Testamentsauslegung: Einsetzung „der Erben“; Anwendbarkeit des deutschen Ehegüterstatuts auf in Thailand geschlossene Ehe
letzte Aktualisierung: 5.6.2023
OLG Naumburg, Beschl. v. 16.1.2023 – 2 Wx 43/21
BGB §§ 133, 2084, 1371 Abs. 1
Testamentsauslegung: Einsetzung „der Erben“; Anwendbarkeit des deutschen Ehegüterstatuts
auf in Thailand geschlossene Ehe
1. Werden in einem Testament vom Erblasser „die Erben“ als seine Erben eingesetzt und im
Weiteren vereinzelte Anordnungen zur Teilung des Nachlasses verfügt, so ist im Zweifel davon
auszugehen, dass der Erblasser seine nach der gesetzlichen Erbfolge berufenen Erben zu den
danach geltenden Erbanteilen einsetzen wollte.
2. Zur Anwendbarkeit des deutschen Ehegüterstatuts, insbesondere des
eine im Königreich Thailand geschlossene Ehe zwischen einem deutschen Staatsangehörigen und
einer thailändischen Staatsangehörigen.
Gründe
A.
Der Erblasser war in erster, inzwischen geschiedener Ehe verheiratet mit B. M. geb. K.
. Aus dieser Ehe ging die Beteiligte zu 4) – geboren am 30.04.1983 – hervor. Der Beteiligte zu 1)
– geboren am 26.04.1988 – ist ein nichteheliches Kind des Erblassers. Der Erblasser war in
zweiter, inzwischen geschiedener Ehe verheiratet mit C. M. geb. E. . Aus dieser Ehe ging
der Beteiligte zu 2) – geboren am 25.07.1994 – hervor. Der Erblasser war schließlich in dritter
Ehe mit der Beteiligten zu 3) verheiratet; diese Ehe wurde im Oktober 2010 in Thailand
geschlossen. Aus dieser Ehe ging die mdj. Beteiligte zu 5) – geboren am 07.12.2010 – hervor.
Weitere Nachkommen gibt es nicht.
Der Erblasser hinterließ in einem verschlossenen Umschlag ein privatschriftliches Testament
vom 17.04.2018, welches am 20.08.2018 vom Nachlassgericht eröffnet worden ist (vgl. Beiakte
192 IV 397/18). Darin heißt es unter der Überschrift „Testament“:
„Mein letzter Wille
Meine verbleiben Anteile an den H. Gesellschaften möchte ich meinen Tochter K. D.
überlassen. 2Wegen des großen Wertes der Firma, soll alles andere allein unter den
verbleibenden Erben aufgeteilt werden.“ (Satzzählung durch den Senat)
Das Testament schließt mit der Angabe des Ortes und des Datums der Errichtung und einer
eigenhändigen Unterschrift des Erblassers.
Die Beteiligten zu 1) und zu 2) haben zu UR Nr. 142/2018 der Notarin M. N. in B.
vom 06.09.2018 den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt, welcher
die Beteiligte zu 3) als Miterbin mit einem Anteil von einem Viertel sowie die Beteiligten zu 1),
zu 2), zu 4) und zu 5) als Miterben mit einem Anteil von jeweils 3/16 ausweisen soll. Sie haben
sich auf den Eintritt der testamentarischen Erbfolge berufen.
