OLG Karlsruhe 05. August 2024
14 W 32/24 (Wx)
BGB §§ 890, 1025, 1026

Ausübungsbereich einer Dienstbarkeit betreffend herrschendes Grundstück; kein „Wandern“ des Ausübungsbereichs auf Flächen, für die die Dienstbarkeit bei Bestellung nicht als Vorteil gedacht war

letzte Aktualisierung: 4.11.2024
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.8.2024 – 14 W 32/24 (Wx)

BGB §§ 890, 1025, 1026
Ausübungsbereich einer Dienstbarkeit betreffend herrschendes Grundstück; kein
„Wandern“ des Ausübungsbereichs auf Flächen, für die die Dienstbarkeit bei Bestellung
nicht als Vorteil gedacht war

1. Ein Grundstück, das angesichts seiner konkreten Lage keine (Teil-)Überschneidung mit einem
hinsichtlich einer Grunddienstbarkeit ursprünglich herrschenden Grundstück aufweist, kann nicht
infolge von Grundstücksveränderungen zum herrschenden Grundstück werden.
2. Ein „Wandern“ des Ausübungsbereiches einer Grunddienstbarkeit auf Flächen, für die die
Grunddienstbarkeit bei ihrer Bestellung nicht als Vorteil gedacht war, ist aus materiell-rechtlichen
Gründen ausgeschlossen.

Gründe

I.
Der beurkundende Notar hat mit Antrag vom 21.03.2022 (Öffentliche Urkunde des Notars Dr.
…, UVZ …, Grundakte AS 158 ff., 167) unter Bezugnahme der Öffentlichen Urkunde des
Notars Dr. … vom 09.09.2021 (UR …) unter anderem die Löschung der im Grundbuch von F.
in BI. … Flurstück B zu Gunsten der laut Eintrag im Grundbuch Band … vom 30.09.1901
früheren Grundstücke FlSt. Nr. A, B/1 und B/2 eingetragenen Grunddienstbarkeit (Duldung
eines Ein- und Ausfahrtsrechts sowie Anschluss an die bestehende Kanalisation und
Wasserleitung) beantragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Öffentlichen Urkunden vom
09.09.2021 und 21.03.2022 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 27.02.2022 hat das Grundbuchamt erstmals unter anderem darauf
hingewiesen, dass bei allen Belastungen in Abteilung II an den jeweiligen Vertragsobjekten noch
Bewilligungen zur Löschung vorzulegen seien, soweit diese nicht nach Maßgabe der Anlage 11
des Kaufvertrages vom 09.09.2021 bei Eigentumswechsel mitübernommen werden, was bei dem
verfahrensgegenständlichen Grundstück Flurstück B ausweislich Anlage 11 (Grundakte AS 81)
nicht der Fall ist. Mit Schreiben vom 28.10.2022 hat das Grundbuchamt unter Hinweis und
Übermittlung von Rechercheergebnissen u. a. zu dem ursprünglich herrschenden, früheren
Grundstück Flurstück A, das seit Eintragung der Grunddienstbarkeit im Jahr 1901 Gegenstand
einer Vielzahl von Teilungen, Bestandteilszuschreibungen und Vereinigungen mit anderen
Grundstücken war, den Hinweis erneuert und formgemäße Löschungsbewilligungen im
Einzelnen aufgelisteter natürlicher Personen und juristischer Personen (teilweise des
öffentlichen Rechts) verlangt, die (Wohnungs-)Eigentümer von Grundstücken sind, die im Zuge
der vielfältigen Veränderungen des ursprünglich herrschenden Grundstücks A nunmehr
herrschende Grundstücke seien; wegen der Einzelheiten wird auf die umfangreichen
Rechercheergebnisse verwiesen (s. Grundakte AS 224 ff.).

