Auflösend bedingtes Wohnungsrecht; Wegzugsklausel; Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs; Tauglichkeit einer Meldebescheinigung zum Nachweis im Grundbuchverfahren
letzte Aktualisierung: 9.8.2024
OLG München, Beschl. v. 30.7.2024 – 34 Wx 134/24 e
BGB §§ 1093, 158; GBO §§ 15, 22 Abs. 1; BMG § 18 Abs. 2
Auflösend bedingtes Wohnungsrecht; Wegzugsklausel; Nachweis der Unrichtigkeit des
Grundbuchs; Tauglichkeit einer Meldebescheinigung zum Nachweis im Grundbuchverfahren
1. Ein Wohnungsrecht kann unter der auflösenden Bedingung, dass der Berechtigte das Anwesen
auf Dauer verlässt, bestellt werden (sog. Wegzugsklausel).
2. Der Nachweis, dass das Grundbuch infolge des Wegzugs des Berechtigten i. S. d. § 22 Abs. 1
GBO unrichtig geworden ist, kann durch die Vorlage einer Meldebescheinigung gemäß § 18 Abs. 2
BMG nicht geführt werden.
3. Es steht den Beteiligten frei, vertraglich erleichterte Löschungsvoraussetzungen zu vereinbaren.
Gründe
I.
Die Beteiligte ist Eigentümerin von Grundbesitz.
In Abteilung II unter der laufenden Nummer 1 ist ein auflösend bedingtes Wohnungsrecht für die Mutter der
Beteiligten eingetragen. Gemäß der notariellen Bewilligung vom 03.06.2011 erlischt das Wohnungsrecht für
den Fall, dass die Berechtigte auf Dauer, das heißt nicht nur vorübergehend, das Anwesen verlässt,
insbesondere ihren Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt verlegt. Eine Regelung, wie dieser Nachweis zu
führen ist, ist in der Urkunde nicht enthalten.
Unter dem 24.10.2023 beantragte der Urkundsnotar gemäß
wegen Verlegung des Hauptwohnsitzes sowie Lebensmittelpunktes. Beigefügt waren ein notariell
beglaubigter Antrag mit Bewilligung der Beteiligten sowie eine mit Dienstsiegel und Unterschrift versehene
„Hausauskunft“ der Gemeindeverwaltung D. vom 27.09.2023. Aus dieser ergibt sich, dass in der Zeit vom
05.08.2015 bis 27.09.2023 andere Personen, nicht aber die Berechtigte des Wohnungsrechts im Anwesen
der Beteiligten gemeldet waren. Die Bescheinigung genügte dem Grundbuchamt nicht, so dass es mit
Zwischenverfügung vom 15.12.2023 die Vorlage einer formgerechten Löschungsbewilligung der Berechtigten
forderte. Der Senat hat diese mit Beschluss vom 20.02.2024 (Az.: 34 Wx 335/23 e) deshalb aufgehoben, weil
mit einer Zwischenverfügung nicht die Vorlage einer nach Auffassung des Grundbuchamts erforderlichen
Berichtigungsbewilligung aufgegeben werden kann, wenn der Berichtigungsantrag darauf gestützt wird, dass
der Unrichtigkeitsnachweis geführt sei. In dieser Konstellation sei der Antrag sofort zurückzuweisen. Das
Grundbuchamt hatte daher erneut über den Antrag vom 24.10.2023 zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 13.03.2024 reichte der Urkundsnotar eine Meldebescheinigung der Gemeinde D. gemäß
§ 18 Abs. 2 BMG nach, aus welcher sich ergibt, dass die Berechtigte des Wohnungsrechts seit 09.07.2015
mit der Anschrift in L. und nicht mehr in D. gemeldet ist.
Mit Beschluss vom 27.03.2024 wies das Grundbuchamt den Antrag zurück. Die Meldebescheinigung gelte
zwar als öffentliche Urkunde nach den
werde nicht nachgewiesen, dass die Angaben in der Meldebescheinigung korrekt und vollständig sind.
