OLG Düsseldorf 14. März 2025
3 W 9/25
BGB §§ 1629, 1824, 1851, 1854, 2033

Keine familiengerichtliche Genehmigung bei Übertragung eines Erbanteils; Gerichtetsein auf Übernahme einer fremden Verbindlichkeit; Haftung als gesetzliche Nebenfolge des Erwerbs; Reichweite des Vertretungsausschlusses bei Betroffenheit nur eines Elternteils

letzte Aktualisierung: 30.5.2025
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2025 – 3 W 9/25

BGB §§ 1629, 1824, 1851, 1854, 2033
Keine familiengerichtliche Genehmigung bei Übertragung eines Erbanteils; Gerichtetsein
auf Übernahme einer fremden Verbindlichkeit; Haftung als gesetzliche Nebenfolge des
Erwerbs; Reichweite des Vertretungsausschlusses bei Betroffenheit nur eines Elternteils

1. Rechtsgeschäfte, bei denen sich die Haftung für Verbindlichkeiten lediglich als gesetzliche Nebenfolge
einstellt, unterfallen nicht dem Genehmigungserfordernis nach § 1854 Nr. 4 BGB. Daher lösen
weder der Erwerb von Bruchteilseigentum an einem Grundstück noch der hieraus resultierende
Eintritt in eine Erbengemeinschaft das Genehmigungserfordernis des § 1854 Nr. 4 BGB aus.
2. Die Verpflichtung zur Verfügung über den Erbteil eines anderen, den der Minderjährige von
diesem zuvor erworben hat, ist weder nach § 1851 Nr. 2 BGB noch nach § 1851 Nr. 3 BGB
genehmigungsbedürftig, da jeweils eine rechtsgeschäftlich erworbene Rechtsposition betroffen ist.
3. Der Ausschluss von der Vertretung des Kindes nach § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB
gilt auch bei verheirateten Eltern nur für den Elternteil, in dessen Person die Voraussetzungen des
§ 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorliegen. Der Vater des Kindes kann dieses daher bei Geschäften mit
dem Großvater mütterlicherseits vertreten.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe:

I.
Mit Antrag vom 24.05.2024 beantragten unter anderem die Beteiligten des hiesigen Verfahrens im Hinblick auf die Urkunde des Notars A. vom 13.05.2024, UVZ-Nr. 000/2024 J (Bl. 189 ff. GA I, ergänzt durch notarielle Urkunde vom 08.11.2024, Bl. 235 ff. GA I), das Grundbuch aufgrund der vereinbarten Erbteilsübertragung zu berichtigen sowie die aus der aufschiebend bedingten Abtretung des Erbanteils durch den Erwerber resultierende Verfügungsbeschränkung einzutragen.

Laut Teil C. § 2 der erstgenannten notariellen Urkunde (Bl. 194R GA I) veräußert der Beteiligte zu 1. seinen in Teil A. Abs. (1) der Urkunde näher bezeichneten ¼ Erbanteil am Nachlass seiner Mutter, B., zu gleichen Teilen an die dies annehmenden Erwerber, nämlich den minderjährigen Beteiligten zu 3. sowie dessen volljährige Geschwister, C. und D. Bezüglich des Beteiligten zu 3. findet sich auf Seite 2 der Urkunde (Bl. 189R GA I) die Angabe, er werde vertreten durch seinen Vater, E., dieser handelnd als nicht über § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossener Inhaber der elterlichen Sorge und zugleich hilfsweise als vollmachtloser Vertreter des Beteiligten zu 3., sich insoweit dessen Zustimmung nach Erreichen der Volljährigkeit oder vorher die eines Ergänzungspflegers vorbehaltend.

