OLG Koblenz 14. Oktober 2020
12 W 291/20
BGB § 2215

Zu den Mitwirkungspflichten bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses

letzte Aktualisierung: 2.6.2021
OLG Koblenz, Beschl. v. 14.10.2020 – 12 W 291/20

BGB § 2215
Zu den Mitwirkungspflichten bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses

Ein Auskunftsverpflichteter, der ein in Anwesenheit des Berechtigten aufgenommenes notarielles
Nachlassverzeichnis erstellen lassen muss, kann sich nicht darauf berufen, dass der Notar keinen
Beurkundungstermin vergeben habe, wenn er dem Notar trotz mehrfacher Nachfrage die
Kontaktdaten des Berechtigten nicht mitgeteilt hat.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Gründe:

Durch seit Sommer 2017 rechtskräftiges Urteil vom 21.12.2016 ist die Beklagte verurteilt worden,
„ein in Anwesenheit des Klägers aufgenommenes Verzeichnis über den Nachlass ..., wobei
das Verzeichnis durch einen Notar aufzunehmen ist,“ erstellen zu lassen. Der von ihr beauftragte
Notar ...[A] in …[Z] hat am 07.02.2020 ein notarielles Nachlassverzeichnis nach § 2215 BGB
beurkundet, wobei er einleitend vermerkt „jedoch ohne Möglichkeit der Hinzuziehung des Aus-
kunftsberechtigten, Herrn ...[B], da eine zustellungsfähige Anschrift des anwaltlichen Vertreters
von Herrn ...[B] trotz Aufforderung mit Schreiben vom 14. August 2019, vom 24. September
2019 und vom 28. November 2019 von Herrn Rechtsanwalt ...[C] nicht mitgeteilt wurde“.
Durch den angegriffenen Beschluss hat das Landgericht die Beklagte zur Erzwingung des zu
Gunsten des Klägers titulierten Anspruchs ein Zwangsgeld von 5.000 € verhängt, ersatzweise
Zwangshaft. Zur Begründung hat es sich darauf gestützt, dass die Beklagte trotz eines zwischenzeitlich
mehrjährigen Zeitraums seit ihrer Verurteilung und einer bereits erfolgten Verhängung
eines Zwangsgeldes von 2.000 € weder den Anspruch des Klägers erfüllt noch Maßnahmen
gegen den Notar zur Erledigung des ihm erteilten Auftrages veranlasst habe.
Der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen
und die sofortige Beschwerde dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht
gegen die Beklagte erneut ein Zwangsgeld festgesetzt, welches auch in der festgesetzten
Höhe nicht zu beanstanden ist.

Schon im Ansatz verkennt die Beschwerde, dass die Voraussetzungen für das von ihr ins Zentrum
der Argumentation gestellte „Dilemma“ in tatsächlicher Hinsicht - jedenfalls bislang - nicht
gegeben sind. Zwar hat der Notar mit Schreiben vom 04.06.2019 mitgeteilt, dass ein „Termin zur
Beurkundung des Nachlassverzeichnisses als Tatsachenprotokoll ... nicht vergeben“ werde.
Dass die Beklagte gegenüber dem Notar auch nur versucht hätte, vor dem Hintergrund ihrer
konkreten Verurteilung hier eine andere Durchführung der Beurkundung zu erreichen, trägt sie
ebenso wenig vor wie die Einleitung von Aufsichtsmaßnahmen gegen den Notar, um diesen zu
einer anderen Handhabung zu veranlassen. Das von ihr geschilderte „Dilemma“ wäre danach
aber erst dann eingetreten, wenn der Notar auch auf eine eindeutig gegenläufige Weisung seiner
Auftraggeberin hin auf der von ihm beabsichtigten Vorgehensweise beharrt hätte, im Hinblick
auf ihm höchstrichterlich eingeräumte Freiheiten Aufsichtsmaßnahmen keinen Erfolg gehabt
hätten und - aber eben erst dann - der Beklagten somit eine Erfüllung ihrer titulierten Verpflichtungen
gar nicht möglich gewesen wäre. Keine der aufgezeigten Möglichkeiten, ihrer titulierten
Verpflichtung vielleicht doch noch nachkommen zu können hat die Beklagte genutzt.
Vielmehr hat sie einen eventuell beim beauftragten Notar doch vorhandenen Willen, den Kläger
zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses hinzuzuziehen dadurch unterlaufen, dass sie dem
Notar - trotz mehrfacher Aufforderung - gar nicht erst die Kontaktdaten des Klägerbevollmächtigten
zugänglich gemacht hat.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stellen sich auch die von ihr angesprochenen
„Fragen grundsätzlicher Bedeutung“ vorliegend nicht. Wann die „Aufnahme“ des notariellen
Nachlassverzeichnisses stattgefunden hat und ob dem Kläger hieran wirksam die titulierte „Anwesenheit“
ermöglicht worden ist, wäre nur klärungsbedürftig gewesen, wenn hier überhaupt ein
Kontakt des Notars mit dem Kläger stattgefunden hätte, der als „Anwesenheit“ interpretiert wer-
den könnte. Dies war indes - wie bereits die Einleitung des notariellen Nachlassverzeichnisses
vom 07.02.2020 belegt - zu keinem Zeitpunkt der Fall, da dem Notar für den Kläger gar keine
Kontaktdaten vorlagen. Es stellt sich damit für den Senat auch nicht die Frage, ob das vom Beklagtenvertreter
thematisierte Verfahren über eine Zuleitung des Entwurfs des Nachlassverzeichnisses
an den Klägervertreter eine taugliche Möglichkeit gewesen wäre, die „Anwesenheit“
zu erreichen, da mangels Kenntnis einer zustellungsfähigen Anschrift dem Notar dieser Weg gar
nicht erst eröffnet war.

Vor diesem Hintergrund steht auch fest, dass der Notar das „titulierte Anwesenheitsrecht“ des
Klägers nicht als solches ignoriert hat, sondern - auch dies machen seine einleitenden Ausführungen
deutlich - mangels entsprechender Mitwirkung der Beklagten bzw. ihres Prozessbevollmächtigten
keine Möglichkeit sah, eine Anwesenheit des Klägers zu ermöglichen. Eine (fiktive)
Erfüllung des zu Gunsten des Klägers titulierten Anspruchs kann somit auch unter diesem Gesichtspunkt
nicht angenommen werden.

Die sofortige Beschwerde bleibt danach ohne Erfolg und ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1
ZPO zurückzuweisen.

Der Bestimmung eines Streitwertes für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht (vgl. KV zum
GKG Nr. 2121; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, RVG VV 3309 Rn. 290). Die Festsetzung
des Streitwertes im Beschluss des Landgerichts vom 23.02.2018 wirkt insoweit fort. Anlass zu
einer Erhöhung bietet der Umstand, dass nunmehr ein höheres Zwangsgeld festgesetzt worden
ist, nicht, da sich das - insoweit maßgebliche - Interesse des Klägers an dem begehrten Nachlassverzeichnis
seitdem nicht verändert hat.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Koblenz

Erscheinungsdatum:

14.10.2020

Aktenzeichen:

12 W 291/20

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 2215