Herbeiführung der Heilung bei formnichtiger Auflassungsvollmacht
letzte Aktualisierung: 16.07.2020
BGH, Urt. v. 27.5.2020 – XII ZR 107/17
BGB §§ 139, 167, 311b, 873, 925
Herbeiführung der Heilung bei formnichtiger Auflassungsvollmacht
Die in einem notariell beurkundeten Angebot auf Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem
Grundstück erteilte Auflassungsvollmacht ist im Fall der Formnichtigkeit des Angebots im Zweifel
ebenfalls unwirksam. Anders liegt es, wenn eine Partei die andere unwiderruflich zur Auflassung
bevollmächtigt hat, um so die Vollziehung des Vertrags – und damit die Heilung der
Formnichtigkeit des gesamten Vertrags – zu sichern (im Anschluss an BGH Urteile vom
19. Dezember 1963 – V ZR 121/62 –
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch
auf „Rückübertragung“ des Miteigentumsanteils aus
das Grundbuch sei nicht unrichtig. Die vom Beklagten erklärte Auflassung sei
wirksam gewesen und die Eintragung somit zu Recht erfolgt.
Unabhängig von der Frage, ob die Parteien nicht beurkundete, aber nach
hätten, habe auch deren Nichtbeurkundung nicht nach
des gesamten notariellen Vertrags geführt. Der Vertrag sei (jedenfalls) nach
§ 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB durch Eintragung geheilt worden und einschließlich
der darin enthaltenen dinglichen Erklärungen nebst Ermächtigung zur Abgabe
der Auflassungserklärung seinem gesamten Inhalt nach gültig geworden.
Auch andere zur Unwirksamkeit führende Gründe, etwa eine auf das Erfüllungsgeschäft
„durchschlagende“ Sittenwidrigkeit der Übertragung des Miteigentumsanteils
oder eine Unwirksamkeit des Vertrags wegen Anfechtung lägen
nicht vor. Schließlich sei auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB oder ein auf
einem Wegfall der Geschäftsgrundlage beruhender Rückgewähranspruch nicht
gegeben.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht
stand.
1. Die Begründung des Berufungsurteils lässt mit hinreichender Deutlichkeit
erkennen, dass das Berufungsgericht die von der Klägerin gestellten Anträ-
ge - unter anderem - als auf die Berichtigung des Grundbuchs gerichtet
ausgelegt hat. Das entspricht der gebotenen Auslegung nach dem von der Klägerin
angestrebten Rechtsschutzziel (vgl. BGH Urteil vom 21. Oktober 2005
- V ZR 63/05 - BGHReport 2006, 147, 148 mwN). Die Klägerin hat sich auf die
Unrichtigkeit des Grundbuchs berufen und damit ersichtlich - zumindest hilfsweise
- neben dem ausdrücklich geltend gemachten Rückübertragungsanspruch
auch die Grundbuchberichtigung angestrebt. Dass das Oberlandesgericht
den gestellten Anträgen unter anderem einen Grundbuchberichtigungsantrag
entnommen hat, ist in der Revisionsinstanz auch nicht beanstandet worden.
2. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung
nach
Unrecht verneint.
Es hat offengelassen, ob der Übertragungsvertrag wegen nicht beurkundeter
weiterer Abreden der Parteien formunwirksam war, weil ein Formmangel
jedenfalls durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch geheilt worden sei.
Demzufolge ist in der Revisionsinstanz zu unterstellen, dass der Übertragungsvertrag
nicht der nach
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die von ihm
angenommene Heilung des Formmangels nach § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB indes
nicht.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Formnichtigkeit
eines Grundstückskaufvertrags gemäß
die Unwirksamkeit der in diesem Vertrag dem Käufer vom Verkäufer erteilten
Auflassungsvollmacht zur Folge (BGH Urteile vom 19. Dezember 1963
- V ZR 121/62 -
Staudinger/Schumacher BGB [2018] § 311 b Rn. 146 mwN; Heckschen DNotZ
1990, 360).
Anders liegt es hingegen, wenn eine Partei die andere unwiderruflich zur
Auflassung bevollmächtigt hat, um so die Vollziehung des Vertrags - und damit
die Heilung der Formnichtigkeit des gesamten Vertrags - zu sichern. In einem
solchen Fall ist die Auflassungsvollmacht als selbständig gewollt anzusehen
(BGH Urteile vom 30. Oktober 1987 - V ZR 144/86 -
vom 17. März 1989 - V ZR 233/87 -
19. Dezember 1963 - V ZR 121/62 -
b) Das Berufungsgericht hat die Auflassungsvollmacht als von der unterstellten
Formunwirksamkeit des Übertragungsvertrags erfasst angesehen, so
dass sie entsprechend der genannten Zweifelsregel nach
war. Damit ist es zudem davon ausgegangen, dass die Klägerin dem Beklagten
die Auflassungsvollmacht auch nicht abweichend von der oben genannten Regel
unwiderruflich erteilt hat, um so die Vollziehung des gesamten Vertrags und
damit die Heilung des - unterstellten - Formmangels zu sichern. Anders als die
Revisionserwiderung meint, lässt sich aus dem Wortlaut des Vertrags nichts
Gegenteiliges folgern. Als unwiderruflich ist darin allein das Vertragsangebot
bezeichnet, nicht aber die Auflassungsvollmacht. Dass die Parteien sich etwa
einer Formnichtigkeit bewusst gewesen seien, was im Einzelfall dafür sprechen
kann, dass die Auflassungsvollmacht als selbständig gewollt anzusehen ist, ist
auch vom Beklagten nicht geltend gemacht worden. Demnach sind die diesbezüglichen
Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz zugrunde
zu legen.