In der Urkunde ist weiter die Beteiligte zu 2., die Tochter des hiesigen Beteiligten zu 1. und Mutter von C., D. und des Beteiligten zu 3., als Beteiligte aufgeführt. Gemäß Teil C. § 3 der Urkunde haben die Erwerber als einzige Gegenleistung die in Teil C. § 4 näher spezifizierte, bedingte Pflicht zur Übertragung des erworbenen Erbteils an die Beteiligte zu 2. zu übernehmen. Nach Teil C. § 4 Abs. (4) tritt der Erwerber bereits jetzt aufschiebend bedingt durch den Eintritt eines der Umstände gemäß Teil C. § 4 Abs. (1) Buchstaben a) bis e) und die Ausübung des Übertragungsrechts seinen hier erworbenen Erbanteil an die Beteiligte zu 2. ab. Gemäß Teil C. § 5 Abs. (4) der Urkunde stellt der Erwerber den Veräußerer im Innenverhältnis von etwaigen Nachlassverbindlichkeiten frei.

Mit Beschluss vom 01.10.2024 hat das Amtsgericht Düsseldorf – Rechtspfleger – eine Zwischenverfügung gemäß § 18 GBO erlassen. Danach stünden der Erledigung des Antrags vom 24.05.2024 Eintragungshindernisse entgegen. Erforderlich sei die Genehmigung eines Ergänzungspflegers bezüglich des Beteiligten zu 3.. Auch fehle es an einer Genehmigung des Familiengerichts zur Urkunde Nr. 000/2024 J. Ein weiteres im Beschluss vom 01.10.2024 aufgeführtes Eintragungshindernis ist zwischenzeitlich behoben. Unter dem 08.11.2024 übersandte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten eine notarielle Urkunde vom 30.10.2024 und beantragte, die gestellten Anträge zu vollziehen, mit Ausnahme der Übertragung an den Beteiligten zu 3.. Dem kam das Amtsgericht Düsseldorf – Rechtspflegerin – nach. Mit notariellem Schriftsatz vom 20.12.2024 haben „die Beteiligten“ Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 01.10.2024 eingelegt. Sie meinen, der Vater des Beteiligten zu 3., E., könne diesen wirksam vertreten; er sei nicht nach § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossen. Der Genehmigung eines Ergänzungspflegers bedürfe es nicht, auch nicht bei – wie hier – miteinander verheirateten Eltern. Zudem sei eine Genehmigung des Familiengerichts nicht erforderlich.

Das Amtsgericht Düsseldorf – Rechtspflegerin – hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10.01.2025 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Grundakte Bezug genommen.

II.

Die nach §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde hat vollumfänglich Erfolg. Beteiligte des hiesigen Verfahrens sind diejenigen in der notariellen Urkunde aufgeführten Personen, die von den Regelungen, auf die sich der noch nicht vollzogene Eintragungsantrag stützt, betroffen sind. Dies sind die aus dem Rubrum ersichtlichen Beteiligten zu 1. bis zu 3..

A. Entgegen der in der Zwischenverfügung geäußerten Ansicht des Amtsgerichts steht den begehrten Eintragungen nicht entgegen, dass keine familiengerichtliche Genehmigung vorliegt. Eine gerichtliche Genehmigung ist weder unter dem Gesichtspunkt des § 1854 Nr. 4 BGB noch nach § 1851 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB erforderlich.

1. Bei der Übertragung gemäß der notariellen Urkunde UVZ-Nr. 000/2024 J handelt es sich nicht um ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 1854 Nr. 4 BGB, das auf Übernahme einer fremden Verbindlichkeit gerichtet ist. Rechtsgeschäfte, bei denen sich eine Haftung für Verbindlichkeiten lediglich als gesetzliche Nebenfolge einstellt, unterfallen dem Genehmigungserfordernis nach § 1854 Nr. 4 BGB nicht (OLG München, Beschluss vom 12.06.2023, 34 Wx /120/23 Rn. 10, juris).

