Verpflichtung zur Verzichtserklärung einer Baulast bei Nichtbestehen eines öffentlichen Interesses
letzte Aktualisierung: 31.07.2020
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.5.2020 – 8 S 455/20
BWLBO § 71 Abs. 3 S. 2;
Verpflichtung zur Verzichtserklärung einer Baulast bei Nichtbestehen eines öffentlichen
Interesses
Zur gerichtlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verzichts auf Stellplatzbaulasten im
Interesse des Baulastverpflichteten.
Gründe
A
Die Antragstellerin verfolgt im Beschwerdeverfahren ihr Begehren weiter, die sofortige Vollziehung der von der Beigeladenen mit Widerspruch vom
28.05.2019 angegriffenen baurechtlichen Entscheidung der Antragsgegnerin vom 30.04.2019 anzuordnen. In dieser Entscheidung sprach die
Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin den Verzicht auf Kfz-Stellplatzbaulasten aus, die - zugunsten des Grundstücks der Beigeladenen -
(im Wesentlichen) auf Grundstücken der Antragstellerin ruhen.
Die baurechtliche Entscheidung vom 30.04.2019 enthält folgende Regelung:
„1. Auf folgende im Baulastenverzeichnis der Landeshauptstadt Stuttgart eingetragene Baulasten wird aufschiebend bedingt (Aufschiebende
Bedingung siehe Nr. 3) verzichtet:
A) Baulastenblatt Nr. 5258 lfd. Nr. 4
B) Baulastenblatt Nr. 4463 lfd. Nr. 5
C) Baulastenblatt Nr. 4463 lfd. Nr. 6, Unternummer 1
D) Baulastenblatt Nr. 4463 lfd. Nr. 8
E) Baulastenblatt Nr. 5189 lfd. Nr. 4, Unternummer 1
F) Baulastenblatt Nr. 5188 lfd. Nr. 4
2. Auf die im Baulastenverzeichnis der Landeshauptstadt Stuttgart Baulastenblatt Nr. 4463 lfd. Nr. 9, Unternummer 2 eingetragene
Stellplatzbaulast wird aufschiebend bedingt (Aufschiebende Bedingung siehe Nr. 3) insoweit verzichtet, als die Baulast über die in dem Lageplan
mit Eingangsstempel des Baurechtsamts vom 12.11 2018 mit blauen Änderungen vom 22.11.2018 dargestellten 217 Stellplätze hinausgeht.
Maßgeblicher Baulastenplan für die Kfz-Stellplatzbaulast für 217 Stellplätze ist nunmehr der Lageplan mit Eingangsstempel des Baurechtsamts
vom 12.11.2018 mit blauen Änderungen vom 22.11.2018.
3. Aufschiebende Bedingung
Der Verzicht unter Nr. 1 und Nr. 2 wird unter der aufschiebenden Bedingung erklärt, dass die Entscheidung des Baurechtsamts vom 29.04.2019
zur Neuberechnung der Kfz-Stellplätze und zum teilweisen Widerruf bzw. Änderung der Auflage zum Nachweis der Stellplätze (Nr. 75 der
Nebenbestimmungen) aus der Baugenehmigung vom 07.04.1995 für das Gebäude R… Str. 20 bestandskräftig ist.“
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, er sei bereits unzulässig. Zwar sei er
statthaft, doch fehle der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Der Antrag sei nach § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil die Antragstellerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines
sie begünstigenden Verwaltungsakts - der Verfügung der Antragsgegnerin vom 30.04.2019 über den Verzicht auf Baulasten - begehre, gegen
welchen die Beigeladene als „Dritte“ Widerspruch eingelegt habe. Bei dem Verzicht auf Baulasten handele es sich um einen Verwaltungsakt im
Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG. Der Widerspruch der Beigeladenen entfalte mangels anderer gesetzlicher Regelung auch aufschiebende Wirkung
(§ 80 Abs. 1 VwGO).
Seine aufschiebende Wirkung entfalle insbesondere nicht nach § 212a Abs. 1 BauGB, da diese Norm schon ihrem Wortlaut nach nur in Fällen
Anwendung finde, in denen sich ein Dritter gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens wende, nicht aber, wenn er den Verzicht einer
Baurechtsbehörde auf Baulasten angreife. Auch der Zweck der Regelung spreche dafür, in Fällen wie dem vorliegenden keinen Entfall der
aufschiebenden Wirkung anzunehmen. § 212a BauGB bewirke, dass ein Bauherr ein genehmigtes Bauvorhaben vor einer abschließenden
Klärung seiner Zulässigkeit im Hauptsacheverfahren ausführen könne. Den Nachbarn werde so die Möglichkeit genommen, ein Bauvorhaben
zunächst durch die Einlegung eines - möglicherweise wenig Erfolg versprechenden - Widerspruchs zu blockieren. Eine solche Situation sei
vorliegend nicht gegeben, weil das (für die Kfz-Stellplatzbaulasten anlassgebende) Bauvorhaben - ein Kinozentrum - bereits errichtet worden sei.
