Beschaffenheitsvereinbarungen
letzte Aktualisierung: 21.02.2020
OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2019 – 3 U 62/18
BGB §§ 125, 311b Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 S. 2 u. 3;
Beschaffenheitsvereinbarungen
Angaben zur Beschreibung eines Grundstücks in Vorfeld des Vertragsschlusses, die im notariellen
Vertrag keinen Niederschlag mehr finden, stellen in aller Regel keine Beschaffenheitsvereinbarung dar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Nichtigkeit eines notariellen Grundstückskaufvertrages.
Mit Urteil vom 25.06.2018 hat das Landgericht Neubrandenburg festgestellt, dass der zwischen den Parteien
am 04.03.2013 vor dem Notar M. P. mit dem Amtssitz in M. zur Urkundenrolle Nr. 175/2013 geschlossene
Grundstückskaufvertrag nichtig ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, Anträge sowie Entscheidungsgründe nimmt der Senat
gemäß
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Klage weiter.
Das Landgericht habe dem Hilfsantrag zu Unrecht stattgegeben. Mit der Stattgabe des auf Feststellung der
Nichtigkeit gerichteten Hilfsantrages beruhe das landgerichtliche Urteil auf einer Verletzung des Rechts sowie
fehlerhaften und unvollständigen Sachverhaltsfeststellungen.
Rechtsirrig gehe das Landgericht davon aus, dass die Parteien eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung
hinsichtlich der Bebaubarkeit des von der Klägerin erworbenen Grundstücks getroffen hätten. Resultierend
hieraus stelle es die Nichtigkeit des Kaufvertrages fest, weil dies trotz Beurkundungserfordernis des § 311b
Abs. 1 BGB nicht mitbeurkundet worden sei.
Das Landgericht habe zwar noch zutreffend erkannt, dass es eine ausdrückliche Zusicherung seitens des
Beklagten für eine Bebaubarkeit des Grundstücks nicht gegeben habe. Es habe aber fehlerhaft eine
rechtserhebliche, bestehende, konkludente Vereinbarung angenommen. Hierfür habe es zunächst zwar noch
festgestellt, dass für eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung die kommentarlose Hinnahme einer
einseitigen Preisgabe der Vorstellungen von einer Kaufsache durch den Käufer noch keine
Beschaffenheitsvereinbarung begründe, sondern hierzu eine zustimmende Reaktion des Verkäufers
notwendig sei. Rechtsirrig habe das Gericht eine solche Reaktion des Beklagten angenommen. Dabei habe
das Gericht die strengen Anforderungen an die Feststellung einer Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434
Abs. 1 Satz 1 BGB verkannt.
Die Vereinbarung einer konkreten Beschaffenheit erfolge durch eine konkret-individuelle Festlegung der
geschuldeten Eigenschaften der Kaufsache in positiver oder negativer Hinsicht, die von einem
entsprechenden Rechtsbindungswillen der Beteiligten getragen wird. Ob eine Beschaffenheitsvereinbarung
vorliegt, sei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln.
Dabei sei die rechtlich verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung von einer reinen Wissenserklärung, bei der
der Verkäufer für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Wiedergabe hafte, und einer unverbindlichen
Information zur Beschaffenheit der Kaufsache abzugrenzen. Entscheidend für die Abgrenzung sei die Frage,
ob die Beteiligten – insbesondere der Verkäufer – mit der Beschaffenheitsangabe die geschuldete Qualität
des Kaufobjekts rechtsverbindlich habe festlegen wollen.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung könne sich zwar grundsätzlich auch konkludent aus den Umständen des
Vertragsschlusses – wie etwa dem Kontext der dabei geführten Gespräche oder dem bei dieser Gelegenheit
abgegebenen Beschreibungen – ergeben. Allerdings unterlägen Beschaffenheitsvereinbarungen bei
Formbedürftigkeit des Vertrages ebenfalls dem Formzwang. Daher führe bei Grundstückskaufverträgen eine
Beschreibung von Eigenschaften des Grundstücks oder Gebäudes vor Vertragsschluss, die in der notariellen
Urkunde keinen Niederschlag finde, nach einer jüngeren Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2016 in aller
Regel gerade nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung (BGH,
des Verkäufers zu Eigenschaften des Kaufobjekts, die in der Urkunde nicht berücksichtigt worden seien,
stellten daher grundsätzlich lediglich Beschaffenheitsinformationen dar, die vom Verkäufer ohne
Rechtsbindungswillen abgegeben würden.
