Auslegung einer Vorsorgevollmacht im Grundbuchverfahren
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Dokumentnummer: 20w278_11
letzte Aktualisierung: 5.12.2011
OLG Frankfurt, 29.6.2011 - 20 W 278/11
Auslegung einer Vorsorgevollmacht im Grundbuchverfahren
1. Bei Gestaltung der Vorsorgevollmacht in der Weise, dass der Vollmachtgeber die
Vorsorgevollmacht unbedingt erteilt und den Bevollmächtigten intern anweist, dass
grundsätzlich erst bei Eintritt des Vorsorgefalles (Betreuungsbedürftigkeit bzw.
Geschäftsunfähigkeit) von der Vollmacht Gebrauch gemacht werden darf - wie in
vorliegenden Fall durch die eingangs der Urkunde aufgeführte Bedingung des Eintritts des
Vorsorgefalls -, muss der Vollmachtstext eindeutig ergeben, dass die Anweisung bzw. die
Bedingung nur im Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten gilt.
2. Ist der Vollmachtstext insoweit nicht eindeutig bzw. bestehen berechtigte Zweifel, so kann
vom Grundbuchamt eine klarstellende zusätzliche Erklärung des Vollmachtgebers in der
Form des
Außenverhältnis unbeschränkt erteilt werden sollte oder der Nachweis, dass die
Voraussetzungen für das Gebrauchmachen der Vollmacht (Vorsorgefall) erfüllt sind.
Tenor
Die angefochtene Zwischenverfügung wird dahin ergänzt, dass das Eintragungshindernis auch
durch die klarstellende zusätzliche Erklärung der Vollmachtgeberin in der Form des § 29
GBO beseitigt werden kann, aus der sich ergibt, dass die Vollmacht vom 04.12.2002 im
Außenverhältnis unbeschränkt erteilt werden sollte.
Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Der Geschäftwert für den zurückgewiesenen Teil wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller ist seit dem ….2004 als Eigentümer des betroffenen Grundbesitzes
eingetragen, das ihm u. a. durch den Übergabevertrag vom ….2003 –UR-Nr. .../2003 (Fol.
20/2 ff. der Grundakten Blatt xxx) - von seiner Mutter, Frau A, im Weg vorweggenommener
Erbfolge übertragen wurde. Gleichzeitig behielt sich die Übergeberin an dem übergebenen
Grundbesitz ein Nießbrauchsrecht vor, das als lfde. Nr. 2 in Abt. II des jeweiligen
Grundbuchblattes eingetragen wurde. Die Vertragsbeteiligten vereinbarten ferner eine
bedingte und befristete Rückübertragung, zu deren Sicherung in Abt. II unter lfde. Nr. 3 des
jeweiligen Grundbuchblattes eine Vormerkung eingetragen wurde.
Mit am 27.04.2010 beim Grundbuchamt eingegangenem Schreiben des
verfahrensbevollmächtigten Notars ist die Löschung des Nießbrauchs und der Vormerkung in
den Grundbuchblättern xxx und yyy beantragt worden. Mit eingereicht worden ist eine
öffentlich beglaubigte Löschungsbewilligung des Antragstellers vom 19.04.2011, in der
dieser als Bevollmächtigter seiner Mutter handelte auf Grund einer am 04.12.2002 durch den
Notar B, O2, zu seiner UR-Nr. …/2002 protokollierten Altersvorsorgevollmacht, auf deren
Inhalt Bezug genommen wird.
