BGH 21. August 2023
NotZ(Brfg) 4/22
BNotO §§ 48a, 47 Nr. 2

Altersgrenze für Notare; kein Verstoß gegen Charta der Grundrechte der Europäischen Union; keine Altersdiskriminierung; Erleichterung des Generationenwechsels; Verjüngung des Berufsstands

letzte Aktualisierung: 31.8.2023
BGH, Urt. v. 21.8.2023 – NotZ(Brfg) 4/22

BNotO §§ 48a, 47 Nr. 2
Altersgrenze für Notare; kein Verstoß gegen Charta der Grundrechte der Europäischen
Union; keine Altersdiskriminierung; Erleichterung des Generationenwechsels; Verjüngung
des Berufsstands

Die Altersgrenze für Notare verstößt nicht gegen das sich aus Art. 21 Abs. 1 der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie
2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ergebende Verbot der
Diskriminierung wegen des Alters. Sie ist im Sinn von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG
objektiv und angemessen und durch das legitime Ziel gerechtfertigt, den Generationenwechsel zu
erleichtern und den Berufsstand der Notare zu verjüngen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere
fristgerecht begründet worden. Sie ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die Altersgrenze ist nach ständiger Rechtsprechung
sowohl mit deutschem Verfassungsrecht als auch mit dem Unionsrecht,
insbesondere mit der Richtlinie 2000/78 und Art. 21 Abs. 1 GrCh vereinbar (BGH, Beschlüsse
vom 25. November 2013 - NotZ(Brfg) 11/13, DNotZ 2014, 313 [juris Rn. 3
mwN]; vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 [juris Rn. 4, 11 mwN];
vom 24. November 2014 - NotZ(Brfg) 5/14, DNotZ 2015, 227 [juris Rn. 5 ff. mwN]; vom
16. März 2015 - NotZ(Brfg) 10/14, DNotZ 2015, 633 [juris Rn. 3 f.]; BVerfG, NJW 2011,
1131 Rn. 11 f.; Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 BvR 1313/14, juris Rn. 6). Der vom
Kläger unter Berufung auf das Unionsrecht erhobene Einwand, im Anwaltsnotariat sei
die Erforderlichkeit der Altersgrenze angesichts eines nunmehr festzustellenden demographisch
bedingten Nachwuchsmangels zwischenzeitlich entfallen, so dass sie
jetzt eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters bewirke, greift nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats nicht durch.

I. Zwar sind die Richtlinie 2000/78 und das Diskriminierungsverbot nach Art. 21
Abs. 1 GrCh auf die Altersgrenze für Notare unmittelbar anwendbar. Die Altersgrenze
bewirkt auch eine dem Kläger nachteilige Behandlung wegen seines Alters im Sinn
von Art. 1, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78.

1. Der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
ist vorliegend nicht eröffnet, so dass die Richtlinie 2000/78 unmittelbar Anwendung
findet. Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG bezieht sich nicht auf
eine gesetzliche Altersgrenze (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2015 - NotZ(Brfg)
10/14, DNotZ 2015, 633 Rn. 4 mwN; BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - III ZR 4/15, BGHZ
206, 260 Rn. 13 f.; 16 ff.; BSG, Beschluss vom 18. August 2010 - B 6 KA 18/10 B, juris
Rn. 6 ff.; aA wohl VGH Mannheim, VBlBW 2019, 518 [juris Rn. 35 ff.] zu § 13 Abs. 1
Nr. 2 des Vermessungsgesetzes für Baden-Württemberg). Es kann daher dahinstehen,
ob das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gemäß § 6 Abs. 3 in Verbindung
mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AGG auf Notare anwendbar wäre (vgl. auch BGH, Urteil
vom 26. März 2019 - II ZR 244/17, BGHZ 221, 325 Rn. 18 ff. einerseits und BVerwG,
Urteil vom 21. Januar 2015 - 10 CN 1/14, BVerwGE 151, 192 Rn. 15 f. andererseits).

2. Die Richtlinie 2000/78 und das Diskriminierungsverbot nach Art. 21 Abs. 1
GrCh gelten auch für Notare. Diese vom Senat bislang offengelassene Frage (BGH,
Urteil vom 27. Mai 2019 - NotZ(Brfg) 7/18, DNotZ 2020, 71 [juris Rn. 23 mwN]; vgl.
auch BGH, Beschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 [juris
Rn. 10 f.]), ist durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs geklärt (EuGH, Urteile
vom 3. Juni 2021 - C-914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 21 ff., 44 - GN, eine Notarin
betreffend; vom 12. Januar 2023 - C-356/21, ECLI:EU:C:2023:9 [juris Rn. 33 ff.]). Aus
Art. 3 Abs. 1 Buchst. a RL 2000/78 geht hervor, dass die Richtlinie im Rahmen der auf
die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen
und privaten Bereichen einschließlich öffentlicher Stellen gilt, und zwar in Bezug auf
die Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit
unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position (EuGH, Urteil vom 3. Juni
2021, aaO Rn. 22; Schmahl, EuR 2022, 612, 614).

3. Zwar berührt die Richtlinie 2000/78 nach ihrem Erwägungsgrund 14 nicht die
einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt
in den Ruhestand. Dieser Erwägungsgrund beschränkt sich jedoch auf die Klarstellung,
dass die Richtlinie nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tangiert, das
Alter für den Eintritt in den Ruhestand zu bestimmen. Eine Überprüfung der Altersgrenze
am Maßstab der Richtlinie 2000/78 hindert er entgegen der Ansicht des Beklagten
nicht (EuGH, Urteile vom 16. Oktober 2007 - C-411/05, Slg. 2007, I-8566
Rn. 44 ff. - Palacios; vom 5. März 2009 - C-388/07, Slg. 2009, I-1569 Rn. 25 - Age
Concern England; vom 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160-10, Slg. 2011, I-6919 Rn. 32
ff. - Fuchs und Köhler; BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - III ZR 4/15, BGHZ 206, 260
Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. August 2016 - 5 S 852/16, juris
Rn. 8 mwN; Schmahl, EuR 2022, 612, 632).

4. Die Richtlinie bezweckt nach ihrem Artikel 1, im Bereich von Beschäftigung
und Beruf bestimmten Arten der Diskriminierung, darunter auch der wegen des Alters,
im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten
entgegenzuwirken (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2007, aaO Rn. 49
- Palacios). Regelungen, die - wie hier §§ 48a, 47 Nr. 2 BNotO - das Erlöschen eines
Amts mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters zum Gegenstand haben, lassen
den dieses Alter erreichenden Notaren unmittelbar eine weniger günstige Behandlung
zuteilwerden als anderen Notaren. Sie führen nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs
daher zu einer unmittelbar auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung
im Sinn von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 (Urteil vom 16. Oktober
2007, aaO Rn. 51 - Palacios).

II. Die durch die Altersgrenze bewirkte Ungleichbehandlung ist aber gemäß
Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 gerechtfertigt.

1. Nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 stellt eine Ungleichbehandlung wegen des
Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen
des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige
Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung
zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels
angemessen und erforderlich sind. Dabei nimmt der Unionsgerichtshof in ständiger
Rechtsprechung an, dass die Mitgliedstaaten insbesondere für die Entscheidung über
die allgemeinen (Pensions-)Altersgrenzen über einen weiten Ermessensspielraum
verfügen. Die betreffenden nationalen Stellen der Mitgliedstaaten können sich bei der
Festlegung ihrer Sozialpolitik aufgrund politischer, wirtschaftlicher, sozialer, demographischer
und/oder haushaltsbezogener Erwägungen veranlasst sehen, die Lebensarbeitszeit
der Arbeitnehmer zu verlängern oder, im Gegenteil, deren früheren Eintritt
in den Ruhestand vorzusehen (EuGH, Urteile vom 16. Oktober 2007 - C-411/05,
Slg. 2007, I-8566 Rn. 68 f. - Palacios; vom 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160-10,
Slg. 2011, I-6919 Rn. 65 - Fuchs und Köhler; Schmahl, EuR 2022, 612, 632 mwN).
Eine allgemeine Altersgrenze muss aber dem Anliegen gerecht werden, die mit ihr
verfolgten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH, Urteile
vom 18. November 2010 - C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 56 - Georgiev; vom 12. Januar
2010 - C-341/08, Slg. 2010, I-47100 Rn. 53, 75 ff. - Petersen). Der Wertungsspielraum
der Mitgliedstaaten darf nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots
der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (EuGH, Urteil vom 3. Juni
2021 - C- 914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 30 mwN - GN; Schmahl, EuR 2022, 612, 623).
Dabei ist es Sache der zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten, einen gerechten Ausgleich
zwischen den verschiedenen widerstreitenden Interessen zu finden (aaO
Rn. 42, 43). Ob diese Maßgaben eingehalten werden, ist vom nationalen Gericht
zu überprüfen (aaO Rn. 40, 42, 48 - GN; EuGH, Urteil vom 18. November 2010
- C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 56 - Georgiev).