Die hiesige Beteiligte zu 3) hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.08.2020 einen
gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, welcher sie als Miterbin mit einem Anteil von einem
Halb und die Beteiligten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5) als Miterben mit einem Anteil von jeweils
einem Achtel ausweisen soll. Dieses Verfahren, in dem das Nachlassgericht durch eine
Zwischenverfügung u.a. auf Formmängel des Antrages hingewiesen hat, wird unter dem
Aktenzeichen 192 VI 324/20 geführt.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Nachlassverfahren im Zusammenhang mit der Höhe
der Erbanteile der Beteiligten zu 3) vor allem über den Güterstand der Ehe zwischen dem
Erblasser und der Beteiligten zu 3). Hierzu hat das Nachlassgericht, welches – übereinstimmend
mit sämtlichen Beteiligten des Verfahrens – von der Anwendbarkeit der
a.F. ausgegangen ist, folgende Feststellungen getroffen: Der Erblasser, welcher ausschließlich die
deutsche Staatsangehörigkeit besaß, und die Beteiligte zu 3), welche thailändische
Staatsangehörige ist, lernten sich in Thailand kennen. Der Kontakt wurde durch mehrfache,
jeweils mehrwöchige Besuche des Erblassers in Thailand aufrechterhalten; der Beteiligten zu 3)
wurde eine besuchsweise Einreiseerlaubnis für Deutschland nicht erteilt. Am 12.10.2010
schlossen sie in Thailand in Anwesenheit zweier Zeugen einen Ehevertrag, welcher im
Heiratsregister eingetragen wurde. Der Ehevertrag sollte nach seiner Präambel für den Fall
gelten, dass Rechtsstreitigkeiten aus der Ehe in Thailand bzw. nach thailändischem Recht
entschieden werden sollen. Er enthielt in Ziffer 2 die Regelung, dass durch die Ehe kein
Gemeinschaftseigentum an den nach der Eheschließung erworbenen Vermögensgegenständen
begründet werden sollte, in Ziffer 3 die weitere Regelung, dass es auch im Falle der Beendigung
der Ehe keinen Ausgleich der u.U. unterschiedlichen Entwicklung des Privatvermögens der
Eheleute geben sollte, und in Ziffer 5 die Abrede, dass im Falle einer Scheidung der Ehe
sämtliche Schadensersatzansprüche nach thailändischem Recht ausgeschlossen sein sollten. Im
Anschluss schlossen die Beteiligte zu 3) und der Erblasser vor der Bezirksverwaltung in R. die
Ehe. Am 07.12.2010 wurde die gemeinsame Tochter, die Beteiligte zu 5), in Thailand geboren.
Die Beteiligten zu 3) und zu 5) reisten auf der Grundlage einer auf drei Monate befristeten
Einreiseerlaubnis im März 2011 nach Deutschland ein, wo die Beteiligte zu 5) sich einer
medizinischen Behandlung unterzog. Ab dem 01.04.2011 nahmen sie ihren Wohnsitz in der
Wohnung des Erblassers, wo sie sich bis heute aufhalten.
Die Beteiligte zu 3) hat die Auffassung vertreten, dass wegen des Orts der Eheschließung in
Thailand eine Zugewinngemeinschaft begründet worden sei. Die Beteiligte zu 4) hat auf den
Wortlaut der Ehevereinbarung und darauf verwiesen, dass beide Ehegatten ungeachtet des
Hochzeitsortes die engste Beziehung zu Deutschland pflegten bzw. anstrebten und dass sie in
Gütertrennung lebten.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 12.05.2021 die zur Erteilung des Erbscheins
gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1) und zu 2) vom 06.09.2018 erforderlichen Tatsachen
festgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe dieser Entscheidung Bezug
genommen.
Gegen diese, ihr am 18.05.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 3) mit
ihrer am 04.06.2021 per beA beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie die
Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 1) und zu 2) vom 06.09.2018 begehrt. Sie wendet
sich im Ergebnis nicht gegen die Auslegung des Testaments dahin, dass der Erblasser seine
gesetzlichen Erben in gleicher Weise wie nach der gesetzlichen Erbfolge als testamentarische
Erben eingesetzt hat. Sie wiederholt und vertieft jedoch ihre Ansicht, dass ihr eigener Erbanteil
in Anwendung von
überhaupt eine wirksame Ehevereinbarung getroffen worden sei, allenfalls Modifikationen des
thailändischen Güterstandes verabredet worden sein, und zwar lediglich für den Fall der
Ehescheidung in Thailand. Nach dem im EGBGB für Ehen mit Auslandsbezug geregelten
Ehewirkungsstatut komme es auf das Recht desjenigen Staates an, mit dem die Ehegatten zur
Zeit der Eheschließung gemeinsam am engsten verbunden waren. Das sei hier Deutschland,
weil der Erblasser zu keiner Zeit eine Umsiedlung nach Thailand in Betracht gezogen habe und
die durchaus konkreten Zukunftsplanungen eine Familienzusammenführung in Deutschland
vorgesehen hätten.
