OLG Hamburg 01. Juli 2015
2 W 19/15
BGB §§ 2077 Abs. 1, 2085, 2096

Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehepartners wegen Ehescheidung als Ersatzerbfall wegen Wegfalls i. S. d. § 2096 BGB

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 4.5.2016
OLG Hamburg, 1.7.2015 - 2 W 19/15

BGB §§ 2077 Abs. 1, 2085, 2096
Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehepartners wegen
Ehescheidung als Ersatzerbfall wegen Wegfalls i. S. d. § 2096 BGB

1. Die Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehepartners aufgrund des
§ 2077 Abs. 1 BGB wegen Auflösung der Ehe vor dem Tod des Erblassers stellt einen Wegfall
des zunächst bedachten Erben im Sinne des § 2096 BGB dar, so dass der Ersatzerbfall eintritt.
2. Die Einsetzung eines Ersatzerben ist im Verhältnis zur primären Erbeinsetzung eine
selbständige Verfügung im Sinne des § 2085 BGB und bleibt deshalb wirksam, wenn keine
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie ohne die unwirksame Erbeinsetzung nicht erfolgt wäre.
Dies kommt auch dann in Betracht, wenn Verwandte des später gemäß § 2077 Abs. 1 BGB
weggefallenen Ehepartners als Ersatzerben bestimmt wurden.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines Erbscheins an den Beteiligten zu 1.), die maßgeblich
von der Auslegung des Testaments der Erblasserin abhängig ist.
Die Erblasserin ............ verstarb am ......... Sie hinterließ ein notarielles Testament vom
04.05.2000, mit unter anderem folgenden Inhalt:
„ 1. Zu meinem alleinigen Erben setze ich ein meinen Ehemann,
Herrn ............ geboren am .........., wohnhaft: (…).
Er soll über den Nachlass sowohl unter Lebenden, als auch von Todes wegen völlig frei
verfügen können.
2. Für den Fall, dass mein Ehemann als Erbe wegfallen sollte, berufe ich zu Ersatzerben
zu gleichen Teilen:
den – minderjährigen – nicht ehelichen Sohn meines Ehemannes,
............., geboren am .........., wohnhaft: (…)
und
den – minderjährigen – Neffen meines Ehemannes,
..........., geboren am ..........., wohnhaft: (…).“
Die Erblasserin wurde am 15.11.2011 von ihrem Ehemann geschieden. Die Scheidung wurde
rechtskräftig mit Ausnahme der Regelung über den Versorgungsausgleich.
Mit Beschluss vom 31.07.2013 (Bl. 31 d.A.) wurde durch das Amtsgericht Hamburg eine Nachlasspflegschaft
zur Verwaltung des Nachlasses und Ermittlung der Erben eingerichtet.
Mit Antrag vom 18.07.2014 (Bl. 106 d.A.) beantragte der Beteiligte zu 1.) durch seinen Rechtsanwalt,
die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zu je ½ zusammen mit dem Beteiligten
zu 4.). Hierfür wurde schon bereits vorab ausgeführt, dass die beiden im Testament berufenen
Ersatzerben auch nach der Scheidung der Eheleute intensiven Kontakt zu der Erblasserin gehabt
hätten und eine Erbeinsetzung daher unabhängig von dem Wegfall des Ehemannes als zunächst
Bedachten gewollt gewesen wäre.
Mit Verfügung vom 27.11.2014 wurde die Nachlasssache auf den Richter übertragen, da die Erbscheinserteilung
nicht unstreitig ist (Bl. 123 d.A.).
Das Amtsgericht hat dann mit Beschluss vom 06.02.2015 den Erbscheinsantrag des Beteiligten
zu 1.) abgelehnt (Bl. 147 d.A.). Die Erbeinsetzung zugunsten des Ehemannes der Erblasserin sei
gemäß § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam und dies habe zur Folge, dass auch die Ersatzerbeinsetzung
der Beteiligten zu 1. ) und 4.) unwirksam werde. Ein entgegenstehender Wille der Erblasserin
gemäß § 2077 Abs. 3 BGB dahingehend, dass sie eine solche Verfügung auch im Falle