Für den Fall, dass sie auf Grund einer geistigen oder seelischen Behinderung bzw. Krankheit
nicht mehr in der Lage sein sollte, ihre eigenen Angelegenheiten ganz oder teilweise zu
besorgen, erteilte Frau A dem Antragsteller und Frau C Generalvollmacht und zwar jedem für
sich nach Herstellung des gegenseitigen Einvernehmens. Die Bevollmächtigten sollen
legitimiert sein zur Vertretung in sämtlichen Vermögens- sowie Behördenangelegenheiten in
jeder denkbaren Weise gegenüber Behörden, Versicherungen, Leistungsträgern, Gerichten,
insbesondere dem Vormundschaftsgericht und gegenüber Dritten, wo immer das Gesetz eine
Stellvertretung ermöglicht. Nach der Beschreibung des Vollmachtsumfangs in persönlichen
Angelegenheiten (Heilbehandlung, Unterbringung usw.) heißt es:
"Im Außenverhältnis gilt diese Vollmacht uneingeschränkt. Im Innenverhältnis sind die
Bevollmächtigten gehalten, die Vollmacht möglichst nur nach meiner Weisung und unter
Berücksichtigung meiner Wünsche,
Im Anschluss daran enthält die Vollmachtsurkunde die Beschreibung des Vollmachtsumfangs
im Wesentlichen in vermögensrechtlicher Hinsicht. In diesem Zusammenhang heißt es:
des
beschränkt ist, in meinem Eigentum stehende Immobilien zu veräußern oder zu belasten, um
für mich eventuell entstehende Pflege- oder Unterbringungskosten zu bestreiten. Diese
Vollmacht ist nur im Innenverhältnis beschränkt und gilt nach außen unbeschränkt."
Die Vollmachtgeberin bat nach dem Urkundsinhalt um eine beglaubigte Fotokopie der
Vollmachtsurkunde und um Erteilung je einer Ausfertigung für die Bevollmächtigten, die
jedoch zunächst ihr ausgehändigt werden sollten. Eine zweite Ausfertigung dieser Urkunde
war dem Antragsteller von dem Urkundsnotar am 05.12.2002 erteilt worden.
Der Grundbuchrechtspfleger hat dem verfahrensbevollmächtigten Notar mit
Zwischenverfügung vom 03.05.2011 (Fol. 22/3 d. A.) die Vorlage eines medizinischen
Gutachtens in öffentlich beurkundeter Form aufgegeben, durch welches der Eintritt der
Bedingung nachgewiesen wird, unter der die Vollmacht vom 04.12.2002 erteilt worden sei. Er
hat sich auf die eingangs der Vollmacht aufgeführte Beschränkung berufen und an seiner
Auffassung auch nach dem Hinweis des Verfahrensbevollmächtigten auf die in der
Vollmachtsurkunde enthaltenen Regelung der uneingeschränkten Geltung im Außenverhältnis
festgehalten.
Dagegen richtet sich die unter dem 06.06.2011 eingelegte Beschwerde, mit der die
Auffassung vertreten wird, die Vollmacht vom 04.12.2002 könne verwendet werden, ohne
dass es des Nachweises des Eintritts der Seite 2 der Vollmacht genannten Bedingung bedürfe.
Aus der vorgesehenen uneingeschränkten Geltung im Außenverhältnis folge, dass die
Vollmacht mit sofortiger Wirkung und nicht aufschiebend bedingt erteilt worden sei.
Der Grundbuchrechtspfleger hat mit Beschluss vom 14.06.2011 der "Erinnerung des Notars
Dr. D" nicht abgeholfen und die Nichtabhilfe damit begründet, dass die Formulierung "im
Außenverhältnis gilt diese Vollmacht uneingeschränkt" die aufschiebende Bedingung nicht
aufhebe, sondern vielmehr den Umfang der Vollmacht festlege, sobald die Bedingung
eingetreten sei.
Die Beschwerde, über die nach
der hier erfolgten Nichtabhilfeentscheidung nach
entscheiden hat, ist zulässig (
Insoweit ist -wie in der Vergangenheit bereits mehrfach geschehen-, auch hier klarzustellen,
dass gegen Entscheidungen des Rechtspflegers nach der Abschaffung der
Durchgriffserinnerung und Neufassung des § 11 RpflegerG durch das Gesetz vom 06.08.1998
(BGBl I, 2030) das Rechtsmittel gegeben ist, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen
Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs. 1 RpflegerG). Das ist in Grundbuchsachen die
Beschwerde gemäß
GBO, 2. Aufl., § 71, Rdnr. 71; Bauer- von Oefele: GBO, 2. Aufl., § 71, Rdnr. 2;
Arnold/Meyer-Stolte: RpflegerG, 7. Aufl., 2009, § 11, Rdnr. 86). Des Weiteren ist vorliegend
nicht der Notar als solcher Beschwerdeführer, wie in dem Nichtabhilfebeschluss ausgeführt
wird, denn dem Notar steht weder ein eigenes Antragsrecht, noch ein eigenes
Beschwerderecht zu (Demharter: aaO., § 71, Rdnr. 74,75). Beschwerdeführer ist vielmehr der
Löschungsantrag.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache lediglich im Umfang des Tenors Erfolg.
