Erfüllung der Einlagepflicht durch Zahlung auf Debet-Konto der GmbH
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Dokumentnummer: 2zr362_02
letzte Aktualisierung: 13.01.2005
BGH, 08.11.2004 - II ZR 362/02
Erfüllung der Einlagepflicht durch Zahlung auf Debet-Konto der GmbH
a) Wird in einem Prozeß des Insolvenzverwalters gegen einen GmbH-Gesellschafter rechtskräftig festgestellt, daß der Gesellschafter seine Einlage nicht eingezahlt hat, und führt der Insolvenzverwalter daraufhin das Kaduzierungsverfahren nach
dem nachfolgenden Prozeß des Insolvenzverwalters gegen einen Mitgesellschafter auf Zahlung
des Fehlbetrages nach
gebunden.
b) Der GmbH-Gesellschafter erfüllt seine Einlagepflicht, indem er den Einlagebetrag nach einem
Kapitalerhöhungsbeschluß zur freien Verfügung der Geschäftsführer an die Gesellschaft zahlt.
Dabei reicht die Zahlung auf ein im Debet geführtes Konto aus, sofern die Geschäftsführung die
Möglichkeit erhält, über einen Betrag in Höhe der Einlageleistung frei zu verfügen, sei es im
Rahmen eines förmlich eingeräumten Kreditrahmens, sei es aufgrund einer nur stillschweigenden Gestattung der Bank.
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 362/02
Verkündet am:
8. November 2004
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Erfüllung der Einlagepflicht durch Zahlung auf Debet-Konto der GmbH
a) Wird in einem Prozeß des Insolvenzverwalters gegen einen GmbHGesellschafter rechtskräftig festgestellt, daß der Gesellschafter seine Einlage
nicht eingezahlt hat, und führt der Insolvenzverwalter daraufhin das Kaduzierungsverfahren nach
b) Der GmbH-Gesellschafter erfüllt seine Einlagepflicht, indem er den Einlagebetrag nach einem Kapitalerhöhungsbeschluß zur freien Verfügung der Geschäftsführer an die Gesellschaft zahlt. Dabei reicht die Zahlung auf ein im
Debet geführtes Konto aus, sofern die Geschäftsführung die Möglichkeit erhält, über einen Betrag in Höhe der Einlageleistung frei zu verfügen, sei es
einer nur stillschweigenden Gestattung der Bank.
BGH, Urteil vom 8.November 2004 - II ZR 362/02 - Schleswig-Holsteinisches OLG
in Schleswig
LG Kiel
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 8. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und
Caliebe
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers der Beklagten werden das Versäumnisurteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. Mai 2002 im Kostenpunkt und das Urteil des vorbezeichneten Gerichts vom
7. November 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
die Beklagte zur Zahlung von mehr als 116.216,64 € nebst Zinsen
verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten
das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel
vom 14. März 2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 116.216,64 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 6. Dezember 2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten ihrer Säumnis im zweiten Rechtszug hat die Beklagte
selbst zu tragen. Von den übrigen Kosten des ersten und zweiten
Rechtszuges - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des
Streithelfers der Beklagten - tragen die Beklagte 57 % und der
Kläger 43 %. Die im zweiten Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten des Streithelfers tragen dieser selbst zu 57 %
und der Kläger zu 43 %.
Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 66 % und der Streithelfer
der Beklagten zu 34 %. Von den außergerichtlichen Kosten des
Klägers trägt der Streithelfer 40 %. Von den außergerichtlichen
Kosten des Streithelfers trägt der Kläger 60 %. Im übrigen tragen
die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Ehemann der Beklagten, E. H., war Alleingesellschafter der
K. GmbH, über deren Vermögen am 1. April 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde. Der Kläger ist Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren.
Am
1. Dezember
beschloß
E. H.
in
notarieller
Verhandlung vor dem als Streithelfer der Beklagten dem Rechtsstreit beigetretenen Notar eine Erhöhung des Stammkapitals um 450.000,00 DM. Davon übernahmen
er selbst 400.000,00 DM und die Beklagte 50.000,00 DM. Die Kapitalerhöhung
wurde am 26. Juli 1994 im Handelsregister eingetragen.