2. Nach diesen Maßstäben hat die in Rede stehende Altersgrenze nach der
Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats auch weiterhin eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung
des betroffenen Personenkreises, dem auch der Kläger mit Erreichen
der Altersgrenze angehören wird, zum Inhalt.

a) Die Altersgrenze verfolgt ein legitimes Ziel im Sinn von Art. 6 Abs. 1
RL 2000/78.

aa) Das Ziel der 1991 eingeführten Altersgrenze besteht nach einhelliger Ansicht
darin, im Interesse funktionstüchtiger Rechtspflege eine geordnete Altersstruktur
innerhalb des Notarberufs zu erreichen (vgl. BVerfG, NJW 1993, 1575 [juris Rn. 7]).
Rechtsuchenden, die auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege auf die Inanspruchnahme
notarieller Leistungen (§ 1 BNotO) angewiesen sind, sollen Notare unterschiedlichen
Lebensalters zur Verfügung stehen, die aufgrund der Anzahl und Art
ihrer Amtsgeschäfte auf allen Gebieten des Notariats über ein Mindestmaß an Berufs-
erfahrung verfügen. Die Zulassungspraxis muss indes gemäß § 4 BNotO Bedürfnisgesichtspunkten
Rechnung tragen. Werden keine weiteren Notare benötigt, können
jüngere Berufsbewerber daher nur im Rahmen freiwerdender Notarstellen Berücksichtigung
finden. Das würde ohne Altersgrenze zu einer Überalterung der Notare führen.
Dem Rechtsuchenden stünden in zunehmendem Maße nur noch lebensältere Notare
zur Verfügung, deren Berufserfahrung wegen ihrer späteren Zulassung geringer wäre.
Das würde die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege gefährden (BVerfG,
ebenda; BT-Drucks. 11/8307 S. 18; st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. März
2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 Rn. 8 mwN). Deshalb dient die Regelung
einem beschäftigungspolitischen Ziel im Sinn des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 (BVerfG,
NJW 2011, 1131 Rn. 13). Denn zum einen steckt in der vom Gesetzgeber verfolgten
Absicht, der Gefahr einer Überalterung des Notarberufs zu begegnen, auch der Gedanke,
jüngeren Bewerbern den Zugang zum Notaramt zu erleichtern. Zum anderen
soll durch die Altersgrenze eine ausreichende Fluktuation im Interesse der beruflichen
Perspektive jüngerer Bewerber sichergestellt werden (BGH, Beschluss vom 17. März
2014 - NotZ(Brfg) 21/13, DNotZ 2014, 553 [juris Rn. 11 mwN]; BGH, Urteil vom 27. Mai
2019 - NotZ(Brfg) 7/18, DNotZ 2020, 71 [juris Rn. 24 mwN]).

bb) Soweit - in der Folge der Entscheidung des Unionsgerichtshofs vom 21. Juli
2011 (C-159/10, C-160-10, Slg. 2011, I-6919 Rn. 32 ff. - Fuchs und Köhler) diesem
Ziel die Erwägung angefügt worden ist, dass auch die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten
über die Fähigkeit eines Notars, seine Tätigkeit über eine bestimmte Altersgrenze hinaus
auszuüben, vermieden werden solle (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1131 Rn. 13), steht
auch dieses Ziel - worauf der Kläger zu Recht hinweist (Gutachten zur Europarechtskonformität
der Altersgrenze nach § 48a BNotO, S. 16 f.) - entgegen der Ansicht des
Beklagten nach der bisherigen Rechtsprechung nicht für sich allein, sondern soll - wie
die Vermeidung der Überalterung - jüngeren Bewerbern den Zugang zum Notaramt
ermöglichen, was sich schon aus dem Wortlaut ergibt ("die Personalplanung zu optimieren
und damit etwaigen Rechtsstreitigkeiten ... vorzubeugen"; EuGH, Urteil vom
21. Juli 2011, aaO Rn. 50 - Fuchs und Köhler; vgl. auch EuGH, Urteil vom 2. April 2020
- C-670/18, NVwZ 2020, 1339 Rn. 33 - Commune di Gesturi). Die Rechtmäßigkeit des
Ziels, den Generationenwechsel zu erleichtern und den Berufsstand der Notare zu
verjüngen, kann als im Allgemeininteresse liegendes Ziel mit Bezug zur Beschäftigungspolitik
nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2021
- C-914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 36 - 38 - GN).

b) Die bundeseinheitlich für alle Notare geltende Altersgrenze ist auf der Grundlage
der vom Senat getroffenen Feststellungen zur Erreichung dieses Ziels (nach wie
vor) erforderlich. Es trifft entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu, dass sie wegen
eines demographisch begründeten Nachwuchsmangels im Anwaltsnotariat nicht mehr
dazu dient, den Zugang junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zum Notarberuf
zu fördern. Der Senat hat den Vortrag des Klägers, mit dem sich das Oberlandesgericht
- wie der Kläger zu Recht rügt - nicht ausreichend auseinandergesetzt hatte, gemäß
§ 111b BNotO, § 125 Abs. 1, § 86 Abs. 1 VwGO überprüft und widerlegt gefunden.
aa) Gemäß § 3 Abs. 1 BNotO werden die Notare zur hauptberuflichen Amtsausübung
auf Lebenszeit bestellt (sämtliche Gerichtsbezirke gemäß § 3 Abs. 1 BNotO
nachfolgend: hauptberufliches Notariat). In den Gerichtsbezirken, in denen am 1. April
1961 das Amt des Notars nur im Nebenberuf ausgeübt worden ist, werden weiterhin
ausschließlich Rechtsanwälte für die Dauer ihrer Mitgliedschaft bei der für den Gerichtsbezirk
zuständigen Rechtsanwaltskammer als Notare zu gleichzeitiger Amtsausübung
neben dem Beruf des Rechtsanwalts bestellt (Anwaltsnotare; § 3 Abs. 2
BNotO). Dabei handelt es sich um die Oberlandesgerichtsbezirke Braunschweig, Bremen,
Celle, Frankfurt am Main, Oldenburg, Schleswig und Hamm sowie den Bezirk
des Kammergerichts. Im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf gehören dazu der
rechtsrheinische Teil des Landgerichtsbezirks Duisburg sowie der Amtsgerichtsbezirk
Emmerich (sämtliche Gerichtsbezirke gemäß § 3 Abs. 2 BNotO nachfolgend: Anwaltsnotariat).
Gemäß § 4 BNotO werden so viele Notare bestellt, wie es den Erfordernissen
einer geordneten Rechtspflege entspricht. Dabei ist insbesondere das Bedürfnis nach
einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und
die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs zu berücksichtigen. Das
Bedürfnis der Rechtsuchenden nach notariellen Leistungen ist in erster Linie aus den
bisher von den Notaren vorgenommenen Beurkundungsgeschäften zu entnehmen,
wobei das Versorgungsbedürfnis im jeweiligen Amtsbereich (§ 10a BNotO) maßgebend
ist (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1979 - NotZ 3/79, DNotZ 1980, 177 [juris
Rn. 15 f.]; Eschwey in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 4 Rn. 12 f.).