1.1. Nach der notariellen Urkunde erwirbt der Beteiligte zu 3. Bruchteilseigentum an einem Grundstück. Ein solches Rechtsgeschäft ist nicht auf die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit gerichtet (OLG München, Beschluss vom 12.06.2023, 34 Wx /120/23 Rn. 10, juris). Etwaige an das Bruchteilseigentum anknüpfende Verbindlichkeiten stellen sich vielmehr als gesetzliche Nebenfolge des Erwerbs dar und sind eigene Verbindlichkeiten des Erwerbers. Ebenso verhält es sich mit dem aus dem Erwerb resultierenden Eintritt des Beteiligten zu 3. in eine Erbengemeinschaft. § 1854 Nr. 4 BGB ist jedoch auf Fälle der sog. Subsidiärhaftung beschränkt, das heißt auf solche Fälle, in denen dem Betreuten (bei Anwendung über §§ 1813 Abs. 1, 1799 Abs. 1 BGB (Ergänzungspflegschaft) oder über § 1643 Abs. 1 BGB (Vertretung durch die Eltern) lies: „dem Kind“), der aufgrund der übernommenen Haftung leisten würde, ein Ersatzanspruch gegen den Primärschuldner zusteht (MüKo-BGB/Kroll-Ludwigs, 9. Auflage 2024, § 1854 Rn. 17; jurisPK-BGB/Herberger, 10. Auflage (Stand 25.02.2025), § 1854 Rn. 44). Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben.

1.2. Auch die Regelung in Teil C. § 5 Abs. (4) der Urkunde führt nicht zu einer Genehmigungsbedürftigkeit nach § 1854 Nr. 4 BGB. Denn auch diese Regelung ist nicht auf die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit gerichtet. Vielmehr ist der Erwerber verpflichtet, den Veräußerer im Innenverhältnis von etwaigen Nachlassverbindlichkeiten freizustellen. Es handelt sich mithin nicht um einen Fall der Subsidiärhaftung. Denn dem Erwerber soll gerade kein Ersatzanspruch gegen einen Primärschuldner zustehen.

2. Eine Genehmigungsbedürftigkeit ergibt sich auch nicht aus § 1851 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB. Nach § 1851 Nr. 2 BGB bedarf das Rechtsgeschäft, durch das der Betreute zu einer Verfügung über eine ihm angefallene Erbschaft, über seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil verpflichtet wird, der gerichtlichen Genehmigung. § 1851 Nr. 3 BGB sieht ein Genehmigungserfordernis für eine Verfügung über den Anteil des Betreuten an einer Erbschaft oder zu einer Vereinbarung vor, mit der der Betreute aus einer Erbengemeinschaft ausscheidet. Vorliegend ist keiner der genannten Sachverhalte gegeben.

2.1. Zunächst soll der Beteiligte zu 3. nicht aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden (§ 1851 Nr. 3 Alternative 2 BGB). Vielmehr tritt er durch den Erwerb des Miteigentumsanteils in eine Erbengemeinschaft ein.

2.2. Es handelt sich auch weder um eine Verpflichtung zu einer Verfügung im Sinne von § 1851 Nr. 2 BGB noch um eine Verfügung im Sinne von § 1851 Nr. 3 BGB. Beide Normen treffen die hier vorliegende Fallgestaltung nicht. Denn die notarielle Urkunde betrifft weder eine dem Beteiligten zu 3. angefallene Erbschaft, noch seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil (§ 1851 Nr. 2 BGB) noch den Anteil des Beteiligten zu 3. an einer Erbschaft (§ 1851 Nr. 3 Alternative 1 BGB). Vielmehr verfügt der Beteiligte zu 1. als Veräußerer über eine ihm angefallene Erbschaft, während allenfalls seine Ehefrau und seine Kinder, nämlich die (volljährige) Beteiligte zu 2. und deren (ebenfalls volljährige) Geschwister als gesetzliche Erben des Beteiligten zu 1. Regelungen bezüglich ihres künftigen gesetzlichen Erbteils oder Pflichtteils treffen. Der Beteiligte zu 3. ist aber als Enkel des Beteiligten zu 1. (zumindest derzeit) nicht dessen gesetzlicher Erbe, so dass er schon nicht über seinen (gegebenenfalls künftigen) gesetzlichen Erbteil oder Pflichtteil verfügen oder sich zu darauf bezogenen Verfügungen verpflichten kann.

