1995 in Kraft getretenen ) § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gilt dies ausdrücklich nicht.
Mit der Wirksamkeit des Formwechsels besteht der formwechselnde Rechtsträger in der im
Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter. Nichts anderes ergibt sich aus den
ordnungsgemäß nach
besteht eine Identität des Rechtträgers, eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
findet nicht statt ( Lutter/Decher, UmwG, 4. Aufl., § 202, Rn. 7 ). Da der
Rechtsträger rechtlich und wirtschaftlich identisch fortbesteht, hat der Formwechsel keine
Auswirkungen auf die Rechtbeziehungen des Rechtträgers im Außenverhältnis. Unbeeinträchtigt
durch den Formwechsel bleiben daher die schuldrechtlichen Beziehungen des
Rechtsträgers auch gegenüber Dritten ( Henssler/Strohn/Drinhausen/Keinath, GesR, 4. Aufl.,
UmwG, § 202, Rn. 4; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 4. Aufl., § 202, Rn. 2, 5 ).
Da somit bei Umwandlung durch Formwechsel kein Erlöschen des ursprünglichen Rechtträgers
( = Agrargenossenschaft K. e.G. ) vorliegt und damit auch keine Rechtsnachfolge
des jetzigen Rechtsträgers ( = Klägerin ) eingetreten ist ( Grundsatz der Identität
der Rechtsträger ), besteht für die Anwendung von
bzw. an den Tatbestand des Erlöschens anknüpft, kein Raum ( Beuthien, GenR,
18. Aufl., § 77a, Rn. 2; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 77a, Rn. 2 ).
Es besteht aber auch kein Grund, die Rechtsfolgen aus
Umwandlung durch Formwechsel analog anzuwenden.
die einen offensichtlichen Systembezug zu
Rn. 1 ) und damit eng auszulegen und nur dann (analog) anzuwenden ist, wenn der Sachverhalt
dem "Tod" des Mitgliedes entspricht. Nur dann besteht das Bedürfnis eine nicht mehr
existente juristische Person rasch abzuwickeln und/oder den Mitgliederbestand der Genossenschaft
zeitnah zu klären. Dessen bedarf es offensichtlich nicht, wenn eine Beendigung
eines Mitgliedes oder eine Rechtsnachfolge in der Konsequenz der Umwandlung bei fortbestehender
Identität des Rechtsträgers überhaupt nicht stattfindet, Unklarheiten in Bezug auf
die Mitgliedschaft mithin nicht entstehen können. Ändert sich durch den Formwechsel an der
Identität des Rechtsträgers und damit des Mitglieds der Genossenschaft nichts, bleibt es
auch für die Genossenschaft beim Alten. Die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte und
Pflichten werden beidseits nicht betroffen, was einen substanziellen Unterschied zum Tatbestand
des Erlöschens oder der Auflösung des Mitglieds darstellt, sodass es an dem für die
Analogie erforderlichen vergleichbaren Sachverhalt fehlt.
Zwar mag im Grundsatz der Berufungserwiderung gefolgt werden können, dass sich aus der
Umwandlung der Genossenschaft in eine GmbH durchaus rechtliche Konsequenzen ergeben
können, soweit der Formwechsel eine Diskontinuität der auf den Rechtsträger anzuwendenden
Rechtsordnung zur Folge haben kann ( Lutter/Decher a.a.O., Rn. 8 ). Nur: Die
Rechte Dritter, insbesondere von Gläubigern, bestehen gegenüber dem Rechtsträger neuer
Form unverändert fort. Dementsprechend bedarf es auch keiner Zustimmung Dritter zum
Formwechsel. Ebenso steht einem Gläubiger grundsätzlich aus diesem Anlass kein Rücktrittsrecht
zu. Soweit die Rechtsstellung des Gläubigers durch die geänderte Haftungsverfassung
der neuen Rechtsform oder in sonstiger Weise verschlechtert wird, ist dem Gläubigerschutz
durch das Recht zur Sicherheitsleistung (
( Lutter/Decher a.a.O., Rn. 32 ).
Da die Mitgliederliste quasi mit Rechtsschein ausgestattet ist, kann das einzelne Mitglied die
Berichtigung falscher (deklaratorischer) Eintragungen beanspruchen. Der Anspruch richtet
sich gegen die Genossenschaft, auch wenn nach § 30 Abs. 1 GenG der Vorstand die Mitgliederliste
führt.
III.
Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.
Eine Abweichung von der Entscheidung des OLG Stuttgart ( a.a.O. ) liegt nicht vor ( § 543
Abs. 2 Nr. 2 ZPO ), da sich zwischenzeitlich durch die Einführung des § 202 UmwG zum
1.1.1995 eine veränderte Rechtslage ergeben hat.
Der Streitwert ist nach
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Naumburg
Erscheinungsdatum:12.12.2019
Aktenzeichen:1 U 125/19
Rechtsgebiete:
Genossenschaft
Umwandlungsrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
GenG § 77a S. 1 u. 2