(1) Im hauptberuflichen Notariat werden bei der Prognoseentscheidung, ob zusätzliche
Notarstellen einzurichten sind, mit unterschiedlichen Gewichtungen zwischen
1.350 und 1.800 bereinigte Urkundsgeschäfte pro Jahr zugrunde gelegt (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 1979 - NotZ 3/79, DNotZ 1980, 177 [juris Rn. 17,
30]; vom 22. März 2004 - NotZ 25/03, DNotZ 2004, 887 [juris Rn. 8]; Eschwey in
Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 4 Rn. 22 f. mwN).

(2) Im Anwaltsnotariat haben die Justizverwaltungen der Länder für die Bedürfnisprüfung
unterschiedliche Richtzahlen zwischen 350 bereinigten und 400 beziehungsweise
450 unbereinigten Urkundsgeschäften jährlich festgelegt. Dabei handelt
es sich um Richtwerte, deren Erreichen für die notwendige vielseitige Erfahrung und
die Urkundsqualität nach dem Ermessen der Justizverwaltungen als erforderlich angesehen
wird (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2003 - NotZ 24/02, DNotZ 2003,
782 [juris Rn. 9] zur Erhöhung der Bedürfniszahlen von 250 auf 325 im Kammergerichtsbezirk;
Eschwey in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 4 Rn. 27 mwN sowie
in BeckOK BNotO, Stand 1. März 2023, § 4 Rn. 27; Frenz in Frenz/Miermeister,
BNotO, 5. Aufl., § 4 Rn. 12). Der auf dieser Grundlage ermittelte Stellenbedarf spiegelt
- worauf der Beklagte zu Recht hinweist - lediglich einen einfachen Bedarf wider. Ihm
lässt sich deshalb, wenn ein höheres Urkundsaufkommen pro Stelle anfällt, kein zwingendes
Bedürfnis dafür entnehmen, zusätzliche Stellen zu besetzen, weil die ordnungsgemäße
Erfüllung der anfallenden Aufgaben durch die bereits vorhandenen Notare
nicht mehr gewährleistet werden könne. Allein der Umstand, dass eine oder mehrere
Stellen ausgeschrieben sind, bedeutet daher nicht, dass die Stellenanzahl mit
dem zwingenden Bedarf in diesem Sinn übereinstimmt (BGH, Beschluss vom 16. November
2020 - NotZ(Brfg) 6/20, NJW-RR 2021, 564 Rn. 14).

(3) Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung, Notarstellen auszuschreiben,
knüpft im Anwaltsnotariat nicht wie im hauptberuflichen Notariat an das Ausscheiden
eines bestellten Notars an, sondern wird nach Vorliegen der Geschäftszahlen des Vorjahres
oder der Vorjahre anhand der Zahl der vorhandenen Notare getroffen. Aus diesem
Grund ist - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - ein neubestellter Anwaltsnotar
nicht Amtsnachfolger eines ausgeschiedenen Notars. Dessen Notariatsgeschäfte
werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 BNotO grundsätzlich abgewickelt (vgl. das
Gutachten der Bundesnotarkammer, S. 2 f.; Eschwey in Schippel/Eschwey, BNotO,
11. Aufl., § 4 Rn. 27 mwN).

bb) Dies zur strukturellen Ausgestaltung des Notariats vorausgeschickt, hat das
vom Senat gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BNotO eingeholte Gutachten der Bundesnotarkammer
ergeben, dass zwar im Anwaltsnotariat ein - teils deutlicher - Bewerbermangel
festzustellen ist. Das gilt allerdings nicht für das hauptberufliche Notariat. Dort besteht
durchgängig ein erheblicher Bewerberüberhang.

(1) Im hauptberuflichen Notariat wurden Stellen im Zeitraum 2020 bis 2022 nur
in vernachlässigbarem Umfang (deutlich unter 1%) eingezogen (Gutachten, Anlage 1,
S. 2 - 48). Auf zu vergebende Stellen bewarben sich durchgängig in allen Bundesländern
und für alle Amtsgerichtsbezirke deutlich mehr Bewerber als offene Stellen vorhanden
waren. So etwa waren 2022 im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe sechs
Stellen ausgeschrieben, auf die 35 Bewerbungen eingingen, im Oberlandesgerichtbezirk
München gingen 308 Bewerbungen auf 17 ausgeschriebene Stellen ein und im
Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg 24 Bewerbungen auf vier ausgeschriebene Stellen.
Lediglich vereinzelt entsprach die Bewerberzahl derjenigen der offenen Stellen,
wie etwa in den Oberlandesgerichtsbezirken Brandenburg und Thüringen (Gutachten,
Anlage 2, S. 2 - 32). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereitet es ferner keine
Schwierigkeiten, die für Notarassessoren ausgeschriebenen Stellen mit hochqualifizierten
Bewerbern zu besetzen.

(2) Im Anwaltsnotariat ist die Anzahl der Anwaltsnotare in diesem Zeitraum
ebenfalls unwesentlich, nämlich von 5.275 auf 5.102 (- 3,28%) gesunken (Gutachten,
Anlage 1, S. 2 - 48; die Notarstatistik weist für diesen Zeitraum eine Veränderung von
-2,8 % sowie -0,9 % bei 4.997 Anwaltsnotaren aus; Quelle: www.notar.de/dernotar/
statistik). Auf zu vergebende Stellen gingen allerdings anders als im hauptberuflichen
Notariat nicht durchgängig deutlich mehr oder jedenfalls nicht in ausreichender
Anzahl Bewerbungen ein. Es gab zahlreiche Gerichtsbezirke, in denen deutlich weniger
Bewerbungen eingingen, als Stellen ausgeschrieben waren (Gutachten, Anlage 2,
S. 2 - 32). So etwa waren 2022 in den Oberlandesgerichtsbezirken Braunschweig,
Celle, Frankfurt am Main, Oldenburg, Schleswig und Hamm (dort unter Einrechnung
der Bedürfnisstellen II, dazu unten II 2 c bb) insgesamt 61, 128, 139, 64, 194 und 337
Stellen ausgeschrieben, auf die sich sechs, 39, 69, 31, 20 und 49 Rechtsanwälte bewarben.
Eine Ausnahme stellt der Amtsgerichtsbezirk Frankfurt am Main dar. Dort bewarben
sich 2022 27 Bewerber auf sieben offene Stellen und 2021 31 Bewerber auf
elf offene Stellen.

(3) Der danach im hauptberuflichen Notariat und im Anwaltsnotariat bestehende
erhebliche Unterschied in den Bewerberzahlen zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit
im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf, der aus Amtsgerichtsbezirken mit Anwaltsnotariat
und solchen mit hauptberuflichem Notariat besteht und in dem auch der Kläger
sein Amt ausübt. In den Amtsgerichtsbezirken mit hauptberuflichem Notariat herrscht
ein ganz erheblicher Bewerberüberhang. 2022 kamen in Düsseldorf 33 Bewerbungen
auf drei offene Stellen, in Krefeld, Langenfeld und Wuppertal 14, 17 und zehn Bewerbungen
auf jeweils eine offene Stelle. 2021 gingen in Düsseldorf, Grevenbroich, Neuss
und Solingen elf, sieben, 14 und zehn Bewerbungen auf jeweils eine offene Stelle ein.
Dagegen gab es in den Amtsgerichtsbezirken mit Anwaltsnotariat nur vereinzelt eine
ausreichende Zahl von Bewerbungen. 2022 gingen in Duisburg-Hamborn keine, in
Dinslaken, Emmerich und Wesel jeweils eine, in Mülheim zwei, in Oberhausen und
Duisburg-Ruhrort jeweils drei Bewerbungen auf die (insgesamt und unter Einschluss
der Bedürfnisstellen II, siehe unten II 2 c bb) ausgeschriebenen Stellen ein, wobei nur
in Oberhausen die Zahl der Bewerbungen der Zahl der Stellen entsprach (Gutachten,
Anlage 2, S. 7). Ein ähnliches Bild zeigt sich 2021 und 2020 (Gutachten, Anlage 2,
S. 18, 29).