einer Eheauflösung getroffen hätte, könne nicht ermittelt werden. Ein Ersatzerbfall sei schon gar
nicht eingetreten, da unter „Wegfall“ des Ehemannes nicht die Unwirksamkeit gemäß § 2077 Abs.
1 BGB zu verstehen sei. Selbst wenn man dies annehme, so sei die Ersatzerbeneinsetzung an §
2085 BGB nur zu messen, sofern dies eine selbstständige testamentarische Regelung darstelle.
Dies sei bei der Einsetzung eines Ersatzerben aber nicht der Fall, da diese mit der Erbeinsetzung
des zunächst Bedachten unauflöslich verbunden sei. Mangels Selbstständigkeit der Verfügung
komme § 2085 BGB nicht zur Anwendung und die gesamte testamentarische Verfügung sei
unwirksam geworden. Auch eine Testamentsauslegung komme zu keinem anderen Ergebnis, da
die Bindung der Erblasserin zu den Beteiligten zu 1.) und 4.) nicht intensiv genug gewesen sei,
als dass eine Begünstigung unabhängig von der Einsetzung des Ehemannes als Ersatzerben anzunehmen
sei.
Gegen diesen Beschluss, zugestellt am 12.02.2015, legte der Beteiligte zu 1.) am 18.02.2015
Beschwerde ein (Bl. 162 d.A.). Als Begründung wurde vorgetragen, § 2077 Abs. 1 betreffe nur die
Unwirksamkeit der Einsetzung des Ehemannes. Es sei unrichtig, dass eine Unwirksamkeit der
Erbeinsetzung im Falle des § 2077 Abs. 1 BGB zur Folge habe, dass der Ersatzerbfall nicht eintrete.
Die Ersatzerbeneinsetzung sei eine selbstständige testamentarische Verfügung, deren
Wirksamkeit sich nach § 2085 BGB bestimme. Allein die Tatsache, dass die Ersatzerben Verwandte
des zunächst bedachten Erben sind, lasse nicht auf eine innere Bedingtheit der jeweiligen
Einsetzung schließen. Die Regelung des § 2085 BGB gehe von dem Grundsatz der Wirksamkeit
der selbstständigen Verfügung aus und die Darlegungslast für einen anderweitigen Willen der
Erblasserin trage derjenige, der sich auf einen solchen berufe. Die Erblasserin habe auch nach
der Ehescheidung den Kontakt zu der Familie ihres Exmannes aufrecht erhalten und dem Beteiligten
zu 4.) erhebliche Geldbeiträge zukommen lassen. Dieses Verhalten sei ein Indiz für den
mutmaßlichen Willen der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, die Ersatzerbschaft
unabhängig von dem Bestand der Ehe anordnen zu wollen. Vor allem aber sei im Rahmen
des § 2085 BGB kein entgegenstehender Wille nachgewiesen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.02.2015 nicht abgeholfen.
Die Beteiligte zu 1) hat im Beschwerdeverfahren keinen ausdrücklichten Antrag gestellt.
Die Beteiligte zu 2) beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg,
Nachlassgericht vom 6.2.1015 zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2.) erwidert auf die eingelegte Beschwerde, dass davon auszugehen sei, der Ersatzerbfall
solle nur eintreten, wenn der Ehemann den Erbfall nicht erlebe oder das Erbe ausschlage,
denn nur für diese Fälle habe die Notwendigkeit der Bestellung eines Ersatzerben bestanden.
Zudem habe zwischen der Erblasserin und den Beteiligten zu 1.) und 4.) keine so intensive
Beziehung bestanden, wie zwischen Eltern und Kindern. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung
sei die Ehe mit dem Beteiligten zu 1.) der entscheidende Umstand für die Errichtung der
Ersatzerbschaft zugunsten der Beteiligten zu 1.) und 4.) gewesen. Aus diesen Umständen sei
darauf zu schließen, dass der hypothetische Wille der Erblasserin dahin gehe, dass bei einer
Scheidung der Ehe die Voraussetzungen für den Eintritt der Ersatzerbfolge nicht gegeben sind.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen
ergänzend bezug genommen.

