Einordnung des Ausfalls eines Darlehensrückforderungsanspruchs eines Gesellschafters als nachträgliche Anschaffungskosten
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Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 17.10.2014
BFH, 6.5.2014 - IX R 44/13
Einordnung des Ausfalls eines Darlehensrückforderungsanspruchs eines Gesellschafters
als nachträgliche Anschaffungskosten
Hat der darlehensgebende Gesellschafter mit der Gesellschaft vereinbart, das Darlehen solle
„wie Eigenkapital“ behandelt werden und halten sich die Beteiligten in der Insolvenz der
Gesellschaft an diese Abrede, führt der endgültige Ausfall des Darlehensrückforderungsanspruchs
zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung, auch wenn der Gesellschafter
mit nicht mehr als 10 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt war (Abgrenzung zum
Senatsurteil vom 20. August 2013 IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783).
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.5.2014, IX R 44/13
Nachträgliche Anschaffungskosten bei Verzicht auf Kleinanlegerprivileg
Leitsätze
Hat der darlehensgebende Gesellschafter mit der Gesellschaft vereinbart, das Darlehen solle "wie Eigenkapital" behandelt
werden und halten sich die Beteiligten in der Insolvenz der Gesellschaft an diese Abrede, führt der endgültige Ausfall des
Darlehensrückforderungsanspruchs zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung, auch wenn der Gesellschafter mit
nicht mehr als 10 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt war (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 20. August 2013 IX R
43/12, BFH/NV 2013, 1783).
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob insolvenzbedingt ausgefallene Finanzierungshilfen eines nicht
geschäftsführenden, nicht unternehmerisch an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafters nach den Grundsätzen des
Eigenkapitalersatzrechts zu nachträglichen Anschaffungskosten führen.
2 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 2007 mit 10 % (= 2.500 EUR) am Stammkapital einer
GmbH beteiligt. Die Finanzierung der 2001 gegründeten GmbH erfolgte u.a. über Gesellschafterdarlehen. Nach einem
Beschluss der Gesellschafter aus dem Jahr 2002 sollten die Gesellschafterdarlehen "wie Eigenkapital behandelt
werden". Zudem waren die Gesellschafterdarlehen "vom jeweiligen Gesellschafter nicht kündbar". Die
Darlehensrückführung war weiter nur unter der Voraussetzung möglich, dass u.a. "die Tilgung der Bankdarlehen nicht
gefährdet ist" und "der Gewinn des Unternehmens nach Bedienung der Bankdarlehen den Wert vor Steuern von
mindestens 200.000 EUR in dem abgelaufenen Geschäftsjahr erreicht hat". Der Kläger gewährte der GmbH von 2002
bis 2005 mehrere Darlehen über insgesamt 90.000 EUR. Im Jahr 2006 verzichtete der Kläger gegen
Besserungsschein auf die Darlehen.
3 Im August 2007 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Oktober 2007 wurde der
Betrieb der GmbH veräußert. Gewinnausschüttungen an den Kläger waren zu keinem Zeitpunkt erfolgt.
4 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung 2007 einen Veräußerungsverlust nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens lediglich in Höhe der hälftigen Stammeinlage (= 1.250 EUR). Zudem
verständigten sich die Beteiligten darüber, dass ein Veräußerungsverlust im Streitjahr 2007 zu berücksichtigen sei.
Weitere nachträgliche Anschaffungskosten wurden unter Hinweis auf das Kleinanlegerprivileg in § 32a Abs. 3 Satz 2
des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung a.F. (GmbHG a.F.) abgelehnt, da der Kläger nur
zu 10 % am Stammkapital der GmbH beteiligt und nicht zur Geschäftsführung befugt war.
5 Im anschließenden Einspruchsverfahren erkannte das FA einen Auflösungsverlust in Höhe von 2.500 EUR an. Weitere
nachträgliche Anschaffungskosten wurden unter Hinweis auf das Kleinanlegerprivileg nicht berücksichtigt.
6 Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. In seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 134 veröffentlichten
Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) aus, die Darlehen des Klägers seien als funktionelles Eigenkapital
einzuordnen und führten in Höhe von 90.000 EUR zu nachträglichen Anschaffungskosten. Der Kläger habe bestimmt,
dass seine Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital behandelt werden sollten und nicht kündbar seien. Zudem sei eine
Darlehensrückführung u.a. nur dann möglich, wenn die Tilgung der Bankdarlehen nicht gefährdet sei und der Gewinn
des Unternehmens eine bestimmte Höhe erreiche. Auch habe der Kläger in 2006 auf seine Darlehensforderungen
gegen Besserungsschein verzichtet.
