Bauträgervertrag: Verjährung des Vergütungsanspruchs; Verjährung der letzten Rate; zehnjährige Verjährungsfrist; einheitliche Verjährung bzgl. des Miteigentumsanteils am Grundstück und bzgl. der Eigentumswohnung
letzte Aktualisierung: 19.1.2024
BGH, Urt. v. 7.12.2023 – VII ZR 231/22
BGB §§ 195, 196, 200
Bauträgervertrag: Verjährung des Vergütungsanspruchs; Verjährung der letzten Rate;
zehnjährige Verjährungsfrist; einheitliche Verjährung bzgl. des Miteigentumsanteils am
Grundstück und bzgl. der Eigentumswohnung
Verpflichtet sich der Veräußerer eines Grundstücksanteils in einem Bauträgervertrag zur Errichtung
einer Eigentumswohnung, verjährt sein einheitlich für Grundstücksanteil und Eigentumswohnung
vereinbarter Vergütungsanspruch gemäß § 196 BGB in zehn Jahren.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch
in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis
zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1,
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision von Interesse - zur Begründung
seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Restvergütungsforderung der Klägerin sei verjährt. Sie unterliege der
regelmäßigen Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB drei Jahre betrage. Auch
wenn die streitgegenständliche Forderung Teil des Entgelts dafür sei, dass die
Klägerin den Beklagten Eigentum an einem Grundstück zu übertragen habe, und
die errichtete Wohnung "lediglich" wesentlicher Bestandteil des Miteigentumsanteils
sei, richte sich die Verjährung nicht nach § 196 BGB.
Die Forderung sei nicht nur die Gegenleistung für die Übertragung des
Miteigentumsanteils, sondern auch für die Erbringung von Bauleistungen. Deshalb
sei die Vergütungsforderung nicht aufteilbar in eine für die Eigentumsübertragung
sowie eine für die Bauleistung, weshalb die Verjährung einheitlich nach
der Leistung zu beurteilen sei, die bei weitem überwiege und das Vertragsverhältnis
charakterisiere. Der Charakter des zwischen den Parteien geschlossenen
Vertrags über den Kauf der noch zu errichtenden Eigentumswohnung werde
durch den Bau der Wohnung geprägt. Die Vergütung der Klägerin sei zumindest
teilweise im Werkvertragsrecht geregelt,
mit der fertig errichteten Wohnung zu übertragen gehabt. An der
Übertragung ohne Bauleistung hätten die Parteien kein Interesse. Dass die zu
errichtende Wohnung wesentlicher Bestandteil des Grundeigentums werde,
präge den Charakter des Vertrags nicht.
Der Umstand, dass im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung die Verjährungstatbestände
vereinheitlicht worden seien, die regelmäßige Verjährungsfrist
nunmehr drei Jahre betrage und ausnahmsweise für Ansprüche auf Übertragung
von Grundstückseigentum sowie auf deren Gegenleistung eine zehnjährige
Frist (§ 196 BGB) gelte, habe keinen Einfluss darauf, dass ein üblicher Bauträgervertrag
wie der zwischen den Parteien abgeschlossene ein Mischvertrag sei,
dessen Charakter durch den werkvertraglichen Teil bestimmt werde.
Der vom Gesetzgeber für die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB
angeführte Grund, Zeitverzögerungen bei der Erfüllung des Kaufvertrags durch
Verhalten Dritter bei der Eigentumsumschreibung auszugleichen, sei für die streitige
Forderung ohne Bedeutung.
Die dreijährige Verjährungsfrist habe unter Berücksichtigung der sowohl
hinsichtlich des Sondereigentums als auch des Gemeinschaftseigentums im Jahr
2014 seitens der Beklagten erfolgten Abnahme am 1. Januar 2015 zu laufen begonnen;
unter Berücksichtigung der Hemmung durch das Mahnverfahren sei
Verjährung am 19. Juli 2018 eingetreten. Das Ende der Verjährung sei nicht
dadurch hinausgeschoben worden, dass die Beklagten bis zum
31. Dezember 2018 auf die Einrede der Verjährung verzichtet hätten. Für diesen
Zeitraum könne sich der Schuldner lediglich nicht auf die Einrede berufen; auf
den Ablauf der Verjährung habe der Verzicht keinen Einfluss.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung kann die Zurückweisung der klägerischen Berufung
nicht gerechtfertigt werden. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der restlichen
Vergütung aus dem Bauträgervertrag unterliegt der zehnjährigen Verjährungsfrist
gemäß § 196 BGB und ist noch nicht verjährt.
1. Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen,
dass die im Streitfall vereinbarte Bauträgervergütung nicht aufteilbar ist in einen
Kaufpreis für die Grundstücksanteile einerseits und eine Vergütung für die Bauleistungen
andererseits.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei einem
Bauträgervertrag um einen einheitlichen Vertrag, der neben werkvertraglichen
auch (soweit der Grundstückserwerb in Rede steht) kaufvertragliche Elemente
enthält (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. November 1985 - VII ZR 366/83, BGHZ 96,
275, juris Rn. 10 m.w.N.). Grundsätzlich ist bei Bauträgerverträgen hinsichtlich
der Errichtung des Bauwerks Werkvertragsrecht, hinsichtlich der Übertragung
des Eigentums an dem Grundstück hingegen Kaufrecht anzuwenden (vgl. BGH,
Urteil vom 21. November 1985 - VII ZR 366/83,
vom 12. Juli 1984 - VII ZR 268/83,
5. April 1979 - VII ZR 308/77,
noch nicht anwendbaren Fassung).
Eine Aufteilung der Bauträgervergütung in einen Kaufpreis für das Grundstück
einerseits und eine Vergütung für die Bauleistungen andererseits kommt
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom
12. Oktober 1978 - VII ZR 288/77,
10. Mai 1979 - VII ZR 97/78,
wenn die Parteien eine derartige Aufteilung vereinbaren. Eine derartige
vertragliche Aufteilung haben die Parteien im Streitfall nicht vorgenommen, weshalb
der Anspruch der Klägerin eine einheitliche Vergütung mit der Folge zum
Gegenstand hat, dass der Vergütungsanspruch nur einheitlich verjähren kann
(vgl. Hertel,
7. Aufl., Kap. 4 Rn. 365).
2. Für den einheitlichen Vergütungsanspruch des Bauträgers gilt jedoch
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die dreijährige Regelverjährungsfrist
gemäß § 195 BGB, sondern die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß
§ 196 BGB.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, nach welchen Vorschriften
sich die Verjährung dieses Anspruchs richtet.
Nach einer Auffassung unterliegt er der dreijährigen Regelverjährungsfrist
gemäß § 195 BGB (vgl. Blank, Bauträgervertrag, 5. Aufl., Rn. 6; Koeble in
Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 10. Teil
Rn. 669; wenn die Bauleistung wirtschaftlich im Vordergrund steht auch Münch-
KommBGB/Busche, 9. Aufl., § 650u Rn. 21; Ott,
Nach anderer, überwiegend vertretener Auffassung (vgl. OLG München,
Urteil vom 14. Januar 2015 - 13 U 1188/14, juris Rn. 84 f.; Basty, Der Bauträgervertrag,
11. Aufl., Kap. 3 Rn. 67; Pause/Vogel, Bauträgerkauf und Baumodelle,
7. Aufl., Kap. 4 Rn. 365; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 196 Rn. 11;
Frechen/Dölle in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 18. Aufl., Rn. 2830; Zahn in
Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2. Aufl., Kap. 6 Rn. 209; Messerschmidt/
Voit/Moufang/Koos, Privates Baurecht, 4. Aufl., Syst. Teil O Rn. 65;
Preussner in Festschrift für Lauer, 2021, 381, 384 f.; Amann,
116; Hertel,
Anspruch insgesamt die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB.
b) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
§ 196 BGB ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift geregelte
Verjährungsfrist für den einheitlichen Vergütungsanspruch des Bauträgers aus
einem Bauträgervertrag gilt.
Nach § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an
einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines
Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen
Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren.
§ 196 BGB verdrängt insoweit als speziellere gesetzliche Regelung die
Vorschrift des § 195 BGB. Die Vorschrift des § 195 BGB stellt innerhalb des Verjährungsrechts
die Grundnorm dar. Sie ist jedoch nur anwendbar, wenn sie nicht
durch eine speziellere Regelung verdrängt wird (vgl. BeckOGK/Piekenbrock,
BGB, Stand: 15. Mai 2023, § 195 Rn. 13, 13.1). § 196 BGB stellt eine solche
speziellere Verjährungsregelung dar (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2014
- V ZR 32/14 Rn. 22,
ist auch auf den Vergütungsanspruch des Bauträgers anwendbar.
aa) Allein aus dem Wortlaut des § 196 BGB kann allerdings nicht eindeutig
geschlossen werden, dass der Vergütungsanspruch des Bauträgers nach dieser
Vorschrift verjährt. Denn die dem Bauträger zustehende Vergütung stellt sowohl
die Gegenleistung für die von ihm geschuldete Übertragung des Eigentums und
damit eine Gegenleistung im Sinne des § 196 BGB als auch die Gegenleistung
für die von ihm geschuldete Errichtung des Bauwerks dar. Die Verpflichtung zur
Errichtung eines Bauwerks und die Gegenleistung hierfür werden indes vom
Wortlaut des § 196 BGB nicht erfasst (vgl. Glöckner in Kleine-Möller/Merl/
Glöckner, Handbuch des privaten Baurechts, 6. Aufl., § 4 Rn. 30).
bb) Gleichwohl ist es aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten
gerechtfertigt, § 196 BGB als speziellere Regelung auf den Vergütungsanspruch
des Bauträgers anzuwenden.