Vielmehr werde nur bescheinigt, dass die entsprechenden Daten im Melderegister nach § 3 BMG aktuell
gespeichert sind. Mit der vorgelegten Meldebescheinigung könne daher allenfalls der Nachweis geführt
werden, dass seitens der Berechtigten ein Wohnungswechsel gemeldet worden ist, nicht hingegen, ob er
auch tatsächlich vollzogen wurde und auf Dauer angelegt ist.
Hiergegen legte der Urkundsnotar mit Schreiben vom 30.04.2024 Beschwerde ein, beigefügt war eine
beglaubigte Abschrift der Meldebescheinigung. Er argumentiert, aus der Meldebescheinigung ergebe sich
eindeutig, dass die Berechtigte ihren Hauptwohnsitz verlegt habe. Auf das tatsächliche Bewohnen komme es
nicht an. Mit Beschluss vom 08.05.2024 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und die
Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Gemäß
Grundbuchamts statt (Demharter, GBO, 33. Auflage, § 71 Rn. 12). Der Rechtsbehelf ist auch im Übrigen
gemäß
eingelegt.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Die Löschung des Wohnungsrechts kann nicht im Wege der Berichtigung nach
Unrichtig i. S. dieser Bestimmung ist das Grundbuch nach der Vorgabe des
Inhalt hinsichtlich eines Rechts an einem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer
Verfügungsbeschränkung der in
Rechtslage nicht übereinstimmt (Senat, Beschluss vom 24.01.2022 – 34 Wx 437/21 =
BayObLG
Dabei fordert der Unrichtigkeitsnachweis als Ersatz für die Berichtigungsbewilligung den vollen Nachweis der
Unrichtigkeit in Form des
Hügel/Holzer § 22 Rn. 17; Demharter § 22 Rn. 42).
Der erforderliche volle Nachweis wird durch die vorgelegte Meldebestätigung nach § 18 Abs. 2 BMG nicht
geführt.
a) Ein Wohnungsrecht i. S. von
bestellt werden (BayObLG
Mutter der Beteiligten eingeräumte Wohnungsrecht soll unter der auflösenden Bedingung stehen, dass sie
„das Anwesen auf Dauer, d. h. nicht nur vorübergehend verlässt”. Richtig geht das Grundbuchamt davon
aus, dass nicht jedes beliebige Ereignis zur auflösenden Bedingung für ein dingliches Recht an einem
Grundstück bestimmt werden kann. Vielmehr ist Rücksicht zu nehmen auf den Zweck des Grundbuchs, über
das Entstehen und Erlöschen dinglicher Rechte sicher und zuverlässig Auskunft zu geben; dies bedeutet,
dass nur solche Ereignisse wirksam zur Bedingung für das Erlöschen von Grundstücksrechten gemacht
werden können, deren Eintritt objektiv mit der gebotenen Eindeutigkeit bestimmbar ist (BayObLG MittBayNot
1990, 174 m. w. N.; OLG Frankfurt a. M.
b) Der Senat, der die Eintragungsbewilligung als verfahrensrechtliche Erklärung selbständig auszulegen hat
(BayObLG
ständige Rechtsprechung, dass die Kündigung oder allgemein die Beendigung eines schuldrechtlichen
Vertragsverhältnisses, insbesondere eines Miet- oder Pachtvertrags über das belastete Grundstück, zur
auflösenden Bedingung für ein dingliches Recht, vor allem eine Dienstbarkeit oder ein Vorkaufsrecht
gemacht werden kann (BGH
446 f. m. w. N.; OLG Zweibrücken
rechtserheblichen Umstände „Kündigung” oder „Beendigung eines Vertragsverhältnisses” werden als
ausreichend bestimmbar angesehen. Für die Bedingung, dass jemand ein Anwesen „nicht nur
vorübergehend verlässt”, kann nichts anderes gelten. Objektive Bestimmbarkeit bedeutet nicht, dass das
Ereignis, welches die Bedingung auslöst, sogleich und ohne weiteres feststellbar ist, ohne dass es über
seinen Eintritt Meinungsverschiedenheiten oder gar Streit geben könnte; gerade über die Berechtigung einer
(außerordentlichen) Kündigung wird es nicht selten zum Streit und zur gerichtlichen Auseinandersetzung
zwischen den Vertragsparteien kommen. Dies steht der Eintragungsfähigkeit eines solchen Umstands als
auflösende Bedingung des dinglichen Rechts nicht entgegen (BayObLG
c) Der Umstand, dass ein Berechtigter ein Anwesen nicht nur vorübergehend verlässt, ist demgegenüber
objektiv bestimmbar. Er bedeutet das Gleiche wie das Verlassen eines Grundstücks „auf Dauer”. Für die hier
gewählte Bedingung kann nichts anderes gelten als für die Kündigung oder Beendigung eines
Vertragsverhältnisses. Das dauernde Verlassen eines Grundstücks kann im wesentlichen der Aufhebung des
Wohnsitzes i. S. von
Niederlassung mit dem Willen, den Wohnsitz nicht mehr am bisherigen Ort zu haben (vgl. BayObLGZ 1964,
109, 111; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Auflage, § 7 Rdnr. 12). Immer ist aber zu beachten, dass zur
tatsächlichen Aufgabe einer Niederlassung der Wille hinzukommen muss, den Schwerpunkt der
Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen (Grüneberg/Ellenberger § 7 Rdnr. 12 unter
Bezugnahme auf
Frage, ob ein Vertragsverhältnis durch (außerordentliche) Kündigung beendet worden ist.