7 Mit seiner Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung des
§ 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) und des
Berücksichtigung von Finanzierungshilfen und damit die Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten i.S.
des
Nach
Gesellschafter, der mit 10 % oder weniger am Nennkapital beteiligt sei. Insoweit sei der Gesellschafter wie jeder
Drittgläubiger zu behandeln. Daher führten insolvenzbedingt ausgefallene Finanzierungshilfen eines nicht
geschäftsführenden und mit nicht mehr als 10 % am Stammkapital der GmbH beteiligten Gesellschafters nicht zu
nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung. Dies gelte unabhängig davon, ob die hingegebenen Darlehen als
Finanzplandarlehen einzuordnen seien oder nicht.
8 Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG Münster für das Streitjahr 2007 aufzuheben, soweit es nachträgliche
Anschaffungskosten aus dem Verlust von Finanzierungshilfen nach
Eigenkapital in Höhe von 90.000 EUR zulässt und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
9 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10 Er weist darauf hin, dass die Darlehen im Rahmen eines Finanzplans krisenunabhängig zur Kapitalausstattung der
Gesellschaft hingegeben worden seien. Die Vorschriften des Eigenkapitalersatzrechts fänden auf Finanzplankredite
keine Anwendung.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
12 Das FG hat zutreffend den Ausfall der Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des
Auflösungsverlusts des Klägers gemäß
10 % an der Gesellschaft beteiligt war, nicht Geschäftsführer war und damit unter das Kleinanlegerprivileg des
vereinbart, die Darlehen wie "Eigenkapital" und damit im Insolvenzfall nur nachrangig zu behandeln und somit auf
seine insolvenzrechtliche Privilegierung verzichtet.
13 1. Nach
problematischen Voraussetzungen-- auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Entsprechendes gilt
für einen Auflösungsverlust als dem Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom
Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach
sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder
zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
--BFH--, vgl. zuletzt Urteil vom 20. August 2013 IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783, m.w.N.).
14 Anschaffungskosten sind nach
Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach
Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen
auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und
weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu
in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der
Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein Darlehen gewährt (
diese Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Das gleiche gilt, wenn eine
Finanzierungsmaßnahme krisenbestimmt ist. Dies ist der Fall, wenn die zur Aufnahme der Geschäfte notwendige
Finanzausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden soll und die
Maßnahme von vornherein als Krisenfinanzierung ausgelegt ist, der Gesellschafter sich also verpflichtet hat, das
Darlehen auch in der Krise der Gesellschaft stehen zu lassen und dass die Darlehensforderung im Rang hinter die
Forderungen der übrigen Gesellschaft zurückzutreten hat. Das Darlehen ist in diesem Fall nicht einseitig vom
Gesellschafter kündbar (vgl. zum Begriff des krisenbestimmten Darlehens BFH-Urteile vom 7. Dezember 2010
IX R 16/10, BFH/NV 2011, 778, unter II.2.b, und vom 25. Mai 2011 IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029, unter II.1.a). Fehlt
es an der zivilrechtlichen Voraussetzung des Eigenkapitalersatzes, hat das Darlehen nicht die Funktion von
Eigenkapital und der Gesellschafter ist wie jeder Drittgläubiger zu behandeln. Das Einkommensteuerrecht respektiert
die Entscheidung der Gesellschafter, der Gesellschaft nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu
stellen. Das (objektive) Nettoprinzip wird durch den Grundsatz eingeschränkt, dass Verluste in der Privatsphäre des
Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt
BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 1783, m.w.N.).
15 Ist ein nicht geschäftsführender GmbH-Gesellschafter zu 10 % oder weniger am Stammkapital der GmbH beteiligt,
gelten die Regeln über den Eigenkapitalersatz nach
ein Darlehen und fällt mit seinem Rückzahlungsanspruch insolvenzbedingt aus, führt dies grundsätzlich nicht zu
nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1783; vom 2. April 2008
IX R 76/06,
vom 8. Februar 2011 IX R 53/10, GmbH-Rundschau 2011, 721; ebenso Blümich/Vogt,
Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 2089, 2092 f.; Pung/Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum
KStG und EStG,
Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 17 Rz C 300).
