Keine Verpflichtung des Notars zur Gestaltung eines Übergabevertrages bzgl. möglicher Steuerersparnisse der Beteiligten; Umfang der Belehrungspflicht betreffend Steuernachteile
letzte Aktualisierung: 4.11.2024
OLG Hamm, Urt. v. 29.5.2024 – 11 U 71/23
BNotO §§ 14 Abs. 1, 19;
Keine Verpflichtung des Notars zur Gestaltung eines Übergabevertrages bzgl. möglicher Steuerersparnisse
der Beteiligten; Umfang der Belehrungspflicht betreffend Steuernachteile
Ein Notar ist nicht verpflichtet, einen Grundstücksübertragungsvertrag im Hinblick auf mögliche
Steuerersparnisse der Beteiligten zu gestalten, wenn die Beteiligten von einem Steuerberater beraten
werden und dem Notar keine Vorstellungen für eine bestimmte, aus steuerlichen Gründen zu
wählende Vertragsgestaltung mitteilen. Mit einen Hinweis auf die mit einem Vertrag kraft Gesetzes
verbundenen Steuerpflichten genügt der Notar auch seiner Belehrungspflicht, wenn ihm aus der
Vertragsgestaltung resultierende evtl. Steuernachteile nicht bekannt sind und nicht bekannt sein
müssen.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt aus ihr abgetretenem Recht der Zeugin L. von dem beklagten Notar
Schadensersatz aufgrund der Beurkundung eines Übertragungsvertrages vom 08.03.2013,
mit dem der inzwischen verstorbene Vater der Zeugin M. sein Grundvermögen V.-straße
N01 und N02 in G. an diese gegen Einräumung eines Nießbrauchs- und Wohnrechts
übertrug. Sie wirft dem Beklagten vor, durch das unterbliebene Hinwirken zu einer
Vereinbarung zur Übernahme der persönlichen Haftung der Zeugin für die durch
übernommene Grundschulden gesicherten Darlehen nach Entfallen des Nießbrauchs die
Festsetzung eines geringeren Schenkungssteuerbetrages durch das zuständige
Finanzamt verhindert zu haben, was bei der Zeugin zu einer erhöhten Steuerbelastung
von 66.074,00 Euro geführt und Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 17.887,48 Euro
verursacht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wie hinsichtlich der
erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß
angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage nach uneidlicher Vernehmung der Zeugin L. abgewiesen
und ausgeführt:
Dem Beklagten falle kein Verstoß gegen eine bestehende Amtspflicht zur Last. Der von
ihm entworfene Vertrag habe dem wahren Willen der Vertragsparteien entsprochen. Aus
der Aussage der Zeugin L. ergebe sich, dass im Vorgespräch zu der Beurkundung
besprochen worden sei, dass ihr Vater als Veräußerer die Schulden der Immobilien weiter
habe tragen sollen, welche sie – die Zeugin – nicht habe bezahlen können, und bei
Versterben ihres Vaters die Schulden durch Erbfall auf sie übergehen würden. Der
Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Beteiligten auf die Möglichkeit einer
schuldrechtlichen Schuldübernahme nach Ende des Nießbrauchs hinzuweisen. Ein Notar
sei regelmäßig nicht verpflichtet, die Parteien über steuerrechtliche Folgen des von ihnen
beabsichtigten Geschäfts zu beraten. Ein Auftrag an den Beklagten hierzu sei nicht
dargelegt worden. Gegen eine ausnahmsweise bestehende Aufklärungspflicht des Notars
spreche im vorliegenden Fall bereits, dass der Beklagte gewusst habe, dass sich die
Vertragsparteien in Bezug auf die Grundstücksübertragung durch einen Steuerberater
beraten ließen.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, dass es der Wunsch der Vertragsparteien
gewesen sei, dass beim Tod ihres Vaters die Zeugin L. die Grundbesitzschulden habe
übernehmen sollen, damit sie nicht einen etwaigen sonstigen Erben treffen würden. Das im
Zeitpunkt der Übertragung bestehende Testament, durch welches die Zeugin als
Alleinerbin ihres Vaters bestimmt gewesen sei, ändere daran nichts, weil es noch habe
geändert werden können. Darüber hinaus hätte der Beklagte erkennen und die Beteiligten
warnen müssen, zumindest aber das Aufsuchen eines Fachmanns empfehlen müssen,
dass aufgrund der von ihm entworfenen Vertragsgestaltung eine besondere
steuerrechtliche Gefahrenlage bestanden habe, zumal die Beteiligten ersichtlich davon
ausgegangen seien, dass sie aufgrund der Übertragung der Grundstücke im Hinblick auf
die Schenkungs- und Erbschaftssteuer nicht schlechter stünden als ohne Abschluss des
Vertrages.
