OLG Düsseldorf 09. April 2021
3 Wx 93/20
GBO §§ 3 Abs. 2, 71 Abs. 1, 116 ff.; FamFG § 59

Aneignungserklärung bzgl. eines für herrenlos gehaltenen Flurstücks; Beschwerde gegen Zurückweisung eines Gesuchs auf Anlegung eines Grundbuchblattes

letzte Aktualisierung: 4.8.2021
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.4.2021 – 3 Wx 93/20

GBO §§ 3 Abs. 2, 71 Abs. 1, 116 ff.; FamFG § 59
Aneignungserklärung bzgl. eines für herrenlos gehaltenen Flurstücks; Beschwerde gegen Zurückweisung eines Gesuchs auf Anlegung eines Grundbuchblattes

1. Weist das Grundbuchamt nach Aneignungserklärung bzgl. eines für herrenlos gehaltenen Flurstücks das Gesuch auf Anlegung eines Grundbuchblatts zurück, weil es nicht herrenlos, sondern buchungsfrei i. S. v. § 3 Abs. 2 GBO sei, so ist die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers im Falle eines – unterstellt – nicht buchungsfreien Grundstücks bereits wegen fehlender Beschwerdebefugnis unzulässig, soweit nicht festgestellt werden kann, dass die Ablehnung der Anlegung eines Grundbuchblattes (gem. §§ 116 ff. GBO) den Antragsteller in seinem rechtlich geschützten Interesse (ein solches ergibt sich hier nicht allein aus seinem Vortrag, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW habe dem Notar telefonisch angekündigt, gegen Zahlung einer Gebühr auf sein gesetzliches Aneignungsrecht zu verzichten) beeinträchtigt.

2. Das Gesuch auf Anlegung eines Grundbuchblatts für ein – unterstellt – buchungsfreies Grundstück ist wegen fehlender Antragsberechtigung zurückzuweisen, wenn der Antragsteller – wie hier – zweifelsfrei weder Eigentümer noch dinglich Berechtigter dieses Flurstücks ist.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

G r ü n d e :

I.

Der Beteiligte zu 1 hat mit notariellem Kaufvertrag vom 24. Mai 2019 das Grundstück …
Straße 13 in … erworben. Das Grundstück besteht aus den Flurstücken 74 und 338 der
Flur 60 der Gemarkung .. und ist in Blatt 23242 des Grundbuchs von … eingetragen.
Das Grundstück grenzt auf der einen Seite an die … Straße und reicht auf der anderen
Seite in Richtung ...bach. Zwischen diesem und dem Grundstück des Klägers verläuft an
dessen Ufer das ca. 78 qm große Flurstück 344, teilweise als (nicht angelegter) Weg,
teilweise als Böschungs- und Uferfläche. Das (heutige) Flurstück 344 ist katastermäßig
abgemarkt und mit einer Flurstücksnummer versehen, nicht aber im Grundbuch gebucht.
Bei den Nachbargrundstücken … Straße 11 bis 21 findet sich eine ähnliche Situation und
das Flurstück 344 bildet zusammen mit den Flurstücken 340 bis 345 die Wege-,
Böschungs- bzw. Uferfläche.

Ursprünglich trug diese gesamte Fläche entlang des …bachs die Flurstücksnr. 289. Mit der
Aufstellung des neuen Liegenschaftskatasters 1958 wurde sie zum Flurstück 70. Mit
Grenzniederschrift vom 14. Jan. 2019 haben die Grundstückseigentümer der Grundstücke
… Straße 11 bis 21 im Hinblick auf ein förmliches Grundbuchanlegungsverfahren und
einen späteren Grunderwerb die (katastermäßige) Zerlegung des Flurstücks 70 beantragt,
woraufhin katastermäßig die Flurstücke 340 bis 346 gebildet worden sind.

Der Beteiligte zu 1 hat im notariellen Kaufvertrag vom 24. Mai 2019 eine
Aneignungserklärung bzgl. des Flurstücks 344 abgegeben. Er hat geltend gemacht, der
Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW habe dem Notar telefonisch angekündigt, gegen
Zahlung einer Gebühr auf sein gesetzliches Aneignungsrecht zugunsten des Beteiligten zu
1 zu verzichten, sobald für das Grundstück ein Grundbuchblatt angelegt sei.

Im Hinblick darauf hat der Notar – namens und im Auftrag aller Beteiligten gem. §§ 3,
116ff. GBO – die Anlegung eines Grundbuchblatts für das – herrenlose – Grundstück
beantragt.

Der Beteiligte zu 2 hat dazu ausgeführt, ihm obliege nach § 61 LWG NRW iVm § 39 WHG
die Gewässerunterhaltungspflicht für den …bach. Dem Aneignungsantrag sollte aus Sicht
des Hochwasser- und Gewässerschutzes nicht zugestimmt werden. Gleiches gelte aus
Sicht der Grün- und Freiraumentwicklung, Kleingartenwesen und Landschaftspflege.
Zudem wären dann auch bestehende Leitungsrechte für eine Gasleitung im Grundbuch
nicht geregelt. Wegen der Signalwirkung für die Nachbargrundstücke solle dem Anliegen
nicht entsprochen werden.