Das Nachlassgericht hat nach Anhörung sämtlicher Beteiligter mit seinem Beschluss vom
15.09.2021 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg
zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat am 19.07.2022 Hinweise zur vorläufigen Bewertung der Sach- und Rechtslage
erteilt; hierauf wird Bezug genommen. Auf Anregung des Senats hat das Amtsgericht –
Familiengericht – Magdeburg mit Beschluss vom 08.09.2022 Rechtsanwältin B. als
Ergänzungspflegerin der Beteiligten zu 5) im Rahmen der Klärung der vorliegenden
Nachlassangelegenheit bestellt.
Sämtliche Verfahrensbeteiligte hatten Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme im
Beschwerdeverfahren.
Die Beteiligte zu 5) hat in ihrer Stellungnahme vom 30.09.2022 die Zurückweisung der
Beschwerde beantragt und im Wesentlichen ausgeführt, dass die in Thailand getroffene
Vereinbarung der Gütertrennung keinen vorläufigen oder vorsorglichen Charakter gehabt habe.
Entgegen der Annahme des Senats habe der Erblasser zur Zeit der Eheschließung auch einen
hinreichenden Bezug zu Thailand gehabt.
Der Beteiligte zu 1) hat im Schriftsatz vom 20.10.2022 hilfsweise mehrere Anträge auf Erteilung
eines gemeinschaftlichen Erbscheins jeweils mit abweichenden Erbquoten gestellt. Er macht
insbesondere geltend, dass es für die vom Senat erwogenen Testamentsauslegung i.S. einer
Vorauszuwendung an die Beteiligte zu 4) keine hinreichenden Anhaltspunkte im Testament oder
im Vorbringen der Beteiligten gebe. Er wendet sich gegen die Annahme, dass die Eheleute mit
dem Recht der Bundesrepublik Deutschland verbunden gewesen seien. Sie hätten den Ort der
Eheschließung – in Thailand – nicht zufällig gewählt. Der Erblasser habe ca. ein Jahr vor dem
Ende seiner beruflichen Tätigkeit gestanden und geplant, zu seiner Ehefrau und Tochter in
Thailand umzusiedeln. Für den Fall des Festhaltens des Senats an seinen vorläufig geäußerten
Rechtsansichten zur Quotenbestimmung bzw. zum Güterrechtsstatut hat er die Zulassung der
Rechtsbeschwerde angeregt.
B.
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) ist zulässig. Sie ist nach
und die nach
Die Beschwerdefrist des
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Das Nachlassgericht hat zu Unrecht die für die Erteilung des von den Beteiligten zu 1) und zu 2)
beantragten gemeinschaftlichen Erbscheins erforderlichen Tatsachen festgestellt. Der Erbanteil
der Beteiligten zu 3) ist – abweichend von der Auffassung der Beteiligten zu 1) und zu 2) und
ihnen folgend des Nachlassgerichts – mit einem Halb bestimmt, so dass sich auch im Übrigen
vom Antrag abweichende Erbquoten ergeben.
1. Die Rechtssache ist inzwischen entscheidungsreif, insbesondere ist auch der Beteiligten zu 5)
hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden.
2. Das Testament des Erblassers vom 17.04.2018 ist dahin auszulegen, dass der Erblasser
letztlich seine gesetzlichen Erben zu den sich jeweils nach der gesetzlichen Erbfolge ergebenden
Quoten als testamentarische Erben eingesetzt hat.
a) Mit dem Satz 1 seiner Verfügung von Todes wegen bestimmte der Erblasser eine Zuwendung
an die Beteiligte zu 4), K. D. . Darin ist jedenfalls keine isolierte Teilungsanordnung zu sehen,
sondern eine unmittelbare Zuwendung, welche entweder den Charakter einer Erbeinsetzung
i.S.v.
den Charakter eines Vermächtnisses i.S.v.
