OLG Celle 29. August 2018
Not 1/18
BNotO § 14

Auswärtsbeurkundungen in den Räumlichkeiten einer Vertragspartei

letzte Aktualisierung: 22.2.2019
OLG Celle, Urt. v. 29.8.2018 – Not 1/18

BNotO § 14
Auswärtsbeurkundungen in den Räumlichkeiten einer Vertragspartei

Wiederholte Auswärtsbeurkundungen von Grundstückskaufverträgen in den Räumlichkeiten einer
Vertragspartei können die Gefahr des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit des Notars
begründen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die auf Aufhebung der Disziplinarverfügung vom 1. August 2017 gerichtete - als Anfechtungsklage gemäß § 72 Abs. 1 VwGO zulässige und
insbesondere fristgerecht gemäß § 74 VwGO eingereichte - Klage (vgl. § 99 i. V. m. § 96 BNotO) ist nicht begründet.

I.
Zu Recht hat der Beklagte angenommen, dass der Kläger bei der Beurkundung der bezeichneten Verträge gegen seine Amtspflichten aus § 14 Abs. 3
Satz 2 BNotO verstoßen hat. Notare unterliegen dem Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Sie haben nach § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO
bereits jedes Verhalten zu vermeiden, das auch nur den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt.

1. Unerheblich ist, dass mangels gesetzlicher Grundlage ein generelles Verbot jedenfalls gelegentlicher Auswärtsbeurkundungen innerhalb des
Amtsbereichs des Notars nicht besteht (BVerfG, Beschluss vom 9. August 2000 - 1 BvR 647/98, juris Rn. 27 f.). Nr. IX.2. der Richtlinienempfehlung der
BNotK wurde nicht in die Richtlinien der Notarkammer Celle für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der Notarkammer vom 28. April
1999 und 3. Mai 2000, zuletzt geändert durch Beschluss vom 16. Mai 2012, übernommen, so das schon deshalb offenbleiben kann, ob aus
entsprechenden Richtlinien der einzelnen Notarkammern ein grundsätzliches Verbot folgen kann. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Statuierung
des Anscheinsverbots in § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO dem Notar auch außerhalb von spezifischen Tätigkeitsverboten und -beschränkungen auferlegt,
jegliches Verhalten zu vermeiden, durch das der Anschein der Abhängigkeit oder der Parteilichkeit entstehen könnte. Bei der Frage, ob aus der
maßgeblichen Sicht des objektiven, mit den konkreten Gegebenheiten vertrauten Beobachters ein solcher Anschein entstehen kann, sind allerdings
gesetzliche Wertungen über die mit der fraglichen Tätigkeit generell verbundenen Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars zu
berücksichtigen. Darüber hinaus fließen in die aus dem Anscheinsverbot folgenden Verhaltensanforderungen Konkretisierungen durch die jeweiligen
Richtlinien der Notarkammern ein (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 13. November 2017 - NotSt (Brfg) 3/17, juris Rn. 28 m. w. N.).

Dass eine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit von Auswärtsbeurkundungen innerhalb des Amtsbereichs des Notars nicht Gesetz geworden ist,
lässt nicht den Rückschluss zu, dass solche Beurkundungen nach dem gesetzgeberischen Willen unbeschränkt zulässig sein sollten. Vielmehr sollten
mit der Streichung einer entsprechenden Regelung im Regierungsentwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung nur
übersteigerten Begründungspflichten begegnet werden. Der Gesetzgeber ging aber davon aus, dass die Tätigkeit des Notars im Allgemeinen in der
Geschäftsstelle erfolgen solle, und hat berücksichtigt, dass sich Einschränkungen für Auswärtsbeurkundungen aus den allgemeinen Berufspflichten,
insbesondere der Verpflichtung zu Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ergeben (BT-Drs. 13/10589, S. 7, 37 f.). Entsprechend ist anerkannt, dass der
Notar von einer Auswärtsbeurkundung insbesondere dann Abstand zu nehmen hat, wenn durch sie die Gefahr des Anscheins einer Parteilichkeit
entstehen könnte (BVerfG, a. a. O., Rn. 29). Dies entspricht Nr. IX.2. der bezeichneten Richtlinien der Notarkammer Celle (entsprechend Nr. IX.3. RL-E),
die die entsprechenden Amtspflichten nach § 67 Abs. 2 Satz 3 Nr. 9 BNotO näher konkretisieren.