Zur Gültigkeit des Übertragungsangebots ist das Berufungsgericht erst
dadurch gelangt, dass es die Heilungswirkung nach § 311 b Abs. 1 Satz 2 BGB
auch auf die Auflassungsvollmacht erstreckt hat. Das ist indessen bereits deshalb
in sich widersprüchlich, weil die Heilung eine wirksame Auflassung voraussetzt.
Eine Heilung kann folglich nicht eintreten, wenn schon die Auflassungsvollmacht
nicht wirksam erteilt war, weil dies zur Unwirksamkeit der vom Bevollmächtigten
erklärten Auflassung führt (vgl. BGH Urteil vom 14. März 2003
- V ZR 278/01 -
Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist mithin davon auszugehen,
dass die Auflassungsvollmacht nach
formnichtige - Übertragungsangebot unwirksam war. Die vom Beklagten in
diesem Fall ohne Vertretungsmacht erklärte Auflassung war mangels Genehmigung
gemäß
konnte folglich nicht zum Wechsel des hälftigen Miteigentumsanteils auf den
Beklagten führen.
3. Der Antrag der Klägerin auf Unzulässigerklärung der Teilungsversteigerung
findet seine Grundlage in einer entsprechenden Anwendung von § 771
ZPO (vgl. Senatsurteil vom 5. Juni 1985 - IVb ZR 34/84 -
Die Begründetheit dieses Antrags hängt wie der Anspruch auf Zustimmung zur
Grundbuchberichtigung davon ab, ob die Übertragung des Miteigentumsanteils
wirksam war. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen
durfte der Antrag nach
werden.
Nicht anders verhält es sich schließlich bei dem mit der Widerklage geltend
gemachten Anspruch auf Nutzungsentschädigung, den das Berufungsge-
richt auf § 745 Abs. 2 BGB gestützt hat. Auch insoweit ist die Entscheidung von
der Wirksamkeit der Übertragung des Miteigentumsanteils abhängig.
4. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Dem Senat ist eine eigene
Sachentscheidung verwehrt. Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht
festgestellten Sachverhalts scheidet eine Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung
aus anderen Gründen, insbesondere wegen Sittenwidrigkeit nach
§ 138 BGB, aus. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Da es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf die - ursprüngliche
- Formwirksamkeit des Übertragungsangebots ankommt, sind weitere tatrichterliche
Feststellungen erforderlich. Zwar weist der Vortrag beider Parteien
darauf hin, dass von ihnen nicht beurkundete (Neben-)Abreden getroffen wurden,
welche beurkundungsbedürftig waren. Nach dem Vortrag der Klägerin sollte
der Beklagte die noch valutierenden und durch Grundschuld gesicherten
Kreditverbindlichkeiten aus dem Erlös tilgen, den er aus dem beabsichtigten
Verkauf einer Eigentumswohnung und eines Gartengrundstücks erzielen würde,
und die Darlehensraten schon vor Verkauf der Eigentumswohnung übernehmen.
Das wird wenigstens teilweise dadurch bestätigt, dass der Beklagte die
Zahlung der laufenden Kreditraten schon im Oktober 2014 übernommen hatte,
obwohl er das Übertragungsangebot erst am 7. Oktober 2015 annahm. Nach
dem Inhalt der notariellen Urkunde sollte die diesbezügliche Leistungspflicht
des Beklagten aber erst mit Annahme des Angebots begründet werden, was mit
der Übernahme der Leistungen durch den Beklagten nicht zu vereinbaren ist.
Nach dem Vortrag des Beklagten sollte zudem die Übertragung des Miteigentumsanteils
die von ihm zu tätigenden Investitionen absichern. Auch das steht
mit dem beurkundeten Inhalt des Angebots nicht ohne Weiteres im Einklang.
Die beurkundete Gegenleistung dürfte nach dem Vortrag beider Parteien mithin
jedenfalls nicht vollständig dem von ihnen gewollten Vertragsinhalt entsprochen
haben, weil sie sich darüber einig gewesen sein dürften, dass der Beklagte
mehr als die bei der zeitlich unbestimmt zu erklärenden Annahme noch offenen
Kreditraten übernehmen sollte.
Auch wenn eine ursprüngliche Formnichtigkeit des Übertragungsangebots
und die damit verbundene Nichtigkeit der Auflassungsvollmacht demnach
naheliegen, ist den Parteien insoweit zunächst Gelegenheit zu ergänzendem
Vortrag und Beweisangeboten zu geben, weil es dem Berufungsgericht - aus
seiner Sicht folgerichtig - darauf bislang nicht angekommen ist und es zu diesem
Punkt noch keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:27.05.2020
Aktenzeichen:XII ZR 107/17
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
In-sich-Geschäft
Beurkundungserfordernis
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
RNotZ 2020, 504-507
NJW-RR 2020, 962-964
BGB §§ 139, 167, 311b, 873, 925