Satz 2, dass die nach der Umsetzung von Satz 1 verbleibenden Nachlassgegenstände („alles
andere“) „unter den verbleibenden Erben“ (Hervorhebung durch den Senat) verteilt werden
sollen, spricht dabei für die zuerst genannte Auslegung. Die Beteiligte zu 4) wird durch diese
Formulierung dem Kreis der Erben zugeordnet. Hinzu kommt, dass es dem wirklichen Willen
des Erblassers entsprochen haben dürfte, auch seiner ältesten Tochter einen unmittelbaren
erbrechtlichen Anspruch zu verschaffen und nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen
den Nachlass. Davon gehen auch die Beteiligten im Verfahren – soweit ersichtlich:
übereinstimmend – aus und haben hiergegen auch auf den entsprechenden Hinweis des Senats
keine Einwendungen erhoben.
b) Die Beteiligten zu 1), zu 2), zu 3) und zu 5) wurden vom Erblasser zwar nicht namentlich
benannt, mit der Bezeichnung „verbleibende Erben“ nahm der Erblasser jedoch offenkundig
Bezug auf die nach der gesetzlichen Erbfolge als Erben berufenen Personen.
c) Der Senat geht – ebenso wie sämtliche Beteiligte – davon aus, dass der Umstand, dass der
Erblasser für die Erben keine Erbquoten bestimmte, dahin auszulegen ist, dass auch die
jeweiligen Erbquoten nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge ermittelt werden sollten. Der
Senat nimmt unter Berücksichtigung der nach seinem Hinweis vom 19.07.2022 eingegangenen
Stellungnahmen ausdrücklich Abstand von der zwar in Betracht kommenden, letztlich aber
ohne hinreichende Anhaltspunkte im Testament oder in den äußeren Umständen gestützten
Auffassung, dass der Erblasser für die Beteiligte zu 4) einen von der gesetzlichen Erbquote
abweichenden und stattdessen vom Wert der zugewendeten Geschäftsanteile abhängigen
Erbanteil bestimmte. Zwar ist aus dem Zusammenhang von Satz 1 und Satz 2 zu entnehmen,
dass die Zuwendung für die Beteiligte zu 4), K. D., deren gesamten Erbanteil bilden sollte,
während der verbleibende Nachlass nur unter den anderen Erben, also den Erben ohne die
Beteiligte zu 4), aufgeteilt werden sollte. Dem Wortlaut des Testaments ist aber auch zu
entnehmen, dass der Erblasser insoweit von einem „großen Wert“ ausging, so dass die
nachfolgende Zuordnung „alles andere“ nur in gegenständlicher, nicht in quotaler Hinsicht
gemeint war.
3. Für die Ermittlung der Erbanteile der Beteiligten zu 1) bis zu 5) ist, wovon die Beteiligten zu
Recht ausgehen, vorrangig zu klären, ob der Erbanteil der Beteiligten zu 3) nach § 1371 Abs. 1
BGB zu erhöhen ist im Hinblick auf die Verknüpfung von Erbrecht und ehelichem Güterrecht.
a) Eine Anwendbarkeit der Vorschrift des
Ehegüterstatut deutsches Recht gilt. Das ist hier der Fall.
aa) Da das Ehegüterrecht nicht zu den allgemeinen Ehewirkungen gehört, ist für die
Bestimmung des Ehegüterstatuts in der dritten Ehe des Erblassers nach Art. 229 § 47 Abs. 2
EGBGB hier
Fassung (künftig: EGBGB 1994) anzuwenden.
bb) Nach
fehlender Rechtswahl dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe
maßgebenden Recht. Die Möglichkeit der ausdrücklichen Rechtswahl wurde von den Ehegatten,
d.h. vom Erblasser und der Beteiligten zu 3), weder zur Zeit der Eheschließung noch zu einem
späteren Zeitpunkt, z.B. nach Begründung eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in M.
ab dem 01.04.2011, genutzt. Die in Thailand geschlossene Ehevereinbarung enthält keine
ausdrückliche Rechtswahl für die güterrechtlichen Regelungen, sondern lediglich
Einzelbestimmungen. Für die Zeit nach der Eheschließung hat keiner der Beteiligten,
insbesondere auch nicht die Beteiligte zu 3), den Abschluss einer neuen Ehevereinbarung
vorgetragen; Anhaltspunkte sind auch sonst nicht ersichtlich.
cc) Nach
Ehewirkungen – von der Unwandelbarkeit des Ehegüterstatuts auszugehen, d.h., dass nur das
bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebende Recht anwendbar ist
(vgl. BGH, Urteil v. 09.12.2009, XII ZR 107/08,
MüKo-BGB, Bd. 10, 5. Aufl. 2010,
nur durch die – hier aber nicht genutzte – Möglichkeit der notariell zu beurkundenden (Art. 14
Abs. 4 Satz 1 EGBGB 1994) Vereinbarung einer ausdrücklichen Rechtswahl.