Das Grundbuchamt hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag kostenfrei
zurückgewiesen. Es liege zwar keine Widmung vor, das Grundstück werde aber von dem
Beteiligten zu 2 unterhalten und es handele sich um einen Zugangsweg im Uferbereich
des Alten Angerbaches. Das Grundstück sei daher nicht herrenlos, sondern buchungsfrei
im Sinne von § 3 Abs. 2 GBO.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1, die Beteiligte zu 2 habe sich mit der dinglichen
Rechtslage nicht auseinandergesetzt, hat das Grundbuchamt mit Nichtabhilfebeschluss
vom 18. Mai 2020 zurückgewiesen. Im Falle eines Grundbuchanlegungsverfahrens würde
die Beteiligte zu 2, die seit Jahrzehnten die Unterhaltung trage, eine solche
(Grundbuchanlegung) für sich selbst oder ihre Wirtschaftsbetriebe beantragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gem. §§ 71 Abs. 1 , 72, 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 GBO als
unbeschränkte Grundbuchbeschwerde statthaft und nach der vom Amtsgericht
ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.
Sie hat im Ergebnis keinen Erfolg. Sofern das Flurstück 344 ein buchungsfreies sein sollte,
ist die Beschwerde zulässig, aber unbegründet. Sofern es sich nicht um ein
buchungsfreies Grundstück handeln sollte, ist die Beschwerde bereits unzulässig.

Die Anlegung eines Grundbuchblattes nach § 3 Abs. 2 GBO kommt nicht in Betracht.
Nach § 3 Abs. 2 GBO erhalten sog. buchungsfreie Grundstücke auf Antrag des
Eigentümers oder eines Berechtigten ein Grundbuchblatt. Buchungsfrei sind die in § 3
Abs. 2 GBO genannten Grundstücke, weil die dort genannten institutionellen Eigentümer
mit ihren Grundstücken in der Regel nicht am Rechtsverkehr teilnehmen (vgl. Holzer, in
BeckOK GBO, Hügel, Stand 1. Febr. 2021, § 3 Rdnr. 19). Bei solchermaßen
buchungsfreien Grundstücken legt das Grundbuchamt später ein Grundbuchblatt an, dies
jedoch nur auf Antrag des Eigentümers oder eines sonst dinglich Berechtigten. Dabei hat
der Antragsteller darzutun, dass er zu einer der nach § 123 GBO als Eigentümer
einzutragenden Personengruppen gehört, und Tatsachen nachzuweisen, die sein
Eigentum zumindest wahrscheinlich machen (vgl. OLG Rostock, FGPrax 2019, 12).

Unterstellt, das Flurstück 344 sei ein buchungsfreies im Sinne von § 3 Abs. 2 GBO (was
das Grundbuchamt angenommen, der Beteiligte zu 1 aber bezweifelt hat), fehlt es
jedenfalls an der Antragsberechtigung des Beteiligten zu 1, der zweifelsfrei weder
Eigentümer noch dinglich Berechtigter dieses Flurstücks ist.

Ist das Flurstück 344 nicht buchungsfrei gem. § 3 Abs. 2 GBO, ist die Beschwerde
unzulässig.

In diesem Fall richtet sich die Anlegung eines Grundbuchblattes nach §§ 116 ff. GBO (vgl.
dazu z.B. Senat, NJW-RR 2020, 788 und BeckRS 1997, 00990). Das Verfahren ist von
Amts wegen durchzuführen, wenn das Grundstück dem Buchungszwang unterliegt und
das Grundbuchamt z.B. durch eine Mitteilung des Liegenschaftskatasters Kenntnis von
seiner Existenz erlangt (Keller, in Keller/Munzig, KEHE, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 116,
1;Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rdnr. 1007). Gegen alle im
Anlegungsverfahren ergangenen ablehnenden Entscheidungen des Grundbuchamtes ist
die unbeschränkte Beschwerde statthaft (Holzer, a.a.O., § 125, Rdnr. 4; Keller, a.a.O., §
125, Rdnr. 4).

Die Zulässigkeit der Beschwerde hängt weiter davon ab, dass der Beschwerdeführer im
Einzelfall auch beschwerdeberechtigt ist (BayObLGZ 1980, 185). Die
Beschwerdeberechtigung ist in der GBO nicht besonders geregelt, nach herrschender
Meinung findet § 59 FamFG in Grundbuchsachen keine Anwendung. Andererseits kommt
eine Popularbeschwerde ebenso wie in den übrigen Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit auch in Grundbuchsachen nicht in Betracht (Keller, a.a.O., § 71, Rdnr. 61).
Dabei ist beschwerdeberechtigt, wer durch die Entscheidung in seiner Rechtsstellung
mittelbar oder unmittelbar beeinträchtigt ist, also ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Beseitigung der Entscheidung hat (ders., a.a.O., Rdnr. 62).

Hier fehlt es an einer Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1. Denn es kann nicht
festgestellt werden, dass die Ablehnung der Anlegung eines Grundbuchblattes für das
Flurstück 344 den Beteiligten zu 1 in seinem rechtlich geschützten Interesse beeinträchtigt.
Ein solches ergibt sich nicht aus seinem Vortrag, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW
habe dem Notar telefonisch angekündigt, gegen Zahlung einer Gebühr des Beteiligten zu
1 auf sein gesetzliches Aneignungsrecht zu verzichten. Alleine durch eine solche
Ankündigung, die unzweifelhaft nicht die Qualität eines öffentlich-rechtlichen Vertrages hat,
erwächst dem Beteiligten zu 1 keine im Sinne der Beschwerdebefugnis geschätzte
Rechtsposition.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG; die Festsetzung des Beschwerdewertes
beruht auf §§ 61, 36 GNotKG und entspricht dem geschätzten Wert des Flurstücks 344 (78
qm x 730 € = 56.940 €).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

09.04.2021

Aktenzeichen:

3 Wx 93/20

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GBO §§ 3 Abs. 2, 71 Abs. 1, 116 ff.; FamFG § 59