2.2.1. Die Regelung in Teil C. § 3 der Urkunde, mit der der Beteiligte zu 3. die aufschiebend bedingte Pflicht zur Übertragung des erworbenen Erbteils an seine Mutter, die Beteiligte zu 2., übernimmt, stellt daher keine Verpflichtung im Sinne des § 1851 Nr. 2 BGB dar. Es handelt sich nicht um eine Verpflichtung zur Verfügung über einen eigenen Erbteil, sondern über eine von dem Beteiligten zu 1. erworbene Rechtsposition, die in einem Erbteil des Beteiligten zu 1. nach dessen Mutter besteht.

2.2.2. Auch die in Teil C. § 4 Abs. (4) vorgesehene aufschiebend bedingte Abtretung ist keine Verfügung im Sinne des § 1851 Nr. 3 Alternative 1 BGB. Zwar verfügt der Beteiligte zu 3. nach dem Wortlaut über „seinen hier erworbenen Erbanteil“. Es handelt sich jedoch nicht um einen Anteil des Beteiligten zu 3. an einer Erbschaft, sondern um einen Anteil des Beteiligten zu 1. an einer Erbschaft. Diesen, seinen eigenen Erbanteil, überträgt der Beteiligte zu 1. mit der vorgelegten notariellen Urkunde an den Beteiligten zu 3.. Eine solche Konstellation betrifft § 1851 Nr. 3 Alternative 1 BGB nicht. Vielmehr stellt diese Norm im Nachgang zu dem zu einer Verfügung verpflichtenden Rechtsgeschäft, das nach § 1851 Nr. 2 BGB der Genehmigung bedarf, auch das der Verpflichtung nachfolgende Verfügungsgeschäft selbst unter einen Genehmigungsvorbehalt (MüKo-BGB/Kroll-Ludwigs, 9. Auflage 2024, § 1851 Rn. 11). Der Beteiligte zu 3. verfügt insoweit jedoch nicht über einen (ihm angefallenen) Erbteil, sondern über eine rechtsgeschäftlich erworbene Rechtsposition, auf die er im Wege der gesetzlichen Erbfolge jedenfalls derzeit keinerlei Anspruch hätte.

B. Auch soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, dass die Zwischenverfügung des Amtsgerichts die fehlende Genehmigung eines Ergänzungspflegers bezüglich des Beteiligten zu 3. als Eintragungshindernis einordnet, hat sie Erfolg. Denn der Vater des Beteiligten zu 3. hat diesen bei Abschluss der Vereinbarungen gemäß der notariellen Urkunde UVZ-Nr. 000/2024 J wirksam vertreten, so dass die Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger nicht erforderlich ist.

1. Der Vater des Beteiligten zu 3. hat diesen bei Abschluss der Vereinbarungen gemäß der notariellen Urkunde UVZ-Nr. 000/2024 J wirksam vertreten. Er ist insbesondere nicht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossen.

1.1. Gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB können der Vater und die Mutter das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 BGB ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Nach § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann ein Betreuer den Betreuten bei einem Rechtsgeschäft zwischen seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Betreuten andererseits nicht vertreten, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls bezüglich der Beteiligten zu 2. vor, wovon auch die Beteiligten zu Recht ausgehen. Denn es geht um ein Rechtsgeschäft mit dem Beteiligten zu 1., dem Großvater des Beteiligten zu 3., der in gerader Linie mit der Beteiligten zu 2., seiner Tochter und Mutter des Beteiligten zu 3., verwandt ist. Die Beteiligte zu 2. ist daher von der Vertretung des Beteiligten zu 3. ausgeschlossen.