Wegen der örtlichen Lage des ursprünglich herrschenden Grundstücks A sowie der nach
Auffassung des Grundbuchamts nunmehr herrschenden Grundstücke wird auf die Flurkarte (s.
Grundakte, AS 372) verwiesen; keines der nach Auffassung des Grundbuchamts nunmehr
herrschenden Grundstücke weist hinsichtlich der jeweiligen örtlichen Lage eine
(Teil-)Überschneidung mit dem ursprünglich herrschenden Grundstück A auf. Die
Grundbuchblätter der seitens des Grundbuchamts als heute herrschende Grundstücke
bezeichneten Grundstücke, hinsichtlich derer es Löschungsbewilligungen Dritter oder eines
Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 GBO bedarf, enthalten jeweils keine Herrschvermerke
gemäß §§ 9, 21 GBO.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15.06.2023 hat die Beteiligte Ziffer 2 den
grundbuchrechtlichen Vollzug der Löschung der Grunddienstbarkeit zulasten von FlSt. Nr. B in
Blatt … angemahnt. Zur Löschung der Grunddienstbarkeit bedürfe es nicht der
Löschungsbewilligungen Dritter; zur Begründung wurde auf zwei Rechtsgutachten des
Deutschen Notarinstituts Bezug genommen, die der beurkundende Notar Dr. … vorgelegt
hat.Die fragliche Grunddienstbarkeit sei zudem schon nach § 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 b GBO
als gegenstandslos löschungsfähig. Der Inhalt der fraglichen Grunddienstbarkeit bestehe (in
einem Teil) ausdrücklich in dem „(...) Anschluss an die bestehende Kanalisation und
Wasserleitung (...)“. Weil die im Jahr 1901 bestehende Kanalisation und Wasserleitung heute
nicht mehr existiere, könne an diese nicht mehr angeschlossen werden. Da die Ausübung dieses
Rechts somit unmöglich sei, sei das Recht gegenstandslos im Sinne dieser Norm. Dasselbe gelte
für das Recht auf Ein- und Ausfahrt.Die Art der Dienstbarkeit und die Art der Benutzung
müsse zwingend dem herrschenden Grundstück (noch) einen Nutzen oder Vorteil gewähren,
was bei der Lage der betroffenen Grundstücke und einer bloßen Ein- und Ausfahrt – im
Gegensatz zu einem allgemeinen Durch- bzw. Überfahrtsrecht – unter keinem vernünftigen
Gesichtspunkt mehr denkbar sei.Für das Grundbuchamt sei offenkundig, dass die heute
(angeblich) herrschenden Grundstücke nicht herrschend sein könnten.