cc) Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die bundeseinheitlich geltende
Altersgrenze zur Erreichung des genannten legitimen Ziels entgegen der Ansicht des
Klägers auch im Anwaltsnotariat - das der Senat bei der Frage der Rechtfertigung hier
allein in den Blick genommen hat - weiterhin erforderlich. Das beruht anders als im
hauptberuflichen Notariat allerdings nicht darauf, dass im Hinblick auf die ausgeschriebenen
Stellen ein Bewerberüberhang herrschte. Zu Recht weist der Beklagte aber darauf
hin, dass es vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des Anwaltsnotariats vielmehr
gerade dann, wenn keine ausreichende Zahl an Bewerbungen eingeht, erforderlich
ist, dass weiterhin lebensältere Notare aus dem Nebenberuf ausscheiden, um die
Berufschancen zwischen den Generationen gerecht zu verteilen und eine Überalterung
des Berufsstandes zu verhindern. Nur wenn lebensältere Notare aus dem Nebenberuf
ausscheiden, haben nämlich jüngere Notare eine hinreichende Aussicht auf
ein angemessenes Urkunden- und Gebührenaufkommen und werden die erheblichen
persönlichen und finanziellen Belastungen auf sich nehmen, die mit dem Eintritt in den
Nebenberuf verbunden sind.

(1) Dem im Gegensatz zum Anwaltsnotariat bestehenden Bewerberübergang
im hauptberuflichen Notariat lässt sich entnehmen, dass es für den Notarberuf entgegen
der Ansicht des Klägers keinen Nachwuchsmangel aus demographischen Gründen
gibt. Aus den unterschiedlichen Bewerberzahlen schließt der Senat auf der Grundlage
der durchgeführten Beweisaufnahme, dass der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat
anderweitige, auf den Spezifika dieser Notariatsform beruhende strukturelle
Gründe hat. Nicht die Demographie, sondern die für den Eintritt in den Nebenberuf im
Interesse einer besseren Qualifikation seit 2010 deutlich erhöhten und sich zudem we-
gen der zunehmenden Digitalisierung und Regelungsdichte - etwa im Hinblick auf Einhaltung
der Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 10, §§ 4 ff.,
10 ff., 43 ff. GwG, vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. November 2022 - NotZ 1/22,
DNotZ 2023, 313 ff.) - stetig weiter erhöhenden Anforderungen sind der ausschlaggebende
Grund für die durchgängig geringen Bewerberzahlen.

(a) Die Stellen für Anwaltsnotare wurden zunächst im Wesentlichen nach der
im zweiten Staatsexamen erzielten Note vergeben. Nachdem dieses Kriterium den
verfassungsrechtlichen Erfordernissen nicht genügte (vgl. BVerfG, NJW 2004, 1935
[juris Rn. 9, 78 ff.]; Teschner in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., Vor § 7a Rn. 3 f.),
werden Anwaltsnotare seit 2010 auf der Grundlage der Ergebnisse einer notariellen
Fachprüfung ausgewählt (§ 6 Abs. 2, §§ 7a ff. BNotO). Dadurch sollte ein Zugangsund
Auswahlsystem eingeführt werden, das sowohl fachliche Mindeststandards sichert
als auch eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Auswahlentscheidung
ermöglicht (BT-Drucks. 16/4972 S. 1). Im Gegensatz zu der vorher geltenden
Rechtslage, nach der nicht gewährleistet war, dass jeder Bewerber eine systematische
und möglichst umfassende fachliche Qualifikation erworben hatte, sollte im Interesse
der Rechtsuchenden und der Rechtspflege an hoher und umfassender Qualifikation
der Anwaltsnotare als auch im Interesse der Bewerber, nach ihrer Eignung, Leistung
und Befähigung für das Amt des Notars ausgewählt zu werden, der Zugang zum Anwaltsnotariat
neu geregelt werden. Die notarielle Fachprüfung deckt alle relevanten
Gebiete ab und stellt durch ihre Ausgestaltung sicher, dass die Eignung und Befähigung
der Bewerber zu einer praxisgerechten Umsetzung ihrer Kenntnisse geprüft werden.
Sie gewährleistet, dass nur solche Bewerber zu Notaren bestellt werden, die sich
umfassend auf die notarielle Tätigkeit vorbereitet und unter Beweis gestellt haben,
dass sie über die für die Ausübung dieses Amts erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten
verfügen und sie praxisgerecht umsetzen können (vgl. BT-Drucks. 16/4972 S. 9,
10; Teschner in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 7a Rn. 12, 19; Kobitzsch in
Heinemann/Trautrims, Notarrecht, 2022, § 7a Rn. 3; vgl. zu den Anforderungen an die
Prüfungsleistungen BGH, Beschlüsse vom 16. November 2020 - NotZ(Brfg) 5/20, juris
Rn. 9, 13, 28; vom 11. Juli 2022 - NotZ(Brfg) 3/22, DNotZ 2023, 390 [juris Rn. 18];
siehe etwa auch Heinze, ZNotP 2023, 121 ff., Wolke/Hantusch, ZNotP 2023, 213 ff.).
Mit diesen Anforderungen geht einher, dass das erfolgreiche Ablegen der notariellen
Fachprüfung einen erheblichen persönlichen, zeitlichen und finanziellen (vgl. § 7h
BNotO i.V.m. § 2 Abs. 1 NotFGebS) Aufwand erfordert, der neben der Ausübung des
Anwaltsberufs zu erbringen ist (vgl. Zimmermann in Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung
des Notars, 4. Aufl., Rn. 408a). Angesichts der Quote der nicht bestandenen
Fachprüfungen von 18,16 % im Mittel sämtlicher Prüfungstermine von 2010 bis 2022
(Quelle: www.pruefungsamt-bnotk.de/service-download-bereich/statistiken) ist zudem
vor dem Hintergrund der nur einmaligen Wiederholungsmöglichkeit (§ 7a Abs. 7 Satz 1
BNotO) nicht gesichert, dass er zum Erfolg führt. Demgegenüber werden die erforderlichen
Kenntnisse im hauptberuflichen Notariat gemäß § 7 BNotO in einem (mindestens)
dreijährigen, bezahlten Anwärterdienst als Notarassessor erworben.

(b) Da der Anwaltsnotar - anders als es in der Regel im hauptberuflichen Notariat
der Fall ist - keine Notarstelle eines ausscheidenden Notars übernimmt, begründet
die Errichtung und Einrichtung der von ihm gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BNotO
zu unterhaltenden und während der üblichen Geschäftszeiten offenzuhaltenden Geschäftsstelle
zumeist einen erheblichen organisatorischen und kostenmäßigen Aufwand.
Davon hat sich der Senat auf der Grundlage der Ausführungen des Präsidenten
der Bundesnotarkammer in der mündlichen Verhandlung überzeugt. Die Geschäftsstelle
muss so eingerichtet sein, wie es zur ordnungsgemäßen Amtsausübung, insbesondere
zur Wahrung des Amtsgeheimnisses und zur Durchführung und Abwicklung
der Urkundstätigkeit (§ 15 Satz 1 BNotO) technisch und organisatorisch erforderlich ist
(Regler in Schippel/Eschwey, BNotO, 11. Aufl., § 10 Rn. 39). Das beinhaltet auch die
Beschäftigung entsprechend qualifizierter Notarfachangestellter sowie im Zuge der
fortschreitenden Digitalisierung überdies insbesondere die zusätzlich erforderliche
technische Ausstattung etwa zur Teilnahme am Zentralen Vorsorgeregister, am Zentralen
Testamentsregister und am Elektronischen Urkundenarchiv gemäß §§ 78a, 78c
und 78h BNotO jeweils in Verbindung mit den Vorgaben der gemäß § 78a Abs. 3,
§ 78c Abs. 3 und § 78h Abs. 4 BNotO erlassenen Verordnungen (VRegV, ZTRV und
NotAktVV) sowie zur Ermöglichung der Beurkundung und Beglaubigung mittels Video-
kommunikation gemäß § 78p BNotO, §§ 16a ff., § 40a BeurkG (vgl. Hager/Müller-
Teckhof, NJW 2023, 1855). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, dem der Kläger
nicht widersprochen hat, ist davon auszugehen, dass dafür jährlich oftmals ein sechsstelliger
Betrag aufzuwenden sein wird. Dabei besteht anders als in der Regel im
hauptberuflichen Notariat das Risiko, dass sich die über die für die Führung der Anwaltskanzlei
hinausgehenden zusätzlichen Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung
der Geschäftsstelle vor dem Hintergrund, dass der neu bestellte Anwaltsnotar mit
den langjährig eingeführten, in seinem oder den benachbarten Amtsgerichtsbezirken
tätigen Notaren in Konkurrenz tritt, in der Anfangszeit nicht oder nur schwer amortisieren.