Der Antragstellerin fehle aber das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Eilantrag. Daran mangele es unter anderem dann, wenn der
Rechtsbehelfsführer seine Rechtsposition auch im Falle eines Erfolgs nicht verbessern könne. Ein solcher Fall liege hier vor. Die Anordnung der
sofortigen Vollziehung wäre für die Antragstellerin mit keinem tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil verbunden.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung könnte die Rechtsposition der Antragstellerin nicht verbessern. Denn der Verzicht auf die Baulasten
stehe nach Nr. 3 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 30.04.2019 unter der aufschiebenden Bedingung, dass die vorangegangene Verfügung
der Antragsgegnerin zum Teilwiderruf der Auflage Nr. 75 zur Baugenehmigung der Beigeladenen vom 29.04.2019 bestandskräftig werde. Das sei
derzeit aufgrund des noch nicht beschiedenen Widerspruchs der Beigeladenen vom 28.05.2019 gegen den Teilwiderruf der Auflage Nr. 75 zu ihrer
Baugenehmigung noch nicht der Fall, so dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Baulastenverzichts der Antragstellerin noch keinen
Vorteil erbringen würde.
Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Widerspruch der Beigeladenen gegen den Teilwiderruf der Auflage offensichtlich unzulässig wäre.
In diesem Fall wäre die Bestandskraft der Verfügung vom 29.04.2019 und damit die Rechtsbedingung für den Baulastenverzicht bereits
eingetreten. Der Widerspruch der Beigeladenen dürfte jedoch nicht offensichtlich unzulässig sein. Anders als die Antragstellerin meine, könne das
nicht bereits deswegen angenommen werden, weil es sich bei dem Teilwiderruf der Auflage zu einer Baugenehmigung formal um eine
Begünstigung der Beigeladenen handele. Diese Betrachtungsweise greife zu kurz; die Beigeladene sehe sich - jedenfalls wirtschaftlich - einer
„Entziehung“ vorhandener und beim Publikum eingeführter Stellplätze gegenüber. Es sei außerdem zweifelhaft, ob die von der Antragsgegnerin
vorgenommene Herabsetzung der Anzahl notwendiger Stellplätze in dem verfügten Umfang von 400 Stellplätzen geltendem Recht entspreche. Die
von den Beteiligten zu der notwendigen Anzahl von Stellplätzen des Kinozentrums vorgelegten Gutachten kämen zu unterschiedlichen
Ergebnissen, und die Kammer vermöge nach summarischer Prüfung nicht vom offensichtlichen Vorzug eines der beiden Gutachten auszugehen.
Bei der Differenz von gut 200 Stellplätzen zwischen den beiden gutachterlichen Stellungnahmen könne es durchaus in einen wirtschaftlichen - und
auch rechtlich beachtlichen - Nachteil umschlagen, wenn die Beigeladene diese Stellplatzflächen nicht mehr vorhalten müsse (und mit dem hier
begehrten sofort vollziehbaren Verzicht auf die entsprechenden Baulasten auch sogleich deren rechtliche Sicherung verloren ginge), obwohl sie
bei richtiger Anwendung der VwV Stellplätze womöglich doch für den Betrieb des Kinocenters rechtlich erforderlich seien und vorgehalten werden
müssten. Die Ermittlung der korrekten Anzahl bedürfe deswegen einer eingehenden Prüfung durch die Widerspruchsbehörde. Komme diese zum
Ergebnis, dass der Widerruf der Auflage nicht in vollem Umfang rechtmäßig sei, bedürfe die Beigeladene wieder mehr an notwendigen
Stellplätzen, als die Antragsgegnerin und die Antragstellerin derzeit für erforderlich hielten. Die Antragsgegnerin werde dies dann aller Voraussicht
nach auch im öffentlichen Interesse von der Beigeladenen einfordern müssen. Deswegen habe diese ein berechtigtes Interesse daran, vor
abschließender Klärung der erforderlichen Anzahl notwendiger Stellplätze zu verhindern, dass die bisher als notwendige Stellplätze öffentlichrechtlich
gesicherten Flächen durch Überbauung mit Gebäuden unumkehrbar verloren gingen.
B
I.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige (§ 147 Abs. 1, § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere auch den
Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben keinen Anlass, die vom
Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung zu ändern und dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes
stattzugeben.