(1) Die Ehegatten hatten bei der Eheschließung weder eine gemeinsame Staatsangehörigkeit
i.S.v. Art. 15 Abs. 1 i.V.m.
Staatsangehöriger, die Beteiligte zu 3) war und ist thailändische Staatsangehörige – noch einen
gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat i.S.v. Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1
Nr. 2 Alt. 1 EGBGB 1994. Denn die Beteiligte zu 3) hatte zur Zeit der Eheschließung ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in Thailand, der Erblasser hingegen in Deutschland. Die
besuchsweisen Aufenthalte des Erblassers in Thailand für jeweils etwa drei Wochen
begründeten keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Thailand, sondern hatten objektiv einen eher
flüchtigen Charakter; der Erblasser blieb seinem Herkunftsbereich verhaftet (vgl. AG
Leverkusen, Urteil v. 22.12.2005, 34 WF 257/03,
Ehewirkungsstatuts einer deutsch-kubanischen Ehe, keine Erheblichkeit des kurzen
gemeinsamen Aufenthalts und des Orts der Eheschließung in Kuba, in juris Rz. 9) und traf auch
nicht etwa Vorkehrungen für eine Übersiedlung nach Thailand (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss
v. 26.06.2018, I-3 Wx 214/16,
deutsch-chinesischen Ehe, zur Abgrenzung zwischen vorläufigem und auf Dauer angelegtem
Aufenthalt im Ausland, in juris Rz. 37). Soweit der Beteiligte zu 1) auf den entsprechenden
Hinweis des Senats vorgetragen hat, dass der Erblasser sich mit Gedanken einer Umsiedlung
nach Thailand getragen habe, haben sich solche Erwägungen jedenfalls nicht manifestiert.
(2) Die Alt. 2 von
Ehegüterstatuts nicht anwendbar (vgl. Mankowski in: Staudinger, BGB, 2010,
Rn. 28 m.w.N.).
(3) Aus den vorgenannten Gründen kommt es, wovon die Beteiligten übereinstimmend
ausgehen, für die Bestimmung des Ehegüterstatuts auf das Recht desjenigen Staates an, mit dem
die Ehegatten bei der Eheschließung gemeinsam auf andere Weise als durch gemeinsame
Staatsangehörigkeit oder gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt am engsten verbunden sind. Es
muss sich um objektive Anhaltspunkte handeln, z.B. um gemeinsame soziale Bindungen, oder
um subjektive Elemente wie gemeinsame Zukunftspläne der Ehegatten. Der Gesetzgeber hat
bewusst davon abgesehen, Regelbeispiele aufzuführen, um der Rechtsprechung die
Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals zu überlassen (vgl. BGH, Beschluss v. 03.02.1993,
XII ZB 93/90,
Abs. 1 Nr. 3 EGBGB 1994 (Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 10/5632, S. 41) nennen
aber beispielhaft mehrere Faktoren, welche auch im Rahmen von
beachtlich sind: die gemeinsame soziale Bindung der Ehegatten an einen Staat durch Herkunft
im weitesten Sinne, Kultur, Sprache oder berufliche Tätigkeit; der gemeinsame einfache, nicht
nur ganz vorübergehende Aufenthalt der Ehegatten in einem Staat; die gemeinsame
Verbundenheit der Ehegatten mit einem Staat durch die beabsichtigte Begründung einer
gemeinsamen Staatsangehörigkeit oder eines ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in
einem Staat, und zwar selbst dann, wenn sich diese Absicht nicht bzw. nicht unmittelbar
verwirklichen lässt; u.U. auch der Ort der Eheschließung, wenn dieser Aspekt durch Momente
gemeinsamer Verbindung verstärkt wird und nicht als zufällig erscheint (vgl. auch Ludwig in:
jurisPK-BGB, 9. Aufl.,
m.w.N.).