(2) Dies lässt der Kläger - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - außer Acht.
Er geht unzutreffend von einem im Wesentlichen demographisch begründeten Nachwuchsmangel
aus, der indes mit den durchgängig hohen Bewerberzahlen im hauptberuflichen
Notariat nicht vereinbar ist.

(a) Der Umstand, dass die Zahl der Rechtsanwälte in Einzelzulassung seit 2017
leicht gesunken ist (von 154.711 auf 140.713; vgl. Kilian, AnwBl 2023, 360), vermag
entgegen der Ansicht des Klägers einen solchen demographisch begründeten Nachwuchsmangel
nicht zu belegen. Zwischen 1990 und 2015 stieg die Zahl der zugelassenen
Rechtsanwälte stark an (1990: 56.638; 2015: 163.513) und verharrt seither auf
hohem Niveau (2022: 165.587; 2023: 165.186). Dabei waren am 1. Januar 2022 ausweislich
des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Statistischen
Jahrbuchs der Anwaltschaft 2021/2022 43,1 % der Rechtsanwälte mit Einzelzulassung
(mithin 61.582) 50 Jahre oder jünger (vgl. auch die Grafik Durchschnittsalter Anwaltschaft,
https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken). Für Anwaltsnotare waren
laut dem Gutachten der Bundesnotarkammer (Anlage 2, S. 3 ff.) 2022 653 Stellen ausgeschrieben
sowie ferner in den Oberlandesgerichtsbezirken Düsseldorf und Hamm
weitere 295 Stellen für besonders qualifizierte Bewerber (Bedürfnisstellen II, vgl. dazu
unten II 2 c bb), mithin insgesamt 948 Stellen. Selbst unter Zugrundelegung der vom
Kläger unter Bezugnahme auf das von ihm vorgelegte Gutachten zur Europarechtskonformität
der Altersgrenze (Februar 2023, S. 24) behaupteten Zahlen (961 ausgeschriebene
Stellen für Anwaltsnotare im Jahr 2022) ist die Zahl der jüngeren Rechtsanwälte
daher ohne weiteres genügend, um (demographisch) ausreichenden Nachwuchs
für das Anwaltsnotariat zu gewährleisten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass
aufgrund der Besonderheiten der Bedürfnisprüfung die 2022 ausgeschriebenen Stellen
den gesamten Bedarf an Anwaltsnotaren widerspiegeln und daher nicht etwa die
insgesamt in mehreren Jahren ausgeschriebenen Stellen zu den abgelegten notariellen
Fachprüfungen ins Verhältnis gesetzt werden können.

(b) Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass sich die Altersstruktur im Anwaltsnotariat
gemäß dem Gutachten der Bundesnotarkammer (Anlage 3, S. 1) ganz
überwiegend ausgeglichen zeigt, wobei mit Ausnahme der Notarkammern Berlin und
Braunschweig im Wesentlichen etwa eine Drittelverteilung zwischen den Altersgruppen
der bis 49 Jahre, zwischen 50 und 59 Jahre sowie zwischen 60 bis 69 Jahre alten
Notaren besteht. In den Notarkammern Celle, Frankfurt am Main und Kassel sowie in
der Westfälischen Notarkammer weist die Altersgruppe der bis 49 Jahre alten Anwaltsnotare
jeweils den höchsten Anteil auf, der denjenigen der zwischen 60 und 69 Jahre
alten Notare deutlich übersteigt.

(c) Der Umstand, dass die Zahl der Anwaltsnotare seit 1998 deutlich von 9.045
auf 4.997 zurückgegangen ist, belegt entgegen der Ansicht des Klägers keinen demographisch
begründeten Nachwuchsmangel. Da die Stellenzahl wie ausgeführt stets
auf einer Bedürfnisprüfung beruht, vermag sich in ihrem Rückgang schon kein Nachwuchsmangel
zu zeigen. Die Entwicklung spiegelt vielmehr die Entwicklung der Urkundszahlen
sowie die vom Gesetzgeber - unter anderem mit der Einführung der notariellen
Fachprüfung - angestrebte bessere Qualifizierung mit dem Ziel leistungsfähigerer
Notariate wider.

(d) Schließlich besteht entgegen der Ansicht des Klägers auch kein erhebliches
Missverhältnis zwischen der Anzahl der erfolgreich abgelegten notariellen Fachprüfungen
und den altersbedingt freiwerdenden Stellen. In den Jahren 2010 bis 2022 bestanden
3.361 Anwälte die notarielle Fachprüfung (2010: 151, 2011: 166; 2012: 271; 2013:
290; 2014: 328; 2015: 290; 2016: 355; 2017: 324; 2018: 296; 2019: 337; 2020: 188;
2021: 197; 2022: 168; Quelle: https://www.pruefungsamt-bnotk.de/service-downloadbereich/
statistiken). Das entspricht etwa 65 % der tätigen Anwaltsnotare (Gutachten
der Bundesnotarkammer, Anlage 1 S. 6 bis 17, 2022: 5.102 Anwaltsnotare). Auf dieser
Grundlage ist eine Besetzung der altersbedingt freiwerdenden Stellen entgegen der
Ansicht des Klägers im Grundsatz gesichert, was durch die Altersstruktur im Anwaltsnotariat
- wie oben ausgeführt - belegt wird. Der deutliche Rückgang der Zahl der bestandenen
notariellen Fachprüfungen seit 2020 ist - was der Kläger außer Acht lässt -
vor dem Hintergrund der Pandemie zu sehen und lässt daher eine Prognose für die
nächsten Jahre nicht zu.

(3) Kann danach kein im Wesentlichen demographisch begründeter Nachwuchsmangel
festgestellt werden, sondern hat dieser ausschlaggebend die genannten
anderen strukturellen Gründe, kommt es entgegen der Ansicht des Klägers für die Erforderlichkeit
der Altersgrenze auf die Frage, ob die im Anwaltsnotariat ausgeschriebenen
Stellen besetzt werden können, nicht an.

(a) Zwar weist der Kläger zu Recht auf die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs
hin (Gutachten zur Europarechtskonformität der Altersgrenze gemäß § 48a
BNotO, S. 22), wonach es möglich ist, dass eine Altersgrenze zur Erreichung des verfolgten
Ziels, die Berufschancen zwischen den Generationen zu verteilen, weder angemessen
noch erforderlich ist, wenn die Zahl der Berufsträger (dort: Vertragszahnärzte)
auf dem betreffenden Arbeitsmarkt, gemessen am Bedarf (dort: der Patienten),
nicht überhöht ist, weil der Zugang neuer und insbesondere junger Berufsangehöriger
zu diesem Markt normalerweise unabhängig davon möglich ist, ob es Berufsträger
gibt, die ein bestimmtes Alter überschritten haben (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010
- C-341/08, Slg. 2010, I-47100 Rn. 71 - Petersen).

