Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch; Antragsberechtigung des Vorerben; Begründung der Grundbuchunrichtigkeit mit gutgläubig lastenfreiem Erwerb; keine positive Richtigkeitsvermutung des Nacherbenvermerks im Hinblick auf die Rechtstellung der Nacherben
letzte Aktualisierung: 24.2.2025
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.11.2024 – 19 W 49/24 (Wx)
BGB §§ 892 Abs. 1, 2112, 2113 Abs. 3; GBO §§ 13 Abs. 1 S. 2, 22
Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch; Antragsberechtigung des Vorerben;
Begründung der Grundbuchunrichtigkeit mit gutgläubig lastenfreiem Erwerb; keine
positive Richtigkeitsvermutung des Nacherbenvermerks im Hinblick auf die Rechtstellung
der Nacherben
1. Eine Antrags- und Beschwerdeberechtigung von Vorerben für einen auf Löschung eines Nacherbenvermerks
gerichteten Grundbuchberichtigungsantrag fehlt, wenn die Unrichtigkeit des
Grundbuchs mit einem gutgläubig lastenfreien Erwerb des Grundstücks durch einen Erwerber
begründet wird, also nach Ansicht der Vorerben erst nach ihrem Eigentumsverlust eintreten soll.
2. Darüber hinaus bezieht sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs nicht darauf, dass in einem
Nacherbenvermerk die Nacherben zutreffend und abschließend eingetragen sind. Der Nacherbenvermerk
im Grundbuch ist nicht geeignet, die Rechtsstellung von Nacherben nachzuweisen.
Es handelt sich um eine Verfügungsbeschränkung, für die keine positive Richtigkeitsvermutung
besteht.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und zu 2 verfolgen mit ihrer Beschwerde einen Antrag auf Löschung eines
Nacherbenvermerks.
Im Grundbuch für den oben bezeichneten Grundbesitz sind für einen hälftigen Anteil als
Eigentümer die Beteiligten zu 1 und zu 2 in Erbengemeinschaft nach ihrer Mutter W. M.
eingetragen. Sie sind Vorerben und nicht von den gesetzlichen Beschränkungen befreit. Ein
Nacherbenvermerk ist im Grundbuch eingetragen. Darin sind die Beteiligten zu 4 und 5 (als
Nacherben nach dem Beteiligten zu 2) und die Beteiligten zu 6 und 7 (als Nacherben nach dem
Beteiligten zu 1) angegeben.
Diese Angabe ist unvollständig. Nacherben (nach dem Tod von W. M.) sind jeweils die
Abkömmlinge der Beteiligten zu 1 und zu 2, derzeit die zuvor benannten Beteiligten.
Die Beteiligten zu 1 und zu 2 verkauften durch notariellen Vertrag vom 11. Juli 2023 den
Grundbesitz an den Beteiligten zu 3. Die Auflassung wurde erklärt. Die Beteiligten zu 4 bis 7
stimmten der Veräußerung und der Löschung des Nacherbenvermerks zu.
Der Notar beantragte als Vertreter der Beteiligten zu 1 bis 3 nicht nur die
Eigentumsumschreibung, sondern auch die Löschung des hier streitgegenständlichen
Nacherbenvermerks (Abteilung II Nr. 2).
Mit Zwischenverfügung vom 29. Mai 2024 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass die
Nacherben in dem Erbschein nicht abschließend namentlich benannt seien. Da nicht
auszuschließen sei, dass in Zukunft weitere Abkömmlinge hinzukämen, und dieser Umstand
nicht urkundlich nachgewiesen werden könne, sei die Mitwirkung eines Pflegers für unbekannte
Nacherben erforderlich. Zum Vollzug sei daher die Zustimmung durch einen Pfleger für die
unbekannten Nacherben und die rechtskräftige betreuungsgerichtliche Genehmigung
erforderlich.
