BGH 13. Mai 2022
V ZR 231/20
BGB §§ 280 Abs. 1 u. 3, 281 Abs. 1 u. 2, 437 Nr. 3, 439 Abs. 2, 444

(Keine) Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung nach den Grundsätzen „neu für alt“

BGB §§ 280 Abs. 1 u. 3, 281 Abs. 1 u. 2, 437 Nr. 3, 439 Abs. 2, 444
(Keine) Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung nach den Grundsätzen „neu für alt“

1. Eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung einer (gebrauchten) mangelhaften Kaufsache nach den Grundsätzen eines Abzugs „neu für alt“ scheidet aus, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpft, dass die Kaufsache durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfährt oder dass der Käufer durch die längere Lebensdauer des ersetz­ten Teils Aufwendungen erspart.

2. Für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe der voraussichtlich er­forderlichen Mängelbeseitigungskosten nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB gilt das Gleiche, und zwar auch dann, wenn die Nachbesserung wegen des arglistigen Verschweigens des Mangels nicht angeboten werden muss (hier: Kosten für die Erneuerung einer mangelhaften Kellerabdichtung).

BGH, Urt. v. 13.5.2022 – V ZR 231/20

Problem
Im Jahr 2010 verkauften die Beklagten an die Kläger ein mit einem 1979 errichteten Reihenhaus bebautes Grundstück. Die Haftung für Sachmängel wurde ausgeschlossen. Die Beklagten hatten bereits im Jahr 2002 ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet, was u. a. die Feuchtigkeit in Kellerwänden zum Gegenstand hatte. Der damalige Sachverständige fand als Ursache eine mangelhafte Abdichtung der Kellerwände. Die jetzigen Kläger bemerkten diese Durchfeuchtung der Kellerwände im Jahr 2013 und machten Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagten geltend. Sie beriefen sich dabei auf ein arglistiges Verschweigen der mangelhaften Abdichtung und begehren daher Kosten für eine neue Kellerabdichtung in Höhe von 23.400,30 €. Die Beklagten berufen sich darauf, dass sich die Kläger nach dem Grundsatz „neu für alt“ die Wertsteigerung durch die Erneuerung der Kellerwände anrechnen lassen müssten.

Das Berufungsgericht teilte weitgehend die Ansicht der Beklagten. Die durch den Sachverständigen festgestellte Lebensdauer einer solchen Abdichtung sei bereits überschritten.

Entscheidung
Wie auch das Berufungsgericht geht der BGH davon aus, dass ein Nacherfüllungsanspruch im Grundsatz bestehe, da der Mangel arglistig verschwiegen worden sei (§ 444 BGB). Eine Nachfristsetzung war gem. § 281 Abs. 1 Var. 2 BGB entbehrlich.

Der BGH befasst sich sodann ausführlich mit der Frage, ob und in welchem Umfang nach den Grundsätzen „neu für alt“ Vorteile zu berücksichtigen sind, die der Käufer durch die Nacherfüllung erlangt. Hierzu finden sich in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Zum einen wird vertreten, dass der Käufer durch die Nachbesserung nicht bessergestellt sein dürfe, als er stünde, wenn der Verkäufer von Anfang an ordnungsgemäß erfüllt hätte. Dagegen wendet eine andere Auffassung ein, dass eine Anspruchsgrundlage für eine Kostenbeteiligung des Käufers an den Kosten der Nacherfüllung fehle. Die Gegenrechte des Verkäufers seien in § 439 Abs. 6 BGB abschließend geregelt. Mehrheitlich wird hingegen eine differenzierende Auffassung vertreten, wonach eine Kostenbeteiligung des Käufers nach den Grundsätzen „neu für alt“ abzulehnen sei, wenn eine Nachbesserung nur durch den Ersatz der mangelbehafteten Teile durch neue Teile erfolge. Etwas anderes gelte dann, wenn an sonstigen Teilen der Kaufsache durch die Nachbesserung ein Wertzuwachs eintrete. Diese Wertverbesserung habe sich der Käufer anrechnen zu lassen.

Der BGH sah keinen Anlass, die Streitfrage insgesamt und abschließend zu entscheiden. Eine Beteiligung des Käufers an den Kosten der Nachbesserung einer gebrauchten mangelhaften Kaufsache scheide grundsätzlich dann aus, wenn sich der Vorteil des Käufers darin erschöpfe, dass die Kaufsache durch den zur Mangelbeseitigung erforderlichen Ersatz eines mangelhaften Teils durch ein neues Teil einen Wertzuwachs erfahre oder dass der Käufer durch die längere Lebensdauer des ersetzten Teils Aufwendungen erspare. Ob darüber hinausgehende Vorteile angerechnet werden könnten, konnte der BGH offenlassen, da im vorliegenden Fall solche Vor­teile nicht ersichtlich waren. Dieses Ergebnis stützt der BGH maßgeblich darauf, dass der Verkäufer durch Nachbesserung lediglich seinen vertraglichen Pflichten nachkomme und hierfür grundsätzlich keinen Ausgleich verlangen könne. Kann der Mangel ausschließlich durch Einbau eines neueren, ggf. höherwertigen Teils beseitigt werden, so habe der Käufer hierauf einen An­spruch, ohne sich an den Kosten beteiligen zu müssen. Der damit für den Käufer regelmäßig verbundene Vorteil einer Werterhöhung der Sache sei eine unvermeidliche Folge des dem Käufer vom Gesetzgeber eingeräumten Nacherfüllungsanspruchs. Deshalb scheide eine allein an der längeren Lebensdauer des ersetzten Teils anknüpfende schematische Berücksichtigung eines Abzugs „neu für alt“ bei dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB aus. Unerheblich sei auch, dass der Käufer dem Verkäufer bei einem arglistig verschwiegenen Mangel keine Frist zur Nacherfüllung setzen müsse, da er nicht schlechter stehen dürfe als bei einer „nur“ mangelhaften Kaufsache. Der Verkäufer sei ausreichend dadurch geschützt, dass der Nacherfüllungsanspruch gem. § 439 Abs. 3 S. 2 BGB (jetzt: § 439 Abs. 4 S. 2 BGB) begrenzt sei. Könne nämlich der Verkäufer die Nachbesserung verweigern, weil sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei, beschränke sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

13.05.2022

Aktenzeichen:

V ZR 231/20

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 102-103

Normen in Titel:

BGB §§ 280 Abs. 1 u. 3, 281 Abs. 1 u. 2, 437 Nr. 3, 439 Abs. 2, 444