Die Klägerin beantragt,
das am 02.06.2023 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum
abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 83.961,48 Euro zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2022 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.
Der Senat hat die Parteien angehört. Wegen der Ergebnisse der Anhörung wird auf den
Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 29.05.2024, wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Der Klägerin steht aus dem durch Abtretung auf sie übergegangenem Recht der Zeugin L.
kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gemäß
der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu.
1.
Der Beklagte hat bei der Beurkundung des Grundstücksübertragungsvertrages vom
12.03.2013 nicht gegen seine notariellen Amtspflichten verstoßen. Insbesondere fällt ihm
kein Verstoß gegen seine Pflichten gemäß
Nach dieser Norm soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt
klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre
Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll er darauf
achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte
Beteiligte nicht benachteiligt werden.
Den daher an ihn zu stellenden Anforderungen hat der Beklagte entsprochen. Ihm kann
nicht vorgeworfen werden, die Aufnahme einer Klausel in den notariellen Vertrag versäumt
zu haben, wonach die Zeugin L. nach dem Tode ihres Vaters bzw. dem Wegfall des ihm
nach dem Vertrag zustehenden Nießbrauchs- und Wohnrechts die persönliche
Darlehensschuld aus den Finanzierungsdarlehen für die Grundstücke übernehmen solle.
a) Der Senat verkennt insofern nicht, dass die Aufnahme einer entsprechenden Klausel für
die Zeugin L. steuerlich vorteilhaft gewesen wäre, weil in diesem Fall bei der Berechnung
der Schenkungssteuer die Höhe der persönlichen Schuld von dem Wert des
steuerpflichtigen Erwerbs abgezogen worden wäre, wodurch die Schenkungssteuer
geringer gewesen wäre. Der dadurch auf Seiten der Zedentin entstandene Nachteil konnte
aufgrund des relativ geringen restlichen Vermögens des Erblassers durch das Entfallen
von Erbschaftssteuer nicht kompensiert werden.
b) Der Beklagte hat jedoch nicht versäumt, den ihm erklärten Willen der Vertragsbeteiligten
in der von ihm entworfenen Urkunde umzusetzen.
Vielmehr kann ausgeschlossen werden, dass die Zeugin L. und ihr Vater im Notartermin
ausdrücklich um die Aufnahme einer entsprechenden Regelung zu der Übernahme der
persönlichen Darlehensschulden baten. Die Zeugin L. und ihr Vater waren steuerrechtliche
Laien. Die Bedeutung einer entsprechenden Klausel für die Berechnung der
Schenkungssteuer war ihnen nicht bewusst, wie sich aus der Aussage der Zeugin L. bei
ihrer Zeugenvernehmung vor dem Landgericht ergibt. Eine vorangegangene
entsprechende Beratung des für den Vater der Zeugin tätigen Steuerberaters P. war nicht
erfolgt.
c) Es kann weiterhin nicht festgestellt werden, dass ein vom Beklagten nicht erforschter
wahrer Wille der Vertragsbeteiligten bestand, dass die Zeugin L. nach dem Tode ihres
Vaters die persönlichen Darlehensschulden in jedem Falle habe tragen sollen, auch wenn
eine andere Person als Erbe eingesetzt worden wäre.
c.1) Es bestand bereits keine Verpflichtung des Beklagten, das Bestehen eines derartigen
Willens der Beteiligten zu erfragen.