Die angefochtene Zwischenverfügung ist nur insoweit zu beanstanden, als nicht alle zur
Beseitigung des Eintragungshindernisses möglichen Mittel aufgezeigt werden und war
dementsprechend zu ergänzen (BayObLG
10. Aufl., § 77, Rdnr. 32).
Zutreffend ist das Grundbuchamt davon ausgegangen, dass es den Umfang einer Vollmacht
selbständig zu prüfen hat, auch wenn der Urkundsnotar die Vollmacht für ausreichend
angesehen hat (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 19 Rdnr. 74 m. w. N.). Bei einer bedingten
Vollmacht hat sich die Prüfung auch auf den Eintritt der Bedingung zu erstrecken (Demharter,
aaO., § 19 Rdnr. 74; OLG Köln
gelten generell die für Grundbucherklärungen aufgestellten Grundsätze. Es ist also auf
Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie es sich für einen unbefangenen Betrachter
als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (OLG München
der Anwendung dieser Grundsätze ist auch dem Bestimmtheitsgrundsatz besondere
Beachtung zu schenken; auf eine Auslegung von Erklärungen kann nur zurückgegriffen
werden, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Darauf, was die
Beteiligten tatsächlich gewollt haben, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl.
Demharter, aaO., § 19 Rdnr. 28).
Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, dass das Grundbuchamt hier von einer
bedingten Vollmacht ausgegangen ist und den in der angefochtenen Zwischenverfügung
aufgeführten Nachweis verlangt hat.
Bei Bedingungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Vollmacht im
Außenverhältnis, also gegenüber dem Grundbuchamt, statt bedingt auch uneingeschränkt
erteilt und der Bevollmächtigte (hier: der Antragsteller) lediglich im Innenverhältnis
schuldrechtlich verpflichtet werden kann, von der Vollmacht nur unter bestimmten
Voraussetzungen Gebrauch zu machen (vgl. Demharter, aaO., § 19 Rdnr. 74; Meikel/Hertel,
GBO, 10. Aufl., § 29 Rdnr. 59, 110). Handelt es sich um eine Beschränkung der Vollmacht
im Außenverhältnis, so muss dem Grundbuchamt der Eintritt der aufschiebenden Bedingung
durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden, nicht hingegen bei einer bloßen
Beschränkung im Innenverhältnis (Oberlandesgericht Köln
aaO., § 29 Rdnr. 110). Ist der Vollmachtstext insoweit nicht eindeutig bzw. bestehen
berechtigte Zweifel, so kann eine klarstellende zusätzliche Erklärung des Vollmachtgebers in
der Form des
Außenverhältnis unbeschränkt erteilt werden sollte, oder der Nachweis, dass die
Voraussetzungen für das Gebrauchmachen der Vollmacht erfüllt sind (Senat Beschluss vom
15.10.2010 -20 W 399/2010
bei Meikel/Hertel, aaO.,§ 29, Rdnr. 59).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der in Palandt/Diederichsen (BGB, 70. Aufl., Einführung
vor § 1896, Rdnr. 5) vertretenen Auffassung zu folgen ist, bei einer Vorsorgevollmacht
ausdrücklich vom Eintritt des Vorsorgefalles abhängig gemacht werden müsse, denn die
streitgegenständlich Vollmacht enthält in ihrem Eingang die ausdrückliche Abhängigmachung
vom Eintritt des Vorsorgefalles als einem zukünftigen ungewissen Ereignis (Unfähigkeit, die
eigenen Angelegenheiten ganz oder Teilweise zu besorgen auf Grund einer geistigen oder
seelischen Behinderung bzw. Krankheit) und damit eine Bedingung im Sinn des § 158 Abs. 1
BGB.