d) Die vorgelegte Meldebescheinigung nach § 18 Abs. 2 BMG gilt zwar als öffentliche Urkunde nach den §§
415 ff. ZPO, besitzt allerdings nur eingeschränkte Beweiskraft. Es wird nicht nachgewiesen, dass die
Angaben in der Meldebescheinigung korrekt und vollständig sind. Vielmehr wird nur bescheinigt, dass die
entsprechenden Daten im Melderegister nach § 3 BMG aktuell gespeichert sind. Keine Aussage wird dazu
getroffen, ob die unter der Anschrift angegebene Wohnung von der in der Auskunft Genannten tatsächlich
genutzt wird (Engelbrecht/Schwabenbauer/Polenz, BMG, 1. Auflage, §§ 18, 18_nF Rn. 8; Süßmuth/Laier,
BMG, Ed. Okt. 2020, § 18 Rn. 5). Anders als der Urkundsnotar in seiner Beschwerdebegründung vom
30.04.2024 argumentiert, kommt es nach der Bestellungsurkunde nicht auf das formale Kriterium der bei der
Meldebehörde angegebenen Wohnung, sondern vielmehr auf das tatsächliche Bewohnen der
verfahrensgegenständlichen Wohnung an. Darüber gibt die Meldebescheinigung nach § 18 Abs. 2 BMG
jedoch keine Auskunft. Mit ihr kann daher der Unrichtigkeitsnachweis nach
werden. Es besteht auch kein Anlass, insoweit Beweiserleichterungen zu gewähren. An den
Unrichtigkeitsnachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne
Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und das Grundbuchverfahren zur Klärung von streitigen Tatsachen
weder geeignet noch bestimmt ist (BayObLG
22 Rn. 59). Es sind alle Möglichkeiten, bis auf ganz entfernte, auszuräumen, die der Richtigkeit der
begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen können. Der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit ist
nach
99; BGH
praktisch kaum möglich sein wird. Um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, wäre es der Beteiligten und
ihrer Mutter allerdings frei gestanden, bei der Bestellung des Wohnungsrechts Löschungserleichterungen wie
z. B. die Vorlage einer Eigenurkunde oder eben einer Meldebescheinigung zu vereinbaren (vgl. Herrler
Gestaltungsmöglichkeit haben sie keinen Gebrauch gemacht. Es verbleibt aber die Möglichkeit, eine
Berichtigungsbewilligung nach
der Grundlage von
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Pflicht zur Kostentragung ergibt sich bereits aus dem
Gesetz (
Den Geschäftswert bemisst der Senat nach dem zehnjährigen Wert des Wohnungsrechts (§ 52 Abs. 4
GNotKG). Da bei der Bestellung des Rechts der 15-jährige Wert mit 36.000,00 € zugrunde gelegt wurde, ist
der zehnjährige Wert nun mit 24.000,00 € anzusetzen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:30.07.2024
Aktenzeichen:34 Wx 134/24 e
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 1093, 158; GBO §§ 15, 22 Abs. 1; BMG § 18 Abs. 2