16 Allerdings können auch bei einer nicht unternehmerischen Beteiligung besondere Umstände für die Veranlassung einer
Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis sprechen (vgl. Bode, Finanz-Rundschau --FR-- 2008, 1117,
1119). Dies kann dann der Fall sein, wenn der mit 10 % oder weniger beteiligte Gesellschafter von vornherein erklärt,
sein Darlehen wie Eigenkapital zu behandeln und dieses im Insolvenzfall nur nachrangig zu behandeln. In diesem Fall
übernimmt das Darlehen die Funktion von Eigenkapital und es wird im Insolvenzfall nicht anders behandelt als die
Darlehen der unternehmerisch beteiligten Gesellschafter (vgl. Watermeyer, Der GmbH-Steuerberater 1999, 193, 195,
197; Groh,
a.a.O., § 17 Rz C 305; vgl. für den Darlehensverzicht Vogt,
DStR-Beihefter zu Heft 32/1999, 5). Der Gesellschafter entscheidet sich in diesem Fall bewusst gegen eine
Fremdkapital- und für eine (funktionale) Eigenkapitalfinanzierung. Insoweit wird auch im zivilrechtlichen Schrifttum die
Auffassung vertreten, ein mit 10 % oder weniger beteiligter Gesellschafter unterfalle nicht dem Kleinanlegerprivileg,
wenn er freiwillig auf seine Privilegierung verzichtet (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 32a/b Rz 180 i.V.m.
Rz 66; Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 32b Rz 208; Habersack, in: Ulmer, GmbHG, § 32a/b, Rz 197, 237).
17 Dass die Regelung des
ausschließt und insoweit den Gesellschafter mit einer Beteiligung von 10 % oder weniger im Insolvenzverfahren
gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, steht einer steuerlichen Berücksichtigung des Darlehensausfalls als
nachträgliche Anschaffungskosten in diesem Fall nicht entgegen. Unabhängig davon, ob die Vorschrift im Hinblick auf
ihren Charakter als Gläubigerschutzvorschrift abdingbar ist, kann die zivilrechtliche Privilegierung nach § 41 Abs. 1
Satz 1 der Abgabenordnung steuerlich unbeachtlich sein, wenn die am Insolvenzverfahren Beteiligten aufgrund der
Vereinbarungen den Gesellschafter wirtschaftlich wie einen mit mehr als 10 % beteiligten Gläubiger und die
Forderungen des Gesellschafters im Insolvenzverfahren wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen behandeln.
18 2. Daran gemessen sind dem Kläger hier infolge des insolvenzbedingten Ausfalls der Darlehen nachträgliche
Anschaffungskosten entstanden.
19 Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit den BFH bindenden (vgl.
Feststellungen des FG hatte der Kläger bereits im Rahmen der Gründung und Finanzierung der GmbH erklärt, dass
seine Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital behandelt werden sollten und auch im Krisenfall nicht gekündigt werden
konnten. Vielmehr hing die Rückführung der Darlehen u.a. davon ab, dass "die Tilgung der Bankdarlehen nicht
gefährdet ist" und "der Gewinn des Unternehmens nach Bedienung der Bankdarlehen den Wert vor Steuern von
mindestens 200.000 EUR in dem abgelaufenen Geschäftsjahr erreicht hat". Zudem hat der Kläger auch 2006 gegen
Besserungsschein auf seine Forderungen verzichtet. Die zur Geschäftsaufnahme notwendige Finanzausstattung sollte
daher nach dem Willen und der tatsächlichen Durchführung seitens des Klägers und der übrigen Gesellschafter durch
eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden und war vom Zeitpunkt der Darlehenshingabe auf eine
Krisenfinanzierung hin ausgelegt. Der Kläger sollte nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen im Fall der
Insolvenz wie ein mit mehr als 10 % beteiligter Gesellschafter behandelt werden.
20 Tatsächlich sind nach den Feststellungen des FG die Darlehen des Klägers in der Insolvenz der Gesellschaft auch wie
Eigenkapital und damit als nachrangige Forderungen behandelt worden. Die Beteiligten haben die Forderungen des
Klägers im Insolvenzverfahren abredegemäß wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen behandelt und damit das
wirtschaftliche Ergebnis einer Behandlung wie Eigenkapital eintreten und gegen sich gelten lassen. Da die am
Insolvenzverfahren Beteiligten den Kläger somit wirtschaftlich einem mit mehr als 10 % beteiligten Gläubiger
gleichgestellt und das Zwerganteilsprivileg und die damit verbundene insolvenzrechtliche Privilegierung in tatsächlicher
Hinsicht nicht zur Anwendung haben kommen lassen, steht die Regelung des
steuerlichen Berücksichtigung des Darlehensausfalls als nachträgliche Anschaffungskosten nicht entgegen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BFH
Erscheinungsdatum:06.05.2014
Aktenzeichen:IX R 44/13
Rechtsgebiete:
GmbH
Einkommens- und Körperschaftssteuer
EStG § 17 Abs. 1, 2, 4; GmbHG a.F. § 32a; HGB § 255 Abs. 1 S. 2