1. Der Antrag ist allerdings nicht aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen unzulässig. Ob es gleichwohl an einem
Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlt, kann offen bleiben.
a) Die Statthaftigkeit folgt aus § 80a Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Danach kann das Gericht auf Antrag des Begünstigten
nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit des für diesen vorteilhaften Verwaltungsakts anordnen, wenn ein Dritter gegen
diesen einen Rechtsbehelf eingelegt hat. Auch bedurfte es keines vorherigen Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung an die
Antragsgegnerin. Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO gilt § 80 Abs. 5 bis 8 VwGO entsprechend. Aus dieser Verweisung folgt indes nicht, dass der
Begünstigte gemäß § 80 Abs. 6 VwGO auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs dieser Vorschrift immer zuvor einen
entsprechenden Antrag ohne Erfolg bei der Behörde gestellt haben muss. Die Verweisung erfasst Fälle der vorliegenden Art nicht (vgl.
Senatsbeschluss vom 08.08.1996 - 8 S 1954/96 -, VBlBW 1997, 17 = juris Rn. 2).
b) Der Antragstellerin fehlt nicht aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen das auf jeder Stufe des Verfahrens erforderliche
Rechtsschutzinteresse. Dieses ist unter anderem dann (ausnahmsweise) nicht gegeben, wenn der Rechtsuchende mit seinem Begehren eine
Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, das heißt wenn eine Inanspruchnahme des Gerichts sich als für seine subjektive
Rechtsstellung nutzlos darstellt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12.01.2005 - 8 S 2720/04 -, BauR 2005, 1762 = juris Rn. 2 m.w.N., und vom
28.10.2019 - 8 S 660/19 -, BA S. 3). Dies erscheint hier zweifelhaft.
Das Verwaltungsgericht hat einen Erfolg des auf eine sofortige Vollziehung des Baulastverzichts (Nrn. 1 und 2 der baurechtlichen Entscheidung
vom 30.04.2019) gerichteten Antrags deshalb für nutzlos gehalten, weil die innere Wirksamkeit des Verzichts an die aufschiebende Bedingung (Nr.
3 der baurechtlichen Entscheidung vom 30.04.2019) geknüpft ist, dass der am 29.04.2019 verfügte Teilwiderruf der Auflage Nr. 75 zur
Baugenehmigung vom 07.04.1995 bestandskräftig wird. Ob diese Bedingung dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin entgegen steht,
erscheint allerdings zweifelhaft. Denn sie könnte ungeachtet dessen, dass die Beigeladene gegen den Widerruf am 28.05.2019 Widerspruch
eingelegt hat, bereits eingetreten sein. Jedenfalls dürfte die Auffassung der Antragstellerin zutreffend sein, dass der Widerspruch der Beigeladenen
offensichtlich unzulässig und damit nicht geeignet war, den Eintritt der Bestandskraft des Widerrufs vom 29.04.2019 zu hindern. Der Widerruf
wurde damit i h r g e g e n ü b e r mit seinem Erlass unanfechtbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.1992 - 7 C 24.92 -, NJW 1993, 1610 = juris Rn.
21; siehe auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.2004 - 6 S 30/04 -, VBlBW 2004, 383 = juris Rn. 4; OVG LSA, Beschluss vom
02.08.2012 - 2 M 58/12 -, NVwZ-RR 2013, 85 = juris Rn. 6; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 50 f.).
Die offensichtliche Unzulässigkeit des Widerspruchs folgt daraus, dass die zum Teil widerrufene Auflage Nr. 75 zur Baugenehmigung vom
07.04.1995 gegenüber der Beigeladenen ausschließlich belastender Natur war und ihr Widerruf die Beigeladene rechtlich allein begünstigt. Nach §
42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO ist - soweit wie hier gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die Klage und mithin in entsprechender Anwendung der
Widerspruch aber nur zulässig, wenn der Kläger beziehungsweise Widerspruchsführer geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt in
seinen Rechten verletzt zu sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die zum Teil widerrufene Auflage lautet:
„Aufgrund des § 39 LBO sind für das Bauvorhaben 617 Stellplätze erforderlich. Bis zur Fertigstellung des Rohbaus muß mit der Herstellung der
Stellplätze begonnen sein. Die 617 Stellplätze sind bis zur Schlußabnahme bzw. Nutzungsaufnahme fertigzustellen. Sie dürfen nicht
zweckentfremdet genutzt werden.“
Von den in dieser Nebenbestimmung enthaltenen Vorgaben wurde die Beigeladene mit dem Widerruf vom 29.04.2019 teilweise entbunden. Dies
stellt sie in rechtlicher Hinsicht ausschließlich besser. Soweit das Verwaltungsgericht dies für eine zu formale Betrachtungsweise hält, die im
wirtschaftlichen Zusammenhang der Stellplatzfrage zu kurz greife, kann dem nicht gefolgt werden. Die Annahme, die Beigeladene sehe sich einer
„Entziehung“ vorhandener und beim Publikum eingeführter Stellplätze gegenüber, geht an dem Regelungsgehalt des Widerrufs vorbei. Dieser
entband die Beigeladene ausschließlich von der bauordnungsrechtlichen Verpflichtung zu einem bestimmten Stellplatznachweis. Der infolge des
Widerrufs drohende Verlust von Stellplätzen, die bisher dem Grundstück der Beigeladenen zugutekommen, kann als rein mittelbare und faktische
Folge die Widerspruchsbefugnis nicht begründen. Eine rein faktische „Betroffenheit“ oder ein bloßer Rechtsreflex vermitteln noch keine
Rechtsposition und verleihen dementsprechend keine Widerspruchsbefugnis (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 18.10.2010 - 1 S
2029/10 -, VBlBW 2011, 95 = juris Rn. 10, vom 14.06.2018 - 6 S 304/18 -, ZfWG 2018, 424 = juris Rn. 6, und vom 26.11.2019 - 6 S 199/19 -, ZfWG
2020, 128 = juris Rn. 21; BayVGH, Beschluss vom 17.09.2015 - 10 CS 15.1435 -, NVwZ-RR 2016, 48 = juris Rn. 14; von Albedyll, in: Bader u.a.,
VwGO, 7. Aufl. 2018, § 42 Rn. 78).
