OLG Naumburg 21. Oktober 2019
12 Wx 38/19
BGB § 925; GBO §§ 19, 20, 29

Keine Bindung an die Auflassung eines Rechtsvorgängers

letzte Aktualisierung: 4.11.2020
OLG Naumburg, Beschl. v. 21.10.2019 – 12 Wx 38/19

BGB § 925; GBO §§ 19, 20, 29
Keine Bindung an die Auflassung eines Rechtsvorgängers

Eine Bindung an die Auflassung eines Rechtsvorgängers scheidet aus, wenn die
Gesamtrechtsnachfolge durch einen Erwerb aufgrund Rechtsgeschäfts unterbrochen ist.

Gründe

I.
E. und R. P. waren seit dem 7. August 1973 als Eigentümer des im Grundbuch
des Amtsgerichts Wittenberg von Z. Blatt ... eingetragenen Flurstücks ... der
Flur ... eingetragen. Am 10. September 1973 veräußerten die Eheleute P. mit einem vor
dem Staatlichen Notariat Wittenberg geschlossenen Vertrag ein noch zu vermessendes Teilstück
des vorgenannten Flurstücks an die Eheleute H. H. und M. H. .
Dieser Vertrag enthielt u. a. folgende Regelung:

"Zur Erklärung der Auflassung wird Herr H. H. , unter Befreiung von der Vorschrift des § 181
BGB bevollmächtigt."

H. H. gab am 23. November 1976 vor dem Staatlichen Notariat Wittenberg – bezugnehmend
auf die ihm mit Vertrag vom 10. September 1973 erteilten Vollmachten seiner Ehefrau
M. H. und der Eheleute P. – u.a. folgende Erklärung ab:

"Das Eigentum am zwischenzeitlich vermessenen Flurstück Nr. .../2 der Flur ... – Gartenland in Größe
von 5,59 ar soll auf die Eheleute H. und M. H. in eheliche Vermögensgemeinschaft übergehen.
Die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch wird hiermit beantragt, ebenso die pfandfreie Abschreibung
des Flurstücks hinsichtlich der Lasten Abt. II Nr. 2 und Abt. III Nr. 1."

Zu einer Eintragung des Eigentumswechsels kam es in der Folge nicht. Stattdessen wurden
R. P. aufgrund Erbscheins vom 16. Oktober 2008 am 16. Februar 2009 und
nachfolgend G. R. aufgrund Auflassung vom 16. August 2016 am 10. Januar
2017 jeweils als alleinige Eigentümer eingetragen.

M. H. wurde von H. H. und dieser von der Beteiligten am 9. Dezember
2018 allein beerbt.

Mit den Schreiben vom 29. Januar und 6. Februar 2019 hat die Beteiligte als Erbin der Erwerber
den Vollzug der o.g. Urkunden und die Eigentumsumschreibung auf sie beantragt.
Das Grundbuchamt hat am 7. Februar 2019 darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob die
Auflassungsurkunde vom 23. November 1976 auch die Bewilligungserklärung des Veräußerers
ersetze. Außerdem sei das Grundstück durch Auflassung vom 16. August 2016 veräußert
und die Eigentumsumschreibung am 10. Januar 2017 im Grundbuch vollzogen worden.
Im Übrigen sei die Vorlage von Erbnachweisen (Erbscheine oder notarielles Testament
nebst Eröffnungsprotokoll) nach beiden Ehegatten erforderlich. Am 8. Februar 2019 hat das

Grundbuchamt nach der zwischenzeitlichen Vorlage von Unterlagen im Wege einer Zwischenverfügung
mitgeteilt, dass die erforderliche Auflassung in grundbucherforderlicher
Form fehle. Des Weiteren seien auch verschiedene Genehmigungen erforderlich, die der
vorgelegten Urkundensammlung nicht beigefügt seien. Mit Verfügung vom 20. Februar 2019
hat das Grundbuchamt seine bisherigen Argumente wiederholt. Auf die Vorlage weiterer Personenstandsurkunden
und nach weiterem Schriftwechsel mit der Beteiligten hat das Grundbuchamt
mit Beschluss vom 18. Juni 2019 deren Antrag auf Eintragung des Eigentumswechsels
mit der Begründung zurückgewiesen, dass die in der Zwischenverfügung vom 8. Februar
2019 aufgezeigten Hindernisse durch die vorgelegten Dokumente nicht zu beheben gewesen
seien.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 26. Juli 2019 hiergegen
Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die damaligen Käufer
nicht für die pflichtwidrige Unterlassung der Weiterleitung der Urkunde vom 23. November
1976 verantwortlich seien. Sie hätten ihre Pflichten vollständig erfüllt. Im Übrigen sei davon
auszugehen, dass spätestens bei Zuordnung der Notariatsakten aus dem Staatlichen Notariat
zum hiesigen Amtsgericht das Grundbuchamt als dessen Organisationseinheit auch
Kenntnis über die Urkunde vom 23. November 1976 gehabt habe. Der Antrag der Beteiligten
vom 6. Februar 2019 knüpfe an die unerledigte Antragskonstellation aus 1976 an und bedürfe
der Ausführung. Dieser Rechtsanspruch unterliege auch nicht der Verjährung. Unverständlich
sei das Argument des Grundbuchamts, dass es von einer Vollmacht hinsichtlich
der Eigentumsumschreibung ausgehe, aber gleichwohl meine, dass in der Auflassungsurkunde
vom 23. November 1976 nur ein Antrag des Vaters der Beteiligten auf Eigentumsumschreibung
enthalten sei, keine Bewilligungserklärung des Veräußerers. Aus dem verfahrensrechtlichen
Kontext des Urkundsinhalts aus der entsprechenden Formulierung vom
10. September 1973 habe – immerhin unter Federführung des Staatlichen Notariats – nur
geschlussfolgert werden können, dass die Auflassungserklärung in alleinigen Händen des
Vaters der Beteiligten gelegen habe. Nichts anderes habe dieser dann im Jahr 1976 veranlasst.
Das Eintragungsgeschehen zum Grundbuch aus den Jahren 2016/2017 könne dem
Antrag der Beteiligten nicht entgegenstehen. Die jetzt begehrte Eigentumsübertragung erfolge
offenkundig gegen die tatsächlich als unrichtig zu bezeichnende Eigentumslage.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Juli 2019 ohne weitere Begründung
nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Grundbuchamt dem Antrag der Beteiligten auf Eintragung als Eigentümerin
nicht entsprochen.