Da es sich bei dem Vergütungsanspruch des Bauträgers um einen einheitlichen
Anspruch handelt, der folglich einer einheitlichen Verjährung unterliegt
(siehe oben II. 1.), kann sich die Verjährung dieses Anspruchs nur entweder nach
§ 196 BGB oder nach § 195 BGB richten. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 196
BGB (BT-Drucks. 14/7052 S. 179) ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Einbeziehung
der Ansprüche auf die Gegenleistung in § 196 BGB über die dieser
Vorschrift bereits unterfallenden Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an
einem Grundstück hinaus ein in der Sache nicht gerechtfertigtes Ergebnis vermeiden
wollte, das bestehen könnte, wenn derartige Verträge bei Geltung der
Regelverjährungsfrist für die Ansprüche auf die Gegenleistung nicht beendet
werden könnten. Diese Erwägung greift ebenfalls bei Bauträgerverträgen (vgl.
Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 196 Rn. 11). Da der einheitliche Vergütungsanspruch
des Bauträgers jedenfalls auch eine Gegenleistung für die von
ihm - neben der Bauwerkserrichtung - geschuldete Übertragung des Eigentums
an dem Grundstück und damit eine Gegenleistung im Sinne des § 196 BGB darstellt,
ist es gerechtfertigt, insoweit einheitlich die speziellere Verjährungsregelung
des § 196 BGB anzuwenden.
Gegen diese Beurteilung kann nicht eingewendet werden, dass es sich bei
dem Vergütungsanspruch um einen Anspruch aus einem Mischvertrag handelt,
bei dem die vom Bauträger geschuldete Übertragung des Eigentums an dem
Grundstück gegenüber der Bauwerkserrichtung von derart untergeordneter Bedeutung
für das Vertragsverhältnis ist, dass § 196 BGB auf den Vergütungsanspruch
nicht angewendet werden könnte. Vielmehr ist die Übertragung des Eigentums
an dem Grundstück bei einem Bauträgervertrag von wesentlichem Interesse
für den Erwerber. Der Anspruch des Erwerbers ist auf Übertragung des
Grundstücks mit dem zu errichtenden Bauwerk gerichtet (vgl. BGH, Urteil vom
21. November 1985 - VII ZR 366/83,
Urteil vom 14. Januar 2015 - 13 U 1188/14, juris Rn. 91; Basty, Der Bauträgervertrag,
11. Aufl., Kap. 3 Rn. 67; Brambring,
wird mit seiner Errichtung wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94
Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Eigentum an dem Grundstück erstreckt sich daher auch
auf das Eigentum an dem Bauwerk (
abgegoltenen Leistungen - auch die Leistungen betreffend die Bauwerkserrichtung
- haben danach für den Erwerber keinen nachhaltigen Wert, wenn er
nicht Eigentümer des Grundstücks wird (vgl. Basty, Der Bauträgervertrag,
11. Aufl., Kap. 3 Rn. 67; Preussner in Festschrift für Lauer, S. 381, 383; Pause,
Das vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (BGBl. I
2001 S. 3138) ergangene Urteil des Senats vom 12. Oktober 1978
(VII ZR 288/77,
auf einer anderen Rechtslage beruht. Soweit diese Entscheidung dahin verstanden
werden könnte, der Bauträgervertrag werde durch die Bauwerkserrichtungsleistungen
derart geprägt, dass sich die Verjährung des Vergütungsanspruchs
einheitlich nach den für werkvertragliche Vergütungsansprüche geltenden Vorschriften
richtet, hält der Senat hieran nicht fest.
3. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ist der Anspruch
der Klägerin nicht verjährt.
a) Nach § 200 Satz 1 BGB beginnt die zehnjährige Verjährungsfrist des
§ 196 BGB mit der Entstehung des Anspruchs. Hierunter ist der Zeitpunkt zu verstehen,
in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im
Wege der Klage durchgesetzt werden kann. In der Regel ist damit, sofern keine
besonderen Absprachen getroffen sind, der Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 271 BGB)
maßgebend (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2023 - V ZR 89/22 Rn. 10 m.w.N.,
b) Danach ist die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB im Streitfall
nicht abgelaufen. Denn der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der letzten
Rate ist jedenfalls nicht vor November 2014 fällig geworden.
III.
Das Berufungsurteil kann nach alledem keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden,
- keine Feststellungen dazu getroffen, ob den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht
wegen der von ihnen noch geltend gemachten Mängel zusteht. Die
Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen,
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:07.12.2023
Aktenzeichen:VII ZR 231/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 195, 196, 200