Auch die Erwägung des Verwaltungsgerichts, es sei zweifelhaft, ob die von der Antragsgegnerin vorgenommene Herabsetzung der Anzahl
notwendiger Stellplätze im Umfang von 400 Stellplätzen geltendem Recht entspreche, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die
aufgeworfene Fragestellung ändert nichts daran, dass die Beigeladene durch den Teilwiderruf vom 29.04.2019 ausschließlich eine rechtliche
Begünstigung erfährt. Soweit das Verwaltungsgericht das Ergebnis der Überprüfung im Widerspruchsverfahren für offen hält, verkennt es, dass der
Widerspruch der Beigeladenen bereits offensichtlich unzulässig ist - was eine Sachbehandlung ungeachtet der Kompetenz der
Widerspruchsbehörde, unter bestimmten Voraussetzungen auch über einen unzulässigen Widerspruch in der Sache zu entscheiden (vgl. BVerwG,
Urteil vom 04.08.1982 - 4 C 42.79 -, NVwZ 1983, 285 = juris Rn. 11 ff.), zumindest unwahrscheinlich macht - und dass die Beigeladene ihren
Widerspruch zurücknehmen kann, um zu vermeiden, dass im Widerspruchsverfahren ein anderes Ergebnis als das von der Antragsgegnerin
ermittelte herauskommt.
Allerdings ist fraglich, ob die verfügte Bedingung so auszulegen ist, dass sie allein auf die Bestandskraft des Widerrufs gegenüber der
Antragstellerin abstellt. Es kommt vielmehr auch in Betracht, dass sie den Eintritt der Bestandskraft gegenüber jedermann - also auch gegenüber
sämtlichen Nachbarn - voraussetzt. Ob die Bestandskraft in diesem Sinne allseitig eingetreten ist oder ob wegen fehlender Bestandskraft das
Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin zu verneinen ist, erscheint zweifelhaft, muss aber nicht entschieden werden (vgl. zur
Widerspruchseinlegung eines Nachbarn bei fehlender Bekanntgabe ihm gegenüber auch Senatsbeschluss vom 06.02.2020 - 8 S 2204/19 -, juris
Rn. 31).
2. Der Antrag ist jedenfalls nicht begründet.
a) § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO ermächtigt das Gericht dazu, anstelle der Behörde (vgl. § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO) auf Antrag des Adressaten nach
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts anzuordnen. Zur Entscheidung über einen
solchen Antrag bedarf es - vergleichbar einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO - einer Abwägung der widerstreitenden Interessen (vgl.
Senatsbeschluss vom 08.08.1996, a.a.O., juris Rn. 3).