2. Im vorliegenden Fall hat der Notar planmäßig wiederholt Verträge in den Räumlichkeiten einer Vertragspartei beurkundet. Dies begründet die Gefahr,
dass aus Sicht eines objektiven, mit den konkreten Gegebenheiten vertrauten Beobachters der Anschein der Abhängigkeit oder der Parteilichkeit
entsteht.

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass ein solcher Anschein abhängig von den Umständen des Einzelfalls vor allem dann entstehen kann, wenn die
Beurkundung in den Räumen einer der Vertragsparteien erfolgt, wobei nur streitig ist, ob dies nur bei häufigeren Fällen (so: Eylmann in:
Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., IX RL-E, Rn. 11; Lerch in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 10 Rn. 23 f.; Terner, DNotZ 2010, 953,
954; so wohl auch Weingärtner in: Weingärtner/Gassen, DONot, 11. Aufl., § 32 Rn. 65, 68; Carstensen ZNotP 2003, 46, 55 f.) oder grundsätzlich schon
bei einem einmaligen Fall (so: Wöstmann, ZNotP 2003, 133, 138 m. w. N. Fn. 64; so wohl auch Görk in: Bracker, BNotO, 9. Aufl., IX. RL/BNotK, Rn. 16;
Lerch in: Lerch, BeurkG (…), 5. Aufl., Richtlinienempfehlung, Rn. 116 f.; Hertel in: Staudinger, BeurkG (2017), Rn. 267) anzunehmen ist.

Die Entscheidung dieser Streitfrage kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil der Kläger hier in einer Vielzahl von Fällen (insgesamt 13) wiederholt
und planmäßig Beurkundungen in den Räumen einer der Vertragsparteien, nämlich der beteiligten Gebietskörperschaften, vorgenommen hat. Dadurch
konnte sowohl bei den weiteren Urkundsbeteiligten als auch in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, der Notar stehe in einer Abhängigkeit von den
jeweiligen Gebietskörperschaften, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies im Büro des Bürgermeisters oder in einem „neutralen“ Besprechungszimmer
erfolgte. Unabhängig hiervon erweckt dies den Eindruck einer besonderen Nähe zwischen dem Notar und der entsprechenden Gebietskörperschaft,
zumal die Vorteile aufgrund dieser Handhabung in besonderem Maße den Mitarbeitern der jeweiligen Gemeinde zugutekommen. Für die anderen
Vertragsparteien hätte es jedenfalls keinen erheblichen Mehraufwand bedeutet, die Geschäftsstelle des Notars in L. aufzusuchen, auch wenn diese im
jeweiligen Gemeindegebiet wohnten. Dadurch, dass der Notar in diesen Fällen ohne besondere sonstige Gründe davon abgesehen hat, wie sonst
gerade für einen Träger eines öffentlichen Amtes üblich, auf seiner Geschäftsstelle tätig zu werden, fehlt es nicht nur an einer symbolischen räumlichen
Distanz zum Geschäftsbereich der entsprechenden Gebietskörperschaft. Dadurch, dass vor allem deren Interessen gedient ist, kann vielmehr der
Eindruck entstehen, der Notar mache sich zum „Diener“ dieser Urkundsparteien. Unerheblich ist insoweit, dass die Gemeinden es als „Service“ für die
Käufer für gerechtfertigt hielten, die Beurkundungen im Gemeindegebiet anzubieten.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob insbesondere die Öffentlichkeit das Verhalten des Notars im Einzelfall positiv oder negativ bewertet.
Der Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit ist auch dann zu vermeiden, wenn der Bürger ein bestimmtes Verhalten des Notars als
Serviceleistung begrüßen sollte.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass Gemeinden keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen dürfen und Grundstückskäufern im Rahmen ihrer Möglichkeiten
helfend und beratend zur Seite stehen. Sie unterscheiden sich insoweit durchaus von auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen wie
insbesondere Bauträgern, betreffend die Auswärtsbeurkundungen in deren Räumlichkeiten in der Kommentarliteratur teilweise exemplarisch als
unzulässig herausgestellt werden (vgl. vorstehende Nachweise). Dennoch stehen auch Gemeinden als Verkäufer in einem Interessengegensatz zu den
Käufern. Sie verfolgen häufig wirtschaftliche, planerische und gegebenenfalls politische Interessen, die mit den Interessen des jeweiligen
Grundstückskäufers nicht in Einklang stehen müssen. Auch in Fällen der vorliegenden Art verliert die Bedeutung der Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit des Notars deshalb nicht an Gewicht. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass aus Sicht des Bürgers ohnehin eine gewisse
Nähe zwischen Gebietskörperschaften als Träger öffentlicher Verwaltung und Notaren als Träger eines öffentlichen Amtes gesehen wird, so dass ein
Tätigwerden des Notars gerade in den Räumlichkeiten der „Verwaltung“ in gesteigertem Maße die Gefahr in sich birgt, den Eindruck einer Parteilichkeit
zu verstärken, zumal wenn dies - wie hier - wiederholt erfolgt.