Die Pflichten, die dem Notar durch
gewährleisten, dass dieser eine rechtswirksame Urkunde über das von den Beteiligten
beabsichtigte Rechtsgeschäft errichtet. Der Notar muss zu diesem Zweck den Willen der
Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche
Tragweite des Geschäfts belehren und deren Erklärungen klar und unzweideutig in der
Niederschrift wiedergeben. Er muss bei der Erforschung des Willens u. a. bedenken, dass
die Beteiligten möglicherweise entscheidende Gesichtspunkte übersehen, auf die es für
das Rechtsgeschäft ankommen kann, wobei er allerdings nicht „ins Blaue hinein“
nachzufragen braucht. Besteht ein Anhalt dafür, dass bestimmte Punkte nach dem Willen
der Parteien regelungsbedürftig sein können, muss der Notar entsprechende Fragen
stellen. Hierzu besteht namentlich Anlass, wenn das beabsichtigte Rechtsgeschäft einen
Aspekt aufwirft, der üblicherweise zum Gegenstand der vertraglichen Abreden gemacht
wird. In diesem Fall ergibt sich die Notwendigkeit der Prüfung, ob die Urkundsbeteiligten
eine Regelung hierzu wünschen oder bewusst davon absehen wollen. Erst recht besteht
eine Pflicht zur Nachfrage, wenn der Notar konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass eine
Partei ein rechtliches Ergebnis herbeiführen möchte, das in dem vorbereiteten
Vertragsentwurf jedoch noch keine Berücksichtigung gefunden hat (vgl. BGH, Urteil vom
09.12.2010 - III ZR 272/09 -, juris m. w. N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Durch die vom Beklagten gewählte
Vertragsgestaltung war gewährleistet, dass die Darlehensschulden weiter vom Vater der
Zeugin bedient wurden, der dazu – weil ihm aufgrund des Nießbrauchsrechts auch
weiterhin die Mieten aus den beiden Häusern zustanden – finanziell allein in der Lage war.
Die getroffene Regelung war insofern wirtschaftlich sinnvoll, um der Zeugin das Vermögen
zuzuwenden, zugleich den Vater bis zu seinem Tod abzusichern und solange die
fortlaufende Begleichung der Darlehensschulden zu gewährleisten. Mit dem Tod des
Vaters würde der Nießbrauch entfallen, weshalb ab diesem Zeitpunkt der Zeugin die
Nutzungen des Grundstücks und damit die Mieteinnahmen zustanden. Hingegen ist kein
Grund ersichtlich, aufgrund dessen der Beklagte hätte annehmen müssen, dass im
Interesse von M. eine Regelung zu treffen sei, die ihm die Möglichkeit erhält, entgegen
dem bereits errichteten Testament zugunsten der Zeugin L. als seiner einzigen Tochter
sein weiteres Vermögen an einen Dritten als Erben zu übertragen, ohne dass dieser mit
den Schulden aus den Darlehen belastet wäre. Für eine derartige Überlegung ergibt auch
die Aussage der Zeugin L. vor dem Landgericht keinen Anhaltspunkt; tatsächlich ist es
auch zu keiner abweichenden Testierung gekommen.
c.2) Eine Regelungsbedürftigkeit bestand aber auch dann nicht, falls – was die Zeugin L.