Nachdem der Notar namens aller Antragsberechtigten zunächst den Antrag auf Löschung des
streitgegenständlichen Nacherbenvermerks (Abteilung II Nr. 2) zurückgenommen hatte,
beantragte er mit Schreiben vom 24. Juli 2024 erneut die Löschung des streitgegenständlichen
Nacherbenvermerks. Soweit das Grundbuchamt die Löschung für unzulässig halte, werde im
Namen der Beteiligten zu 1 und zu 2 Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, das Grundbuchamt
zur Löschung anzuweisen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, der Käufer habe den veräußerten Grundbesitz gemäß
§§ 892 Absatz 1 Satz 2, 2113 Absatz 3 BGB gutgläubig lastenfrei erworben, also ohne
Beschränkung der Nacherbschaft. Der Nacherbenvermerk sei daher wegen Unrichtigkeit zu
löschen. In dem im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk seien die Nacherben
abschließend namentlich aufgeführt. Die Verpflichtung zur Eintragung der Nacherben ergebe
keinen Sinn, wenn die Allgemeinheit nicht auch insoweit auf die Zuverlässigkeit des
Rechtsscheinträgers Grundbuch vertrauen dürfe. Allein die Eintragung im Grundbuch sei
maßgeblich, nicht der Erbschein. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs gehe demjenigen des
Erbscheins vor. Das müsse auch für die vom Grundbuchamt als Nacherben einzutragenden
Berechtigten gelten. Ansonsten wäre die personenbezogene Eintragung überflüssig.
Ein gutgläubiger nacherbenbindungsfreier Erwerb wäre nur bei positiver Kenntnis des
Erwerbers von der sich aus der Nacherbschaft ergebenden Verfügungsbeschränkung
ausgeschlossen. Im Grundbuch seien nur die vier abschließend genannten Nacherben
eingetragen, weitere Beschränkungen seien dem Käufer nicht bekannt.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2 hat keinen Erfolg.
Sie ist unzulässig. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 sind nicht beschwerdeberechtigt.
1.
Im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren folgt die Beschwerdeberechtigung nicht allein
daraus, dass das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung formell (auch) gegenüber einem
Beschwerdeführer erlassen hat. Hinzukommen muss vielmehr, dass dieser gemäß § 13 Abs. 1
Satz 2 GBO antragsberechtigt ist. Geht es um eine Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 22
GBO, ist antragsberechtigt derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen ist, also
der unmittelbar gewinnende Teil, dem der Berichtigungsanspruch nach
derjenige, der zu Unrecht eingetragen ist, also der Buchberechtigte, der sein Buchrecht letztlich
unmittelbar durch die berichtigende Eintragung verliert (BGH, Beschluss vom 19. Dezember
2013 – V ZB 209/12 –, juris Rn. 7).
Der im Grundbuch eingetragene Nacherbenvermerk betrifft die dingliche Rechtsposition des
eingetragenen Vorerben auch dann nicht, wenn der Vorerbe das Grundstückseigentum auf
einen Erwerber übertragen hat, weil es zu einer Unwirksamkeit der Übertragung nach § 2113
BGB erst mit dem Eintritt des Nacherbfalles kommen kann. Das rechtliche Interesse eines
Vorerben, dass die von ihm mit einem Erwerber getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen,
die neben der Übertragung der Grundstücke auch auf eine Löschung der Nacherbenvermerke
abzielen, uneingeschränkt vollzogen werden, reicht nicht aus, um eine Antragsberechtigung nach
§ 13 Absatz 1 Satz 2 GBO und die daraus abzuleitende Beschwerdeberechtigung zu begründen
(BGH ebd. Rn. 7).
Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt meint, diese von der zuvor zitierten höchstrichterlichen
Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze würden erst nach Eintragung des Erwerbers im
Grundbuch gelten, der Veräußerer würde dadurch eine Beschwerdeberechtigung verlieren
(OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Januar 2023 – 20 W 196/22 –, juris Rn. 15), folgt der Senat
dem nicht. Zu einer Unwirksamkeit der Verfügung des Vorerben kann es sowohl nach § 2113
Absatz 1 BGB als auch nach § 2113 Absatz 2 BGB erst nach Eintritt des Nacherbfalls kommen.
