OLG Naumburg 10. Juli 2019
12 Wx 28/19
BGB § 894; GBO § 51

Grundbuchberichtigungsanspruch des Nacherben auf Eintragung des Vorerben

letzte Aktualisierung: 30.01.2020
OLG Naumburg, Beschl. v. 10.7.2019 – 12 Wx 28/19

BGB § 894; GBO § 51
Grundbuchberichtigungsanspruch des Nacherben auf Eintragung des Vorerben

1. Die Eintragung eines Nacherbenvermerks in das Grundbuch ohne Eintragung des Vorerben ist
unzulässig.
2. Der Nacherbe kann die Eintragung des Vorerben erst beantragen, wenn er einen Titel über einen
Anspruch auf Grundbuchberichtigung durch Eintragung des Vorerben erlangt hat.

Gründe

I.
Als Eigentümer des im Erbbaugrundbuch von W. Blatt ... verzeichneten
Grundbesitzes sind He. H. und G. H. je zur Hälfte eingetragen.
He. H. hatte drei Kinder, ihre Tochter (Beteiligte zu 3), R. H. und Hm.
H. . Die Beteiligte zu 3) und ihre Mutter He. H. haben im Rahmen des von
Notar R. in W. am 1. März 2007 beurkundeten Erbvertrages u.a. in Ziffer II
folgendes geregelt:

"Erbeinsetzung
Ich setze hiermit meine Kinder S. und R. zu gleichen Teilen zum nicht befreiten Vorerben ein.
Zum Nacherben bestimme ich meinen Sohn Hm. .
Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tode des Vorerben.

Stirbt der Nacherbe vor dem Eintritt des Nacherbfalls oder wird er aus einem sonstigen Grund nicht
Nacherbe, so treten seine Abkömmlinge entsprechend den Regeln über die gesetzliche Erbfolge an
seine Stelle.

Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ist weder vererblich noch übertragbar."
Hm. H. verstarb am 28. Januar 2016, nach ihm starb auch seine Mutter He.
H. am 18. November 2016.

Der Beteiligte zu 1), Sohn des Hm. H. , hat mit Schreiben vom 5. Februar 2019 die
Eintragung eines Nacherbenvermerks in das o.g. Erbbaugrundbuch beantragt. Mit Zwischenverfügung
vom 2. April 2019 hat das Grundbuchamt den Beteiligten zu 1) darauf hingewiesen,
dass der Eintragung ein Hindernis entgegenstehe, zu dessen formgerechter Behebung
eine Frist von sechs Wochen gesetzt werde. Da Hm. H. vor der Großmutter
des Beteiligten zu 1) verstorben sei, sei die Anordnung der Nacherbfolge hinfällig. Weitere
Nacherben seien für diese Konstellation nicht bestellt. Die Ersatzerbeinsetzung im Erbvertrag
betreffe den Fall, dass der Nacherbe vor dem Eintritt des Nacherbfalls, aber nach dem
Eintritt des Erbfalls stirbt. Ein eventuell vererbliches Anwartschaftsrecht sei ebenfalls nicht
entstanden. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 11. April 2019 Beschwerde
eingelegt mit der Begründung, dass er durch den Erbvertrag als Nacherbe eingesetzt sei
und daher Anspruch auf Eintragung des Nacherbenvermerks habe. Bereits die Auslegung
des Wortlauts des Erbvertrages ergebe, dass nach dem Willen der Erblasserin in jedem Fall
auch bei Vorversterben des Nacherben vor dem Erbfall dessen Abkömmlinge an dessen
Stelle als Nacherben treten. Die Auslegung des Grundbuchamts treffe nicht zu. Jene Formulierung
stelle eine Ersatznacherbeneinsetzung zu Gunsten der Abkömmlinge gemäß
§§ 2096, 2069 BGB dar, sei kein Fall einer Regelung der Nichtvererblichkeit des Nacherbrechts
nach § 2108 Abs. 2 BGB.

Anstatt über die Nichtabhilfe zu entscheiden und das Verfahren dem Beschwerdegericht vorzulegen,
hat das Grundbuchamt durch Beschluss vom 23. Mai 2019 den Antrag auf Eintragung
eines Nacherbenvermerks unter Wiederholung der Begründung aus dem Beschluss
vom 2. April 2019 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom
4. Juni 2019 abermals Beschwerde eingelegt unter Wiederholung seiner Begründung aus
der Beschwerdeschrift vom 11. April 2019. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch
Beschluss vom 6. Juni 2019 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur
Entscheidung vorgelegt.

II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen
zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Nur im Ergebnis zu Recht hat das Grundbuchamt von der begehrten Eintragung eines Nacherbenvermerks
abgesehen. Eine Eintragung des Nacherbenrechts ohne Eintragung des
Vorerben ist nämlich unzulässig (z. B. Böhringer, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., Rdn. 88 zu § 51
GBO; Demharter, GBO 31. Aufl., Rdn. 19 zu § 51 GBO; Munzig, in Keller/Munzig, Grundbuchrecht,
8. Aufl., Rdn. 20 zu § 51 GBO; Imre, in: Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht,
2. Aufl., Rdn. 16 zu § 51 GBO; Egerland, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl., Rdn. 7 zu
§ 51 GBO; Böttcher, in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., Rdn. 11 zu § 51 GBO). Nur die
Eintragung des Vorerben hat notwendig die Eintragung eines Nacherbenvermerks zur Folge,
gleichgültig, ob der Vorerbe auf eigenen Antrag oder auf Antrag eines Dritten (z. B. Nachlasspfleger,
Testamentsvollstrecker oder Nachlassgläubiger) oder auf Grund des Ersuchens
einer Behörde oder von Amts wegen eingetragen worden ist. Der Nacherbe hat dabei keinen
unmittelbaren Grundbuchberichtigungsanspruch im Sinne von § 894 BGB auf Eintragung
des Vorerben. Er kann daher die Eintragung des Vorerben erst beantragen und damit die
Eintragung des Nacherbenvermerks nur erreichen, wenn er einen Titel über seinen Anspruch
im Sinne von § 895 BGB auf Grundbuchberichtigung durch Eintragung des Vorerben erlangt
hat (z. B. Böhringer, a.a.O., Rdn. 84 f. zu § 51 GBO; Egerland, a.a.O., Rdn. 7 zu § 51 GBO;
Böttcher, a.a.O., Rdn. 11 zu § 51 GBO).

Im vorliegenden Fall ist die Eintragung eines Nacherbenvermerks vorerst ausgeschlossen,
denn die Vorerben, die Beteiligten zu 2) und 3), sind bislang noch nicht in das Grundbuch
eingetragen worden. Ebenso wenig hat der Beteiligte zu 1) einen gerichtlichen Titel einge4
reicht, der auf die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Beteiligten zu 2) und
3) gerichtet ist.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der Beteiligte zu 1) auf der
Grundlage des Erbvertrags vom 1. März 2007 durchaus zum Ersatznacherben bestimmt
worden sein dürfte. Eine Einschränkung dergestalt, dass für den Fall, dass der Nacherbe
bereits vor dem Erblasser stirbt, kein Ersatznacherbe eingesetzt sei, lässt sich dem Erbvertrag
nicht entnehmen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 84 FamFG. Den Beschwerdewert bestimmt der
Senat gemäß §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 GNotKG nach dem angegebenen Wert des
gegenständlichen Grundstücks.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Naumburg

Erscheinungsdatum:

10.07.2019

Aktenzeichen:

12 Wx 28/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZEV 2019, 700

Normen in Titel:

BGB § 894; GBO § 51