Mit Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO vom 20.07.2023 hat das Amtsgericht -
Grundbuchamt - Emmendingen hinsichtlich des Antrags auf Löschung der
verfahrensgegenständlichen Grunddienstbarkeit mitgeteilt, dass dem Vollzug behebbare
Hindernisse – namentlich die Vorlage weiterer Löschungsbewilligungen gemäß § 19 GBO oder
alternativ von Unrichtigkeitsnachweisen (§ 22 Abs. 1 GBO) in grundbuchmäßiger Form gemäß
§ 29 Abs. 1 GBO – entgegenstünden und zur Erledigung eine abschließende Frist bis zum
14.09.2023 bewilligt, nach deren ergebnislosem Ablauf der bezeichnete Antrag kostenpflichtig
zurückgewiesen werde. Zur Begründung hat das Grundbuchamt auf § 1025 Satz 1 und 2 BGB
hingewiesen und ausgeführt, dass auch die Löschung der wegen Wegfalls des (räumlich
eingrenzbaren) Vorteils an Grundstücksteilen erloschenen Grunddienstbarkeit(§ 1025 Satz 2
BGB) als Grundbuchberichtigung Bewilligung (§ 19 GBO) oder alternativ
Unrichtigkeitsnachweis (§ 22 Abs. 1 GBO) in der Form des § 29 Abs. 1 GBO erfordere.An den
Unrichtigkeitsnachweis seien dabei strenge Anforderungen zu stellen.Eine Vorlage der
Urkunden der Vermessungsbehörde sei nur dann entbehrlich, wenn sich diese bereits beim
Grundbuchamt befinden und hierauf in ausreichender Weise Bezug genommen werde, was die
Bezeichnung der einschlägigen Grundakten, in denen sich die Urkunden befinden sollen,
erfordere. Dies sei bislang nicht erfolgt. Die beantragte Löschung der Grunddienstbarkeit wegen
Gegenstandslosigkeit gemäß § 84 Abs. 1, Abs. 2 b GBO werde von Amts wegen derzeit nicht
durchgeführt, da bei der Beurteilung der Frage, ob eine Eintragung gegenstandslos sei, große
Vorsicht geübt werden müsse.Im vorliegenden Fall fehlten Feststellungen bzw. Nachweise
darüber, wann zuletzt von dem Ein- und Ausfahrts- sowie dem Kanalisations- und
Wasserleitungsrecht Gebrauch gemacht worden sei, ob und welche Leitungen vorhanden seien
und in welcher Weise die herrschenden Grundstücke genutzt würden. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die Zwischenverfügung Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 23.08.2023 hat der beurkundende Notar und mit Schriftsatz vom
14.09.2023 haben die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 gegen die Zwischenverfügung vom
20.07.2023 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3
unter anderem vorgetragen, das Grundbuchamt habe nicht ermittelt, welche Grundstücke im
Zeitpunkt der Bestellung der fraglichen Dienstbarkeit eigentlich die herrschenden Grundstücke
seien, und zwar mit Blick auf die örtliche Lage der Flächen, die die herrschenden Grundstücke
bilden.Durch Abschreibungen von dem oder den ursprünglich herrschenden Grundstücken
könne entgegen der Auffassung des Grundbuchamts das Recht zum „Herrschen“ nicht auf ganz
andere Flächen als jene, auf die sie bei Begründung einer Grunddienstbarkeit erstreckt waren,
„mitwandern“. Zwar führe die Teilung eines herrschenden Grundstücks nach § 1025 Satz 1,
Hs. 1 BGB dazu, dass die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fortbesteht. Dies gelte aber
nicht für sonstige Veränderungen des herrschenden Grundstücks, etwa die Erweiterung des bei
Begründung der Grunddienstbarkeit herrschenden Grundstücks. Im Falle einer Vereinigung des
herrschenden Grundstücks mit einem weiteren Grundstück habe dies zur Folge, dass
Berechtigter der Dienstbarkeit nur der jeweilige Eigentümer sei, der auch Eigentümer desjenigen
Flächenteils ist, der schon ursprünglich herrschendes Grundstück war. Dabei komme es jeweils
auf die konkrete Fläche an, die bei Begründung der Dienstbarkeit herrschendes Grundstück war.
Nur die durch die konkrete Lage in der Natur gekennzeichnete Fläche könne herrschend sein
und nur solche Grundstücke, denen ein Bestandteil dieser konkreten Fläche zugehörig ist, seien
durch Anwendung von § 1025 Satz 1, 1. Hs. BGB weiterhin herrschend. Es sei bei weiteren
Teilungen, Vereinigungen und Bestandteilszuschreibungen jeweils konkret zu prüfen, ob ein
Grundstück mindestens einen Teil der Fläche desjenigen Grundstücks umfasst, das bei
Begründung einer Dienstbarkeit das im damaligen Zuschnitt herrschende Grundstück
war.Hieraus ergebe sich ohne weiteres, dass die Eigentümer der in der angegriffenen
Zwischenverfügung im Einzelnen bezeichneten Grundstücke keine Löschungsbewilligungen
erteilen müssten und dass der Vollzug der Löschung der Grunddienstbarkeit nicht hiervon
abhängig gemacht werden dürfe. Die Annahme des Grundbuchamts, das Recht zum Herrschen
sei durch zahlreiche Zu- und Abschreibungen, Vereinigungen und Teilungen auf eine Vielzahl
an teils entfernt liegenden Grundstücken „mitgewandert", sei rechtsfehlerhaft. Die
Überlegungen des Grundbuchamts zur Vorlage von Unrichtigkeitsnachweisen, namentlich
Bescheinigungen des Vermessungsamtes, könnten im vorliegenden Fall nicht mehr notwendig
für den Vollzug der begehrten Löschung sein. Angesichts der sich aus den vorgelegten
Rechercheergebnissen ableitbaren Detailkenntnis des Grundbuchamts wäre es reine Förmelei,
wenn von den Antragstellern zusätzlich verlangt werden würde, die Durchsicht aller Grundakten
erneut vorzunehmen, nur um dem Grundbuchamt alle denkbaren Aktenseiten neuerlich zu
bezeichnen, die bereits zuvor vom Grundbuchamt selbst einer minutiösen Durchsicht im
Rahmen der eigenen Sachverhaltserhebungen unterzogen worden seien.Zudem seien
offenkundige Tatsachen nicht darlegungs- oder beweisbedürftig. Die als Anlage B 3 vorgelegten
Pläne 1 bis 3 könnten ohne weiteres online recherchiert und eingesehen werden. Schon aus der
historischen Eintragungsbewilligung ergebe sich, dass nur unmittelbar an das
belastungsgegenständliche Grundstück angrenzende Grundstücke herrschende Grundstücke
geworden seien.Die vom Grundbuchamt als vermeintlich herrschende Grundstücke
angesehenen Grundstücke umfassten ausschließlich Flächen, die nie durch die fragliche
Grunddienstbarkeit begünstigt gewesen seien.Jedes auch nur potentiell in Betracht kommende
herrschende Grundstück stehe im Eigentum der Beteiligten Ziffer 2 oder Ziffer 3, die der
Löschung der fraglichen Grunddienstbarkeit zugestimmt hätten.
Mit Nichtabhilfebeschluss vom 22.03.2024 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt -
Emmendingen den Beschwerden nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung
über die Beschwerden vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Nichtabhilfebeschluss
Bezug genommen.

