Kammergericht 15. Juli 2022
1 W 258/22
WEG §§ 1, 6, 7, 8; GBO §§ 18, 19; BGB § 878

Fehlerhafte Verteilung der Miteigentumsanteile im Grundbuch

letzte Aktualisierung: 25.8.2022
KG, Beschl. v. 15.7.2022 – 1 W 258/22

WEG §§ 1, 6, 7, 8; GBO §§ 18, 19; BGB § 878
Fehlerhafte Verteilung der Miteigentumsanteile im Grundbuch

Ergibt die Verteilung der Miteigentumsanteile in einer Teilungserklärung mehr als ein Ganzes, kann
die beantragte Eintragung im Grundbuch nicht vollzogen werden. Gleichwohl ist die sofortige
Zurückweisung des Antrags allein aus diesem Grund regelmäßig nicht gerechtfertigt. Vielmehr
kommt der Erlass einer Zwischenverfügung in Betracht, um dem Antragsteller die Berichtigung der
Verteilung der Miteigentumsanteile zu ermöglichen. Entsprechend ist die Bewilligung zu berichtigen,
was aber insoweit rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung möglich ist.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und führt in der Sache zu einem vorläufigen
Erfolg. Die Zurückweisung des Antrags vom 11. März 2021 war nicht geboten. Allerdings
ist der Antrag nach wie vor nicht zur Eintragung reif, weil ihm noch Hindernisse
entgegenstehen, die aber mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung behoben
werden können. Das Grundbuchamt ist deshalb zum Erlass einer Zwischenverfügung, § 18
Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO, anzuweisen.

1. Das Grundbuchamt hat einen Antrag auf Eintragung im Grundbuch zurückzuweisen,
wenn nach Ablauf der in einer vorherigen Zwischenverfügung bestimmten Frist die
Hebung eines dort bezeichneten Hindernisses nicht nachgewiesen worden ist, § 18 Abs. 1
S. 2 GBO. Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses nicht
vor.

Zwar hat das Grundbuchamt am 19. Mai 2021 eine Verfügung erlassen, die formell und
inhaltlich sämtliche Voraussetzungen an eine Zwischenverfügung, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2
GBO, erfüllte. Die dort bestimmte Frist war im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung
auch abgelaufen. Jedoch hat das Grundbuchamt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es
sich bei der Verfügung vom 19. Mai 2021 nicht um eine Zwischenverfügung in diesem
Sinne handeln sollte. Das Grundbuchamt ging davon aus und hat dies auch wiederholt zum
Ausdruck gebracht, dass nicht alle in der Verfügung aufgeführten Eintragungshindernisse
mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Antrags zu beseitigen seien. In einem solchen Fall
ist für den Erlass einer Zwischenverfügung kein Raum (BGH, MittBayNot 2021, 239, 240).

An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass der Senat die Auffassung des
Grundbuchamts nicht teilt, die unzutreffende Verteilung der Miteigentumsanteile könne
nicht rückwirkend berichtigt werden. Das lässt eine Auslegung der Verfügung vom 19. Mai
2021 als Zwischenverfügung im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO gleichwohl nicht zu.
Dem steht der ausdrückliche Wille des Grundbuchamts entgegen und letztlich der
Umstand, dass eine solche Auslegung zu Lasten der Beteiligten ginge, weil dann die
Voraussetzungen für die Zurückweisung gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 GBO vorlägen.

2. Die Zurückweisung des Antrags vom 11. März 2021 konnte auch nicht auf der
Grundlage von § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GBO erfolgen. Die Entscheidung zwischen der
sofortigen Zurückweisung und dem Erlass einer Zwischenverfügung steht im
pflichtgemäßen Ermessen des Grundbuchamtes (Demharter, GBO, 32. Aufl., § 18,
Rdn. 21). Jedoch ist der Erlass einer Zwischenverfügung die Regel, die sofortige
Zurückweisung die Ausnahme. Gerade bei leicht zu behebenden Mängeln könnte eine
sofortige Zurückweisung empfindliche Härten mit sich bringen. Zudem bedarf die sofortige
Zurückweisung auch unter rechtsstaatlichen Grundsätzen besonderer Begründung. Zu
beachten ist, dass ein Antragsteller vor einer nachteiligen gerichtlichen Maßnahme
grundsätzlich Gelegenheit haben muss, dazu gehört zu werden und Gelegenheit zu erhalten,
fehlende Voraussetzungen der beantragten Eintragung in angemessener Frist zu erfüllen
(OLG München, DNotZ 2008, 934, 935).