II.
Die gemäß den §§ 58 Abs.1, 59, 61 Abs.1, 63 Abs.1, 64 Abs.1 FamFG statthafte und auch im
Übrigen zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat in der Sache Erfolg
Das Beschwerdegericht entscheidet schriftlich (§ 68 Abs.3 S.1 i.V.m. § 32 FamFG), weil der
Sachverhalt bezogen auf den Beschwerdegegenstand hinreichend geklärt ist und von einer
mündlichen Verhandlung keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal der Beschwerdeführer
nicht in Deutschland lebt.
Der Beteiligte zu 1.) hat einen Anspruch auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gemäß
§§ 2353, 2357 Abs. 1 BGB. Der Beteiligte zu 1.) ist zusammen mit dem Beteiligten zu 4.)
Erbe der Erblasserin zu je 1/2 geworden. Der Antrag kann gemäß § 2357 Abs. 1 S. 2 BGB von jedem
Erben gestellt werden. Eine Versicherung an Eides statt des Beteiligten zu 1.) bezüglich der
für die Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Angaben gemäß §§ 2356 Abs. 2 S. 1, 2357 Abs.
4 BGB liegt vor.
Der Beteiligte zu 1.) ist durch letztwillige Verfügung der Erblasserin deren Ersatzerbe zu einem
hälftigen Anteil geworden, §§ 1922, 2096 BGB.
Aus dem vor dem Notar errichteten, ordentlichem Testament nach § 2231 Nr. 1 BGB ergibt sich
eine wirksame Anordnung der Ersatzerbschaft zugunsten des Beteiligten zu 1.) zusammen mit
dem Beteiligten zu 4.) je zur Hälfte. Der Ersatzerbfall ist, entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes,
dadurch eingetreten, dass die Verfügung zugunsten des Ehemannes der Erblasserin,
des Beteiligten zu 3.), gemäß § 2077 Abs. 2 S. 1 BGB unwirksam geworden ist und damit der zunächst
Bedachte im Sinne des § 2096 BGB weggefallen ist. Aus dieser Unwirksamkeit folgt,
ebenfalls entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes, nicht, dass die Ersatzerbeneinsetzung
der Beteiligten zu 1.) und 4.) unwirksam ist.
Die Einsetzung des Beteiligten zu 3.) als Alleinerbe der Erblasserin ist wegen der rechtskräftigen
Auflösung der Ehe vor dem Tod der Erblasserin gemäß § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam geworden.
Die Erblasserin und der Beteiligte zu 3.) wurden durch Beschluss vom 15.11.2011 geschieden.
Die Scheidung wurde zwar nicht vollumfänglich rechtskräftig soweit es um Versorgungsausgleichsansprüche
ging, jedoch bezüglich der Auflösung der Ehe an sich.
Ein entgegenstehender Wille der Erblasserin gemäß § 2077 Abs. 3 BGB zum Zeitpunkt der Errichtung
der letztwilligen Verfügung dahingehend, die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 3.) auch
für den Fall der Auflösung der Ehe aufrecht erhalten zu wollen, ist nicht ersichtlich und wurde
auch nicht vorgetragen.
Auch die Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung aufgrund des § 2077 Abs. 1 BGB stellt einen
Wegfall des zunächst bedachten Erben im Sinne des § 2096 BGB dar, so dass der Ersatzerbfall
eintritt.
Der Eintritt des Ersatzerbfalls wird weit ausgelegt und kann durch Gründe tatsächlicher oder
rechtlicher Natur ausgelöst werden, die dazu führen, dass der zunächst berufene Erbe nicht Erbe
wird. Einigkeit besteht darüber, dass im Falle des § 2096 BGB auch bei anfänglicher Nichtigkeit
(etwa aufgrund Anfechtung gemäß §§ 2078 ff) von einem „Wegfall“ des Erben auszugehen ist
(MüKO, 6. Aufl. 2013, § 2096 Rn. 2; Damrau Praxiskommentar Erbrecht/ Sticherling, 2. Aufl., §
2096 Rn. 2). Daraus folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob der zunächst Bedachte wirksam
als Erbe eingesetzt geworden ist und ihm erst im Nachhinein die Erbschaft versagt wird. Nichts
anderes kann demgemäß für eine nachträgliche Unwirksamkeit aufgrund des § 2077 Abs. 1 BGB
gelten. Soweit vorgetragen wird, dass die Erblasserin nur für den Fall des Todes oder des Ausschlagens
der Erbschaft durch den Ehemann den Ersatzerbfall vorgesehen hat, kann dieser Argumentation
nicht gefolgt werden. Derartige Konkretisierungen des Ersatzerbfalls sind ohne weiteres
möglich, wurden aber durch die notariell beratene Erblasserin nicht vorgenommen, sodass
davon auszugehen ist, dass ein derartiger Wille nicht bestand. Gerade die Tatsache, dass dies