Dass daneben die überwiegende Anzahl der Beurkundungen auch mit den infrage stehenden Gebietskörperschaften auf der Geschäftsstelle des Notars
erfolgten, relativiert diesen Eindruck nicht maßgeblich. Urkundsbeteiligte und sonstige Bürger, die die Beurkundungen in den Räumlichkeiten der
Gemeinde wahrnehmen, werden die sonstige Tätigkeit des Notars auf dessen Geschäftsstelle regelmäßig nicht in gleichem Maße wahrnehmen, so dass
die sonstige Beurkundungstätigkeit des Notars die Gefahr des Eindrucks der Abhängigkeit oder Parteilichkeit insoweit nicht wesentlich mindert.
Unerheblich ist weiter, ob im Einzelfall insbesondere bei den Urkundsbeteiligten der Eindruck entstanden ist, der Notar sei parteilich, wofür konkret
nichts spricht. Unerheblich ist damit auch, ob die sonstigen Urkundsbeteiligten weitere Beurkundungen freiwillig auch in den Räumlichkeiten der
Gemeinde haben durchführen lassen, und ob diese mit dem Notar näher bekannt waren.

Gründe, die es im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen ließen, von der üblichen Beurkundung auf der Geschäftsstelle abzusehen und den Eindruck eines
Näheverhältnisses zu einzelnen Parteien zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere, dass die Verfügbarkeit von Bebauungsplänen für Nachfragen
der Käufer gerade in der Beurkundungssituation erforderlich wäre, ist nicht zu erkennen, sodass dies eine Beurkundung in den Räumlichkeiten der
Gemeinde nicht erforderte. In der überwiegenden Zahl der Fälle hat dies den Notar ohnehin - zu Recht - nicht davon abgehalten, Beurkundungen auf
seiner Geschäftsstelle durchzuführen.

Auch sonst sind Umstände des jeweiligen Einzelfalls nicht ersichtlich, die ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung rechtfertigten.

3. Diese Pflichtverletzung hat der Kläger jedenfalls fahrlässig begangen. Für ihn war schon aufgrund der weitgehend einhelligen Kommentarliteratur
erkennbar, dass seine Handhabung der Auswärtsbeurkundungen mit dem Gebot, jeden Anschein einer Abhängigkeit oder Parteilichkeit zu vermeiden,
nicht in Einklang zu bringen war.