Einen eigenständigen materiell-rechtlichen Maßstab für die Entscheidung des Gerichts im Verfahren auf Anordnung der sofortigen Vollziehung
enthält § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht. Die Entscheidungskriterien ergeben sich - soweit ein besonderes öffentliches Interesse am
Sofortvollzug nicht erkennbar ist - aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 VwGO, auf den § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO Bezug nimmt. Danach kann in der
auch hier vorliegenden Fallkonstellation des begünstigenden Verwaltungsakts mit drittbelastender Wirkung die sofortige Vollziehung angeordnet
werden, wenn das Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Belasteten an der aufschiebenden Wirkung
überwiegt. In diesem Rahmen kommt es in erster Linie darauf an, ob der die aufschiebende Wirkung auslösende Rechtsbehelf - hier der
Widerspruch der Beigeladenen gegen den Baulastverzicht - bei der angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich
Erfolg haben wird. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn der Verzicht rechtswidrig ist und die Beigeladene hierdurch in eigenen, gerade ihrem Schutz
dienenden Rechtsnormen verletzt ist oder ihr kraft spezialgesetzlicher Regelung ein Anspruch auf Aufhebung des Verzichts zusteht. Umgekehrt
kann ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten bejaht werden, wenn der von dem belasteten Beteiligten
eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und eine Fortdauer der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung
des Rechtsbehelfs dem Begünstigten gegenüber unbillig wäre. Darüber hinausgehende Rechtsverletzungen verschaffen dem anfechtenden
Dritten keine im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsposition, weil ihm ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch nicht
zukommt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.03.2016 - 8 B 1341/15 -, DVBl 2016, 714 = juris Rn. 49; OVG Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 24.08.2016 - 2 M 43/16 -, NVwZ-RR 2017, 23 = juris Rn. 11; siehe auch Funke-Kaiser, in: Bader u.a., a.a.O., § 80a Rn. 8; Puttler,
in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 29; Schoch, in: ders./Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2019, § 80a Rn. 27).
b) Die insoweit gebotene Abwägung führt im vorliegenden Fall zur Ablehnung der beantragten Anordnung der sofortigen Vollziehung der
baurechtlichen Entscheidung vom 30.04.2019. Diese liegt nicht im überwiegenden Interesse der Antragstellerin.
Die Antragstellerin ist (Allein-)Eigentümerin der Grundstücke, auf dem die von dem Verzicht vom 30.04.2019 erfassten Baulasten ruhen (eine
Besonderheit bildet lediglich das heutige Grundstück R… Straße …, …, Flst. Nr. 9255/9, das im Eigentum der von der Antragsgegnerin gesondert
angehörten … GmbH & Co. KG steht, worauf es indes im Folgenden nicht ankommt). Sie hat zudem die Absicht bekundet, auf dem Grundstück
… Straße … … … und Rü… Straße … … … (Flst. Nrn. 9318/18, 9318/32 und 9318/33) in Kürze ein „gemischt genutztes Vorhaben mit
Wohnnutzung, Büroflächen und Handelsnutzung“ errichten zu wollen („Baufeld I“), wobei die Stellplatzbaulasten dem entgegenstünden. Sie habe
„einen Bauantrag eingereicht“. Weitere Angaben zu ihren Bauabsichten hat sie nicht gemacht; auch hat sie für ihr Grundstück R… Straße … (Flst.
Nrn. 9247, 9255/9 und 9255/13; auf dem eingereichten Lageplan als „Baufeld II“ bezeichnet) keine entsprechende Erklärung abgegeben. Für ein
Interesse an der schnellstmöglichen Löschung der Stellplatzbaulasten, da diese einer anderweitigen Bebauung entgegenstehen, spricht zwar,
dass ein von einem Verwaltungsakt Begünstigter in der Regel am sofortigen Gebrauchmachen interessiert ist (vgl. Schoch, a.a.O.). Gleichwohl
kann die Interessenabwägung unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht zugunsten der Antragstellerin ausfallen.
Zwar sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Beigeladenen gegen den Baulastverzicht derzeit noch offen (aa). Gleichwohl stehen dem
Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehbarkeit des Baulastverzichts überwiegende gegenläufige Interessen entgegen (bb).
aa) Der Widerspruch der Beigeladenen gegen den Baulastverzicht hat lediglich offene Erfolgsaussichten.