nicht vorgenommen wurde spricht auch dafür, dass eine unbedingte Einsetzung der Beteiligten
zu 1.) und 4.) als Ersatzerben beabsichtigt war.
Die Einsetzung der Beteiligten zu 1.) und 4.) als Ersatzerben ist gemäß der Auslegungsregel des
§ 2085 BGB nicht unwirksam. Das Gesetz sieht vor, dass eine von mehreren testamentarischen
Verfügungen nur dann unwirksam sein soll, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser diese ohne
die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde. Ziel dieser Regelung ist es, dem Erblasserwillen
in möglichst großem Umfang Geltung zu verschaffen und entgegen der eigentlichen
Regelung des § 139 BGB, welche von einer Unwirksamkeit ausgehen würde, eine Vermutung für
die Wirksamkeit der Verfügung anzuordnen.
Die Einsetzung von Ersatzerben ist im Verhältnis zur Einsetzung eines zunächst bedachten Erben
eine selbstständige Verfügung (vgl. OLG München, Beschluss vom 20.04.2010 - 31 Wx
83/09). Dies ergibt sich daraus, dass die Anordnung einer Ersatzerbschaft einen selbstständigen
Regelungsinhalt hat, welcher über einen Verweis auf eine gesetzliche Rechtsfolge hinausgeht.
Das Gesetz sieht eine Ersatzerbschaft gerade nicht vor, so dass bei Anordnung einer solchen,
der Erblasser eine eigenständige Regelung trifft vornimmt. Ob diese nun innerlich mit der Verfügung
zugunsten des zunächst Bedachten zusammenhängt, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen,
ändert jedoch nichts an der Selbstständigkeit der Verfügung der Ersatzerbschaft an sich.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erblasserin diese Verfügung ohne die unwirksame
Verfügung, nämlich die Erbeinsetzung ihres Ehemannes, nicht vorgenommen hätte, so dass es
bei der gesetzlichen Vermutung der Wirksamkeit nach § 2085 BGB bleibt. Die Feststellungslast
im Erbscheinsverfahren für die tatsächlichen Umstände zur Feststellung des abweichenden Erblasserwillens
trägt derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit des gesamten Testaments beruft
(vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17. 4. 2003 - 3 W 48/03; MüKo/Leipold, 6. Aufl., § 2085
Rn. 2), mithin vorliegend die Beteiligte zu 2.).
Aus den vorgetragenen Umständen ist ein derartiger Wille der Erblasserin nicht zu entnehmen.
Zur Ermittlung ihres hypothetischen Willens muss auf den Zeitpunkt der Errichtung des Testaments
abgestellt werden, später hinzutretende Umstände sind gegebenenfalls als Indiz für den
Willen zum maßgeblichen Zeitpunkt zu werten. Aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang
der Erbeinsetzung des Ehemannes der Erblasserin und der darauf folgenden Einsetzung
der Ersatzerben ergibt sich nichts, was auf eine besondere Willensbildung der Erblasserin
zu diesem Zeitpunkt schließen lässt. Weder ist darin aufgenommen, dass die Ersatzerbschaft
nur eintreten soll, sofern die Ehe noch Bestand hat, noch ist ausdrücklich angeordnet,
dass die Ersatzerbschaft von der Wirksamkeit der Einsetzung des zunächst Bedachten unabhängig
sein soll.
Zwar hängt die Ehe der Erblasserin mit dem Beteiligten zu 3.) durchaus mit der Einsetzung seines
Sohnes und seines Neffen als Ersatzerben zusammen, allerdings kann daraus nicht geschlossen
werden, dass diese Einsetzungen nur aufgrund der bestehenden Ehe und einer sich
hieraus ergebenden familiären Beziehung erfolgte und eine innerliche Bedingtheit mit einem Fortbestand
der Ehe bestand.
Es ist festzustellen, dass die Erblasserin nicht lediglich den leiblichen Sohn ihres Ehemannes,
und damit quasi ihren Stiefsohn, als Ersatzerben eingesetzt hat, sondern auch einen entfernteren
Verwandten, nämlich den Neffen des Ehemannes. Hieraus lässt sich schließen, dass sich die
Erblasserin umfangreiche Gedanken über die Ersatzerbschaft gemacht hat und mit ihrer Anordnung
nicht lediglich Abkömmlinge ihres damaligen Ehemannes berücksichtigen wollte, sondern
aufgrund einer eigenen Beziehung genau diese beiden Personen, nämlich die Beteiligten zu 1.)
und 4.). Ihr war es aufgrund einer engen Beziehung zu den beiden, damals noch minderjährigen