Rechtsirrig sei das Landgericht auch von einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen, weil
die Klägerin in ihrem Kaufantrag eine Ratenzahlungsvereinbarung begehrt und die Parteien sodann eine
solche in den Kaufvertrag aufgenommen hätten. Inwieweit sich aus der vereinbarten Ratenzahlung der
Schluss ziehen lasse, dass beide Parteien von einer Bebaubarkeit des Grundstückes ausgegangen seien, sei
nicht im Urteil dargelegt. Eine Ratenzahlung entspreche gängiger Praxis. Dass sie nur erfolgt sei, um die
Errichtung einer Kindertagesstätte zu ermöglichen, sei bei Abgleich der Texte von Angebot und Vertrag
fernliegend. Eine Belastungsvollmacht und einen Rangvorbehalt, wie ihn die Klägerin in ihrem Kaufantrag
gewünscht habe, enthielten weder der Vorlagebeschluss noch der Kaufvertrag.
Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und hat in dem Umfang, in dem das erstinstanzliche Urteil mit dieser angegriffen
wird, auch Erfolg.
Der zwischen den Parteien geschlossene notarielle Grundstückskaufvertrag ist nicht gemäß
nichtig. Eine Nichtigkeit kommt gemäß
beurkundungsbedürftige Vereinbarung nicht in die Vertragsurkunde aufgenommen haben, von deren
Zustandekommen aber auszugehen ist. Da die Bestimmung der Sollbeschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Sätze 2
und 3 BGB nicht ausdrücklich Niederschlag in der Vertragsurkunde finden muss (BGH, Urt. v. 09.02.2018, V ZR
274/16,
kommt also bereits nicht darauf an, ob bei einem Grundstück eine Bebaubarkeit stets vorausgesetzt werden kann.
Der notariellen Beurkundung kommt nach der Rechtsprechung des BGH für Vereinbarungen über die
Beschaffenheit der Kaufsache nach
interessengerechten Auslegung des Kaufvertrages. Vor dem Hintergrund des den Vertragsparteien
bekannten Beurkundungserfordernisses kann der Käufer nicht davon ausgehen, dass der Verkäufer mit ihm
eine bestimmte Beschaffenheit des Grundstücks oder Gebäudes - mit der Folge einer nicht ausschließbaren
Haftung - vereinbaren will, wenn die geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt wird. Zudem
kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien einen nach
schließen und sich auf die Möglichkeit der Heilung nach
würde aber eine Auslegung führen, die vorvertraglichen Äußerungen des Verkäufers über Eigenschaften des
Kaufgegenstands eine (nicht beurkundete) Beschaffenheitsvereinbarung entnimmt. Angaben zur
Beschreibung eines Grundstücks in Vorfeld des Vertragsschlusses, die im notariellen Vertrag keinen
Niederschlag mehr finden, stellen daher in aller Regel keine Beschaffenheitsvereinbarung dar (BGH, Urt. v.
09.02.2018, V ZR 274/16,
1815 m.w.N.; vgl. auch Herrler,
Die Bebaubarkeit des Grundstückes mit einer Kindertagesstätte findet im notariellen Kaufvertrag vom
04.03.2013 keinerlei Erwähnung. Ebenso enthält der Vertrag keine Angaben dazu, dass das Grundstück im
Innenbereich belegen sei. Schließlich nimmt der Vertrag auf das von dem Beklagten der Klägerin
vorvertraglich vorgelegte Sachverständigengutachten keinen Bezug. Aus den vorstehend ausgeführten
Grundsätzen folgt, dass dem von dem Beklagten an die Klägerin übersandten Gutachten vom 23.05.2012, in
dem der Gutachter das Grundstück dem Innenbereich nach
fehlende Überplanung hingewiesen und bei der Bewertung nur Bauerwartungsland in Ansatz gebracht hat,
keine Bedeutung für eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des
Gleiches gilt für die von der Klägerin und dem Landgericht in Bezug genommene Beschlussvorlage (Anlage
K3). Auch diese findet im Vertrag keine Erwähnung. Daher braucht sich der Senat nicht mit der Frage
auseinandersetzen, ob ein internes Vorlagepapier der Beklagten überhaupt geeignet sein könnte, einen
Sachmangel oder gar die Vereinbarung einer Beschaffenheit zu begründen.
Die Klägerin kann eine Nichtigkeit des Vertrages auch nicht auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
stützen, denn eine solche hat sie nicht erklärt.
Ebenso kann der Senat es offenlassen, ob die Vorlage des Sachverständigengutachtens durch die Beklagte
geeignet ist, einen Sachmangel zu begründen, der die Klägerin hätte zum Rücktritt berechtigen können. Zum
einen ist dies nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Zum anderen hat der Senat bereits mit Urteil vom
24.09.2015 zum Aktenzeichen 3 U 46/14 ausgeführt, dass ein Rücktritt nicht zur Nichtigkeit eines Vertrages
führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Gründe, die Revision gemäß
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt gemäß
dargestellten Verkehrswert des Grundstücks.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Rostock
Erscheinungsdatum:19.12.2019
Aktenzeichen:3 U 62/18
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Öffentliches Baurecht
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 125, 311b Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 S. 2 u. 3; BauGB § 34