OLG Hamm 15. November 2019
10 W 143/17
BGB §§ 2229 Abs. 4, 2232 Abs. 1; BeurkG §§ 13 Abs. 1 S. 1, 15, 17, 30; FamFG § 352e

Anlass für ein Sachverständigengutachten der Testierfähigkeit

letzte Aktualisierung: 14.05.2020
OLG Hamm, Beschl. v. 15.11.2019 – 10 W 143/17

BGB §§ 2229 Abs. 4, 2232 Abs. 1; BeurkG §§ 13 Abs. 1 S. 1, 15, 17, 30; FamFG § 352e
Anlass für ein Sachverständigengutachten der Testierfähigkeit

1. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Testierunfähigkeit des
Erblassers besteht kein Anlass, wenn die erforderlichen Anknüpfungstatsachen, die ein
Sachverständiger auswerten könnte, nicht vorliegen und vom Beschwerdeführer auch nicht
vorgetragen sind. Es darf zwar nur ausnahmsweise von der Einholung eines Gutachtens abgesehen
werden. Das ist jedenfalls aber dann der Fall, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, die von
ihm festgestellten Tatsachen reichen auch bei Beauftragung eines Sachverständigen nicht aus, um
sichere Rückschlüsse auf die Testierunfähigkeit des Erblassers zuzulassen.
2. Der Wirksamkeit eines Testaments steht nicht entgegen, dass der vorgesehene Erbe die
Errichtung des Testaments maßgeblich veranlasst hat. Ein Notar hat gemäß § 17 BeurkG den Willen
des Erblassers zu erforschen und muss sich bei der Beurkundung davon überzeugen, dass der von
dem Dritten vorgetragene Wille mit den eigenen Vorstellungen des Erblassers übereinstimmt, und
sich dies von dem Erblasser persönlich bestätigen lassen.
3. Stellt sich nachträglich bei der Beurkundung heraus, dass der Erblasser seinen Namen nicht
schreiben kann, dann muss ein zweiter Notar hinzugezogen und in dessen Gegenwart dem
schreibunfähigen Erblasser die Niederschrift erneut vorgelesen werden.

Gründe

I.
Die Erblasserin war die Mutter der Beteiligten. Sie befand sich seit Anfang Dezember 2014
in einer Pflegeeinrichtung. Nachdem die Erblasserin sich seit Ende des Jahres 2014 in
stationärer Behandlung im B-Hospital in L befunden hatte, kehrte sie im Januar 2015 in die
Pflegeeinrichtung zurück, wo sich ihr körperlicher und geistiger Zustand jedoch
zunehmend verschlechterte.

Da die Erblasserin den Wunsch zu sterben artikuliert hatte und nicht mehr essen wollte,
veranlasste der Beschwerdegegner den Besuch eines Seelsorgers, des Hausarztes sowie
des Notars N bei der Erblasserin. Am 02.02.2015, dem Todestag der Erblasserin, machte
zunächst der Hausarzt einen Krankenbesuch bei der Erblasserin und verschrieb ihr ein
morphiumhaltiges Medikament. Danach erhielt die Erblasserin von 16.00 Uhr bis 16.40
Uhr Besuch des Pastors. Während dieser Zeit und noch bis kurz vor 17.00 Uhr war der
Antragsteller bei der Erblasserin anwesend. Nachdem dieser gegen 17.00 Uhr das
Sterbezimmer verlassen hatte und der Beschwerdegegner zurückgekehrt war, erschien
der Notar zur Beurkundung eines Testaments mit folgendem Wortlaut: „Zu meinem
alleinigen Erben setze ich meinen Sohn, S, geb. am 00.00.1964, ein. Weitere Verfügungen
von Todes wegen will ich nicht treffen.“ Nachdem der Notar das Testament vorgelesen
hatte, stellte sich heraus, dass die Erblasserin nicht mehr in der Lage war, ihre Unterschrift
zu leisten. Daraufhin verständigte der Notar N den Notar H, um diesen bei der
Beurkundung als Zeugen hinzuzuziehen. Der Notar H erschien gegen 18.00 Uhr im
Sterbezimmer. Auf die Frage des Notars, ob das Testament ihrem Willen entspreche, gab
die Erblasserin ihre Zustimmung mit einem gehauchten „Ja“ zum Ausdruck. Ob zuvor das
Testament im Beisein des Notars H erneut verlesen worden war, ist zwischen den
Beteiligten streitig. Kurz nach der Beurkundung verstarb die Erblasserin um 18.30 Uhr.
Nach dem Tod der Erblasserin veranlasste der Beschwerdeführer die Einleitung eines
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdegegner wegen des
Verdachts der vorsätzlichen Tötung durch Verabreichung des Medikaments Atosil. Das
Ermittlungsverfahren wurde nach Vernehmung des Beschwerdeführers eingestellt.

