Anwendbarkeit des EheG auf Unterhaltsansprüche
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Dokumentnummer: 10wf280_11
letzte Aktualisierung: 14.12.2011
OLG Celle, 13.10.2011 - 10 WF 280/11
Anwendbarkeit des EheG auf Unterhaltsansprüche
Der nacheheliche Ehegattenunterhalt einer vor dem 1.7.1977 geschiedenen Ehe richtet sich
gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe und Familienrechts vom
14.6.1976 - 1. EheRG - (BGBl. I S. 1421) weiterhin unverändert nach den Bestimmungen des
EheG. daran hat sich auch durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007
damit etwa §§ 1578b oder 1609 BGB n. F. - noch die durch das UÄndG eingefügte und allein für
diese Reform des Unterhaltsrechts geltende Übergangsvorschrift des
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Gericht:
Typ, AZ:
Datum:
Sachgebiet:
Normen:
Leitsatz:
OLG Celle, 10. Zivilsenat
Beschluss, 10 WF 280/11
13.10.2011
Bürgerliches Recht
1. EheRG Art 12 Nr 3 Abs 2, EheG § 58 ff, EGZPO
Der nacheheliche Ehegattenunterhalt einer vor dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehe richtet
sich gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe und Familienrechts
vom 14. Juni 1976 - 1. EheRG - (BGBl. I S. 1421) weiterhin unverändert nach den
Bestimmungen des EheG. daran hat sich auch durch das Gesetz zur Änderung des
Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 - UÄndG - (BGBl. I S. 3189) nichts geändert. Es
finden daher weder die
geltende Übergangsvorschrift des
Volltext:
10 WF 280/11
620 F 2060/11 Amtsgericht Hannover
Beschluss
In der Familiensache
R. M.,
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro G., F., S., ,
gegen
G. M.,
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro D., R., G., B.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige
Beschwerde der Antragsgegnerin vom 4. August 2011 gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden
Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 12. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht W. und die Richter am Oberlandesgericht H. und G. am 13. Oktober 2011
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover
vom 12. Juli 2011 geändert.
Der Antragsgegnerin wird Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung des Rechtsanwalts
D. in H. bewilligt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Ihre am 27. Juni 1969 geschlossene Ehe, aus der die
gemeinsame, am … 1971 geborene Tochter S. hervorging, wurde durch Urteil des Landgerichts Hannover
vom 1. Februar 1972 (7 R 201/71) aus dem alleinigen Verschulden des jetzigen Antragstellers geschieden.
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14.12.2011
Die gemeinsame Tochter lebte seit der im November 1971 erfolgten Trennung der Beteiligten im Haushalt
der Antragsgegnerin, von der allein sie versorgt, betreut und erzogen wurde. Der Antragsteller ist
wiederverheiratet mit Frau A. M. geb. Sch., geboren am ... 1952. Er bezieht eine Rente in Höhe von
monatlich 1.215,59 netto, seine jetzige Ehefrau eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 600 €. Die
Antragsgegnerin erhält Leistungen nach dem SGB II.
Mit Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Elze vom 23. Oktober 1985 (8 F 115/85) wurde der
Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts an die Antragsgegnerin auf der Grundlage von
Dabei war zugrunde gelegt worden, dass die seinerzeit 38jährige, seit zwei Jahren als arbeitslos gemeldete
Antragsgegnerin wegen Betreuung und Versorgung der damals 14jährigen Tochter S. nicht gehalten sei,
auch nur einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Das Erwerbseinkommen des Antragstellers belief sich
seinerzeit auf mindestens 2.045 DM monatlich netto, wovon der Antragsteller Kindesunterhalt für S. in Höhe
von monatlich 370 DM zahlte, so dass sein angemessener Selbstbehalt von 1.150 DM gewahrt war.