1.2. Der Vertretungsausschluss gilt in der vorliegenden Konstellation des Rechtsgeschäfts mit einem in gerader Linie Verwandten eines Elternteils, der mit dem anderen Elternteil verheiratet ist, indes nur für den Elternteil, in dessen Person die Voraussetzungen des § 1824 Abs. 1 Nr.1 BGB vorliegen.

1.2.1. Dafür sprechen die Ausführungen des Bundesgerichtshofs (BGH) in dem Beschluss vom 24.03.2021, XII ZB 364/19 (veröffentlicht etwa in juris und in NJW 2021, 1875). In dem genannten Verfahren hatte sich der BGH mit der Frage zu beschäftigen, ob im Vaterschaftsanfechtungsverfahren auch die mit dem (rechtlichen) Vater nicht verheiratete Kindsmutter von der Vertretung ausgeschlossen ist. Dies hat der BGH in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung aus grundsätzlichen und verfassungsrechtlich geprägten Überlegungen heraus verneint. Danach trifft – im Vaterschaftsanfechtungsverfahren – der Vertretungsausschluss die nicht mit dem Kindsvater verheiratete Mutter nicht, mit der Folge, dass sie das Kind allein vertreten kann (BGH, vom 24.03.2021, XII ZB 364/19 Rn. 18 ff., juris).

Der Senat schließt sich der diesbezüglichen Argumentation des BGH nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Danach stellt ein Ausschluss von der Vertretung des Kindes einen Eingriff in das aus Art. 6 Abs. 2 GG folgende Elternrecht des von dem Ausschluss betroffenen Elternteils dar, der einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage bedarf.

In der Konstellation, die der BGH zu behandeln hatte, bestand – anders als in dem vorliegend zur Beurteilung stehenden Sachverhalt – eine solche Eingriffsgrundlage im Verhältnis zu der mit dem (rechtlichen) Vater verheirateten Mutter. In dem vom BGH behandelten Fall fällt der Eingriff in Form des Vertretungsausschlusses bezüglich der mit dem (rechtlichen) Vater verheirateten Mutter unter §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB (nach damaliger Rechtslage noch § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB (2002), der § 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB in der heute geltenden Fassung entspricht). Denn § 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB schließt bei einem Rechtsstreit mit dem minderjährigen Kind denjenigen von der Vertretung des Kindes aus, gegen dessen Ehegatten das Verfahren gerichtet ist. Dies folgt aus dem Verweis des § 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf den in § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB bezeichneten Personenkreis. In einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist die mit dem (rechtlichen) Vater verheiratete Mutter also bereits nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 Nr. BGB von der Vertretung ausgeschlossen. Das hat auch der BGH ausdrücklich unter Bezugnahme auf den damals geltenden § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB (2002) ausgeführt (BGH, Beschluss vom 24.03.2021, XII ZB 364/19 Rn. 16, juris).

In der von ihm zu behandelnden Konstellation hatte der BGH daher lediglich Anlass, sich damit zu befassen, ob der Vertretungsausschluss sich über § 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB hinaus auf die nicht mit dem (rechtlichen) Vater verheiratete Mutter erstreckt. Diese Frage hat der BGH verneint. Dabei hat er zunächst ausgeführt, dass angesichts seiner Entstehungsgeschichte dem Wortlaut des § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht entnommen werden kann, dass der Vertretungsausschluss sich jeweils auf beide Elternteile beziehen soll (BGH, Beschluss vom 24.03.2021, XII ZB 364/19 Rn. 23-27). Der dortigen Argumentation, auf die vollumfänglich verwiesen wird, schließt sich der Senat an.

1.2.2. Auch aus anderen Gesichtspunkten ergibt sich kein Vertretungsausschluss des Elternteils, in dessen Person die Voraussetzungen des Ausschlusses nicht selbst vorliegen.

1.2.2.1. Aus der zwischen Ehegatten gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehenden Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht ergibt sich ein Ausschluss des anderen Ehegatten nicht. Diese Vorschrift normiert eine allgemeine Pflicht von Ehegatten untereinander; einen Eingriff in das aus Art. 6 Absatz 2 GG gewährte Elternrecht rechtfertigt sie nicht.