Der Beschwerdeführer hat einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der
ihn und den Beschwerdegegner als Miterben zu je ½ ausweist. Dazu hat er vorgetragen,
zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments sei die Erblasserin nicht mehr testierfähig
gewesen. Ein gehauchtes „Ja“ reiche für die Wirksamkeit der Beurkundung nicht aus. Der
Inhalt des Testaments sei mit der Erblasserin vor der Beurkundung nicht erörtert worden.
Die Erblasserin sei nicht mehr in der Lage gewesen, die juristischen Zusammenhänge des
Testaments, insbesondere die Einsetzung des Beschwerdegegners als Alleinerben
nachzuvollziehen. Dass der Beschwerdegegner Alleinerbe werde, sei nicht der Wunsch
der Erblasserin gewesen. Es sei die Vorstellung der Erblasserin gewesen, dass ihr
Vermögen unter den Söhnen aufgeteilt werde. Er habe sich in den letzten Jahren vor dem
Tod der Erblasserin allein um diese gekümmert. Er sei vom Beschwerdegegner über das
Testament erst im Nachhinein in Kenntnis gesetzt worden.

Der Beschwerdegegner hat vorgetragen, der Beschwerdeführer habe unberechtigt auf
Konten der Erblasserin zugegriffen. Auf diese Weise habe er ihr 60.000 EUR entzogen. Er
habe im Haushalt der Erblasserin in prekären Verhältnissen gelebt, öffne seine Post nicht,
sei erwerbslos, ohne Einkommen und hoch verschuldet. Die Stadtwerke hätten die
Versorgungsleitungen abgeklemmt. Er, der Beschwerdegegner, habe immer wieder mit
Geld ausgeholfen. Zwischen ihnen sei besprochen worden, dass er, der
Beschwerdegegner, Testamentserbe werden solle. Das habe er auch am Tag vor deren
Tod mit der Erblasserin besprochen und auf Wunsch der Erblasserin den Notar
verständigt. Er habe mit der Erblasserin auf den Notar gewartet und dabei mit ihr
Kreuzworträtsel gelöst. Die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch
testierfähig gewesen. Sowohl der beurkundende Notar als auch der hinzugezogene Notar
H hätten daran keine Zweifel gehabt. Sie hätten der Erblasserin Fragen zur Orientierung
gestellt, die von der Mutter klar beantwortet worden seien. Auch die Pflegeleiterin des
Pflegeheims sei von der Testierfähigkeit der Erblasserin ausgegangen. Das vom Hausarzt
verschriebene Medikament habe die Erblasserin nicht eingenommen.

Auf Befragung durch das Amtsgericht hat der Notar H schriftlich mitgeteilt, dass die
Erblasserin seiner Meinung nach der Burkundung habe folgen können. Sie habe mit einem
gehauchten „ja“ bestätigt, dass das Testament ihrem letzten Willen entspreche. Es habe
keine Anzeichen für ihn gegeben, an der Testierfähigkeit zu zweifeln. Wegen der näheren
Einzelheiten wird auf die schriftliche Stellungnahme vom 24.02.2016 Bezug genommen.
Der Notar N hat ebenfalls schriftlich bestätigt, dass sich nach seinem persönlichen
Eindruck keine Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin ergeben hätten. Diese sei
zwar nicht mehr zur Unterschriftsleistung in der Lage gewesen, habe in Gegenwart des
Notars H aber mit einem gehauchten „ja“ bestätigt, dass das Testament ihrem letzten
Willen entsprochen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche
Stellungnahme vom 03.03.2016 verwiesen. Der Gemeindepfarrer, der die Erblasserin an
ihrem Todestag besucht hatte, hat schriftlich erklärt, dass ihm die Erblasserin geistig klar
erschienen sei und es keine „verwirrten“ Äußerungen gegeben habe. Der behandelnde
Hausarzt Dr. E hat zunächst schriftlich mitgeteilt, dass es am Todestag der Erblasserin
Anzeichen für eine Testierunfähigkeit gegeben habe. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf das Schreiben vom 18.01.2017 Bezug genommen. Das Amtsgericht hat ferner
Beweis erhoben durch die persönliche Vernehmung der Pflegeleiterin V und des
Hausarztes Dr. E als Zeugen. Wegen der näheren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird
auf die Sitzungsniederschriften vom 21.11.2016 und 26.06.2017 verwiesen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag des
Beschwerdeführers auf Erteilung eines gemeinsamen Erbscheins zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, der Erbscheinsantrag sei unbegründet, da aufgrund des
wirksamen notariellen Testaments der Beschwerdegegner Alleinerbe geworden sei. Von
der Testierfähigkeit der Erblasserin sei auszugehen, denn es habe nicht festgestellt
werden können, dass die Erblasserin testierunfähig gewesen sei. Die dafür gem. § 2229
Abs. 4 BGB erforderliche Feststellung der mangelnden Einsichtsfähigkeit der Erblasserin
über die Bedeutung der Willenserklärung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung habe
nicht getroffen werden können. Dem Antragsteller sei der Beweis dafür nicht gelungen.
Lediglich der Zeuge Dr. E habe Zweifel an der Testierfähigkeit geäußert. Dessen Angaben
reichten indessen nicht aus, da er konkrete Feststellungen nicht habe begründen können.
Hinsichtlich der Einnahme von Medikamenten durch die Erblasserin sei er überdies von
falschen Tatsachen ausgegangen. Der Zeuge habe seine Einschätzung auf allgemeine
Erfahrungswerte gestützt, nicht jedoch auf konkrete Wahrnehmungen vom Zustand der
Erblasserin. Demgegenüber hätten die Zeugin V und der Zeuge Z glaubhaft bekundet,
dass die Erblasserin noch geistig klar gewesen sei. Auch aus den schriftlichen
Äußerungen der beiden beteiligten Notare gingen keine Anhaltspunkte hervor, die auf eine
Testierunfähigkeit schließen ließen. Mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen seien
weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens
entbehrlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, der
seinen Erbscheinsantrag weiter verfolgt. Er trägt vor, die Erblasserin habe nie die Absicht
gehabt, die beurkundete Erklärung abzugeben. Das Testament sei allein auf Veranlassung
des Beschwerdegegners errichtet worden. Der Entwurf sei nicht mit der Erblasserin
erörtert worden. Entgegen den gesetzlichen Vorschriften sei das Testament kein zweites
Mal im Beisein des Notars H vorgelesen worden. Dies habe ihm der Beschwerdegegner
selbst erklärt, nachdem er, der Beschwerdeführer, wieder in das Sterbezimmer
zurückgekehrt sei. Die Kritik an der Aussage des Zeugen Dr. E sei schließlich
unberechtigt.