Letzteres hat das Grundbuchamt mit dem Erlass seiner „Aufklärungsverfügung“ durchaus
berücksichtigt. Die Beteiligte hat Gelegenheit erhalten, die aufgeführten Mängel ihres
Antrags zu beseitigen. Gleichwohl war der Beschluss vom 6. Dezember 2021
ermessensfehlerhaft, weil er auf einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung der Art der
Mängel beruhte. Insbesondere die Annahme des Grundbuchamts, die Verteilung der
Miteigentumsanteile habe nicht rückwirkend berichtigt werden können, trifft nicht zu.

Wohnungs- und Teileigentum bestehen jeweils aus dem Sondereigentum an bestimmten
Räumen eines Gebäudes und einem Miteigentumsanteil an dem Grundstück, §§ 1 Abs. 2
und 3, 3 Abs. 1, 6, 8 Abs. 1 WEG. Bei Begründung von Miteigentum an einer Sache wird
diese nicht real geteilt. Es erfolgt vielmehr eine ideelle Teilung des Eigentumsrechts an der
ganzen Sache (Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1008, Rdn. 1). Folglich kann die
Summe der Anteile ein Ganzes nicht übersteigen.

Dem widersprach die nach Maßgabe der UR-Nr. 2.../2...-NÖ des Notars S... N... in Essen
erfolgte Verteilung der Miteigentumsanteile. Die dort in § 2 in Bezug genommene Anlage 1
ergab 10.002/10.000 Anteile. Eine solche Aufteilung ist nicht eintragungsfähig bzw. müsste
im Nachhinein von Amts wegen wieder gelöscht werden, § 53 Abs. 1 S. 2 GBO.
Gleichwohl lässt dies nicht den Schluss zu, damit liege insgesamt keine Erklärung über die
bewilligte Eintragung vor. Die Beteiligte hat eindeutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht,
das Grundstück durch Bildung von 86 Wohnungseigentumsrechten und einem
Teileigentumsrecht an den in den beigefügten Plänen mit entsprechenden Nummern
bezeichneten Räumen gemäß § 8 WEG aufzuteilen. Inhalt und Zweck der Erklärung sind
danach erkennbar. Mängel in der konkreten Ausgestaltung dieser Erklärung, die nicht im
Wege der Auslegung eindeutig begehbar sind, können und müssen von der Beteiligten
durch ergänzende Erklärungen korrigiert werden (vgl. Wilke, in: Baur/Schaub, GBO,
4. Aufl., § 18, Rdn. 15).

3. Die Beteiligte hat die in der „Aufklärungsverfügung“ des Grundbuchamts aufgeführten
Eintragungshindernisse inzwischen weitgehend beseitigt, was im Beschwerdeverfahren zu
berücksichtigen ist, § 74 GBO. Insbesondere hat sie zur UR-Nr. 1.../2...-NÖ des Notars S...
N... in Essen die Aufteilung der Miteigentumsanteile auf ein Ganzes beschränkt. Aus der
dort in Bezug genommenen Anlage 1 ergeben sich insgesamt 10.000/10.000 Anteile. Diese
Anlage soll ausdrücklich die Anlage 1 aus der UR-Nr. 2.../2...-NÖ ersetzen.

4. Die fehlende Genehmigung nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB stellt kein
Eintragungshindernis dar.

Allerdings bedarf die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum
der Genehmigung, wenn das bereits mit einem Gebäude bebaute betroffene Grundstück in
einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 201a S. 3 und 4 BauGB
belegen ist, das als ein solches Gebiet durch landesrechtliche Rechtsverordnung bestimmt
worden ist, § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB. Dementsprechende Eintragungen in das Grundbuch
darf das Grundbuchamt nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das
Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist, § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB. Der
Senat von Berlin hat mit der Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 250
Abs. 1 S. 1 des Baugesetzbuchs für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum
oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten
(Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB) vom 21. September 2021 (GVBl. vom
6. Oktober 2021, 1175) das gesamte Land Berlin als ein Gebiet mit einem angespannten
Wohnungsmarkt bestimmt, § 1 Umwandlungsverordnung. Die Verordnung ist am
7. Oktober 2021 in Kraft getreten, § 3 Abs. 1 Umwandlungsverordnung.

Hingegen hat der erkennende Senat entschieden, dass das Genehmigungserfordernis nach
§ 250 Abs. 1 S. 1 BauGB im Anwendungsbereich des § 878 BGB kein Eintragungshindernis
darstellt (Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2021 – 1 W 384/21 – NZM 2022, 109, 110).
Ist die dingliche Einigung bindend geworden und der Eintragungsantrag bei dem
Grundbuchamt gestellt worden, können danach eintretende Verfügungsbeschränkungen
einen Rechtserwerb nicht mehr beeinflussen, § 878 BGB. Bei einer Aufteilung nach § 8
WEG gilt dies entsprechend (BGH, NJW 2017, 1546, 1547; MittBayNot 2020, 385, 387).