1.2.2.2. Zudem sind die Voraussetzungen einer Analogie, über die sich der Vertretungsausschluss auf den (verheirateten) Elternteil erstrecken könnte, in dessen Person die Voraussetzungen nicht vorliegen, nicht gegeben. Es fehlt schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Dafür, dass der Gesetzgeber den Fall des Rechtsgeschäftes oder Rechtsstreits zwischen „dem Betreuten“ (bei Anwendung über § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB zu lesen als „dem Kind“) und in gerader Linie mit dem Ehegatten des „Betreuers“ (bei Anwendung über § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB zu lesen als „des Elternteils“) verwandten Personen, übersehen hat, ist nichts ersichtlich. Angesichts der in § 1824 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB genannten Konstellationen lag eine solche Fallgestaltung vielmehr auf der Hand. Auch nach der Entscheidung des BGH vom 24.03.2021, mit der dieser von dem Vertretungsausschluss der nicht mit dem (rechtlichen) Vater verheirateten Ehefrau im Vaterschaftsanfechtungsverfahren Abstand genommen hatte, hat der Gesetzgeber den Vertretungsausschluss bei dessen Neuregelung in § 1824 BGB (durch Gesetz vom 04.05.2021) bzw. im Nachgang dazu nicht über die bereits nach alter Rechtslage geltenden Tatbestände des § 1795 Abs. 1 BGB (2002) hinaus erstreckt.

1.2.2.3. Schließlich lässt der Grundsatz, dass die Eltern das Kind gemeinsam vertreten, § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB, auch in Zusammenschau mit § 1678 Abs. 1 BGB, nach dem der andere Elternteil die elterliche Sorge allein ausübt, wenn ein Elternteil tatsächlich verhindert ist, die elterliche Sorge auszuüben, keinen Umkehrschluss dergestalt zu, dass, wenn einer der gemeinsam vertretungsberechtigten Elternteile von der Vertretung ausgeschlossen ist, der andere Elternteil das Kind ebenfalls nicht vertreten kann. Ein entsprechender Umkehrschluss verbietet sich angesichts der über Art. 6 Abs. 2 GG grundrechtlich gewährleisteten elterlichen Vertretungsbefugnis als Teil des Elternrechts (BGH, Beschluss vom 10.04.2024, XII ZB 459/23 Rn. 13, juris – für die Konstellation der gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern). Für die Konstellation der miteinander verheirateten Eltern kann nichts Anderes gelten. Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistet Elternrechte naturgemäß auch für miteinander verheiratete Eltern. Die unter Eheleuten geltende allgemeine Rücksichtnahmepflicht nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB stellt, wie ausgeführt, keine Eingriffsnorm dar und vermag eine derartige Beschneidung des Elternrechts verheirateter Eltern gegenüber demjenigen unverheirateter Eltern nicht zu rechtfertigen. Vielmehr bleibt die Vertretungsbefugnis des nicht von dem Ausschlussgrund betroffenen Elternteils bestehen und ermächtigt ihn zur Alleinvertretung des Kindes (vgl. BGH, Beschluss vom 10.04.2024, XII ZB 459/23 Rn. 11, juris). Für den Fall der – hier nicht in Rede stehenden – Interessenkollision im Einzelfall besteht die Möglichkeit des gerichtlichen Entzugs der Vertretung für einzelne Angelegenheiten, §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1789 Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB.

III.
1. Nebenentscheidungen waren im Hinblick darauf, dass die Beschwerde erfolgreich war (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG) und Gegenstand der Beschwerde keine Endentscheidung, sondern eine Zwischenverfügung war, entbehrlich.

2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da keiner der Beteiligten durch die Entscheidung beschwert ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

14.03.2025

Aktenzeichen:

3 W 9/25

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Erbteilsveräußerung
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Normen in Titel:

BGB §§ 1629, 1824, 1851, 1854, 2033