Der Beschwerdegegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er trägt vor, der
Beschwerdeführer habe ins Blaue hinein behauptet, das Testament sei kein zweites Mal
vorgelesen worden. Der handschriftliche Zusatz des Notars N bestätige jedoch, dass das
Testament ein weiteres Mal verlesen worden sei.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Verfahrensstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Der Senat
hat die Beteiligten gem. § 34 FamFG persönlich angehört sowie den Notar H gem. § 30
Abs. 2 FamFG förmlich als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung
und der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll nebst Berichterstattervermerk
vom 31.10.2019 Bezug genommen.

II.
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist gemäß §§ 352 ff. FamFG statthaft
und im übrigen gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 63
Abs. 1 FamFG eingelegt worden.

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Dem Erbscheinsantrag
des Beschwerdeführers hat das Amtsgericht zu Recht nicht entsprochen. Der sich auf die
gesetzliche Erbfolge stützende Antrag des Beschwerdeführers ist unbegründet, denn
durch das notarielle Testament der Erblasserin vom 02.02.2015 ist der Beschwerdegegner
zum Alleinerben berufen worden. Dass dieses Testament unwirksam ist, konnte der Senat
nicht feststellen.

a) Das Amtsgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung davon
ausgegangen, dass die Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht feststellbar ist.

aa) Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen
krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder
Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen
Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Um testierfähig zu sein,
muss der Erblasser Inhalt und Tragweite seiner letztwilligen Verfügungen verstehen
können. Insbesondere muss er in der Lage sein, sich ein Urteil zu bilden über die
Auswirkungen seiner Verfügungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung
sprechen. Entsprechend selbstständig, also unabhängig von den Einflüssen Dritter, muss
er handeln (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., § 2229 BGB Rn. 4 m.w.Nw.). Dass
er kraft eigenen Entschlusses Anregungen eines Dritten aufnimmt oder ggf. auch dessen
Forderungen und Erwartungen berücksichtigt, steht dem aber nicht entgegen (BayObLG,
Beschl. v. 02.11.1989, BReg 1 a Z 52/88, juris Rn. 42). Auch eine geistige Erkrankung des
Erblassers steht der Gültigkeit eines Testaments nicht entgegen, wenn dieses von der
Erkrankung nicht beeinflusst ist (vgl. Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., § 2229 BGB
Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.10.2013, 3 Wx 116/13, juris Rn. 24; OLG Hamm,
Urteil vom 26. Februar 2015 – I-10 U 18/13 –, juris). Es geht daher auch nicht darum, den
Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu überprüfen, sondern nur
darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen zustande kam (vgl. BayObLG,
Beschl. v. 17.08.2004, 1Z BR 53/04).

Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser bis zum Beweis
des Gegenteils als testierfähig anzusehen. Testierunfähigkeit muss also zur vollen
Gewissheit des Gerichts feststehen – bloße Zweifel an der Testierfähigkeit reichen nicht
aus. Dies gilt auch im Erbscheinsverfahren für die Feststellungslast, wenn trotz
Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten unbehebbare Zweifel verbleiben (Palandt-
Weidlich, BGB, § 2229 Rn. 11).

bb) Gemessen an diesen Kriterien kann eine Testierunfähigkeit der Erblasserin
zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht mit der erforderlichen Gewissheit
festgestellt werden.