Auf den Nichtabhilfebeschluss hin haben die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 mit Schriftsatz
vom 20.05.2024 ergänzend auf geringere Löschungserfordernisse bei altrechtlichen
Dienstbarkeiten hingewiesen. Der beurkundende Notar ist dem mit Schriftsatz vom 17.07.2024
beigetreten und hat seinerseits zur Frage der Auswirkung der Anwendbarkeit des Badischen
Landrechts für Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Dienstbarkeit vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die gemäß § 71 GBO zulässigen Beschwerden der Beteiligten Ziffer 1, 2 und 3 sind begründet.
Der Löschung der Grunddienstbarkeit stehen das Fehlen der vom Grundbuchamt verlangten
Löschungsbewilligungen oder Untätigkeitsnachweise, jeweils in öffentlich beglaubigter Form
gemäß § 29 GBO, nicht entgegen.

1. Nach dem in § 19 GBO verankerten Bewilligungsgrundsatz erfolgt eine Eintragung nur, wenn
derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird (sog. „verlierender Teil“). Bewilligen
muss somit derjenige, der im Zeitpunkt der Eintragung Inhaber des betroffenen Rechts ist
(Demharter/Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 19 Rn. 44). Durch eine Eintragung kann jede
grundbuchmäßige Rechtsposition betroffen sein, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um ein
dingliches Recht, sonstige Rechte oder Rechtspositionen des materiellen Rechts oder nur um
Buchpositionen handelt, welche nach materiellem Recht in Wahrheit nicht bestehen. Welcher
Art das betroffene Recht ist, spielt für die Frage, ob es betroffen sein kann, zunächst keine
Rolle; es genügt in jedem Fall, wenn eine durch das Grundbuch verlautbarte Rechtsposition
berührt sein kann, unabhängig von deren materiell-rechtlicher oder formell-rechtlicher
Qualifizierung im Übrigen.Ob ein Recht durch die Eintragung tatsächlich betroffen wird, muss
das Grundbuchamt nicht entscheiden; es genügt, wenn dies nach dessen Erkenntnisstand unter
Umständen rechtlich möglich ist. Steht ein Nichtbetroffensein nicht zweifelsfrei fest, obliegt es
wegen des Grundsatzes der sicheren Grundlagen des Eintragungsverfahrens dem Antragsteller,
die erforderliche Bewilligung beizubringen oder rechtliche Ausnahmen von der Erforderlichkeit
einer Bewilligung darzutun und deren Voraussetzungen, gegebenenfalls in der erforderlichen
Form, nachzuweisen. Das Grundbuchamt kann in Zweifelsfällen auch die Bewilligung dessen
verlangen, dessen formell-grundbuchrechtliches oder materiell-rechtliches Betroffensein nur
nicht sicher ausgeschlossen werden kann (Bauer/Schaub/Kilian, GBO, 5. Aufl. 2023, § 19
Rn. 129 ff.).

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze stehen weder das Fehlen von Löschungsbewilligungen der
Eigentümer der nach Auffassung des Grundbuchamts heute herrschenden Grundstücke (dazu
a) noch ein fehlender Unrichtigkeitsnachweis nach § 22 GBO (dazu b) der Löschung der
verfahrensgegenständlichen Grunddienstbarkeit entgegen.

a) Es bedarf der vom Grundbuchamt verlangten Löschungsbewilligungen nicht, da die vom
Grundbuchamt als heute herrschend angesehenen Grundstücke in Bezug auf die
Grunddienstbarkeit zweifelsfrei keine Berechtigung haben.