(4) Nach diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass es gemeinsame soziale Bindungen der
Ehegatten an einen Staat nicht gab. Vielmehr waren beide Ehegatten jeweils ihrem
Herkunftsbereich verhaftet. Die Beteiligte zu 3) hatte familiäre und im Zweifel auch andere
soziale Bindungen ausschließlich in Thailand. Dort war sie erwerbstätig und hatte – ggf. mit
finanzieller Unterstützung des Erblassers – Immobilieneigentum erworben. Dem gegenüber
hatte der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland; dort hatte er seine familiären und
sozialen Bindungen und ging seiner Erwerbstätigkeit nach. Es sind keinerlei konkrete
Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass sich der Erblasser in Thailand über seine
Beziehung zur Beteiligten zu 3) hinaus um eine soziale Integration in Thailand bemüht hätte. So
reiste er nach Thailand stets mit einem befristeten Visum, bemühte sich nicht um eine
dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, was ihm – im Gegensatz zur Beteiligten zu 3) im Hinblick auf
Deutschland – möglich gewesen wäre, oder um eine sprachliche Eingliederung (vgl. hierzu auch
Mankowski, a.a.O.,
214/16,
Ehe, Kontakte des deutschen Partners zur chinesischen Partnerin jeweils mit „Business-
/Tourist-Visa“, Deutsch-Unterricht der Partnerin, keine berufliche Zukunft des Partners in
China, in juris Rz. 26 ff.). Selbst für eine alsbaldige Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit in
Deutschland gab es im Jahre 2010 keine konkreten Anhaltspunkte. Das gilt insbesondere für das
Lebensalter des Erblassers, denn er war selbständig tätig, so dass das gesetzliche
Renteneintrittsalter für ihn keine Bedeutung hatte.
(5) Aus den vorgenannten Gründen ist entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts auch der
Ort der Eheschließung hier nicht maßgeblich (vgl. zur allgemeinen Bewertung dieses
Anknüpfungspunktes Mankowski, a.a.O.,
Düsseldorf, Beschluss v. 28.08.2002, 3 Va 3/02, nach juris). Denn die Wahl des Ortes der
Eheschließung resultierte nicht aus einer objektiv engsten Bindung zum Königreich Thailand,
sondern daraus, dass der Beteiligten zu 3) eine – auch nur besuchsweise – Einreise nach
Deutschland behördlich versagt blieb, so dass die Ehe nur in Thailand geschlossen werden
konnte. Diese Anknüpfung ist zu schwach und zu wenig kennzeichnend, um die Ausstrahlungen
in das internationale Familienrecht rechtfertigen und tragen zu können (ebenso OLG Celle,
Bescheid v. 10.11.1997, 3465 I 301/97,
Ehewirkungen einer japanisch-deutschen Ehe, dort keine Zufälligkeit der Wahl des
Eheschließungsorts in Deutschland im Hinblick auf eine beiderseitige Erwerbstätigkeit in
Deutschland; OLG München, Beschluss v. 31.01.2012, 34 Wx 80/10,
Feststellung der allgemeinen Ehewirkungen einer ägyptisch-deutschen Ehe, Ort der
Eheschließung in Ägypten und gemeinsame Zugehörigkeit zum Islam treten hinter der
Ausrichtung der beruflichen Tätigkeit und der nachträglichen Begründung des gewöhnlichen
Aufenthalts in Deutschland zurück; in juris Rz. 26 ff.).
(6) Den Vorausführungen steht auch der Umstand nicht entgegen, dass die Ehegatten vor der
Eheschließung einen Ehevertrag in Thailand schlossen. Der Ehevertrag enthielt, wie
vorausgeführt, keine ausdrückliche Rechtswahl. Der Senat verbleibt trotz der entgegenstehenden
Stellungnahmen der Beteiligten zu 1) und zu 5) bei seiner Auffassung, dass die Formulierungen
einerseits in seiner Präambel und andererseits in den Einzelregelungen darauf schließen lassen,
dass die Ehegatten lediglich die Geltung des thailändischen Ehegüterrechts vermeiden wollten.
Deswegen ist es gerechtfertigt, die Regelungen als vorsorglich zu bewerten, mit denen sie die
wesentlichen güterrechtlichen Rechtsfolgen ihrer Ehe individuell gestalten wollten, indem sie für
den Fall der Beendigung der Ehe die Geltung thailändischen Schadensersatzrechtes
ausschlossen.