(1) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers reichen die Angaben des
Hausarztes Dr. E dafür nicht aus. Das hat das Amtsgericht zutreffend erkannt. Auch nach
Auffassung des Senats kann die sichere Annahme der Testierunfähigkeit der Erblasserin
nicht auf die Aussage des Zeugen Dr. E gestützt werden. Der Zeuge musste im Rahmen
seiner förmlichen Vernehmung durch das Amtsgericht gleich zu Beginn einräumen, keine
sichere Erinnerung mehr an die Vorgänge gehabt zu haben. Insoweit begegnet bereits
seine Einschätzung, bei seinem Besuch sei die Erblasserin noch ansprechbar, aber nicht
mehr orientiert gewesen, erheblichen Bedenken. Dass die Erblasserin nicht mehr orientiert
gewesen sei, hat der Zeuge lediglich aus der Einseitigkeit ihrer Reaktionen auf seine
Fragen geschlossen. Der Zeuge musste aber zugeben, außer der Frage nach Schmerzen
keine weiteren Fragen an die Erblasserin gestellt zu haben. Konkrete Feststellungen zum
Zustand der Erblasserin hat der Zeuge hingegen nicht getroffen. Seine Einschätzung, die
Erblasserin habe sich im Präfinalstadium kurz vor dem Tod befunden, beruhte – wie der
Zeuge selbst angegeben hat – auf der allgemeinen Erfahrung, dass Patienten im Stadium
kurz vor ihrem Tod nicht mehr im Besitz ihrer geistigen Kräfte seien, da sie – so der Zeuge
- in einen Dämmerzustand gelangten, in dem ihre Funktionen eingeschränkt seien. Ob
dies allerdings auch auf die Erblasserin zugetroffen habe, konnte der Zeuge nicht
bestätigen. Er hat vielmehr eingeräumt, dass es auch in der Präfinalphase
unterschiedliche Zustände der Patienten gäbe und diese auch kurzfristig wechseln
könnten. Deshalb sei es durchaus möglich, wie der Beschwerdegegner vorgetragen hat,
dass die Erblasserin noch an ihrem Todestag Kreuzworträtsel gelöst habe. Weiterhin hat
das Amtsgericht richtig gewürdigt, dass der Zeuge bei seiner Einschätzung unzutreffend
davon ausgegangen sei, dass die Erblasserin das von ihm verordnete Beruhigungs- und
Schlafmittel eingenommen hatte, was aber tatsächlich - wie die Zeugin V bestätigt hat –
nicht der Fall gewesen ist. Auch die Annahme des Zeugen E, die geistigen Kräfte der
Erblasserin seien durch die senile Demenz, an der sie gelitten habe, eingeschränkt
gewesen, reicht zur Feststellung der Testierunfähigkeit nicht aus. Bei Altersdemenz kommt
es auf das Gesamtverhalten und das Gesamtbild der Persönlichkeit zum Zeitpunkt der
Testamentserrichtung an (vgl. BayObLG, Beschl. v. 06.11.1995, 1Z BR 56/95, juris Rn. 38;
OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.03.1998, 7 U 210/95, juris).

Für eine fundierte Beurteilung des Gesamtbildes der Persönlichkeit der Erblasserin fehlen
indessen hinreichende Anknüpfungstatsachen. Im Gegensatz zu dem Zeugen Dr. E hat
die Zeugin V bei ihrer förmlichen Vernehmung durch das Amtsgericht angegeben, die
Erblasserin sei „geistig voll dabei“ gewesen. Die Erblasserin habe gesagt, sie wolle noch
alles selber regeln, damit sich die Brüder nicht streiten. Sie habe am Todestag noch mit
dem Beschwerdegegner Kreuzworträtsel gelöst, alles „mitgekriegt“ und sie, die Zeugin,
kurz vor ihrem Tod noch erkannt.

Der Zeuge Andreas Z, der als Seelsorger bei der Erblasserin gewesen ist, hat diese
Einschätzung der Zeugin V bestätigt. Er hat angegeben, dass die Erblasserin bei seinem
Gespräch mit ihr am Todestag geistig klar gewesen sei. Es habe keinerlei „verwirrte“
Äußerungen gegeben. Auch wenn das Gespräch stockend verlaufen sei, weil die
Erblasserin schwere Atemprobleme gehabt habe, habe sie – so der Zeuge - gewusst, was
sie wollte und was sie sagte. Auch die beiden Notare, der Zeuge N und der Zeuge H, sind
von einer Testierfähigkeit ausgegangen. Sie haben gegenüber dem Amtsgericht
übereinstimmend angegeben, die Erblasserin sei bei aller körperlicher Hinfälligkeit noch
geistig wach genug gewesen, um dem Vorgang zu folgen. Es habe keinerlei Anzeichen
gegeben, an ihrer Testierfähigkeit zu zweifeln.

(2) Das Amtsgericht ist schließlich auch zu Recht davon ausgegangen, dass die
Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Testierfähigkeit der
Erblasserin nicht in Betracht kommt.