(b) Eine solche Situation liegt hier aber angesichts der vom Senat getroffenen
Feststellungen nicht vor. Die Funktion der Altersgrenze, die Berufschancen zwischen
den Generationen zu verteilen, wird nämlich - worauf der Beklagte zu Recht hinweist -
dadurch erfüllt, dass beim Ausscheiden eines lebensälteren Notars sein Urkundenund
Gebührenaufkommen (§§ 85 ff., 36, 95 ff. GNotKG) auf die jüngeren Notare übergeht.
Bleiben lebensältere Notare mit gut eingeführten Notariaten und einem großen
Stamm an Urkundsbeteiligten - wie auch der Kläger, dessen jährliches Urkundenaufkommen
nach seinem eigenen Vorbringen 2020 selbst das durchschnittliche Aufkommen
eines hauptberuflichen Notars überstiegen hat - ohne Altersgrenze im Amt, haben
jüngere Rechtsanwälte keine hinreichende Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige
Notariate. Nur wenn sie wegen des stetigen Ausscheidens lebensälterer Notare ein
wirtschaftlich sinnvolles Urkunden- und Gebührenaufkommen erreichen können, werden
sie den erheblichen Aufwand auf sich nehmen, der wie oben dargestellt für den
Einstieg in den Nebenberuf erforderlich ist. Es trifft daher nicht zu, dass der Kläger
beim Verbleiben im Amt keinen nachrückenden Bewerber "blockiere". Steht im Mittelpunkt
der Betrachtung - wie wegen der Ausgestaltung des Nebenberufs geboten - die
Verteilung des verfügbaren Urkunden- und Gebührenaufkommens zwischen den Generationen,
erschließt sich im Gegenteil gerade beim hier vorliegenden Bewerbermangel
aus strukturellen Gründen unmittelbar, dass die Altersgrenze zur Erreichung des
mit ihr verfolgten Ziels (nach wie vor) erforderlich ist und nicht über das Notwendige
hinausgeht.

(c) Entgegen der Ansicht des Klägers hat sich das mit der Altersgrenze verfolgte
Ziel auch nicht dahin geändert, dass mit ihr nunmehr das Ziel einer Qualitätsverbesserung
des Anwaltsnotariats verfolgt werde. Die Altersgrenze soll nach wie vor die
Berufschancen zwischen den Generationen gerecht verteilen. Dass sich die Rahmenbedingungen
des Zugangs zum Anwaltsnotariat beginnend etwa seit 2010 erheblich
geändert haben, bewirkt keine Änderung des mit der Altersgrenze verfolgten Ziels. Es
erfordert lediglich das Ausscheiden aus dem Amt von lebensälteren Notaren auch
dann, wenn ein Bewerbermangel besteht. In diesem Zusammenhang haben sowohl
der Präsident der Bundesnotarkammer als auch der Vertreter der Beklagten überzeugend
dargelegt, dass für (mögliche) Notarbewerber die Planbarkeit in Bezug auf den
Zeitpunkt, wann eine Stelle (und damit auch Urkunden- und Gebührenvolumen) altersbedingt
frei wird, einen hohen Stellenwert hat. Es ist nach Ansicht des Senats nachvollziehbar,
dass eine solche Planbarkeit gerade in kleineren Städten oder ländlichen
Gebieten bei der Entscheidung, ob mögliche Bewerber den für den Zugang zum Notarberuf
erforderlichen hohen persönlichen und finanziellen Aufwand in Kauf nehmen,
eine wichtige Rolle spielt.

(d) Dem steht nicht entgegen, dass - wie der Kläger meint - eine Aufhebung der
Altersgrenze den Einstieg in den Nebenberuf des Anwaltsnotars attraktiver werden
ließe. Zur Überzeugung des Senats wird es für die Entscheidung jüngerer Berufsbewerber
maßgeblich darauf ankommen, ob sich die erforderlichen - persönlichen und
finanziellen - Investitionen in überschaubarer Zeit amortisieren und die laufenden Kosten
gedeckt werden können. Demgegenüber ist aus Sicht eines jüngeren Neunotars
bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nachrangig, dass der Notarberuf
über die Altersgrenze hinaus ausgeübt werden kann. Dass Anwälte in nennenswertem
Umfang bereit sind, die Notartätigkeit - wie der Kläger meint - wirtschaftlich durch ihre
Anwaltstätigkeit quer zu subventionieren, wird allenfalls in Einzelfällen oder kurzfristig
vorkommen. Es würde zudem auch eine nicht hinnehmbare Gefahrenlage im Hinblick
auf die Einhaltung der sich aus der Bundesnotarordnung ergebenden Pflichten des
Notars, insbesondere die Pflichten aus § 14 BNotO, begründen.

(e) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass - wie der Kläger geltend
macht - lediglich wenige, etwa allenfalls 10 % der Notare den Nebenberuf über
die Altersgrenze hinaus ausüben würden. Auf diese Behauptung kommt es schon deshalb
nicht an, weil der Zugang zum Nebenberuf aus Sicht möglicher Bewerber bereits
dann wirksam verschlossen wird, wenn die wirtschaftlich besonders erfolgreichen Anwaltsnotare
weiterhin und ohne Altersgrenze im Amt bleiben. Gerade für diesen Personenkreis,
dem auch der Kläger angehört, wird der Verbleib im Amt über die Vollendung
des 70. Lebensjahr hinaus besonders attraktiv erscheinen.
Überdies geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Bedürfnis für eine solche
Regelung weiterhin besteht, weil durch einen zahlenmäßig relevanten Verbleib älterer
Notare im Amt die geordnete Altersstruktur im Notariat nicht hinreichend gewahrt ist.
§ 48a BNotO wurde 1991 durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung
eingeführt (BGBl. I S. 150). Der Gesetzgeber hielt die darin bestimmte Altersgrenze
von 70 Jahren für erforderlich, "um eine geordnete Altersstruktur, insbesondere
im Anwaltsnotariat, zu wahren" (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
BT-Drucks. 11/8307 S. 18). Der Gesetzgeber hat an dieser Risikobeurteilung
in Kenntnis des Bewerberrückgangs im Anwaltsnotariat 2021 (siehe dazu sogleich
[f]) festgehalten. Dies hält sich in dem vom Unionsgerichtshof den Mitgliedstaaten
zugebilligten - und vom Senat auch aus den Gründen der Gewaltenteilung zu beachtenden
- weiten Ermessens-, Beurteilungs- und Prognosespielraum hinsichtlich der
allgemeinen (Pensions-)Altersgrenzen (siehe oben Nr. 1).

(f) Nach alledem kann der Senat nicht feststellen, dass der Gesetzgeber den
ihm nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs zukommenden Prognose- und
Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Altersgrenze und ihre
Ausgestaltung verletzt hat. Der Gesetzgeber hat 2021 in Kenntnis des signifikant zugenommenen
Bewerbermangels im Anwaltsnotariat an der Altersgrenze festgehalten
(BT-Drucks. 19/26828, S. 113, 114). Er hat durch das am 1. August 2021 in Kraft getretene
Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts Möglichkeiten zur besseren
Vereinbarkeit von Familie und Beruf (§ 48b BNotO) geschaffen. Er hat ferner
vorgesehen, dass von der örtlichen Wartezeit (§ 5b Abs. 1 Nr. 2 BNotO) für den Fall
abgesehen werden kann, dass im jeweiligen Amtsbereich keine Bewerbung dieser Voraussetzung
genügt, wenn ein Bewerber seine Anwaltstätigkeit mindestens zwei Jahre
im vorgesehenen Amtsbezirk oder drei Jahre in einem angrenzenden Amtsbezirk ausgeübt
hat (§ 5b Abs. 3 BNotO). Insbesondere durch die verbesserten Möglichkeiten
der Vereinbarung von Familie und Beruf wird der Nebenberuf attraktiver und der Zugang
zu ihm ohne die zuvor bestehenden erheblichen Hürden tatsächlicher Art zahl-
reichen jüngeren Rechtsanwältinnen erst ermöglicht. Die Entscheidung des Gesetzgebers,
auf dieser Grundlage die weitere Entwicklung der Bewerberzahlen abzuwarten,
steht im Einklang mit dem ihm nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs
zuzubilligenden Prognose- und Beurteilungsspielraum. Der Senat kann nicht feststellen,
dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt
wird.

