BGH 09. März 2008
II ZR 312/06
GmbHG § 15 Abs. 4; BGB § 125

Übertragung eines GbR-Anteils an einer dem Halten eines GmbH-Anteils dienenden GbR (nur) bei Einschaltung der GbR zur Umgehung des Formerfordernisses beurkundungsbedürftig

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Dokumentnummer: 10801
letzte Aktualisierung: 10.3.2008
BGH, 10.3.2008 - II ZR 312/06
GmbHG § 15 Abs. 4; BGB § 125
Übertragung eines GbR-Anteils an einer dem Halten eines GmbH-Anteils dienenden
GbR (nur) bei Einschaltung der GbR zur Umgehung des Formerfordernisses beurkundungsbedürftig
Das Verpflichtungsgeschäft zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer GbR, deren
Gesellschaftsvermögen aus einem GmbH-Anteil besteht, bedarf nicht schlechthin der notariellen Beurkundung entsprechend § 15 Abs. 4 GmbHG. Formbedürftig ist der Vertrag nur dann,
wenn die Errichtung der GbR dazu dient, die Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG zu umgehen. Bei einer der Mitarbeiterbeteiligung dienenden GbR ist dies jedenfalls zu verneinen,
wenn die Schutzzwecke der Formvorschrift nicht berührt sind.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 312/06
Verkündet am:
10. März 2008
Vondrasek,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GmbHG § 15 Abs. 4; BGB § 125
Das Verpflichtungsgeschäft zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer
GbR, deren Gesellschaftsvermögen aus einem GmbH-Anteil besteht, bedarf nicht
schlechthin der notariellen Beurkundung entsprechend § 15 Abs. 4 GmbHG. Formbedürftig ist der Vertrag nur dann, wenn die Errichtung der GbR dazu dient, die
Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG zu umgehen. Bei einer der Mitarbeiterbeteiligung dienenden GbR ist dies jedenfalls zu verneinen, wenn die Schutzzwecke der
Formvorschrift nicht berührt sind.
BGH, Urteil vom 10. März 2008 - II ZR 312/06 - OLG Frankfurt/Main
LG Wiesbaden
Verhandlung
vom
10. März
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Oktober 2006 wird
auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten, Gesellschafter der L.
-O.
GmbH (im Folgenden: L-O GmbH), gründeten mit einer Beteiligung von je
50 % die L.
-O.
GbR
(im Folgenden: L-O GbR). Die L-O GbR ist mit einem Geschäftsanteil in Höhe
von 5.000,00 € an der L-O GmbH beteiligt. Gesellschaftszweck der L-O GbR ist
der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen ausschließlich an der
L-O GmbH im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsmodell (§ 2 des GbR-Vertrages, im Folgenden: GbR-V). Nach § 8 GbR-V ("Stimmrechtspool") übt die
Gesellschaft sämtliche Stimmrechte aus den an der L-O GmbH gehaltenen Geschäftsanteilen einheitlich aus, und zwar durch einen ihrer Gründungsgesellschafter.
§ 10 GbR-V "Verfügungen über Gesellschaftsanteile" lautet wie folgt:
(1) Verfügungen, Übertragung und Belastung mit Rechten Dritter über/von Gesellschaftsanteile(n) an der GbR bedürfen
der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. …
(2) Ausgenommen von Abs. (1) ist die Abtretung (§§ 398, 413
BGB) durch einen Gründungsgesellschafter an einen (gegenwärtigen oder künftigen) Mitarbeiter der GmbH, wofür die
Zustimmung der zwei Gründungsgesellschafter erforderlich
und ausreichend ist (solange diese Gesellschafter der Gesellschaft sind).