Nach § 71 Abs. 3 Satz 2 LBO ist - zwingend - der Verzicht auf eine Baulast zu erklären, wenn ein öffentliches Interesse an der Baulast nicht mehr
besteht. Bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung sind private Interessen Dritter insoweit folglich ohne Bedeutung (vgl. auch Effer-Uhe, ZfBR
2007, 646; Riedel, NZBau 2006, 565; Schlotterbeck, in: ders./Hager/Busch/Gammerl, LBO, 7. Aufl. 2016, § 71 Rn. 46). Bei der Baulast handelt es
sich um ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts. Mit ihr sollen Hindernisse ausgeräumt werden, die im Einzelfall einer Bebauung oder
Nutzungsänderung entgegenstehen können (vgl. Senatsbeschluss vom 24.01.2011 - 8 S 545/10 -, BRS 78 Nr. 143 = juris Rn. 7 m.w.N.; Lohre,
NJW 1987, 877). Dementsprechend vermittelt eine Baulast regelmäßig dem Begünstigten keine subjektiv-öffentlichen Rechte (vgl. HessVGH,
Beschluss vom 04.06.1992 - 4 TG 2815/91 -, NVwZ-RR 1993, 236 = juris Rn. 29). Ob daraus auch folgt, dass Rechte des Begünstigten auch
durch einen behördlichen Verzicht auf eine Baulast von vornherein (jedenfalls regelmäßig) nicht verletzt werden können (so OVG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 17.11.1986 - 7 A 2169/85 -, NJW 1988, 278; Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen, Stand: Januar 2020/01.04.2018, § 83 Rn. 96; VG Mainz, Urteil vom 08.03.2017 - 3 K 617/16.MZ -, juris Rn. 19 ff.), mag
dahinstehen. Es käme auch in Betracht, dass ein Grundstückseigentümer, dem erst die Baulast die Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens
auf dem begünstigten Grundstück eröffnet hat, ein Anfechtungsrecht gegenüber dem nachträglichen Verzicht der Bauaufsichtsbehörde auf die
Baulast hat (so NdsOVG, Urteil vom 02.07.1991 - 6 L 132/89 -, BRS 52 Nr. 164 = juris Rn. 23; zur Anfechtbarkeit des Baulastverzichts durch den
Begünstigten vgl. auch Senatsbeschluss vom 04.04.2013 - 8 S 304/13 -, VBlBW 2013, 305 = juris Rn. 4; OVG Hamburg, Urteil vom 03.06.1982 -
Bf II 8/81 -, BRS 39 Nr. 100; VG Schwerin, Beschluss vom 05.06.2019 - 2 B 33/19 SN -, juris Rn. 10; Sauter, LBO, 3. Aufl., Stand: November
2019/August 2017, § 71 Rn. 47). Denn nur so hat er die Möglichkeit, rechtlich überprüfen zu lassen, ob das öffentliche Interesse an der Baulast
tatsächlich bedeutungslos geworden und deshalb für die Sicherung der baurechtlichen Legalität des Bauobjekts nicht mehr erforderlich ist (vgl.
NdsOVG, Urteil vom 02.07.1991, a.a.O.). Allerdings kann der letztgenannte Gedanke dem Baulastbegünstigten jedenfalls nicht immer zu einem
Anfechtungsrecht verhelfen, denn die Verhinderung baurechtswidriger Zustände liegt grundsätzlich (in erster Linie) im öffentlichen und nicht im
Privatinteresse Einzelner. Hat - wie im vorliegenden Fall - die Baurechtsbehörde die Baurechtmäßigkeit des Vorhabens nach Verzicht auf die
Baulast (hier: Teilverzicht auf Stellplatzbaulasten) festgestellt und spricht auch sonst nichts dafür, dass dem Baulastbegünstigten nach dem
Baulastverzicht jemals die Baurechtswidrigkeit seines Vorhabens vorgehalten werden könnte, ist kein schutzwürdiges Interesse des
Baulastbegünstigten gegeben, gegen den Baulastverzicht vorzugehen. Ein solches Interesse kann hingegen angenommen werden, wenn der
Baulastbegünstigte zu gewärtigen hat, dass die Baurechtsbehörde ihm gegenüber infolge des Verzichts nachträgliche Anforderungen stellen wird
(enger allerdings Lohre, NJW 1987, 877, 881: die Anfechtung eines Baulastverzichts durch den Begünstigten sei erst möglich, „wenn auf der
Grundlage des Wegfalls der Baulast die Behörde konkrete Maßnahmen trifft, die seine Rechtsposition beeinträchtigen“).
Ausgehend davon erscheint offen, ob sich die Beigeladene mit ihrem Widerspruch darauf berufen kann, dass sie ohne den Baulastverzicht eine
bessere (bzw. sicherere) Rechtsposition hätte. Denn die Antragsgegnerin hat die Stellplatzfrage für das Vorhaben (Kinozentrum) auf dem
Grundstück der Beigeladenen in der Weise rechtsverbindlich entschieden, dass die nachgewiesenen Stellplätze für das Vorhaben auch nach dem
ausgesprochenen Baulastverzicht bauordnungsrechtlich (vgl. § 37 LBO sowie die VwV Stellplätze) noch ausreichend sind. Bereits in der
Widerrufsentscheidung vom 29.04.2019 gegenüber der Beigeladenen hat sie neben dem eigentlichen Widerruf in einem weiteren
Entscheidungssatz auch verfügt, für das Bauvorhaben seien (nur) 217 Kfz-Stellplätze erforderlich. Diese Anordnung sichert als wirksamer
Verwaltungsakt (vgl. § 43 LVwVfG) bis zu einem gewissen Grade, dass die Beigeladene auch in Zukunft mehr Stellplätze nicht nachzuweisen
haben wird. Zusätzlich hat die Antragsgegnerin mit der Entscheidung vom 30.04.2019 gegenüber der Antragstellerin wirksam auf die über 217
Stellplätze hinausgehenden Baulasten verzichtet.