bei ihrer Vernehmung bereits nicht mit sicherer Erinnerung bekunden konnte – im
Gespräch mit dem Beklagten die Frage angesprochen worden wurde, was mit den
Schulden passieren soll. Denn allein daraus ergab sich für den Beklagten nicht, dass es
den Vertragsbeteiligten um eine Vereinbarung zur Übernahme der persönlichen Schuld
durch die Zeugin L. nach Wegfall des Nießbrauches gegangen wäre. Vielmehr lag auf der
Hand, dass es der Zeugin L. darum ging, mit den Darlehensschulden erst belastet zu
werden, wenn ihr auch die Mittel für die Tilgung dieser Schulden zufließen.
c.3) Darüber hinaus kann aber auch nicht angenommen werden, dass sich im Falle einer
Nachfrage des Beklagten ein Wille der Beteiligten oder die Notwendigkeit einer Regelung
bzgl. der persönlichen Darlehensschuld bei Wegfall des Nießbrauches ergeben hätte.
Denn die steuerrechtliche Problematik und die daraus folgende Sinnhaftigkeit einer
entsprechenden vertraglichen Regelung für die persönliche Darlehensschuld war den
Vertragsbeteiligten im Zeitpunkt der Beurkundung nicht bewusst, weshalb jeder Anhalt für
die Annahme fehlt, dass der Beklagte weitere Informationen erhalten hätte, aus denen sich
für ihn eine Regelungsnotwendigkeit ergeben hätte.
d) Dem Beklagten ist des Weiteren nicht vorzuwerfen, dass er seiner Verpflichtung zur
Belehrung über die rechtliche Tragweite des Geschäfts oder zur gestaltenden Beratung
nicht genügt hätte.
Grundsätzlich ist ein Notar, der lediglich einen Grundstückskauf- oder Übertragungsvertrag
bekundet, regelmäßig nicht nach
des beurkundeten Geschäfts hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1992 -
IX ZR 262/91 -, juris; Ganter in Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 5.
Aufl. 2023, Rn. 722 m. w. N.). Denn diese gehören typischerweise nicht zum Inhalt eines
Grundstücksübertragungsvertrages selbst, sondern ergeben sich kraft Gesetzes als
Folgen daraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Notar vereinbarungsgemäß auch
die steuerliche Beratung der Beteiligten übernimmt, was im Streitfall ersichtlich nicht der
Fall war. Von diesem Grundsatz geht auch die Berufung zutreffend aus.
Soweit der Beklagte abweichend von diesem Grundsatz gemäß § 8 Abs. 1 S. 6, Abs. 4
ErbStDV verpflichtet war, bei der Beurkundung der Schenkung auf die
Erbschaftssteuerpflicht an sich hinzuweisen, hat er dieser Verpflichtung ausweislich Ziff.
VI. 2. des Vertrages genügt.
e) Der Beklagte hat schließlich auch keinen Verstoß gegen seine allgemeine
Betreuungspflicht aus
Zwar hat ein Notar grundsätzlich die Beteiligten von nicht bedachten Folgen ihrer
Erklärungen zu bewahren und die nötige Aufklärung zu geben. Deshalb darf er es nicht
geschehen lassen, dass Beteiligte, die über die rechtlichen Folgen ihrer Erklärung falsche
Vorstellungen haben, durch die Abgabe der Erklärung ihre Vermögensinteressen
vermeidbar gefährden. Die betreuende Belehrungspflicht besteht allerdings nur dann,
wenn der Notar aufgrund besonderer Umstände des Falls Anlass zu der Vermutung haben
muss, einem Beteiligten drohe ein Schaden, weil dieser sich wegen mangelnder Kenntnis
der Rechtslage der Gefahr nicht bewusst ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1988 - IX ZR
77/87 -, juris; Ganter, a. a. O., Rn. 875). Dies wiederum setzt voraus, dass der Notar die
Tatsachen, aus denen sich die Gefährdung ergibt, kennt oder aus Fahrlässigkeit nicht
kennt, wie auch die Gefährdung, die sich aus diesen Tatsachen ergeben kann, und zudem
Wissen oder Anlass zu der Vermutung hat, dass sich der Beteiligte, dessen Interessen
gefährdet sind, dieser Gefahr nicht bewusst ist (vgl. Ganter, a. a. O., Rn. 885).