(7) Der Senat verbleibt auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Beteiligten bei
seiner Auffassung, dass die Ehegatten objektiv am engsten mit dem Recht der Bundesrepublik
Deutschland verbunden waren. Dies gründet sich einerseits auf die bereits erwähnten starken
Bindungen des Erblassers an Deutschland im Hinblick auf seine soziale Integration, seine aktive
wirtschaftliche Tätigkeit – welche auch für die Ehe die entscheidende wirtschaftliche Grundlage
bilden sollte – und seine Staatsangehörigkeit, deren Aufgabe für den Erblasser nicht in Betracht
kam. Gegen diese für den Senat maßgeblichen Umstände haben die Beteiligten auch keine
Einwendungen vorbringen können. Der Senat bewertet den mitgeteilten Sachstand weiter dahin,
dass die Beteiligte zu 3) diesen Status ihres Ehemannes nicht ändern wollte. Die Auffassung des
Senats gründet sich andererseits darauf, dass die Ehegatten bereits bei Eheschließung vom
Leitbild der Ehe als gelebter Lebensgemeinschaft ausgingen, zumal die Eheschließung im
Wissen um die baldige Geburt eines gemeinsamen Kindes erfolgte. Diese gelebte
Familiengemeinschaft war nach den von den äußeren Gegebenheiten geprägten gemeinsamen
Vorstellungen der Eheleute im Jahre 2010 nur in Deutschland denkbar.
(a) Insoweit ist darauf zu verweisen, dass es zulässig ist, auch subjektive Elemente, wie den bei
Eheschließung geplanten (künftigen) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zu berücksichtigen
und die relativ geringe Zeitspanne bis zum geplanten Zusammenleben für unerheblich zu
erklären (vgl. nur Mankowski, a.a.O.,
Konkretisierung dieser Pläne kann sich indiziell auch durch die Eheschließung nachfolgende
Tatsachenentwicklung ergeben (vgl. BGH, Beschluss v. 26.06.2019, XII ZB 299/18, FamRZ
2019, 1535, in juris Rz. 31). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die nachfolgende
Entwicklung nicht als ungewöhnlich oder überraschend darstellt.
(b) So liegt der Fall hier. Die Ehegatten begründeten nach der Eheschließung nicht etwa einen
gemeinsamen ehelichen Wohnsitz in Thailand (so in: KG Berlin, Urteil v. 20.12.2006, 3 UF
59/06,
mit ersten Wohnsitz in Nigeria, in juris Rz. 18), sondern planten ihren gemeinsamen
Lebensmittelpunkt außerhalb Thailands. Das nachhaltige wirtschaftliche Fundament der Ehe
war die Erwerbstätigkeit des Erblassers in Deutschland (vgl. auch OLG Köln, Beschluss v.
15.04.2015, II-4 WF 169/14,
feststellbare, konkretisierte und verbindliche Zukunftsplanung im Hinblick auf den
Arbeitsmittelpunkt, in juris Rz. 5). Dorthin bestanden die sozialen Bindungen des Erblassers,
der deutscher Staatsangehöriger war. Dem Bedürfnis der Beteiligten zu 3) nach einer intensiven
Pflege der sozialen und familiären Kontakte in Thailand war ohne weiteres auch mit einem
Lebensmittelpunkt in Deutschland in Einklang zu bringen. Darauf, dass eine solche Planung
selbst dann für die Bestimmung der relativ engsten Verbindung an einen Staat maßgeblich sein
kann, wenn sich die Planungen nicht verwirklichen lassen (vgl. OLG Köln, Beschluss v.
06.02.1998, 25 WF 25/98,
EGBGB Rn. 79a m.w.N.), kommt es nicht an, weil die Ehegatten ab dem 01.04.2011 einen
gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, am Wohnsitz des Erblassers,
begründeten (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.06.2018, I-3 Wx 214/16, FamRZ
2018, 1783: Feststellung des Ehegüterrechtsstatuts einer deutsch-chinesischen Ehe, keine
Anhaltspunkte für den Willen des deutschen Ehemannes, sich dauerhaft sozial und
wirtschaftlich in China zu integrieren, und spätere Begründung eines gemeinsamen Wohnsitzes
in Deutschland, in juris Rz. 34, 37).
b) Die Anwendung des
der Zugewinngemeinschaft nach
Rechtsfrage ist von der Frage der Anwendbarkeit des deutschen Rechts zu unterscheiden (vgl.