Gemäß § 20 GBO darf die Auflassung eines Grundstücks im Grundbuch nur eingetragen
werden, wenn die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Rechtsübergang
(Auflassung, § 925 BGB) und daneben gemäß § 19 GBO die Bewilligung des in dem
Recht Betroffenen erklärt und dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen
sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Zwar dürfte H. H. durch den Vertrag vom 10. September 1973 durch seine Ehefrau
und die beiden Veräußerer zur Erklärung der Auflassung und damit zugleich auch zur Abgabe
der Eintragungsbewilligung für die anderen Urkundsparteien bevollmächtigt worden
sein und in der Urkunde vom 23. November 1976 auch entsprechende Erklärungen für jene
abgegeben haben. Auf dieser Grundlage können die Urkundsparteien an die Auflassung im
Ausgangspunkt bereits vor der Eintragung gemäß § 873 Abs. 2 BGB durch den notariellen
Vertragsabschluss gebunden sein, was auch gegen deren Gesamtrechtsnachfolger – hier
die Beteiligte und die etwaigen Erben der Eheleute P. – wirkt. Auflassung und Bewilligung
hätten also grundsätzlich auch noch nach mehreren Jahrzehnten Grundlage für die
Eintragung der Beteiligten sein können (z. B. OLG München, Beschluss vom 5. Dezember
2017, 34 Wx 402/17, zitiert nach Juris).

Indes besteht für den derzeit eingetragenen Eigentümer G. R. keine Bindung an
die seinerzeitige Auflassung vom 23. November 1976. Eine Bindung an die Einigungserklärung
eines Rechtsvorgängers scheidet nämlich aus, wenn in die Gesamtrechtsnachfolge
durch einen Erwerb aufgrund Rechtsgeschäfts unterbrochen ist (z. B. BayObLG, Beschluss
vom 6. Mai 1999, 2Z BR 21/99, zitiert nach Juris; Hügel, in: BeckOK GBO, Stand 1. Juni
2019, Rdn. 60 zu § 20 GBO; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 3345; Böttcher,
in: Meikel, GBO, 11. Aufl., Rdn. 95 zu § 20 GBO; Demharter, GBO, 31. Aufl., Rdn. 44
zu § 20 GBO). G. R. ist nicht Gesamtrechtsnachfolger der damaligen Veräußerer
P. . Seine Rechtsstellung beruht vielmehr darauf, dass er das Eigentum an dem
Grundstück nicht im Wege der Gesamtnachfolge, sondern durch Rechtsgeschäft gemäß §§
873, 925 BGB erworben hat, nämlich durch Auflassung vom 16. August 2016 und Eintragung
in das Grundbuch am 10. Januar 2017.

Ebenso wenig war eine Eintragung der Beteiligten nach § 22 GBO unabhängig von der Bewilligung
des Berechtigten vorzunehmen. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs ist nicht dahingehend
nachgewiesen, dass die Beteiligte statt des eingetragenen G. R. Eigentümer
des Grundstücks ist. Mangels Eintragung von H. und M. H. als Eigentümer
in das Grundbuch konnte die Beteiligte in deren Gesamtrechtsnachfolge kein Eigentum
an dem Grundstück erwerben. Soweit sich die Beteiligte hilfsweise auf einen Eigentumserwerb
nach § 927 BGB beruft, fehlt es offensichtlich an der Durchführung des erforderlichen
Aufgebotsverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 84 FamFG. Der Geschäftswert ist nach § 79
Abs. 1 Satz 1 GNotKG festzusetzen und - mangels näherer Anhaltspunkte - nach § 36
Abs. 3 GNotKG zu bemessen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde
(§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Naumburg

Erscheinungsdatum:

21.10.2019

Aktenzeichen:

12 Wx 38/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
In-sich-Geschäft
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 925; GBO §§ 19, 20, 29