Nach § 352 e FamFG hat das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren unter Benutzung
der vom Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung der
Tatsachen erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden
Beweise zu erheben. Dem entspricht verfahrensrechtlich § 26 FamFG, der verlangt, dass
das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen
erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat. Welche Nachforschungen geboten sind,
bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die von Amts wegen
einzuleitenden und durchzuführenden Ermittlungen sind so weit auszudehnen, wie es die
Sachlage erfordert; mit anderen Worten muss das Verfahren geeignet sein, eine möglichst
zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen. Die richterliche
Aufklärungspflicht ist aber nur dann verletzt, wenn Ermittlungen, zu denen nach dem
Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht
durchgeführt worden sind; die Ermittlungen können abgeschlossen werden, wenn von
weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis
nicht mehr zu erwarten ist. Eine Grenze für die Amtsermittlung ist erreicht, wenn diese
sozusagen „ins Blaue“ hinein geschähe oder das Gericht einer lediglich denkbaren, rein
theoretischen Möglichkeit nachginge. Bei der Aufklärung haben die Beteiligten, wie sich
aus § 27 Abs. 1 und 2 FamFG ergibt, durch eingehenden Tatsachenvortrag mitzuwirken.
Ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast genügen sie, indem ihr Vortrag und die
Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche
Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2013, 782;
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. April 2015 – 11 Wx 82/14 –, juris)

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen an die Verpflichtung zur Amtsaufklärung
gem. § 26 FamFG bestand schon deshalb kein Anlass, der Frage der Testierfähigkeit der
Erblasserin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen, weil die
dafür erforderlichen Anknüpfungstatsachen, die ein Sachverständiger auswerten könnte,
nicht vorliegen und vom Beschwerdeführer entgegen § 27 FamFG auch nicht vorgetragen
worden sind. Richtig ist zwar, dass nur ausnahmsweise von der Einholung eines
Gutachtens abgesehen werden darf. Das ist aber der Fall, wenn das Gericht zu der
Überzeugung gelangt, die von ihm festgestellten Tatsachen reichten auch bei
Beauftragung eines Sachverständigen nicht aus, um sichere Rückschlüsse auf die
Testierunfähigkeit des Erblassers zuzulassen. Eine solche Annahme ist beispielsweise
gerechtfertigt, wenn keine zuverlässigen Zeugenaussagen über das Verhalten des
Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorliegen, die zum Gegenstand eines
Sachverständigengutachtens gemacht werden können (Keidel-Sternal, FamFG, § 29 Rn.
53). Auch wenn kein Anhalt dafür besteht, dass beim Erblasser von ärztlicher Seite eine
geistige Erkrankung festgestellt worden oder er wegen in diese Richtung weisender
Krankheitssymptome jemals behandelt worden ist, so ist für amtswegige
Aufklärungsmaßnahmen im Hinblick auf eine aus einer solchen Erkrankung herzuleitende
Testierunfähigkeit des Erblassers kein Raum (OLG Düsseldorf, Beschluss vom
04.11.2013 – I-3 Wx 98/13 –, juris). Im vorliegenden Fall haben sich keine Anhaltspunkte
dafür ergeben, dass die Erblasserin unter einer die Testierfähigkeit ausschließenden
geistigen Erkrankung gelitten haben könnte. Der Zeuge E hat zwar ausgesagt, dass die
Erblasserin an einer senilen Demenz gelitten habe. Ob diese Einschätzung zutrifft bzw. ob
die von dem Zeugen angenommene dementielle Entwicklung bereits so weit
fortgeschritten gewesen ist, dass von der Testierunfähigkeit ausgegangen werden muss,
lässt sich jedoch nicht feststellen. Die Aussagen der Zeugen V und Z, die
übereinstimmend bekundet haben, dass die Erblasserin keinen verwirrten Eindruck
gemacht habe, stehen der Einschätzung des Zeugen E, wie oben dargelegt, entgegen.
Weiterhin ergeben sich auch aus den im Anhörungstermin beim Amtsgericht vom
26.06.2017 als Anlage zum Protokoll genommenen Arztunterlagen, insbesondere aus dem
Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit keine Hinweise auf eine geistige
Beeinträchtigung der Erblasserin. Auf die Beiziehung und Auswertung der
Pflegedokumentation der Pflegeeinrichtung, in der die Erblasserin bis zu ihrem Tod lebte,
konnte schließlich verzichtet werden, weil nicht zu erwarten ist, dass sich daraus etwas
anderes ergibt, als aus der Aussage der als Leiterin der Pflegeeinrichtung für die Pflege
der Erblasserin zuständigen Zeugin V.

b) Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde rechtfertigt
ebenfalls keine andere Entscheidung des Senats.

aa) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann die fehlende
Testierfähigkeit nicht damit begründet werden, dass der Inhalt des Testaments im
Widerspruch zum Willen der Erblasserin steht. Der Beschwerdeführer hat dazu lediglich
vorgetragen, es habe nicht dem Willen der Erblasserin entsprochen, dass der
Beschwerdegegner Alleinerbe werden sollte. Die Erblasserin habe vor ihrer
Pflegebedürftigkeit vielmehr geäußert, dass sie die Vorstellung habe, dass ihr Erbe
dergestalt aufgeteilt werden solle, dass jeder der Söhne ein Haus erhalte und ein drittes
Haus verkauft und der Erlös aufgeteilt werde. Dieses Vorbringen lässt nicht den sicheren
Schluss zu, dass die Erblasserin derart beeinflusst worden ist, dass sie das notarielle
Testament gegen ihren wirklichen Willen gemacht hat. Er erscheint durchaus denkbar,
dass die Erblasserin, selbst wenn sie bis kurz vor ihrem Tode stets vorgehabt haben sollte,
beide Söhne gleich zu bedenken, ihre Absicht geändert und den Beschwerdegegner zum
Alleinerben bestimmt hat. Der Umstand, dass die Erblasserin das Testament errichtet hat,
spricht sogar gegen die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers. Wenn die
Erblasserin gewollt hätte, die gesetzliche Erbfolge herbeizuführen, hätte sie lediglich die
Mitwirkung bei der Testamentserrichtung zu verweigern brauchen. Das hat sie aber nicht
getan.