OLG Karlsruhe, Beschluss v. 27.02.2018, 14 W 113/16 (Wx),
14).
aa) Nach
durch einen Ehevertrag selbst regeln, insbesondere auch eine Gütertrennung vereinbaren. Ein
solcher Ehevertrag ist formbedürftig, er muss zur Niederschrift eines Notars geschlossen
werden. So ist der Erblasser in seinen vorherigen Ehen verfahren, hier aber nicht.
bb) Insbesondere erfüllt der in Thailand vor zwei Zeugen geschlossene Ehevertrag der
Ehegatten diese Formanforderungen nicht, so dass es offen bleiben kann, ob die darin
getroffenen Vereinbarungen als eine Gütertrennung i.S. von
sind.
cc) Danach galt für die Ehe des Erblassers mit der Beteiligten zu 3) der gesetzliche Güterstand
der Zugewinngemeinschaft, welcher auch bei einer Beendigung der Ehe durch den Tod eines
Ehegatten zu berücksichtigen ist.
4. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ergeben sich im Wege der
Auslegung des Testaments des Erblassers vom 17.04.2018 und unter Rückgriff auf die
Erbanteile nach der gesetzlichen Erbfolge folgende Erbquoten: Die Beteiligte zu 3) ist in
entsprechender Anwendung von §§ 1931 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 1371 Abs. 1 BGB Miterbin zu 50
%, die Beteiligten zu 1), zu 2), zu 4) und zu 5) sind Miterben zu einem Anteil von jeweils einem
Achtel.
III. Über die Hilfsanträge des Beteiligten zu 1) vom 20.10.2022 ist im Beschwerdeverfahren
nicht zu befinden.
Die Entscheidung im Beschwerdeverfahren nach dem FamFG ist auf diejenigen
Verfahrensgegenstände beschränkt, welche Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung
waren. Mit den Hilfsanträgen vom 20.10.2022 verfolgt der Beteiligte zu 1) völlig neue, erstmals
in der Beschwerdeinstanz bezeichnete Antragsziele. Ein erstmals in der Beschwerdeinstanz
gestellter Antrag auf Erteilung eines Erbscheins ist stets unzulässig (vgl. Brandenburgisches
OLG, Beschluss v. 13.09.2022, 3 W 83/22, in juris Rz. 6 m.w.N.; so schon OLG Naumburg,
Beschluss v. 31.01.2012, 2 Wx 13/10, unveröffentlicht; vgl. auch Sternal in: Keidel, FamFG,
19. Aufl. 2017, § 68 Rn. 88 m.w.N.). In der hier vorliegenden Konstellation der erstmaligen
Anbringung des Antrags nach Beendigung des Abhilfeverfahrens kommt es auf eine
Entscheidung des in der Literatur geführten Streits nicht an, ob eine Befassung des
Nachlassgerichts mit dem neuen Antrag im Rahmen des Abhilfeverfahrens noch ausreichend
sein könnte. Angesichts der Unzulässigkeit der Anträge kommt eine Stellungnahme in
inhaltlicher Hinsicht nicht in Betracht.
IV. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach
liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung – es geht im Kern um die
Auslegung eines konkreten Testaments – noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung – der Senat hat lediglich eine
tatsächliche Bewertung des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung der einschlägigen
Rechtsprechung und ohne Abweichung hiervon vorgenommen.
C.
Der Antrag der Beteiligten zu 3) auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die
Beschwerdeinstanz ist zulässig und begründet.
I. Die Voraussetzungen für die Bewilligung nach
liegen vor. Die Rechtsverfolgung hatte nach den Vorausführungen von Anfang an eine
hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Die Beteiligte zu 3) ist nach der im
Parallelverfahren eingereichten Erklärung über ihre wirtschaftlichen und persönlichen
Verhältnisse bedürftig i.S.v.
II. Die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten ist nach
gerechtfertigt. Die Rechtssache weist besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten auf.
D.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf
II. Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 36 Abs. 1, 40
Abs. 1 GNotKG. Der Senat ist dabei der Wertfestsetzung des Nachlassgerichts gefolgt.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Naumburg
Erscheinungsdatum:16.01.2023
Aktenzeichen:2 Wx 43/21
Rechtsgebiete:
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Eheliches Güterrecht
Kostenrecht
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 133, 2084, 1371 Abs. 1