Darauf, dass entsprechende Pflichtverstöße zuvor nicht beanstandet worden sind, kann sich der Kläger zu seiner Entlastung nicht berufen. Zunächst hat
der Beklagte - unbestritten - erläutert, dass seit der Ernennung des Klägers im Jahr 2010 lediglich eine Geschäftsprüfung im Jahr 2012 bei diesem
durchgeführt worden sei, die lediglich einen vergleichsweise geringen Prüfungszeitraum erfasst habe. Selbst wenn damals bereits gleichartige
Beurkundungen von dem Kläger vorgenommen und von dem Beklagten übersehen bzw. nicht beanstandet worden sein sollten, kann der Kläger allein
daraus keine „Billigung“ seines Verhalten oder einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz herleiten.

II.
Die dem Kläger vorzuwerfenden Amtspflichtverletzungen sind als einheitliches Dienstvergehen gemäß § 95 BNotO zu ahnden.
Die von dem Beklagten verhängte Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße in Höhe von 1.500 € ist der Art und auch der Höhe nach nicht zu
beanstanden. Eine geringere Geldbuße oder gar ein Verweis wären nicht auskömmlich.
Die dem Kläger auferlegte Geldbuße (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BNotO) liegt im unteren Bereich des bis 50.000 € reichenden Bemessungsrahmens (§ 97 Abs.
4 Satz 1 BNotO).

Bei der Festsetzung der Geldbuße sind die Bedeutung der verletzten Pflicht, die Dauer und Intensität des Vergehens, ein etwa angerichteter Schaden,
die Auswirkung auf das Ansehen des Notarberufs und des betroffenen Notars, der Grad des Verschuldens, die Motive des Notars, seine bisherige
Führung, sein Verhalten nach der Tat und die Zukunftsprognose zu berücksichtigen, ferner seine wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. Lerch in: Arndt/Lerch
/Sandkühler, a.a.O., § 97 Rn. 17 i. V. m. Rn. 10).

Zugunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er disziplinarrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist und die den Vorwürfen zu Grunde
liegenden Sachverhalte eingeräumt hat, wobei er sich jedoch nicht einsichtig gezeigt hat. Auch hat er durch die begangenen Pflichtverletzungen keinen
über die Erzeugung des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit hinausgehenden Schaden verursacht. Weiter ist zu seinen Gunsten zu
berücksichtigen, dass er lediglich fahrlässig gehandelt hat.

Zum Nachteil des Klägers fällt jedoch ins Gewicht, dass er Amtspflichten im Kernbereich seiner Tätigkeit als Notar verletzt hat. Die Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit sind die wichtigsten Prinzipien des notariellen Berufsrechts und rechtfertigen überhaupt erst das Vertrauen, das dem Notar
entgegengebracht wird; sie bilden das Fundament des Notarberufs (BGH, Beschluss vom 13. November 2017, a. a. O., Rn. 25). Weiter hat der Beklagte
zutreffend berücksichtigt, dass die Geldbuße auch dazu dient, Einkünfte des Notars, die durch pflichtwidrige Amtstätigkeiten erzielt worden sind,
abzuschöpfen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Mai 2010 - Not 19/09, juris Rn. 49).

III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111 b Absatz 1 BNotO, § 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht
auf § 111b BNotO, § 167 Abs. 1, 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Bemessung des Gegenstandswertes richtet sich nach § 111g Abs. 1 BNotO i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Die Festsetzung beruht darauf, dass der
Senat den in der Disziplinarverfügung enthaltenen - unbezifferten - Vorwurf, der auch etwa einem Verweis zu Grunde liegen würde, mit 1.000 € bewertet.
Hinzu kommt das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Wegfall der ihm auferlegten Geldbuße i. H. v. 1.500 €.
Anlass zur Zulassung der Berufung gemäß § 111d BnotO, § 124 Abs. 2 i. V. m. § 124a Abs. 1 VwGO besteht nicht.
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Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Celle

Erscheinungsdatum:

29.08.2018

Aktenzeichen:

Not 1/18

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht

Normen in Titel:

BNotO § 14