bb) Für die Wirksamkeit des Testaments ist es auch nicht entscheidend, dass es
auf Veranlassung des Beschwerdegegners errichtet worden ist. Der Beschwerdeführer
selbst hat dazu ausweislich seiner Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren
angegeben, der Beschwerdegegner habe das Testament mit der Mutter machen lassen
wollen, um sie beide abzusichern. Er, der Beschwerdeführer, habe enterbt werden sollen,
damit er nicht verpflichtet werden könne, Geldzahlungen zu leisten. Dies erscheint
durchaus plausibel angesichts der prekären finanziellen Lage des Beschwerdeführers.
Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers kann
das Vernehmungsprotokoll auch durchaus der Entscheidung zugrunde gelegt werden.
Dies entspricht sogar der Regelung des § 37 FamFG.

Dass der Beschwerdegegner die Errichtung des Testaments der Erblasserin maßgeblich
veranlasst hat, steht seiner Wirksamkeit auch nicht entgegen. Es spielt insbesondere
keine Rolle, dass sich der Beschwerdegegner mit dem beurkundenden Notar zunächst in
Verbindung gesetzt und mit diesem den Inhalt des Testaments besprochen hat. Zwar
werden die Vorverhandlungen, in denen der Notar den letzten Willen eines Erblassers
erörtert, in der Regel mit diesem selbst geführt. Zulässig ist es aber auch, dass der
Erblasser einen Dritten ermächtigt, die für einen Testamentsentwurf notwendigen Angaben
dem Notar in der Vorverhandlung vorzutragen (OGHZ 2, 45 = NJW 1949, 544; BGHZ 2,
172), so dass der Notar den Entwurf nach Angaben des Erblassers – wie hier geschehen -
auch in dessen Abwesenheit fertigen kann (Staudinger/Baumann (2018), BGB, § 2232 Rn.
28). Zwar hat der Notar in einem solchen Fall mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob der
Dritte von der Testamentsgestaltung profitiert, und in einem solchen Fall den Erblasser im
Beurkundungsverfahren besonders gründlich zu befragen, ob der vom Dritten
vorgetragene letzte Wille mit seinen eigenen Vorstellungen übereinstimmt. Auch wird sich
der Notar, der gemäß § 17 BeurkG den Willen des Erblassers zu erforschen hat (Palandt-
Weidlich, BGB, § 2232 Rn. 4), bei der Beurkundung davon überzeugen müssen, dass der
vom Dritten vorgetragene letzte Wille mit den eigenen Vorstellungen des Erblassers
übereinstimmt und sich im Einzelnen den letzten Willen vom Erblasser persönlich
bestätigen lassen (Staudinger/Baumann (2018) BGB § 2232c Rn. 29). Dieser
Verpflichtung ist der beurkundene Notar N aber hinreichend nachgekommen. Der Zeuge N
hat in seiner schriftlichen Aussage angegeben, dass die Erblasserin bei der Verlesung des
Testaments ihm mit ihrem Blick zugewandt gewesen sei und bei einzelnen Passagen des
Testaments genickt habe. Der Zeuge H hat im Übrigen bestätigt, dass der Notar N gefragt
habe, ob der Wortlaut des Testaments „so richtig“ sei und die Erblasserin dies erklärt habe.
cc) Die Wirksamkeit des Testaments wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass
die Erblasserin ihren letzten Willen nur mit einem gehauchten „ja“ erklärt hat, wie die
beiden Notare N und H in ihren Aussagen bekundet haben. Der Zeuge H hat bei seiner
Vernehmung durch den Senat hinzugefügt, dass das „ja“ deutlich vernehmbar gewesen
sei. Es habe sich dabei nicht um eine unartikulierte Äußerung gehandelt. Daher reicht
diese Bekundung der Erblasserin aus. Nach § 2232 S. 1 1. Alt. BGB kann ein Erblasser
ein Testament errichten, indem er dem Notar seinen letzten Willen mündlich erklärt. In der
Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Testamentserrichtung durch mündliche Erklärung
des letzten Willens auch dann noch vorliegt, wenn der Erblasser zu einem ihm
vorgelesenen Testamentsentwurf – einerlei, wer diesen Entwurf erstellt hat – ein
verständliches "Ja" sagt (Palandt-Weidlich, BGB, § 2232 Rn. 2; OLG Hamm, Beschl. v.
09.11.1988 – 15 W 198/87 –, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 11.10.2012 – I-15 W 265/11 –,
FamRZ 2013, 1424). Selbst die Genehmigung durch ein schwer verständliches „Ja“,
sofern die mitwirkenden Personen (Notar und Zeugen) das „ja“ noch verstehen können,
hätte als mündliche Erklärung ausgereicht, ebenso wie ein Kopfnicken oder Kopfschütteln
bzw. jede Art von Geste oder Gebärde (Staudinger/Baumann (2018), BGB, § 2232 Rn.
32). Die beiden anwesenden Notare haben jedenfalls übereinstimmend angegeben, dass
sie das gehauchte „ja“ als Zustimmung der Erblasserin verstanden hätten.