Nunmehr begehrt der Antragsteller unter Hinweis auf seinen Rentenbezug die Abänderung des
vorgenannten Urteils ab April 2011. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Anspruch seiner jetzigen
Ehefrau auf Familienunterhalt, den er mit ([1.215,59 € - 600,00 € =] 615,59 € : 2 =) 307,80 € beziffert, sei
nach
Ehegattenunterhalt, der allenfalls nach
Ehefrau bestehende Ehe mit nunmehr 37 Jahren lang sei, die geschiedene Ehe mit der Antragsgegnerin
dagegen nur von kurzer Dauer gewesen sei. Durch
UÄndG eingeführte Unterhaltsrecht nunmehr auf alle Unterhaltsfälle anzuwenden sei, auch auf vor dem 1.
Juli 1977 geschiedene Ehen. Daher gelte hier inzwischen auch die Bestimmung des
ehebedingte Nachteile habe die Antragsgegnerin jedoch nicht erlitten, die Tochter S. sei bereits seit langem
wirtschaftlich selbständig. Die Anwendung des neuen Unterhaltsrechts sei auch zumutbar i. S. von § 36 Nr.
1 EGZPO, denn die Antragsgegnerin beziehe bereits seit 37 Jahren Unterhalt. dagegen hätten er und seine
jetzige Ehefrau mit insgesamt rund 1.800 € kaum mehr als das Existenzminimum zur Verfügung. Müsste er
hiervon auch noch den titulierten Ehegattenunterhalt weiterzahlen, wäre das Existenzminimum hingegen
unterschritten. Eine weitere Fortdauer seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin sei
daher nicht mehr zumutbar.
Die Antragsgegnerin tritt der begehrten Abänderung entgegen und sucht hierfür um Verfahrenskostenhilfe
nach. Sie verweist darauf, infolge der Versorgung und Betreuung der gemeinsamen Tochter sehr wohl
ehebedingte Nachteile erlitten zu haben, die sich auch darin zeigten, dass sie lediglich eine geringe
Altersrente (vom 1. September 2012 an) zu erwarten habe, während der Antragsteller immerhin eine solche
in doppelter Höhe beziehe. Dieser möge im Übrigen doch von seinem Rentnerprivileg Gebrauch machen.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 12. Juli 2011 der Antragsgegnerin zugestellt am 22. Juli 2011 - die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mit der
Begründung versagt, die Rechtsverteidigung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da eine weitere
Unterhaltsverpflichtung angesichts der kurzen Ehedauer von zweieinhalb Jahren selbst unter
Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten nach nunmehr 40 Jahren grob unbillig i. S. von 1579 Nr. 1
BGB wäre.
Hiergegen richtet sich die am 5. August 2011 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der
Antragsgegnerin, mit der diese unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens weiterhin die Bewilligung
von Verfahrenskostenhilfe zur Rechtsverteidigung erstrebt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur
Entscheidung vorgelegt. Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur Entscheidung zur Wahrung der
Einheitlichkeit der Senatsrechtsprechung übertragen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, da sie form und fristgerecht eingelegt wurde. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn das
Abänderungsbegehren des Antragstellers ist nicht schlüssig.
1.
Der Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Ehegattenunterhalt ist nicht gemäß
jetziger Fassung wegen kurzer Ehedauer verwirkt. Diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall nämlich nicht
anwendbar.
Weil die Ehe der Beteiligten nach den bis zum 30. Juni 1977 geltenden §§ 42 f. des Ehegesetzes 1946
(EheG) geschieden wurde, richten sich die Scheidungsfolgen gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des Ersten
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14.12.2011
Gesetzes zur Reform des Ehe und Familienrechts vom 14. Juni 1976 - 1. EheRG - (BGBl. I S. 1421) auch
nach Inkrafttreten der
des EheG (BGH,
Dies gilt entgegen der Auffassung der Beteiligten ungeachtet der durch das Gesetz zur Änderung des
Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 - UÄndG - (BGBl. I S. 3189) zum 1. Januar 2008 in Kraft
getretenen Unterhaltsrechtsreform (Palandt–Brudermüller, BGB69, Einführung II Rz. 34 vor § 1569.
Ehinger/Griesche/ Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht5, Rz. 428). Da die Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr.