(g) Entgegen der Ansicht der Parteien kommt es daher für die Rechtfertigung
von § 48a BNotO nach dem Maßstab des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 weder darauf an,
ob die im Anwaltsnotariat ausgeschriebenen Stellen - auch die im Jahr 2023 für den
Amtsgerichtsbezirk D. ausgeschriebenen Stellen - besetzt werden können,
noch darauf, ob und gegebenenfalls in welchen Gerichtsbezirken ein zwingendes Bedürfnis
nach notariellen Leistungen im Sinn von § 4 Abs. 1 BNotO besteht.

c) Die bundeseinheitlich für alle Notare geltende Altersgrenze ist zur Erreichung
des mit ihr verfolgten Ziels auch angemessen. Insbesondere wird sie entgegen der
Ansicht des Klägers kohärent und systematisch angewendet. Der Gesetzgeber hat im
Rahmen des ihm zuzubilligenden weiten Wertungsspielraums einen angemessenen
Ausgleich gefunden, ohne dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus
Gründen des Alters ausgehöhlt wird.

aa) Die Altersgrenze gilt bundeseinheitlich und ausnahmslos und weist daher
eine vollständige Kohärenz auf. Entgegen der Ansicht des Klägers kann er aus dem
Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. April 2023
(12 K 2386/22, juris Rn. 69 ff.) nichts für sich herleiten. Das Vorabentscheidungsersuchen
betrifft die Frage, ob eine unterschiedliche Behandlung von Bundesbeamten und
Bundesrichtern im Hinblick auf das Hinausschieben des Ruhestands gemäß § 53 BBG
eine Inkohärenz begründen kann. So liegt es hier indes nicht, nachdem eine vergleichbare
Ungleichbehandlung schon nicht geltend gemacht wird.

bb) Es sind auch keine weiteren Umstände ersichtlich, aus denen sich ergeben
könnte, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters
ausgehöhlt wird. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt eine Aushöhlung insbesondere
nicht daraus, dass der Verordnungsgeber in Nordrhein-Westfalen die Allgemeine
Verfügung über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare mit Wirkung zum
1. Januar 2021 geändert, und die Richt- beziehungsweise Bedürfniszahlen von 275
auf 350 erhöht hat (§ 15 AVNot NRW in der Fassung vom 10. Mai 2019, JMBl. NRW
vom 15. Mai 2019, Nr. 10). Das zeigt sich schon daran, dass die obige Betrachtung für
die Jahre 2021 und 2022 unter Einschluss der sogenannten Bedürfnisstellen II erfolgt
ist. Die vom Kläger behauptete Aushöhlung des Diskriminierungsverbots ist aber auch
unabhängig davon nicht festzustellen.

(1) Gemäß § 15 AVNot NRW ist ein Bedürfnis für die Bestellung einer Notarin
oder eines Notars in der Regel gegeben, wenn in einem Amtsgerichtsbezirk der Jahresdurchschnitt
der Urkundsgeschäfte der Notarinnen und Notare unter Mitberücksichtigung
einer weiteren Notarstelle in den letzten beiden Kalenderjahren mindestens 350
beträgt. Hierbei sind Niederschriften mit dem Faktor 1,0, Beglaubigungen mit Entwurf
mit dem Faktor 0,5 und Beglaubigungen ohne Entwurf mit dem Faktor 0,1 zu gewichten
(§ 10a Abs. 1 AVNot). Für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren (2021 und
2022) wurden zudem sogenannte Bedürfnisstellen II ausgeschrieben. Um besonders
geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern den Zugang zum Notaramt zu ermöglichen,
wurde für diese Ausschreibung die Bedürfniszahl 275 zugrunde gelegt. Besonders
geeignet sind solche Bewerber, die einen Notendurchschnitt aus der notariellen
Fachprüfung und der die juristische Ausbildung abschließen Staatsprüfung von mindestens
acht Punkten aufweisen (§ 15a AVNot). Diese Änderung führte für die Ausschreibung
vom 15. Mai 2022 (JMBl. NRW 2022 Nr. 10, S. 234 f.) dazu, dass 57 Bedürfnisstellen,
darunter keine für den Amtsgerichtsbezirk D. , und zusätzlich
303 Bedürfnisstellen II, darunter vier für den Amtsgerichtsbezirk D. , ausgeschrieben
worden sind. Ziel der Anhebung der Bedürfniszahlen war es nach dem unwidersprochen
gebliebenen Vortrag des Beklagten, einem rein rechnerisch bestehenden
Überhang an unbesetzten Stellen im Anwaltsnotariat entgegenzuwirken, nachdem
trotz dieses Überhangs keine Unterversorgung der rechtsuchenden Bevölkerung mit
notariellen Leistungen festzustellen war. Der Hinweis im vom Kläger in der mündlichen
Verhandlung vorgelegten Kammerreport Hamm vom 15. Juni 2019, wonach die Urkundszahl
vor dem Hintergrund der seit Jahren nicht besetzten Notarstellen erhöht
werden solle, steht dem nicht entgegen. Mit der Stellenkonsolidierung verbunden war
das Ziel, die Qualität der notariellen Leistungen weiter anzuheben, eine flächendeckende
Versorgung des rechtsuchenden Publikums mit notariellen Leistungen weiterhin
sicherzustellen und das Interesse für das Anwaltsnotariat in der Anwaltschaft aufrechtzuerhalten.
Die Anhebung der Bedürfniszahl sollte dem juristischen Nachwuchs
signalisieren, dass ein attraktives und leistungsstarkes Anwaltsnotariat angestrebt
wird, indem durch eine verstärkte Beschäftigung mit notariellen Leistungen eine größere
berufliche Erfahrung und ein gesteigerter betriebswirtschaftlicher Anreiz für die
Tätigkeit als Anwaltsnotare geschaffen werden. Zugleich sollte der höhere Urkundenschlüssel
zu einer stärkeren Bewerberkonkurrenz führen mit der Folge, dass sich vor
allem Bewerber mit guten Ergebnissen in den Prüfungen die besten Chancen ausrechnen
können. Mit der vorübergehenden Ausschreibung von Bedürfnisstellen II sollte
gemäß der Vorgabe in § 4 Satz 2 BNotO vermieden werden, dass die Anhebung der
Bedürfniszahl den Zugang zum Anwaltsnotariat für einen Übergangszeitraum verschließt.

(2) Die maßvolle Anhebung führte zu Bedürfniszahlen, die - wie oben ausgeführt
- auch in anderen Bundesländern gelten (vgl. zum Organisationsermessen des
Verordnungsgebers BGH, Beschluss vom 31. März 2003 - NotZ 24/02, DNotZ 2003,
782 [juris Rn. 6 ff.]. Die Anhebung verfolgte vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen
an den Nebenberuf das mit der Altersgrenze kohärente Ziel, ein leistungsfähiges
und angesichts der seit 2010 gestiegenen Anforderungen auch für jüngere Berufsbewerber
attraktives Anwaltsnotariat mit gesteigertem betriebswirtschaftlichen Anreiz
zu gewährleisten.

cc) Ein angemessener Interessenausgleich wird schließlich auch dadurch gewährleistet,
dass die Altersgrenze für Notare deutlich über den im Bund und in den
Bundesländern geltenden Pensionsaltersgrenzen von 67 (vgl. etwa § 48 Abs. 1 DRiG;
§ 51 Abs. 1 BBG) beziehungsweise 65 Jahren (vgl. § 38 LBG Berlin) für Richter und
Beamte liegt. Zudem handelt es sich beim vom Kläger ausgeübten Notaramt um einen
Nebenberuf. Der Kläger ist nicht gehindert, den Beruf des Rechtsanwalts auch weiterhin
auszuüben oder als Notarvertreter oder Notariatsverwalter tätig zu sein (vgl. EuGH,
Urteile vom 12. Oktober 2010 - C-45/09, ECLI:EU:C:2010:601 Rn. 75 - Rosenbladt;
vom 18. November 2010 - C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 54 - Georgiev; vom 5. Juli
2012 - C-141/11, EuZW 2012, 794 Rn. 40 - Hörnfeldt; Regler in Schippel/Eschwey,
BNotO, 11. Aufl., § 48a Rn. 6, 9).