dd) Unerheblich ist deshalb auch, dass der Schlussvermerk unter dem Testament
nicht erkennen lässt, dass die Erblasserin die letztwillige Verfügung mündlich zumindest
mit einem „ja“ bestätigt hat. Die Erklärung des letzten Willens i.S.d. § 2232 S. 1, 1. Alt.
BGB und die Genehmigung der Niederschrift i.S.v. § 13 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. BeurkG können
in der Praxis zusammenfallen (Palandt/Weidlich, BGB, § 2232, Rn. 7). Für eine mündliche
Erklärung des letzten Willens reicht es aus, wenn der Erblasser den vorgelesenen Text mit
einem verständlichen Schluss-Ja genehmigt. Davon, dass dies hier erfolgt ist, ist nach den
obigen Ausführungen auszugehen. Abgesehen davon, können die Erklärung des letzten
Willens i. S. d. § 2232 S. 1, 1. Alt. BGB und die Genehmigung der Niederschrift i.S.v. § 13
Abs. 1 S. 1, 1. Hs. BeurkG auch konkludent (z.B. durch Gebärden oder Zeichen wie
Kopfnicken oder Kopfschütteln) erfolgen (Palandt-Weidlich, a.a.O., Rn. 2 und 7). Der
Schlussvermerk muss keine Angabe dazu enthalten, auf welche Weise der Erblasser die
Genehmigung erklärt hat (vgl. § 13 Abs. 1 S. 2 BeurkG).

ee) Soweit der Beschwerdeführer seine Beschwerde entscheidend auf die
Behauptung stützt, das Testament sei nach dem Eintreffen des Notars H nicht (noch
einmal) verlesen worden, kann der Senat dem nicht folgen. Diese Tatsachenbehauptung
beruht nicht auf eigener Wahrnehmung des Beschwerdeführers, denn der
Beschwerdeführer ist bei der Beurkundung nicht zugegen gewesen. Schon deshalb sind
Zweifel an ihrer Richtigkeit angebracht. Seine Behauptung, der Beschwerdegegner habe
ihm bei seinem Eintreffen im Sterbezimmer bestätigt, dass die Urkunde nicht noch einmal
verlesen worden sei, wird durch objektive Anhaltspunkte nicht gestützt. Insbesondere
ergibt sich dies nicht aus der polizeilichen Zeugenaussage des Beschwerdeführers. Seine
bloße Annahme, die kurze Zeit bis zum Tod der Erblasserin habe nicht mehr die
Möglichkeit eines weiteren Verlesens der Testamentsurkunde zugelassen, reicht jedenfalls
nicht aus. Nach Auffassung des Senats bestehen insoweit keine Bedenken gegen die
Wirksamkeit des Testaments.

Nach § 25 BeurKG muss ein Zeuge oder ein zweiter Notar hinzugezogen werden, wenn
nach der Überzeugung des beurkundenden Notars der Erblasser seinen Namen nicht zu
schreiben vermag. Das war hier der Fall, denn es stellte sich nach dem Verlesen der
Testamentsurkunde heraus, dass die Erblasserin nicht mehr dazu in der Lage war, ihren
Namen leserlich unter die Urkunde zu schreiben. Daraufhin hat der Notar N den Notar H
als Zeugen herbeigerufen. Allerdings muss nach § 25 S. 1 BeurKG der zweite Notar beim
Vorlesen und bei der Genehmigung der Niederschrift anwesend sein. Stellt sich erst
nachträglich heraus, dass ein Beteiligter seinen Namen nicht schreiben kann, so muss in
Gegenwart des zweiten Notars die Niederschrift dem schreibunfähigen Beteiligten deshalb
erneut vorgelesen und von ihm genehmigt werden. Auf die Hinzuziehung von Zeugen
können die Beteiligten, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, nicht mehr verzichten
(Staudinger/Hertel (2017) Beurkundungsgesetz Rn. 558; Lerch in: Lerch,
Beurkundungsgesetz, Dienstordnung und Richtlinienempfehlungen der BNotK, 5. Aufl.
2016, § 25 BEURKG Rn. 10, BGHZ 27, 274; Staudinger/Baumann (2018) BGB § 2232 Rn. 40).

Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Urkunde sei im Beisein des Notars H nicht
mehr verlesen worden, ist nach der Überzeugung des Senats nicht erwiesen. Sowohl der
Notar N als auch der Notar H haben in ihren gegenüber dem Amtsgericht abgegebenen
schriftlichen Stellungnahmen das Gegenteil angegeben, nämlich, dass das Testament,
nachdem der Notar H hinzugezogen worden sei, ein zweites Mal vorgelesen worden sei.
Danach sei das Testament noch mit einem handschriftlichen Zusatz versehen worden. Der
Zeuge H hat dies auch noch einmal bei seiner förmlichen Vernehmung durch den Senat
bestätigt. Er hat den Ablauf der Beurkundung im Einzelnen detailliert geschildert und dazu
ausdrücklich angegeben, dass das Testament in seinem Beisein vollständig, einschließlich
der Formalien vorgelesen worden sei. Der Zeuge hat hinzugefügt, dass der Notar N ihm
erzählt habe, das Testament vor seinem Eintreffen bereits schon einmal vorgelesen zu
haben. Auch auf eindringliches Befragen durch den Verfahrensbevollmächtigten des
Beschwerdeführers ist der Zeuge bei seiner Aussage geblieben und hat bekräftigt, dass in
seinem Beisein das Testament verlesen worden sei. Der Senat hat daher keine
Veranlassung an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen H zu zweifeln.