e.1) Im vorliegenden Fall erscheint jedoch bereits fraglich, ob der Beklagte die
tatsächlichen Voraussetzungen, aufgrund derer die Vertragsgestaltung für die Zeugin L.
ungünstig war, kannte oder hätte kennen müssen. Denn der geltend gemachte
Steuernachteil entsteht nur, wenn die verbliebene persönliche Belastung des
Übertragenden aus den Finanzierungsdarlehen höher ist als der steuerpflichtige Wert
seines übrigen Vermögens, welches erst durch den Erbfall auf den Beschenkten übergeht.
Zwar hatte der Beklagte den Vater der Zeugin in dessen Scheidungsverfahren als
Rechtsanwalt vertreten und war von der getrenntlebenden Ehefrau gegenüber seinem
Mandanten ein Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend gemacht und eine
Vermögensauskunft angefordert worden. Der Beklagte hat jedoch im Termin vor dem
Senat unwiderlegt ausgeführt, dass er diese Auskunft nicht selbst erstellt habe, sondern
diese Tätigkeit dem Steuerberater des Vaters übertragen worden sei. Darüber hinaus
erscheint es fraglich, ob ein Notar bei einem Beurkundungsvorgang über eine
Grundstücksübertragung gehalten ist, seine aus einem anderen Mandat resultierenden
anwaltlichen Handakten daraufhin zu überprüfen, ob sich daraus Anhaltspunkte für eine
steuerliche Gefahrenlage bei Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrages ergeben.
e.2) Jedenfalls kann aber nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten, der weder
Steuerberater noch Fachanwalt für Steuerrecht ist, überhaupt die rechtliche Folge bekannt
war, dass die unterbliebene Vereinbarung der Übernahme der persönlichen
Darlehensschuld durch die Zeugin L. für den Fall des Wegfalls des Nießbrauchsrechts zu
steuerlichen Nachteilen für die Zeugin führen konnte.
Darüber hinaus hatte der Beklagte auch deshalb keinen Anlass, die Beteiligten auf
mögliche steuerliche Gefahren hinzuweisen, weil ihm bewusst war, dass die Beteiligten
durch einen Steuerberater beraten wurden, und er deshalb darauf vertrauen durfte, dass
dieser als Fachmann eine etwaige ungünstige Vertragsgestaltung erkennen und die
Beteiligten darauf hinweisen würde. Die Zeugin L. hat bei ihrer Zeugenvernehmung durch
das Landgericht ausdrücklich eingeräumt, dass steuerliche Fragen mit dem Beklagten
nicht erörtert wurden, weil es dafür den Steuerberater gab, der hinsichtlich des
vorliegenden Geschäftes u.a. die Immobilienwerte ermittelt hatte.
2.
Besteht daher mangels Pflichtverletzung des Beklagten kein Schadensersatzanspruch
gegen ihn, können die weiteren im Senatstermin erörterten Fragen, ob zugunsten der
Klägerin in Person des Steuerberaters P. eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. d. § 19
Abs. 1 S. 2 BNotO besteht, ob diese Ersatzmöglichkeit aufgrund Eintritts der Verjährung
endgültig entfallen ist, und ob dadurch der Klägerin eine weitere anderweitige
Ersatzmöglichkeit in der Person ihres Prozessbevollmächtigten erwachsen ist, weil dieser
eine drohende Verjährung der Forderung gegen den Steuerberater nicht verhinderte,
dahinstehen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht gemäß
Der Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Voraussetzungen des
nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senats stellt eine Einzelfallentscheidung ohne
grundsätzliche Bedeutung dar. Von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs oder anderer
Oberlandesgerichte ist der Senat nicht abgewichen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:29.05.2024
Aktenzeichen:11 U 71/23
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BNotO §§ 14 Abs. 1, 19; BeurkG § 17 Abs. 1