Mit der Begründung, der Kapitalerhöhungsbetrag von 400.000,00 DM sei
nicht wirksam eingezahlt worden, erwirkte der Kläger in einem Vorprozeß ein
rechtskräftiges
Zahlungsurteil
gegen
E. H.
in
dieser
Höhe.
Die
Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Daraufhin erklärte der Kläger nach § 21
GmbHG E. H. des Geschäftsanteils für verlustig. In dem vorliegenden
Verfahren nimmt er die Beklagte als Mitgesellschafterin gemäß
auf Zahlung der 400.000,00 DM in Anspruch.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem
Senat zugelassenen Revision wehrt sich der Streithelfer der Beklagten gegen
eine Verurteilung in Höhe von mehr als 227.300,00 DM = 116.216,64 €. Dazu
beruft er sich auf eine unstreitige Zahlung des Ehemannes der Beklagten vom
24. Januar 1994 in Höhe von 172.700,00 DM und meint, durch diese - nach
dem Kapitalerhöhungsbeschluß erfolgte - Zahlung sei die Einlageschuld in entsprechendem Umfang getilgt worden.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, soweit die
Beklagte zur Zahlung von mehr als 116.216,64 € verurteilt worden ist.
Die Klage ist im Umfang des Revisionsangriffs unbegründet, weil E.
H.
die
von
ihm
übernommene
Stammeinlage
in
Höhe
von
172.700,00 DM wirksam eingezahlt hat und damit die Voraussetzungen einer
Ausfallhaftung der Beklagten nach
1. An dieser Feststellung ist der Senat durch die Rechtskraft des Urteils
in dem Prozeß zwischen dem Kläger und E. H. nicht gehindert. Zwar
ist dort festgestellt worden, daß E. H. verpflichtet ist, eine noch offene
Einlage i.H.v. 400.000,00 DM an den Kläger als Insolvenzverwalter zu zahlen.
Die Beklagte war an jenem Verfahren aber nicht beteiligt. Deshalb wirkt die
Rechtskraft des gegen ihren Ehemann ergangenen Urteils nicht auch gegen
sie. Der gegenteiligen Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht zu folgen.
Gemäß
und gegen die Parteien desjenigen Rechtsstreits, in dem das Urteil ergangen
ist. Von diesem Grundsatz läßt das Gesetz Ausnahmen zu. So erstreckt sich
die Rechtskraft nach
die Gesellschaft ergangenes Urteil gegen sich gelten lassen (
BGH, Urt. v. 1. Juli 1976 - VII ZR 85/74,
Abs. 1 Satz 1 BGB kann sich der Bürge darauf berufen, daß die Forderung in
dem zwischen dem Hauptschuldner und dem Gläubiger geführten Prozeß
rechtskräftig aberkannt worden ist (BGH, Urt. v. 24. November 1969
über diese gesetzlich geregelten Ausnahmefälle hinaus müsse ein Dritter unter
bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn ihm dies zumutbar sei, die rechtskräftige Entscheidung über ein vorgreifliches Rechtsverhältnis gegen sich gelten lassen (Blomeyer, Zivilprozessrecht - Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. §§ 91 II,
93; weitergehend Schwab, ZZP 1977 [1964], 124 ff.). Dem ist der Bundesgerichtshof bisher nicht gefolgt (BGH, Urt. v. 20. Oktober 1995 - V ZR 263/94,
Rechtsprechung abzuweichen.
Ebenso wie sich ein Bürge das zu Lasten des Hauptschuldners ergangene Urteil grundsätzlich nicht entgegenhalten lassen muß (
BGH, Urt. v. 19. März 1975 - VIII ZR 250/73,
auch im Falle der Ausfallhaftung nach einer Kaduzierung gemäß §§ 21 ff.