aa) Gemäß § 1025 Satz 1 BGB besteht eine Grunddienstbarkeit im Falle der Teilung des
herrschenden Grundstücks für die einzelnen Teile zwar grundsätzlich fort. § 1025 Satz 2 BGB
schränkt dies indes dahingehend ein, dass die Grunddienstbarkeit für die Grundstücksteile
erlischt, für die sie auch ursprünglich nicht zum Vorteil gereichte. Die Vorschrift beruht –
ebenso wie § 1026 BGB hinsichtlich des dienenden Grundstücks – auf dem Grundgedanken,
dass Veränderungen der Grundstücke die Art, den Inhalt und den Umfang der daran
bestehenden Rechte unberührt lassen. Wenn nach § 1025 Satz 1 Hs. 1 BGB die
Grunddienstbarkeit bei Teilung des herrschenden Grundstücks für die einzelnen Teile – als
Gesamtgrunddienstbarkeit – fortbesteht, entspricht dies dem Grundsatz, dass grundbuchliche
Maßnahmen keine Auswirkungen auf Grundstücksrechte haben (BeckOGK/Kazele, Stand
01.05.2024, BGB, § 1025 Rn. 48; MüKoBGB/Mohr, 9. Aufl. 2023, § 1025 Rn. 1). § 1025 Satz 2
BGB enthält eine Ausnahme hiervon und steht in einem Regelungszusammenhang mit § 1019
Satz 1 BGB, wonach zu den Entstehungsvoraussetzungen einer Grunddienstbarkeit als
unverzichtbares Merkmal das Vorhandensein eines Vorteils für das herrschende Grundstück
zählt. Aus § 1025 Satz 2 BGB folgt, dass nach Teilung des herrschenden Grundstücks der für
eine Grunddienstbarkeit notwendige Vorteil für alle nunmehr verselbständigten Grundstücke
fortbestehen muss, soweit die Grunddienstbarkeit fortbestehen soll. Danach müssen auch bei
einer Gesamtberechtigung mehrerer Grundstücke nach Teilung die Voraussetzungen einer
Grunddienstbarkeit im Verhältnis zu jedem herrschenden Grundstück weiter vorliegen soweit
dies nicht der Fall ist, erlischt die Grunddienstbarkeit. Die Vorschrift des § 1025 Satz 2 betrifft
Fälle, in denen der Vorteil räumlich eingrenzbar ist und sich bereits vor der Teilung räumlich
spezifizieren ließ, zum Beispiel, weil die Beschränkung der Ausübungsberechtigung auf einen
räumlich abgegrenzten Teil des herrschenden Grundstücks Gegenstand der Bestellung oder
einer späteren Inhaltsänderung war oder wegen der örtlichen Gegebenheiten (OLG München,
Beschluss vom 29.05.2018 – 34 Wx 97/18, Rn. 27 ff., juris; BeckOGK/Kazele, Stand
01.05.2024, BGB, § 1025 Rn. 54). Ist etwa auf dem dienenden Grundstück für das herrschende
Grundstück ein Wegerecht bestellt, erlischt dieses, wenn nach der Teilung des herrschenden
Grundstücks nur noch eines der Teilgrundstücke über den Weg auf dem dienenden Grundstück
zu erreichen ist (Beispiel nach BeckOGK/Kazele, Stand 01.05.2024, BGB, § 1025 Rn. 50.1).
§ 1025 BGB gilt nur für die Teilung des herrschenden Grundstücks, ist dagegen auf sonstige
Veränderungen des herrschenden Grundstücks, namentlich Erweiterungen nach § 890 Abs. 1
BGB durch Vereinigung mit einem anderen Grundstück oder nach § 890 Abs. 2 BGB durch
Zuschreibung als Bestandteil, nicht anwendbar. Es kann aber auf die Wertung des § 1025 Satz 1
Hs. 2 BGB zurückgegriffen werden, wonach die Ausübung der Grunddienstbarkeit für den
Eigentümer nicht beschwerlicher werden darf, was konkret zur Folge hat, dass die Ausübung
der Berechtigung aus der Dienstbarkeit trotz formaler Erstreckung auf das Gesamtgrundstück
auf das früher herrschende Grundstück beschränkt bleibt (BayObLG, Beschluss vom
05.12.2002 – 2Z BR 73/02, Rn. 14, juris; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020,
Rn. 624). Auch hier gilt, dass Veränderungen der Grundstücke die Art, den Inhalt und den
Umfang der daran bestehenden Rechte nicht berühren. Dementsprechend hat die
Rückgängigmachung der Vereinigung des herrschenden Grundstücks mit einem anderen
Grundstück durch Teilung – entgegen § 1025 Satz 1 Hs. 1 BGB – zwangsläufig zur Folge, dass
Berechtigter der Grunddienstbarkeit nur der jeweilige Eigentümer des ursprünglich
herrschenden Grundstücks bleibt, für den anderen Teil des Gesamtgrundstücks die
Grunddienstbarkeit indes gemäß § 1025 Satz 2 BGB erlischt (BayObLG, Beschluss vom
05.12.2002 – 2Z BR 73/02, Rn. 14).

bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die Eigentümer der vom Grundbuchamt als heute
herrschend angesehenen Grundstücke unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von der
beantragten Löschung der Grunddienstbarkeit betroffen. Denn es besteht weder die Möglichkeit
einer materiell-rechtlichen Berechtigung (dazu (1)) noch können diese aus einer Buchposition
Rechte herleiten (dazu (2)).

