OLG Düsseldorf 03. März 2021
3 Wx 233/20
GNotKG §§ 21 Abs. 1 S. 1, 81 Abs. 1 u. 2; BGB § 140; GBO § 29 Abs. 1 S. 2

Auslegung einer Beschwerde als Erinnerung

letzte Aktualisierung: 13.10.2021
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.2021 – 3 Wx 233/20

GNotKG §§ 21 Abs. 1 S. 1, 81 Abs. 1 u. 2; BGB § 140; GBO § 29 Abs. 1 S. 2
Auslegung einer Beschwerde als Erinnerung

Hat das Grundbuchamt den Eintragungsantrag eines übertragenden Rechtsträgers nach
Verschmelzung mit einem übernehmenden Rechtsträger (AG) und dessen Eintragung in das
Handelsregister kostenpflichtig zurückgewiesen und der nach Vornahme der Grundbucheintragung
zugunsten des übernehmenden Rechtsträgers erhobenen Beschwerde der Antragsteller nicht
abgeholfen, so ist deren Rechtsmittel als Erinnerung gegen den Kostenansatz mit dem Ziel einer
Nichterhebung der Kosten auszulegen, über die unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses des
Grundbuchamts das Gericht des Kostenansatzes zu entscheiden hat.

Gründe:

I.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2020 haben die Beteiligten aufgrund der
Grundpfandrechtsbestellungsurkunde vom 14. Mai 2020 (UR.Nr. 994/2020) die Eintragung
einer Grundschuld nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung zu Gunsten der als Beteiligte
zu 5 bezeichneten Gesellschaft beantragt. Diese ist als übertragende Rechtsträgerin mit
der D… Bank Aktiengesellschaft als übernehmender Rechtsträgerin verschmolzen
worden. Die Umwandlung ist am 15. Mai 2020 in das Handelsregister eingetragen worden.
Mit Beschluss vom 29. Mai 2020 hat das Grundbuchamt den Eintragungsantrag
kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Eintragung sei aufgrund der Löschung der Beteiligten
zu 5 nicht mehr möglich.

Aufgrund Eintragungsantrags vom 3. Juni 2020, dem eine als offensichtlich unrichtig
berichtigte Fassung der Grundpfandrechtsbestellungsurkunde vom 14. Mai 2020 beigefügt
war, hat das Grundbuchamt am 10. Juni 2020 die Grundschuld zu Gunsten der D… Bank
AG eingetragen.

Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2020 haben sich die Beteiligten gegen den Beschluss vom 29.
Mai 2020 „und die Kostenberechnung“ beschwert. Sie machen geltend, die Beurkundung
sei richtig gewesen, weil die Beteiligte zu 5 am 14. Mai 2020 noch unter der in der Urkunde
angegebenen Bezeichnung „…“ (= Beteiligte zu 5) firmiert habe. Das Grundbuchamt hätte
vor der kostenpflichtigen Zurückweisung des Antrags einen Hinweis erteilen müssen.
Hierzu wäre ein einfacher Telefonanruf ausreichend gewesen. Die Sache hätte in diesem
Fall als offensichtliche Unrichtigkeit bzw. mittels Vollmacht umgehend behoben werden
können. Im Hinblick darauf sei die Kostennote für die Zurückweisung als gegenstandslos
zu erklären.

Mit weiterem Beschluss vom 17. November 2020 hat das Grundbuchamt der Beschwerde
nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung
vorgelegt. Es hat ausgeführt, da die Rechtsänderung zum Zeitpunkt der Bewilligung noch
nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei, hätte eine Bewilligung für die neu
entstandene Rechtsträgerin noch nicht abgegeben werden können. Allerdings dürfe das
Grundbuchamt das Grundbuch nicht wissentlich unrichtig machen. Der Erlass einer
rangwahrenden Zwischenverfügung sei nicht in Frage gekommen. Ebenso sei aufgrund
des erledigungsreifen Folgeantrags eine Hinweisverfügung gem. § 28 FamFG
ausgeschieden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Das Rechtsmittel der Beteiligten ist als Erinnerung gegen den Kostenansatz gem. § 81
Abs. 1 GNotKG zu verstehen, nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1
bis 5 auf telefonische Nachfrage erklärt hat, den Beschluss des Amtsgerichts vom 29. Mai
2020 in der Sache nicht angreifen zu wollen. Es sei ihm nur darum gegangen, eine
zusätzliche Kostenbelastung für seine Mandanten zu vermeiden. Der Antrag eines
Beteiligten auf Nichterhebung der Kosten ist als Erinnerung nach § 81 Abs. 2 GNotKG
auszulegen (vgl. Neie, in: Bormann/ Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 3. Auflage 2019, § 21
Rn. 40). Das Gericht muss auf Nichterhebung der Kosten entscheiden, soweit eine
unrichtige Sachbehandlung i.S.d. Abs. 1 S. 1 vorliegt (Neie, a.a.O., Rn. 42).