Die eigene Rechtsposition des Vorerben ist dann nicht mehr betroffen. Im Übrigen ist der
Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch sonst regelmäßig damit
verbunden, dass der Vorerbe das Eigentum an einem Grundstück verliert, der
Nacherbenvermerk soll dann nach Eigentumsverlust des Vorerben gelöscht werden. Schon
daraus ergibt sich, dass dem Vorerben kein Berichtigungsanspruch nach
zustehen kann. Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass allein das rechtliche
Interesse des Vorerben daran, dass eine getroffene schuldrechtliche Vereinbarung mit einem
Erwerber, die auf Löschung des Nacherbenvermerks zielt, uneingeschränkt vollzogen wird, für
eine Beschwerdebefugnis nicht genügt. Das übersieht das Oberlandesgericht Frankfurt.
2.
Nach diesen Grundsätzen fehlt eine Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 und zu 2.
Da nach
eingetragen ist oder derjenige, der zu Unrecht eingetragen ist, fehlt eine Antragsberechtigung der
Beteiligten zu 1 und zu 2.
Denn die Beteiligten zu 1 und zu 2 machen nicht geltend, dass der im Grundbuch eingetragene
Nacherbenvermerk unrichtig wäre, solange sie selbst noch in Miterbengemeinschaft nach dem
Tod ihrer Mutter im Grundbuch als Miteigentümer des Grundbesitzes eingetragen sind. Sie sind
Vorerben, eine Unrichtigkeit des Nacherbenvermerks wird insoweit nicht geltend gemacht. Die
Befugnis der Beteiligten zu 1 und 2, die streitgegenständlichen Grundstücke an den Beteiligten
zu 3 zu veräußern, ergibt sich jedenfalls aus
Die Beteiligten zu 1 und zu 2 machen mit ihrer Beschwerde geltend, der Beteiligte zu 3 habe
nicht nur das Eigentum an den streitgegenständlichen Grundstücken erworben, sondern dieses
auch ohne die (erst) für den Fall des Eintritts des Nacherbfalls in § 2113 Absatz 1 BGB
geregelte Verfügungsbeschränkung. Sie meinen, der Beteiligte zu 3 habe das Eigentum an den
Grundstücken „gutgläubig lastenfrei“ erworben und wegen dieses Erwerbs sei der
Nacherbenvermerk im Grundbuch unrichtig und zu löschen. Ihre Argumentation setzt daher
einen Eigentumserwerb des Beteiligten zu 3 voraus. Hat der Beteiligte zu 3 das Eigentum
erworben, ist eine eigene dingliche Rechtsposition der Beteiligten zu 1 und 2 nicht mehr
betroffen. Eine eigene Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1 und 2 fehlt.
Eine Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 und 2 kann auch nicht aus ihrem Interesse
folgen, dass die von ihnen mit dem Beteiligten zu 3 getroffenen schuldrechtlichen
Vereinbarungen, die neben der Übertragung der Grundstücke auch auf eine Löschung der
Nacherbenvermerke abzielen, uneingeschränkt vollzogen werden. Denn dieses Interesse reicht
für eine Antragsberechtigung nach § 13 Absatz 1 Satz 2 GBO und eine daraus abzuleitende
Beschwerdeberechtigung nicht aus (s.o.).
3.
Da die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und zu 2 mangels Beschwerdebefugnis unzulässig ist,
kommt es nicht mehr darauf an, dass die in der Beschwerde vertretene Ansicht auch in der
Sache nicht zutrifft.
Die Voraussetzungen für eine Löschung des streitgegenständlichen Nacherbenvermerks nach
der Eintragung nachgewiesen ist. Der Beteiligte zu 3 hat das Eigentum an dem Grundbesitz
nicht „gutgläubig lastenfrei“ erworben, weil ein guter Glaube daran geschützt wäre, (nur) die in
einem Nacherbenvermerk im Grundbuch benannten Personen seien Nacherben und diese
hätten dem Eigentumsübergang und der Löschung des Nacherbenvermerks zugestimmt.