All dies spricht dagegen, dass die Beigeladene - etwa weil der Baulastverzicht auf einen Fehler bei der Berechnung der Zahl der notwendigen
Stellplätze zurückgehen könnte - mit nachträglichen Auflagen oder sonstigen belastenden baurechtlichen Entscheidungen zu rechnen haben
könnte. Selbst wenn die Herabsetzung der Stellplatzanforderungen seitens der Antragsgegnerin - wie die Beigeladene meint -
bauordnungsrechtlich nicht gerechtfertigt sein sollte, würde sich dies möglicherweise nicht zu ihrem Nachteil auswirken, weil daraus keine
Konsequenzen gezogen würden, sondern davon (obwohl die Antragsgegnerin als zuständige Behörde dies in den Entscheidungen vom 29. und
30.04.2019 verneint hat) allein öffentliche Interessen berührt würden.
Ein schutzwürdiges Interesse der Beigeladenen an der Abwehr des Baulastverzichts folgt auch nicht daraus, dass sie womöglich (hypothetisch)
einem neuen Stellplatzbedarf ausgesetzt sein könnte, wenn sie auf ihrem Grundstück bauliche Anlagen erweitern oder neu errichten sollte. § 71
Abs. 3 Satz 2 LBO stellt allein auf das gegenwärtige öffentliche Interesse ab. Zudem sind die hier in Rede stehenden Stellplatzbaulasten, die im
Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens für das Kinozentrum übernommen wurden und auch textlich auf das Kinozentrum verweisen, nach der
gebotenen Auslegung vom „objektiven Empfängerhorizont“ (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.02.2016 - 5 S 1140/14 -, BauR
2016, 1141 = juris Rn. 39; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 30.11.1989 - 7 A 772/88 -, BRS 49 Nr. 130 = juris Rn. 17, und vom 15.05.1992 -
11 A 890/91 -, NJW 1993, 1284 = juris Rn. 38 ff.; Sauter, a.a.O., § 71 Rn. 35 und 52) vorhabenbezogen und stellen keine Baulasten auf Vorrat
auch für künftige - im Übrigen weder geplante noch sonst absehbare - Entwicklungsmöglichkeiten dar. Inwieweit Baulasten trotz des nach § 71
Abs. 3 Satz 2 LBO für ihren Fortbestand erforderlichen öffentlichen Interesses „genereller Natur“ (so Senatsurteil vom 27.10.2000 - 8 S 1445/00 -,
VBlBW 2001, 188 = juris Rn. 48) und einer Übernahme „auf Vorrat“ zugänglich sind, kann dabei dahinstehen (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 09.07.2014 - 3 S 899/14 -, NVwZ-RR 2014, 837 = juris Rn. 24; OVG Hamburg, Urteil vom 24.04.2002 - 2 Bf 701/98 -, BRS 66 Nr.
140 = juris Rn. 45; Sauter, a.a.O., § 71 Rn. 51; generell kritisch zum Konzept der Baulast auf Vorrat hingegen Ortloff, NVwZ 2005, 1381; zum
Vorhabenbezug als Merkmal der Bestimmtheit einer Baulast: VG Karlsruhe, Urteil vom 25.04.2019 - 12 K 2596/18 -, juris Rn. 24 ff.).
Ferner kann sich die Beigeladene zur Abwehr des Baulastverzichts nicht darauf berufen, dieser habe für sie erhebliche wirtschaftliche Nachteile,
weil er faktisch den Verlust zahlreicher Stellplätze in der Umgebung des Kinozentrums nach sich ziehen werde. Zweck der Baulast ist allein die
Sicherung baurechtmäßiger Zustände. Die Baulast verleiht dem Begünstigen insbesondere keine privaten Nutzungsrechte; solche müssen
vielmehr vom jeweiligen Bauherrn auf privatrechtlichem Wege gesichert werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.11.2009 - 8 A
10851/09 -, BauR 2010, 216 = juris Rn. 7; BGH, Urteil vom 08.07.1983 - V ZR 204/82 -, BGHZ 88, 97 = juris Rn. 12). Auch die Argumentation der
Beigeladenen, dass sie als Vermieterin einer Kino-Immobilie besonders unter den außerordentlichen Einflüssen der Covid-19-Pandemie leide und
deshalb vor einer Verschlimmerung ihrer wirtschaftlichen Lage bewahrt werden müsse, kann ihr daher nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beigeladene
kann ein schutzwürdiges Interesse an der Abwehr des Baulastverzichts ebenso wenig auf Nachteile stützen, die außerhalb des Sicherungszwecks
einer Baulast liegen, wie auf eine mögliche Verletzung des Bauordnungsrechts, die ihre eigenen Interessen nicht berührt.
bb) Obwohl aus den genannten Gründen die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Beigeladenen gegen den Baulastverzicht lediglich offen
sind, stehen dem Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehbarkeit des Baulastverzichts überwiegende gegenläufige Interessen
entgegen.