Zuständig für die Durchführung des Erinnerungsverfahrens ist das Gericht, bei dem die
Kosten angesetzt sind, hier also das Amtsgericht Düsseldorf, § 81 Abs. 1 S. 1 GNotKG.
Die Nichtabhilfeentscheidung vom 17. November 2020 stellt keine Entscheidung über die
Erinnerung dar, weswegen der Senat die Sache zur Durchführung des
Erinnerungsverfahrens an das Amtsgericht zurückgibt.

Vorsorglich sei in der Sache – ohne Bindungswirkung – bemerkt:

Es dürfte ein Fall unrichtiger Sachbehandlung gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GNotKG vorliegen mit
der Folge, dass die aufgrund des Beschlusses vom 29. Mai 2020 festgesetzten Kosten
nicht erhoben werden dürfen.

Denn das Grundbuchamt hätte den Eintragungsantrag vom 19. Mai 2020 nicht
zurückweisen dürfen. Vielmehr wäre die Eintragungsbewilligung dahingehend auszulegen
gewesen, dass Gläubigerin des Grundpfandrechts die übernehmende Rechtsträgerin sein
sollte. Auf dieser Grundlage wäre bereits aufgrund des Antrags vom 19. Mai 2020 die
Grundschuld zu Gunsten der D… Bank AG einzutragen gewesen.

Grundbucherklärungen sind - unter Beachtung des das Grundbuchverfahren
beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes und des grundsätzlichen Erfordernisses
urkundlich zu belegender Eintragungsunterlagen – auslegungsfähig. Dabei muss die
Auslegung im Hinblick auf die Anforderungen des Grundbuchverfahrens an Klarheit und
Bestimmtheit des objektiven Inhalts einer Grundbucherklärung zu einem dieser
Bestimmtheit entsprechenden eindeutigen Ergebnis führen. Des Weiteren ist auch die
Umdeutung von Erklärungen der Beteiligten gem. § 140 BGB – ebenfalls im Rahmen der
oben genannten Grenzen sowie unter Berücksichtigung des Fehlens einer Ermittlungsund
Beweiserhebungspflicht des Grundbuchamts im Eintragungsverfahren – denkbar
(Schöner/Stober, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Rn. 172 f.).

Zwischen den Beteiligten und dem Grundbuchamt besteht Einigkeit, dass die in der
Grundpfandrechtsbestellungsurkunde vom 14. Mai 2020 bezeichnete Gesellschaft zum
Zeitpunkt der Beurkundung noch existierte, dass sie jedoch am Folgetag, dem 15. Mai
2020, durch Eintragung der Verschmelzung auf die D… Bank AG im Handelsregister
erlosch, § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 und Nr. 1 UmwG. Die Gläubigerstellung hinsichtlich der in
der Grundpfandrechtsbestellungsurkunde genannten Grundschuld ist danach gem. § 20
Abs. 1 Nr. 1 UmwG durch Gesamtrechtsnachfolge auf die D… Bank AG übergegangen. Es
kann danach kein Zweifel bestehen, dass die Beteiligten bei zutreffender Beurteilung der
Rechtslage eine Eintragung zu Gunsten der D… Bank AG gewollt hätten; in diesem Sinne
ist die Eintragungsbewilligung zu verstehen.

Insofern unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall von der dem Senatsbeschluss
vom 12. August 2020 - I-3 Wx 125/20 (MDR 2020, 1312) zugrunde liegenden Sachlage. In
dem dortigen Fall war die Grundschuldbestellung für die übertragende Rechtsträgerin erst
nach deren Erlöschen erfolgt, so dass sich die Frage stellte, ob die Beteiligten bei Kenntnis
der Rechtslage Bestellung und Eintragung der Grundschuld zu Gunsten der
übernehmenden Rechtsträgerin (oder etwa einer ihrer Zweigniederlassungen) gewollt
hätten. Im Gegensatz dazu bestand hier aufgrund der nach Beurkundung der
Grundpfandrechtsbestellung eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge für die Beteiligten im
Hinblick auf die Person der Gläubigerin keine Auswahlmöglichkeit mehr.

Eines Nachweises der Rechtsnachfolge durch öffentliche Urkunden bedurfte es im
vorliegenden Fall nicht, weil die Verschmelzung dem Grundbuchamt gerichtsbekannt und
damit offenkundig i.S.d. § 29 Abs. 1 S. 2 GBO war (zu einem vergleichbaren Fall
Gutachten DNOtI-Report 1998, 177, 179).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

03.03.2021

Aktenzeichen:

3 Wx 233/20

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Umwandlungsrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GNotKG §§ 21 Abs. 1 S. 1, 81 Abs. 1 u. 2; BGB § 140; GBO § 29 Abs. 1 S. 2