Vielmehr sind Nacherben der Beteiligten zu 1 und zu 2 jeweils die Abkömmlinge. Daher kann
nicht ausgeschlossen werden, dass in Zukunft weitere Abkömmlinge hinzu kommen.
Dem nach
Bedeutung beizumessen als einer – im Hinblick auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs
besonders bedeutsamen – Verlautbarung der Beschränkungen, denen der Vorerbe in Bezug auf
die für ihn eingetragenen Rechte unterliegt; die Rechtsstellung des Nacherben wird dagegen
durch diesen Vermerk nicht nachgewiesen (BGH, Beschluss vom 26. Mai 1982 – V ZB 8/81 –,
denen der Vorerbe nach materiellem Recht unterliegt, im Grundbuch für Dritte erkennbar zu
machen und dadurch den Nacherben gegenüber den aus dem öffentlichen Glauben des
Grundbuchs sich ergebenden Gefahren zu sichern (ebd.). Die Nacherbschaft eröffnet im
Übrigen nur die Aussicht, später unter bestimmten Voraussetzungen Erbe zu werden; sie ist
schon der Bezeugung in einem Erbschein nicht zugänglich (BGH, Beschluss vom 31. Januar
1980 – V BLw 29/79 –, juris Rn. 7; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. September 2021 – IV ZB
17/20 –, juris Rn. 12). Dasselbe gilt für das Grundbuch (vgl. OLG München, Beschluss vom 10.
August 2012 – 34 Wx 207/12 –, juris Rn. 9; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. November
2010 – 3 W 179/10 –, juris Rn. 11 f.).
Damit stimmt überein, dass nach § 2113 Absatz 3 BGB für Verfügungen von Vorerben über
Grundstücke zwar die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem
Nichtberechtigten herleiten, entsprechende Anwendung finden. Da
Verfügungsbeschränkung regelt, gilt § 892 Absatz 1 Satz 2 BGB. Danach besteht nur eine
sogenannte negative Richtigkeitsvermutung, also die Vermutung, dass nicht eingetragene oder
gelöschte Verfügungsbeschränkungen nicht bestehen. Eine weitergehende Regelung gibt es
nicht. Der Erwerber darf also nicht darauf vertrauen, dass eine eingetragene
Verfügungsbeschränkung richtig eingetragen ist. Eine positive Richtigkeitsvermutung für eine
eingetragene Verfügungsbeschränkung besteht nicht (Herrler in Grüneberg, BGB, 83. Aufl.,
§ 892 Rn. 16; Krause in Ring/Griwotz/Schmidt-Ränsch, NK-BGB, 5. Aufl., § 892 Rn. 83;
Schäfer in MünchKommBGB, 9. Aufl., § 892 Rn. 64). Das Grundbuch soll nämlich über die
dingliche Rechtslage des konkreten Grundstücks informieren, es ist aber nicht dazu bestimmt,
über die Rechtsverhältnisse detailliert Auskunft zu geben, auf denen die
Verfügungsbeschränkung des Eigentümers beruht (Picker in Staudinger, BGB, Neubearbeitung
2019, § 892 Rn. 238).
III.
Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht, weil sich die Kostentragungspflicht der
beschwerdeführenden Beteiligten zu 1 und 2 unmittelbar aus dem Gerichts- und
Notarkostengesetz ergibt.
Die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 36 Absatz 3 GNotKG.
Die Voraussetzungen einer Rechtsbeschwerdezulassung (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) liegen
nicht vor. Wegen der jedenfalls vorliegenden Unbegründetheit der Beschwerde rechtfertigt auch
die Abweichung von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt die Zulassung nicht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:18.11.2024
Aktenzeichen:19 W 49/24 (Wx)
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
BGB §§ 892 Abs. 1, 2112, 2113 Abs. 3; GBO §§ 13 Abs. 1 S. 2, 22