dd) Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich, dass das vom Kläger angeführte
mildere Mittel, das darin bestehen soll, lediglich diejenigen über 70jährigen Notare aus
dem Amt ausscheiden zu lassen, die angesichts ihrer Beurkundungszahlen das Amt
tatsächlich nicht mehr ausüben, nicht geeignet wäre, um die mit der Altersgrenze verfolgten
Ziele zu erreichen. Aus dem gleichen Grund liegt kein entscheidungserheblicher
Gehörsverstoß darin, dass das Oberlandesgericht den Vortrag des Klägers, wonach
der Gesetzgeber vorrangig "Zwergnotariate" zu beseitigen habe, nicht ausdrücklich
beschieden hat.

d) Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Klägers, eine Diskriminierung ergebe sich
ferner aus dem Umstand, dass Notare in Italien bis zum 75. Lebensjahr amtieren dürften.
Dass in verschiedenen Mitgliedstaaten oder verschiedenen Regionen in den Mitgliedsstaaten
unterschiedliche Altersgrenzen gelten, stellt die Erforderlichkeit und kohärente
und systematische Anwendung der Altersgrenze nicht in Frage, weil ihre Festsetzung
nach Erwägungsgrund 14 den Mitgliedstaaten obliegt (vgl. auch EuGH, Urteil
vom 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160-10, Slg. 2011, I-6919 Rn. 97 - Fuchs und Köhler
zu unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern).

III. Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Unionsgerichtshof besteht kein
Anlass. Ein einzelstaatliches Gericht ist, soweit gegen seine Entscheidung kein
Rechtsmittel gegeben ist, grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof gemäß Art. 267
Abs. 3 AEUV anzurufen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage
nach der Auslegung des Unionsrechts stellt. Es ist von dieser Pflicht nur dann befreit,
wenn es festgestellt hat, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, die
Vorschrift des Unionsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof
war oder die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für
einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982,
Cilfit u. a., 283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Rn. 21; vom 15. September 2005, Intermodal
Transports, C-495/03, ECLI:EU:C:2005:552, Rn. 33; vom 4. Oktober 2018, Kommission/
Frankreich, C-416/17, ECLI:EU:C:2018:811, Rn. 110).

1. Der Streitfall wirft keine neuen Fragen zur Auslegung der Richtlinie
2000/78 auf. Er kann - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - durch die den
nationalen Gerichten zugewiesene Anwendung (EuGH, Urteile vom 18. November
2010 - C-250/09, Slg. 2010, I-11869 Rn. 56 - Georgiev und vom 3. Juni 2021
- C-914/19, NJW 2021, 2183 Rn. 40, 42, 48 - GN) der durch die Rechtsprechung des
Unionsgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung geklärten Grundsätze auf den vorliegenden
Einzelfall entschieden werden. Etwas Anderes ergibt sich nicht aus dem in der
mündlichen Verhandlung erfolgten Hinweis des Klägers auf ein Vorabentscheidungsersuchen
des Oberlandesgerichts Köln (36 Not 8/22, beim Unionsgerichtshof anhängig
unter C-408/23, bisher unveröffentlicht). Der vom Kläger nicht vorgelegte Beschluss
betrifft nach seinem Vortrag die Altersgrenze für die Bestellung zum Notar gemäß
§ 5 Abs. 4 BNotO und mithin eine andere Fallgestaltung.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers war nach diesen Maßgaben auch im
Hinblick auf die Einholung des Gutachtens der Bundesnotarkammer durch den Senat
gemäß § 111b BNotO, § 125 Abs. 1, § 86 Abs. 1 VwGO ein Vorabentscheidungsersuchen
nicht erforderlich. Der Beklagte ist nicht einer ihm obliegenden Darlegungslast
nicht hinreichend nachgekommen, mit der Folge, dass der Klage ohne weitere Ermittlungen
oder Beweisaufnahme stattzugeben gewesen wäre.

Dies gilt schon deshalb, weil die Altersgrenze - wie ausgeführt - nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats sowohl mit deut-
schem Verfassungsrecht als auch mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie
2000/78 und Art. 21 Abs. 1 GrCh vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund reichte der
Verweis des Beklagten auf die bereits festgestellte Rechtfertigung zur Darlegung ohne
weiteres aus. Es oblag sodann dem Kläger, zu einer erheblichen Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse vorzutragen und eine Diskriminierung ausreichend glaubhaft
zu machen. Insoweit weicht die hier vorliegende Fallgestaltung von der der Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 26. März 2019 zugrundeliegenden ab (II ZR
244/17, BGHZ 221, 325 Rn. 38 f.). Mit dem Vortrag der Probleme bei der Besetzung
von ausgeschriebenen Stellen im Bereich des Anwaltsnotariats ist der Kläger dem
nachgekommen und hat dem Senat Anlass für eine von Amts wegen zu veranlassende
Beweiserhebung gemäß § 111b BNotO, § 125 Abs. 1, § 86 Abs. 1 VwGO gegeben.
Es begegnet nach dem Maßstab der acte-clair-Doktrin keinem vernünftigen Zweifel,
dass dies mit den hier unmittelbar anwendbaren Regelungen der Art. 6 Abs. 1, Art. 10
Abs. 1 und Abs. 5 RL 2000/78 nach den Erwägungsgründen 14, 25, 31 und 32 in
Einklang steht, nachdem der Beklagte sich erstinstanzlich auf die nach ständiger
Rechtsprechung bereits festgestellte Rechtfertigung berufen hat.

Dessen ungeachtet hat der Senat ohnehin Zweifel, ob die in Art. 10 Abs. 1
RL 2000/78 bestimmten Grundsätze der Beweislast und damit folgend der Darlegungslast
bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer in einem allgemeinen Gesetz
geregelten Altersgrenze mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 Anwendung finden können, jedenfalls
wenn die maßgebende Prozessordnung, wie hier, die Amtsermittlung vorsieht.
Dies ergibt sich aus der Systematik und dem Zweck von Art. 6 Abs. 1 und Art. 10
Abs. 1 RL 2000/78 sowie aus den Erwägungsgründen 14, 25, 31 und 32. Art. 10 Abs. 1
RL 2000/78 hat nur die Geltendmachung von Diskriminierungen im Einzelfall zum Regelungsgegenstand.
Es wäre zweckwidrig und mit dem unionsrechtlichen Gebot des
"effet utile" unvereinbar, wenn sich im Amtsermittlungsv#erfahren die Anwendbarkeit
einer gesetzlich bestimmten Altersgrenze im Sinne des Erwägungsgrundes 14 nach
dem individuellen Vortrag der Parteien und ihrem Prozessgeschick beurteilen würde.
Dies könnte dazu führen, dass in verschiedenen Verfahren die Vereinbarkeit derselben
gesetzlichen Altersgrenze mit Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 jeweils in Abhängigkeit von der
Substantiierung und Güte des Vortrags der Beteiligten unterschiedlich beurteilt wird.

Aus diesem Grund gilt hier - wie oben ausgeführt - auch nicht § 22 AGG und die dazu
vom Kläger zitierte Rechtsprechung (vgl. etwa OVG Münster, BeckRS 2019, 25474
Rn. 56).

Im Übrigen wird auf den Beschluss vom 6. März 2023 Bezug genommen, mit
dem der Senat die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beweisbeschluss vom
26. Januar 2023 beschieden hat.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

21.08.2023

Aktenzeichen:

NotZ(Brfg) 4/22

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Kostenrecht

Normen in Titel:

BNotO §§ 48a, 47 Nr. 2