Dies folgt zum einen daraus, dass dem betreffenden Widerspruch nicht jegliche Erfolgsaussicht abgesprochen werden kann. Denn es ist offen, ob
die Herabsetzung der Pflicht zu Stellplatznachweisen im verfügten Umfang rechtmäßig ist. Ebenso wie das Verwaltungsgericht hält es auch der
Senat nicht für möglich, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abschließend zu beantworten, ob 217 Stellplätze ausreichend sind,
nachdem die Beigeladene die - dieser Auffassung widersprechende - fachliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. B. vom 02.09.2019 vorgelegt hat, die
zu einem erheblichen Mehrbedarf, nämlich zu einer Anzahl von 433 notwendigen Stellplätzen kommt. Auch ist nicht von vornherein
ausgeschlossen, dass die Beigeladene einen möglichen Fehler bei der Ermittlung des Stellplatzbedarfs in dem von ihr angestrengten
Widerspruchsverfahren mit Erfolg geltend machen kann, da sie zwar von dem Teilwiderruf der Stellplatzauflage zur Baugenehmigung
ausschließlich begünstigt wird, sie eine Fehleinschätzung der Antragsgegnerin bei der Ermittlung des Stellplatzbedarfs im Rahmen der Prüfung
des öffentlichen Interesses nach § 71 Abs. 3 Satz 2 LBO aber letztlich doch (mittelbar) belasten könnte. Denn es besteht angesichts der
erheblichen Größenordnung der in Rede stehenden Stellplatzreduzierung jedenfalls die Möglichkeit, dass von einem Mangel an Stellplätzen
betroffene Nachbarn - gegebenenfalls auch mit Erfolg - wegen unzumutbarer Verhältnisse auf eine nachträgliche Korrektur zulasten der
Beigeladenen hinwirken könnten (vgl. zu den entspr. Nachbarrechten VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 10.01.2008 - 3 S 2773/07 -,
BauR 2009, 470 = juris Rn. 13, und vom 01.04.2019 - 5 S 2102/18 -, VBlBW 2019, 459 = juris Rn. 14). Dies gilt jedenfalls so lange, wie der am
29.04.2019 verfügte Teilwiderruf der Stellplatzauflage zur Baugenehmigung nicht gegenüber allen maßgeblichen Nachbarn (nachweislich)
unanfechtbar geworden ist.
Hinzu kommt, dass damit auch über das öffentliche Interesse an den ursprünglichen Stellplatzbaulasten noch nicht abschließend entschieden
werden kann, selbst wenn die Antragsgegnerin die Rechtsauffassung der Antragstellerin teilt, das öffentliche Interesse sei entfallen.
Schließlich ist auch nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin derzeit bereits dringend auf die sofortige Vollziehbarkeit des
Baulastverzichts angewiesen wäre (siehe zu ihren nur in Teilen konkretisierten Bauabsichten oben 2. b). Demgegenüber erschiene eine
Rückabwicklung des Baulastverzichts nach dessen Vollzug als praktisch so gut wie ausgeschlossen. Die gerichtliche Anordnung der sofortigen
Vollziehung eines Baulastverzichts kommt schon vor diesem Hintergrund allenfalls höchst ausnahmsweise in Betracht. Ein derartiger Ausnahmefall
ist hier nicht gegeben.
Eine von der Antragstellerin begehrte teilweise Anordnung der sofortigen Vollziehung „jedenfalls insoweit“, als die Baulasten auf dem Baufeld I
ruhen, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Auch wenn der von der Beigeladenen im Verfahren geltend gemachte Bedarf von noch 433 Stellplätzen
ausreichte und bereits mithilfe der Baulasten auf dem Baufeld II gesichert werden könnte, kann derzeit nicht beurteilt werden, ob dann gerade ein
öffentliches Interesse an den auf dem Baufeld I ruhenden Baulasten nicht mehr bestünde.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 63 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG
in Verbindung mit Nr. 9.7.1 (analog) und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (VBlBW Sonderbeilage Januar 2014)
und entspricht der des Verwaltungsgerichts.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Entscheidung, Urteil
Gericht:VGH Mannheim
Erscheinungsdatum:06.05.2020
Aktenzeichen:8 S 455/20
Rechtsgebiete:Öffentliches Baurecht
Normen in Titel:BWLBO § 71 Abs. 3 S. 2; VwGO § 80a Abs. 1 Nr. 1; BauGB § 212a Abs. 1