Kindern, wichtig, dass diese Erben werden, soweit nicht ihr Ehemann erbt. Das eine solche enge
und vertraute Beziehung zwischen der Erblasserin und den Beteiligten zu 1.) und 4.) bestanden
hat, wurde umfangreich und substantiiert vorgetragen. Auch die Beteiligte zu 2.) bestreitet nicht,
dass die Erblasserin die Beteiligten zu 1.) und 4.) „ins Herz geschlossen“ habe. Ob nun eine, mit
einer Eltern-Kind-Beziehung vergleichbare, Beziehung bestand, ist unerheblich, da eine solche
nicht erforderlich ist. Maßgeblich wäre lediglich, ob die Beziehung derart gestaltet war, dass anzunehmen
ist, die Erblasserin wollte die Beteiligten zu 1.) und 4.) nicht unabhängig von einer bestehenden
Ehe mit dem Beteiligten zu 3.) bedenken. Dies kann das Gericht nicht erkennen. Dabei
kommt es auch nicht darauf an, ob die Erblasserin mit den beiden Ersatzerben jemals in einem
Haushalt gewohnt hat und wie oft später Kontakt zu den im Ausland lebenden Beteiligten zu
1.) und 4.) bestand.
Auch aus dem nachträglichem Verhalten der Erblasserin ergibt sich nicht, dass diese zum Zeitpunkt
der Testamentserrichtung die Ehe mit dem Beteiligten zu 3.) als einzig ausschlaggebendes
Moment für die Anordnung der Ersatzerbschaft für Verwandte ihres Ehemanns ansah. Aus der
Akte ist zu entnehmen, dass die Mutter des Beteiligten zu 1.) eine enge Freundin der Erblasserin
gewesen sein soll und sich die beiden Frauen über eine Brieffreundschaft kennenlernten. Die Erblasserin
hat der Mutter des Beteiligten zu 1.) finanziell geholfen, um dem Krieg in Äthiopien zu entkommen.
Das Gericht zieht daraus den Schluss, dass die Erblasserin den Sohn ihrer guten
Freundin, zu dem ein enges Verhältnis dargestellt wird, aus eigenständigen Beweggründen testamentarisch
als Ersatzerbe bedenken wollte.
Schließlich ist auch zu sehen, dass das nachträgliche Verhalten der Erblasserin nicht dafür
spricht, sie wolle die Ersatzerbschaft zugunsten der Beteiligten zu 1.) und 4.) nur im Falle des
Bestehens der Ehe mit ihrem Ehemann. Hierfür sprechen die Zahlungen der Erblasserin an den
Beteiligten zu 4.) kurz vor der Scheidung vom 10.05.2012 sowie nach Scheidung am 23.05.2012
und 27.08.2012 in Höhe von jeweils rund 500 EUR. Diese Zahlungen in nicht unbeträchtlicher Höhe
an den in Eritrea lebenden Beteiligten zu 4.) verdeutlichen die nach wie vor gute Beziehung der
Erblasserin zu ihrem Stiefsohn. Dem ist zu entnehmen, dass die Erblasserin sich weiterhin für
die Belange ihres Stiefsohnes interessierte und zwar unabhängig von einer bestehenden Ehe mit
dem Beteiligten zu 3.). Weiterhin folgert das Gericht aus diesem Verhalten der Erblasserin, dass
sie durchaus dazu imstande ist, die eigene Beziehung zu den Verwandten ihres Exmannes von
der Beziehung und der Scheidung von diesem zu trennen. Dies spricht wiederum dafür, dass
auch zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung kein Wille der Erblasserin dahingehend vorlag, die
Einsetzung der Ersatzerbschaft von dem Bestand der Ehe abhängig zu gestalten. Die Vermutung
des § 2085 BGB für die Wirksamkeit der Verfügung ist somit nicht widerlegt.
Das Gericht hat gemäß § 352 Abs. 1 S. 1 FamFG den Erbschein nicht selbst zu erteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 FamFG, 21, 136 I Nr. 2 GNotKG. Gerichtskosten für
das erfolgreiche Rechtsmittel fallen nicht an, die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher
Kosten entspräche nicht billigem Ermessen. Der Gegenstandswert ist vorläufig gemäß § 40 Abs.
1 GNotKG in Höhe des Nachlassvermögens festgesetzt worden.
§ 352 Abs. 2 S. 2 FamFG findet keine Anwendung, da gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel
gegeben ist.
Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist nicht zuzulassen, § 70 Abs. 2 FamFG, da die Rechtssache
keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung auch nicht zur Fortbildung des
Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamburg

Erscheinungsdatum:

01.07.2015

Aktenzeichen:

2 W 19/15

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge

Normen in Titel:

BGB §§ 2077 Abs. 1, 2085, 2096