Hier hat die Beteiligte den Antrag auf Vollzug ihrer Teilungserklärung vor Inkrafttreten der
Umwandlungsverordnung gestellt. Damit waren die Voraussetzungen des § 878 BGB
erfüllt. Daran ändert auch der hier angefochtene Beschluss des Grundbuchamts vom 6.
Dezember 2021 nichts. Die Schutzwirkung des § 878 BGB endet nur bei rechtmäßiger
Zurückweisung des Eintragungsantrags (BGHZ 136, 87, 91). Das ist vorliegend nicht der
Fall. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestand aus den oben
dargestellten Gründen – noch – kein Anlass für die Zurückweisung.

5. Richtet sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Eintragungsantrags, fällt dem
Beschwerdegericht der gesamte Antrag zur Entscheidung an. Stellt sich dessen Vollzugsreife
im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde heraus, ist das Grundbuchamt folglich
zur antragsgemäßen Eintragung im Grundbuch anzuweisen (OLG Hamm, OLGZ 1978,
304, 306). Stellt das Beschwerdegericht hingegen weitere Hindernisse fest, kommt nur die
Anweisung zum Erlass einer Zwischenverfügung in Betracht. So ist es hier.

Die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentumsrechte erfolgt auf
Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn sie der Eigentümer des Grundstücks bewilligt, § 19
GBO. Soll die Aufteilung aufgrund einer sogenannten Teilungserklärung des Eigentümers
erfolgen, § 8 Abs. 1 WEG, gelten die grundbuchrechtlichen Vorschriften bei vertraglicher
Begründung von Wohnungs- und Teileigentum entsprechend, §§ 8 Abs. 2, 7 WEG. Der
Bewilligung sind deshalb als Anlagen ein Aufteilungsplan und eine
Abgeschlossenheitsbescheinigung der Baubehörde beizufügen, § 8 Abs. 2, 7 Abs. 4 S. 1
WEG.

Bei Anlegung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher kann das Grundbuchamt in
den Bestandsverzeichnissen zur näheren Bezeichnung des Gegenstands und des Inhalts des
Sondereigentums auf die Eintragungsbewilligung Bezug nehmen, §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 3 S. 1
WEG. Hatte der teilende Eigentümer seiner Bewilligung als Anlage einen Aufteilungsplan
sowie eine Abgeschlossenheitsbescheinigung beigefügt, werden diese von der Bezugnahme
auf die Eintragungsbewilligung erfasst und ebenfalls zum Gegenstand der
Grundbucheintragung (BGH, MDR 2005, 83).

Die Beteiligte hat in der Teilungserklärung vom 5. März 2021 ausdrücklich auf die
beigefügte Abgeschlossenheitsbescheinigung Nr. 2.../4... des Bezirksamts N... von B... vom
15. Juni 2020 sowie die dazu gehörigen 35 Blatt Aufteilungspläne Bezug genommen.
Hingegen hat das Bezirksamt N... von B... am 23. Februar 2022 die
Ergänzungsbescheinigung Nr. 2.../2... zur vorgenannten Abgeschlossenheitsbescheinigung
erlassen und dabei die Ansichten Nr. 5 und 8 der ursprünglichen Aufteilungspläne
ausgetauscht. Weder die Ergänzungsbescheinigung noch die dort in Bezug genommenen
Pläne werden in der UR-Nr. 1.../2...-NÖ erwähnt. Sie werden von der dort erklärten
Bewilligung also nicht erfasst. Das zu ergänzen wird der Beteiligten von dem
Grundbuchamt in einer Zwischenverfügung aufzugeben sein. Die Inbezugnahme der
Ergänzungsbescheinigung Nr. 2.../2...
ist schon deshalb erforderlich, weil in der ursprünglichen Abgeschlossenheitsbescheinigung
das Flurstück falsch bezeichnet worden war, was das Grundbuchamt zu Recht beanstandet
hatte.

6. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Grundbuchamt nicht
gehindert sein wird, die zu erlassende Zwischenverfügung über die vorliegenden
Ausführungen hinaus zu erweitern, sollte es noch zusätzliche Eintragungshindernisse
erkennen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

15.07.2022

Aktenzeichen:

1 W 258/22

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Öffentliches Baurecht
WEG

Normen in Titel:

WEG §§ 1, 6, 7, 8; GBO §§ 18, 19; BGB § 878