(1) Die Beteiligten haben – was das Grundbuchamt auch nicht in Zweifel zieht – aufgezeigt,
dass die vom Grundbuchamt als heute herrschend angesehenen Grundstücke keinerlei (Teil-
)Überschneidung(en) mit dem ursprünglich herrschenden Flurstück Flst. Nr. A aufweisen.
Soweit das Grundbuchamt von der Möglichkeit des Betroffenseins von Grundstücks- und
Wohnungseigentümern ausgeht, deren Grundstücke keinen räumlichen Bezug zu dem
ursprünglich herrschenden Grundstück Flst. Nr. A aufweisen, liegt dem das materiell-rechtliche
Fehlverständnis zugrunde, dass sich die Grunddienstbarkeit mit jeder Grundstückserweiterung
auf das neu entstandene Gesamtgrundstück erstreckt und im Falle von Grundstücksteilungen
mit Blick auf § 1025 Satz 1 BGB an sämtlichen Teilgrundstücken fortbesteht. Dass sich im Falle
einer Grundstückserweiterung eine ursprünglich lediglich zugunsten eines Grundstücksteils
bestehende Grunddienstbarkeit nach der Erweiterung auf das Gesamtgrundstück bezieht, ist
Folge dessen, dass es nach der Erweiterung nur noch dieses Gesamtgrundstück gibt und
andernfalls die Grundstücksänderung zu einem Rechtsverlust führen würde; entsprechend kann
Folge einer Grundstücksteilung sein, dass eine Grunddienstbarkeit nach der Teilung an
mehreren Teilgrundstücken fortbesteht, soweit die Grunddienstbarkeit vor der Teilung für
mehrere der nunmehr selbständigen Grundstücke vorteilhaft war. In keinem dieser Fälle führt
dies freilich zu einem „Wandern“ des Ausübungsbereiches der Grunddienstbarkeit auf Flächen,
für die die Grunddienstbarkeit bei ihrer Bestellung nicht als Vorteil gedacht war. Eine solche
Sichtweise ist mit dem Grundsatz, wonach Veränderungen der Grundstücke die Art, den Inhalt
und den Umfang der daran bestehenden Rechte unberührt lassen, unvereinbar.

Die räumlichen Gegebenheiten – namentlich das Fehlen räumlicher Überschneidungsbereiche
der vom Grundbuchamt als heute herrschende Grundstücke angesehenen Flächen mit dem
ursprünglich herrschenden Grundstück Flst. Nr. A – ist für das Grundbuchamt offenkundig,
weshalb es insoweit keines Nachweises bedarf (BayObLG, Beschluss vom 25.07.1996 – 2Z BR
39/96, Rn. 15, juris; BeckOGK/Kazele, Stand: 01.05.2024, BGB, § 1025 Rn. 58).

(2) Die Eigentümer bzw. Wohnungseigentümer der vom Grundbuchamt als heute herrschend
angesehenen Grundstücke können sich auch nicht auf eine bloße Buchposition berufen. Die
entsprechenden Grundstücke enthalten – in materiell-rechtlicher Hinsicht zurecht – selbst keine
Herrschvermerke. Eine Buchposition kann aber auch nicht aus der Bezugsbewilligung vom
30.09.1901 abgeleitet werden, da keines der Grundstücke – wie von den Beschwerdeführern
dargelegt – auch nur teilidentisch mit den aus der Bezugsbewilligung genannten, ursprünglich
herrschenden Grundstücken ist.

b) Das Fehlen eines Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 GBO ist bei dieser Sachlage von
vornherein unschädlich, da ein solcher lediglich als Ersatz für die Berichtigungsbewilligung in
Betracht kommt (BeckOK GBO/Holzer, Stand 03.06.2024, § 22 Rn. 17); mangels
Betroffenseins der vom Grundbuchamt als herrschend angesehen Grundstücke bedarf es aber
einer Berichtigungsbewilligung – wie dargelegt – unter keinem denkbaren Gesichtspunkt.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Karlsruhe

Erscheinungsdatum:

05.08.2024

Aktenzeichen:

14 W 32/24 (Wx)

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 890, 1025, 1026