In der kautelarjuristischen Praxis ist weitgehend die Gestaltung der Vorsorgevollmacht in der
Weise gebräuchlich, dass der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht unbedingt erteilt und
den Bevollmächtigten intern anweist, dass grundsätzlich erst bei Eintritt des Vorsorgefalles
(Betreuungsbedürftigkeit bzw. Geschäftsunfähigkeit) von der Vollmacht Gebrauch gemacht
werden darf. Werden bei einer solchen Gestaltung die Weisungen an den Bevollmächtigten in
die Vollmachtsurkunde aufgenommen - wie in vorliegenden Fall durch die eingangs der
Urkunde aufgeführte Bedingung des Eintritts des Vorsorgefalls - muss der Vollmachtstext
eindeutig ergeben, dass sie nur im Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und
Bevollmächtigten gelten (Keilbach
Fußn. 51; vgl. auch Formulierungsvorschläge bei Kersten/Bühling/Peter: Formularbuch und
Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 22. Aufl., § 96 Rdnr. 34 M).
In der von einer notariellen Vollmacht zu verlangenden Klarheit und Eindeutigkeit trennt die
Urkunde vom 04.12.2002 nicht zwischen der unbedingten Wirkung im Außenverhältnis und
einer das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeberin und Vollmachtnehmer betreffenden
Bedingung. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Bedingung ganz an den Anfang der
Vollmacht gestellt ist, bevor überhaupt eine Unterscheidung zwischen Innen- und
Außenverhältnis getroffen worden ist. Soweit auf Seite 5 der Vollmachtsurkunde nach
ausführlicher Darlegung des Vollmachtsumfangs auch für höchstpersönliche Angelegenheiten
ausgeführt wird, diese Vollmacht gelte im Außenverhältnis uneingeschränkt, im
Innenverhältnis sollten die Bevollmächtigten gehalten sein, die Vollmacht nur nach Weisung
und unter Berücksichtigung der Wünsche der Vollmachtgeberin, auszuüben, legt der
Zusammenhang mit dem vorangehenden Regelungsinhalt nahe, dass die unbeschränkte
Außenwirkung sich auch nur auf diese persönlichen Angelegenheiten beschränkt. Diese
Auslegung wird dadurch bekräftigt, dass auch auf Seite 6 der Vollmachtsurkunde die
Beschränkung "dieser Vollmacht" nur im Innenverhältnis wiederholt wird, aber dort in
Zusammenhang steht mit der Veräußerung oder Belastung von im Eigentum der
Vollmachtgeberin bestehenden Immobilien, um für die Vollmachtgeberin eventuell
entstehende Pflege- oder Unterbringungskosten zu bestreiten. Soweit die Vollmachtsurkunde
vom 04.12.2002 eine inhaltliche Strukturierung erkennen lässt, geht diese jedenfalls dahin,
dass die unbeschränkte Außenwirkung nicht generell, sondern für die jeweils im Einzelnen
aufgeführten Angelegenheiten gelten sollte, zu denen die hier verfahrensgegenständliche
Löschung von dinglichen Rechten der Vollmachtgeberin jedenfalls nicht gehört.
Dagegen, dass die Bevollmächtigung mit sofortiger Wirkung im Außenverhältnis von der
Vollmachtgeberin gewollt gewesen sei, wie mit der Beschwerde geltend gemacht wird,
spricht nicht zuletzt, dass die Ausfertigungen für die Bevollmächtigten nach dem Willen der
Vollmachtgeberin zunächst ihr ausgehändigt werden sollten. Darin könnte schon eine
Aus diesen Überlegungen heraus ist es nicht zu beanstanden, dass das Grundbuchamt den
Vollmachtstext insoweit zumindest nicht als eindeutig angesehen hat und demgemäß in der
angefochtenen Zwischenverfügung die Beseitigung des Hindernisses verlangt hat.
Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt den
Geschäftswert einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung ist von Bedeutung, welche
Schwierigkeiten die Behebung des Eintragungshindernisses macht und mit welchem Aufwand
sie verbunden ist (vgl. BayObLG
Wege der Schätzung den aus dem Tenor ersichtlichen Kostenwert in Ansatz gebracht.
Gründe dafür, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, hat der Senat nicht gesehen, da die
gesetzlichen Voraussetzungen (
einer Vollmachtsurkunde im Einzelfall.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:29.06.2011
Aktenzeichen:20 W 278/11
Rechtsgebiete:
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
Grundbuchrecht
FGPrax 2011, 273-274
ZEV 2012, 378-380
GBO §§ 78, 18, 29; BGB §§ 158 Abs. 1, 163, 1896