GmbHG kein Grund für eine Rechtskrafterstreckung. Der auf Zahlung in Anspruch genommene Gesellschafter kann die Rechtmäßigkeit der Kaduzierung
ohne Rücksicht auf ein im Verhältnis zwischen seinem Mitgesellschafter und
der Gesellschaft bzw. dem Insolvenzverwalter ergangenes Urteil in Frage stellen. Der Einwand des Berufungsgerichts, auf diese Weise könne die Gesellschaft gezwungen sein, bei der Inanspruchnahme mehrerer Gesellschafter über
dieselbe Frage in jedem Prozeß erneut zu streiten, rechtfertigt keine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen. Die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit, nach einer Kaduzierung sämtliche übrigen Gesellschafter in einem Prozeß gemeinsam in Anspruch zu nehmen und so
Rechtsverhältnis nur einmal erneut zur Entscheidung zu stellen.
2. Der Ehemann der Beklagten hat seine Einlageschuld in Höhe eines
Teilbetrages von 172.700,00 DM getilgt, indem er diesen Betrag am 24. Januar
1994 auf das Konto der Gesellschaft überwiesen hat.
a) Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Einlagezahlung auf ein debitorisches Bankkonto der Gesellschaft sei nur dann schuldbefreiend, wenn ein
Debetsaldo zurückgeführt werde, der die Kreditlinie der Gesellschaft nicht überschritten habe. Dazu hat es festgestellt, daß die Kreditlinie der K. GmbH
250.000.00 DM betragen habe und erheblich überzogen gewesen sei, so daß
die Zahlung von E. H. nicht dazu geführt habe, die Schuld der Gesellschaft auf einen Betrag unterhalb der Kreditlinie zurückzuführen.
b) Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an eine Einlagezahlung überspannt.
Der Gesellschafter erfüllt seine Einlagepflicht, indem er den Einlagebetrag zur freien Verfügung der Geschäftsführer an die Gesellschaft zahlt. Das gilt
auch dann, wenn die Zahlung in dem Zeitraum zwischen einem Kapitalerhöhungsbeschluß und der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister
erfolgt. Eine wertgleiche Deckung bis zu der Eintragung der Kapitalerhöhung in
das Handelsregister ist nicht erforderlich (
Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 210/01,
eine Zahlung auf ein - wie hier - im Debet geführtes laufendes Konto der Gesellschaft, sofern die Geschäftsführung die Möglichkeit hat, über den eingezahlten Betrag frei zu verfügen. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Gesellschaft
ein entsprechender Kreditrahmen förmlich eingeräumt worden ist. Es reicht
vielmehr aus, daß die Geschäftsführung infolge der Einzahlung in die Lage versetzt wird, erneut Kredit in Höhe des eingezahlten Betrages in Anspruch zu
nehmen, mag das auch auf einer nur stillschweigenden Gestattung der Bank
beruhen (Sen.Urt. v. 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89,
Die Voraussetzungen für eine freie Verfügbarkeit sind im vorliegenden
Fall in Bezug auf die Überweisung der 172.700,00 DM erfüllt. Die Bank war bereit, Verfügungen der Geschäftsführung der K. GmbH über den ausdrücklich
eingeräumten Kreditrahmen von 250.000,00 DM hinaus zu dulden. Nach der
Feststellung des Berufungsgerichts hat die Bank in der Folgezeit Verfügungen
bis zu einem Schuldenstand von über 1 Mio. DM zugelassen. Damit konnte die
Geschäftsführung der K. GmbH über die 172.700,00 DM frei verfügen.
3. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, hat der Senat in der
Sache zu entscheiden und die Klage im Umfang des Revisionsangriffs abzuweisen.
Röhricht
Goette
Strohn
Kraemer
Caliebe
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:07.11.2004
Aktenzeichen:II ZR 362/02
Rechtsgebiete:
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbH
DNotZ 2005, 312-313
NJW-RR 2005, 338-339
NotBZ 2005, 71
ZPO § 325; GmbHG §§ 21 ff., 55 ff.