Verhängung eines Zwangsgeldes bei Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses
letzte Aktualisierung: 27.7.2023
OLG München, Beschl. v. 10.11.2022 – 33 W 775/22
Verhängung eines Zwangsgeldes bei Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses
Die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses ist eine eigene Verbindlichkeit des Schuldners.
Beschränkt sich der Schuldner auf die Beantwortung von Fragen des Notars, ohne diesem von sich
aus Auskünfte zu erteilen, tut er regelmäßig nicht alles in seiner Macht Stehende, um das notarielle
Nachlassverzeichnis aufzunehmen, so dass grundsätzlich die Verhängung eines Zwangsgeldes in
Betracht kommt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich.
I.
Der Kläger (= Gläubiger) hat die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Beklagten (= Schuldner)
beantragt, damit dieser ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegt.
Der Beklagte war durch Teilanerkenntnis-, Teilversäumnis- und Teilurteil des Landgerichts Memmingen vom
03.12.2020 zur Auskunftserteilung unter gleichzeitiger Vorlage von Belegen verurteilt worden. Auf die
Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil, mit dem er sich gegen die Verpflichtung zur Belegvorlage
wendete, hat der Senat das Urteil des Landgerichts durch Urteil vom 23.08.2021 insoweit aufgehoben und
die Klage abgewiesen.
Der Schuldner hat mit Schreiben vom 30.07.2020 das Notariat M. in K. mit der Erstellung des notariellen
Nachlassverzeichnisses beauftragt, ohne dass dieses in der Folgezeit erstellt worden wäre. Mit Schreiben
vom 11.02.2022 hat der Schuldner daraufhin das Notariat V. in B. mit der Erstellung des notariellen
Nachlassverzeichnisses beauftragt.
Dieses Notariat forderte im Februar 2022 beim Schuldner Unterlagen an, die dieser am 04.03.2022
übersandte. Eine weitere Anfrage des Notariats wurde am 08.04.2022 beantwortet.
Für den 13.09.2022 war offenbar die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses durch den Notar
geplant, der entsprechende Termine an die Parteivertreter mitgeteilt hatte. Nachdem der Rechtsanwalt des
Gläubigers Einwände gegen den seitens des Notars übersandten Entwurf mit E-Mail vom 12.09.2022
geäußert hatte, wurde der Termin abgesagt, das Nachlassverzeichnis wurde seitdem nicht erstellt.
Der Gläubiger hatte bereits am 12.01.2022 gegen den Schuldner die Verhängung eines Zwangsgeldes
beantragt.
Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 02.06.2022 zurückgewiesen und der dagegen am
14.06.2022 eingelegten sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.08.2022 nicht abgeholfen und die
Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor.
a) Gemäß
gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich
bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.
aa) Grundsätzlich ist eine Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil nur möglich, wenn die Berufung
dagegen in vollem Umfang zurückgewiesen wurde (st. Rechtsprechung, zuletzt BGH, Beschluss vom
23.09.2021 - I ZB 20/21,
Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht erfolgt ist (BGH a. a. O.).
bb) Vorliegend hat der Senat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zwar nicht vollständig
zurückgewiesen, vielmehr das Urteil teilweise abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Allerdings
erstreckt sich die Klageabweisung lediglich auf die vom Erstgericht angeordnete Vorlage von Belegen (die
auch allein Gegenstand des Berufungsverfahrens war). Deshalb kann vorliegend die Vollstreckung
ausnahmsweise aus dem landgerichtlichen Urteil erfolgen, da der Tenor des landgerichtlichen Urteils durch
die Entscheidung des Senats letztlich nur um die Belegvorlage abgeändert wurde und der Tenor des
Berufungsurteils aufgrund dessen selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Hinzu kommt, dass dem
Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung ausdrücklich in Verbindung mit dem Urteil des Senats erteilt
worden ist.
b) Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes gemäß
aa) Die Verpflichtung des Schuldners ist bisher nicht erfüllt; ein notarielles Nachlassverzeichnis liegt nicht
vor.
bb) Die Zwangsvollstreckung zur Erfüllung eines titulierten Anspruchs auf Vorlage eines notariellen
Nachlassverzeichnisses richtet sich als unvertretbare Handlung nach
Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, 4. Aufl., 2022,
der Handlung die Mitwirkung eines Dritten - hier des Notars - notwendig ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom
16.02.2021,
(1) Die Vollstreckung dient in diesem Fall dazu, den Willen eines Schuldners insoweit zu beugen, als dieser
alles tatsächlich und rechtlich in seiner Macht Stehende zu tun hat, um den Notar zur erforderlichen
Mitwirkung zu veranlassen (Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 888 Rn. 2). Dabei ist es für die Festsetzung
einer Zwangsmaßnahme gemäß
Vergangenheit alles Erforderliche mit der gebotenen Beschleunigung getan hat, um auf eine zügige
Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses hinzuwirken, denn das Zwangsgeld hat - im Gegensatz
zum Ordnungsgeld - keinen Sanktionscharakter. Maßgeblich ist vielmehr (allein), ob der Schuldner zum
Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung
des beauftragten Notars zu erlangen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2013 - 7 W 20/13, BeckRS
2013, 21164). Für die Frage, ob Zwangsmaßnahmen gemäß
darauf abzustellen, ob dem Schuldner zum Zeitpunkt der Entscheidung Maßnahmen oder Handlungen
möglich sind, die zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs - Erstellung des notariellen
Nachlassverzeichnisses - führen können.
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war vorliegend ein Zwangsgeld zu verhängen, weil der
Schuldner bislang nicht hinreichend auf die zügige Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses
hingewirkt hat.
Spätestens nachdem es im September 2022 nicht zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses gekommen ist,
hätte der Schuldner beim Notar vorstellig werden müssen und sich zu den Umständen erklären müssen, die
der Gläubiger in seiner Email vom 12.09.2022 am vorgelegten Entwurf bemängelt hatte.
Dabei kann dahinstehen, ob die vom Gläubiger angesprochenen Punkte alle tatsächlich so in das notarielle
Nachlassverzeichnis aufzunehmen sind oder nicht. Jedenfalls handelt es sich bei allen Punkten um solche,
die grundsätzlich pflichtteilsrelevant sein können, so dass es die Aufgabe des Auskunftsschuldners gewesen
wäre, sich von sich aus zu diesen Punkten gegenüber dem Notar zu erklären. Keinesfalls darf er warten und
sich darauf zurückziehen, bis ihm vom Notar entsprechende Fragen gestellt werden, denn der Notar erfüllt
mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses keine eigene Verbindlichkeit, vielmehr handelt es
sich allein um eine Verbindlichkeit des Schuldners (Weidlich,
Schuldner obliegt, aktiv zu werden. Dass der Schuldner erst vom Notar aufgefordert werden muss,
entsprechende Angaben zu machen (Schreiben des Notars vom 02.11.2022) zeigt, dass der Schuldner zum
Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat vorliegend also nicht alles getan hat, was aufgrund der
Umstände geboten und ihm auch möglich war, um das notarielle Nachlassverzeichnis vorzulegen.
cc) Angesichts dessen erschien dem Senat das angedrohte Zwangsgeld erforderlich, aber auch
ausreichend, um den Schuldner zur Vornahme der geschuldeten Handlung anzuhalten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:10.11.2022
Aktenzeichen:33 W 775/22
Rechtsgebiete:
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
NJW-RR 2023, 79-80
Normen in Titel:BGB § 2314; ZPO §§ 750, 888