Die förmliche Vernehmung des Notars N gem. § 30 Abs. 3 FamFG war hingegen zur
weiteren Ermittlung des Sachverhalts nicht mehr erforderlich. Seine nichtförmliche,
schriftliche Aussage, die der Zeuge N gegenüber dem Amtsgericht abgegeben hatte,
reichte gem. § 37 Abs. 1 FamFG als Grundlage für die Entscheidung des Senats aus.
Eine Verpflichtung zur förmlichen Vernehmung des Zeugen N besteht nicht. Nach § 29
FamFG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise in geeigneter Form, so dass
grundsätzlich auch eine nicht förmliche Beweisaufnahme erfolgen kann. Nach § 30 Abs. 3
FamFG soll eine förmliche Beweisaufnahme über die Richtigkeit einer
Tatsachenbehauptung stattfinden, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf
die Feststellung dieser Tatsache stützen will und die Richtigkeit von einem Beteiligten
ausdrücklich bestritten wird. Da der Senat aber seine Entscheidung nicht auf die
Behauptung des Beschwerdeführers stützt, war eine förmliche Vernehmung des Zeugen N
nicht durchzuführen.

Eine förmliche Vernehmung ist, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, nur
erforderlich, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Tatsachenbehauptung nach
dem Ergebnis bisheriger Ermittlungen für wahr hält und sie daher seiner Entscheidung
zugrunde legen will. In diesem Fall soll das Gericht insoweit eine positive Überzeugung
vom Vorliegen einer Tatsache noch einmal durch den Strengbeweis überprüfen (BT-Drs.
16/6308, 190). Soweit vertreten wird, dass sich eine solche Einschränkung der
Verpflichtung zur Erhebung des Strengbeweises dem § 30 Abs. 3 FamFG nicht
entnehmen lasse und die Notwendigkeit, die Durchführung einer förmlichen
Beweisaufnahme von einem vorgeschalteten Freibeweisverfahren abhängig zu machen,
nicht bestehe (Keidel-Sternal, FamFG, § 30 Rn. 10; Feskorn in: Zöller, FamFG, § 30
FamFG), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Denn eine Tatsache ist nur dann
entscheidungserheblich, wenn das Gericht sich eine vorläufige Überzeugung von der
Richtigkeit der behaupteten Tatsache geschaffen hat. Zweifelt hingegen das Gericht an der
Wahrheit einer Tatsachenbehauptung oder hält es sie für unwahr, so ist § 30 Abs. 3
FamFG schon nach seinem Wortlaut nicht einschlägig (Prütting in: Prütting/Helms,
FamFG, § 30 FamFG Rn. 11; MüKoFamFG/Ulrici, FamFG, § 30 Rn. 13, 14; BeckOK
FamFG/Burschel, FamFG, § 30 Rn. 12, 13; Musielak/Borth/Borth/Grandel, FamFG, § 30
Rn. 3-4; Rüntz in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 30 Rn. 15).

Die durchgeführte Beweisaufnahme im Wege der Einholung schriftlicher Stellungnahmen
sowie durch die zusätzliche förmliche Vernehmung des Zeugen H hat aber – wie bereits
ausgeführt – nicht ergeben, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Tatsache, ein
nochmaliges Verlesen der Urkunde habe nicht stattgefunden, tatsächlich stimmt. Insoweit
ist die Behauptung des Beschwerdeführers nicht entscheidungserheblich, denn der Senat
legt seiner Entscheidung statt dessen die Feststellung zugrunde, dass das Testament
aufgrund abermaligen Verlesens im Beisein des Notars H, wie von diesem bekundet,
wirksam zustande gekommen ist. Eine Bestätigung dieser Feststellung durch eine
förmliche Vernehmung des Zeugen N war nicht gem. § 30 Abs. 1 FamFG geboten, da die
Beweisaufnahme nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben hat, dass die
Behauptung des Beschwerdeführers der Wahrheit entspricht. Schließlich hat er seine
Behauptung auch nur auf die Vermutung stützen können, dass die Zeit bis zum Tod der
Erblasserin für ein nochmaliges Vorlesen der Urkunde nicht ausgereicht habe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Voraussetzungen für die Zulassung
der Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Weder hat die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

15.11.2019

Aktenzeichen:

10 W 143/17

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testierfähigkeit
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Testamentsform

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 464-468

Normen in Titel:

BGB §§ 2229 Abs. 4, 2232 Abs. 1; BeurkG §§ 13 Abs. 1 S. 1, 15, 17, 30; FamFG § 352e