3 Abs. 2 1. EheRG durch letztere nicht geändert wurde, sondern fortgilt, sind auf Unterhaltsansprüche von
Ehegatten, deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurde, auch zum jetzigen Zeitpunkt unverändert die
Bestimmungen des EheG anzuwenden. Es finden weder die
oder 1609 BGB n. F. - noch die durch das UÄndG eingefügte und allein für diese Reform des
Unterhaltsrechts geltende Übergangsvorschrift des
Eine entsprechende Heranziehung einzelner Bestimmungen der
der Anwendung der
Rechtsbegriffe geht, die bereits Ausgangspunkt für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs nach dem vor
dem 1. Juli 1977 geltenden Unterhaltsrecht waren (RGRK12Cuny, Rz. 4 vor
die Begriffe der ehelichen Lebensverhältnisse gemäß
59 EheG. Welcher eheangemessene Selbstbehalt dem Unterhaltsverpflichteten zum jetzigen Zeitpunkt im
Rahmen des Ehegattenunterhalts nach den
denselben aktuellen Sätzen, die heute auch im Rahmen von
Eine Verwirkung wegen kurzer Ehedauer gemäß
ebenso wenig wie eine Begrenzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs wegen fehlender ehebedingter
Nachteile im Sinne von
Betracht.
2.
Auch eine fehlende Leistungsfähigkeit hat der Antragsteller nicht hinreichend dargetan. Für deren Prüfung
kann hier wiederum auf die Bestimmung des
(n. F.) nicht zurückgegriffen werden. Zu der auch vor dem 1. Juli 1977 durchaus bereits bekannten
Fallgestaltung eines in zweiter Ehe wiederverheirateten geschiedenen Unterhaltsverpflichteten galt nämlich
eine von der zum 1. Januar 2008 eingeführten Rangfolge des § 1609 Nrn. 2 und 3 BGB n. F. abweichende
Regelung, die eine entsprechende Heranziehung der vorgenannten neuen Bestimmung ausschließt: Gemäß
Ehegattenunterhaltsansprüchen eines geschiedenen und eines aktuellen Ehegatten galt nach ganz
herrschender Meinung der Grundsatz des Gleichrangs (RGRK12Cuny,
Unterhaltsrecht4, Rz. 1266 Fn. 4). Lediglich vereinzelt wurde eine analoge Erstreckung des
der vom 1. Juli 1977 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung vertreten, der unter bestimmten - hier
allerdings nicht vorliegenden - Voraussetzungen gar einen Vorrang des geschiedenen Ehegatten vorsah,
hier also der Antragsgegnerin (Palandt–Diederichsen, BGB44, § 1582 Anm. 1. Engelhardt,
Ein Vorrang des jetzigen Ehegatten, von dem der Antragsteller hier ausgeht, wurde und wird hingegen nicht
vertreten.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Bedarf der Antragsgegnerin nicht auf den seinerzeit titulierten
Betrag von 180,50 DM, nunmehr also 92,29 € beschränkt ist, sondern grundsätzlich die Hälfte der Einkünfte
der Beteiligten umfasst, worauf eigenes Einkommen der Unterhaltsberechtigten anzurechnen wäre. Bei
Berücksichtigung auch der wirtschaftlichen Vorteile des Zusammenlebens auf Seiten des Antragstellers was auch im Falle des
Berücksichtigung der Verhältnisse der geschiedenen Eheleute durchaus zu erfolgen hätte (vgl.
RGRK12Cuny,
geltenden eheangemessenen Selbstbehalts des Antragstellers von 1.050 € auf 945 € führen würde - dürfte
Raum für eine Herabsetzung des titulierten Betrages kaum verbleiben.
W. H. G.
http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/volltext.php4?id=5795&ident=
14.12.2011
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Celle
Erscheinungsdatum:13.10.2011
Aktenzeichen:10 WF 280/11
Rechtsgebiete:Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Normen in Titel:EGZPO § 36; BGB § 1578b; BGB § 1579 Nr. 1; BGB § 1609; EheG § 58 Abs. 1