(5) Die Gesellschafter der GbR sind mit Ausnahme der Gründungsgesellschafter nicht berechtigt, über ihre Anteile ohne
vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung, die
mit einfacher Mehrheit entscheidet, wobei der veräußerungswillige Gesellschafter kein Stimmrecht hat, zu verfügen. Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Anteile auch nach ihrer Veräußerung im
bisherigen Gesellschafterkreis bleiben.
(6) Unbeschadet der Bestimmung in Absatz 5 hat ein veräußerungswilliger Gesellschafter seine Veräußerungsabsicht spätestens am 30. September eines Jahres zuerst ausschließlich den Gründungsgesellschaftern der GbR mittels eingeschriebenem Brief anzuzeigen und ihnen seine Anteile zum
Erwerb anzubieten. …
Der Kläger, zu dieser Zeit Mitarbeiter der L-O GmbH, erwarb mit privatschriftlichem Vertrag vom 20. August/2. September 2002, ebenso wie zwei weitere Mitarbeiter, von den beiden Beklagten einen Anteil an der L-O GbR in Höhe von 1.000,00 € zu einem Kaufpreis von 20.000,00 €.
§ 1 des Anteilskaufvertrages lautet wie folgt:
1. Die Verkäufer verkaufen hiermit den Käufern den
GbR-Anteil, einschließlich eines Guthabens auf den für sie
bei der Gesellschaft gemäß § 4 des Gesellschaftsvertrages
treten diesen an die Käufer zu gleichen Teilen ab. Die Käufer nehmen diesen Verkauf und diese Abtretung an.
2. Nach dem übereinstimmenden Willen der Verkäufer und der
Käufer entspricht der den Käufern zu übertragende Anteil einem Anteil am Stammkapital der GmbH von insgesamt
3.000,00 € bzw. 1.000,00 € für jeden einzelnen der Käufer.
Der Kläger fordert den entrichteten Kaufpreis gemäß § 812 Abs. 1 BGB
mit der Begründung zurück, der Anteilskaufvertrag sei nach § 125 Satz 1 BGB
nichtig, weil er nicht entsprechend § 15 Abs. 4 GmbHG notariell beurkundet
worden sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat
sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht (ZIP 2007, 2167) hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anteilskaufvertrag sei nicht in entsprechender Anwendung des § 15
Abs. 4 GmbHG formbedürftig gewesen. Zweck der Vorschrift sei, einen schnellen, spekulativen Handel mit Anteilen an einer GmbH zu erschweren. Die Gefahr eines solchen Handels bestehe bei den Anteilen an der L-O GbR nicht.
Deren Gesellschaftsvertrag gewährleiste durch seine Regelung in § 10, dass
dürfen und im bisherigen Gesellschafterkreis verbleiben.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Der Anteilskaufvertrag ist wirksam. Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 GmbHG erfordert nicht schlechthin, die Verpflichtung zur Übertragung des Anteils an einer
GbR, deren Gesellschaftsvermögen aus einem GmbH-Anteil besteht, notariell
zu beurkunden. Ein Umgehungsfall, in dem abweichend hiervon Formbedürftigkeit anzunehmen ist, liegt hier nicht vor.
1. Für den Fall der Verpflichtung zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein GmbH-Geschäftsanteil gehört, wird von der im Schrifttum vorherrschenden Ansicht unter Heranziehung der Grundgedanken der Senatsentscheidung BGHZ 86, 367 ff. (zu dem
Fall einer Grundstücke haltenden GbR) die Ansicht vertreten, dieser Vertrag
erfordere nicht die Form des § 15 Abs. 4 GmbHG, da der Erwerb der Mitberechtigung an dem GmbH-Geschäftsanteil nur eine gesetzliche Folge des Erwerbs
der Mitgliedschaft und die Konsequenz davon sei, dass das Gesellschaftsvermögen auch bei einem Mitgliederwechsel stets der Gesellschaft zugeordnet
bleibe (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anders wird dies - auch für eine GbR, die
Grundstücke hält - allerdings teilweise dann beurteilt, wenn sich der Zweck der
Gesellschaft auf das Halten und Verwalten von GmbH-Geschäftsanteilen - bzw.
von Grundstücken - beschränkt, weil dann ohne weiteres von einer objektiven
Umgehung der Formvorschriften auszugehen sei (Hachenburg/Zutt, GmbHG
8. Aufl. § 15 Rdn. 21; Winter/Löbbe in Großkomm.z.GmbHG § 15 Rdn. 53;
MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 719 Rdn. 36; Erman/H.P. Westermann, BGB
11. Aufl. § 719 Rdn. 10; K. Schmidt, BB 1983, 1697, 1702; a.A. Reichert/Weller,
Der GmbH-Geschäftsanteil § 15 Rdn. 49; wohl auch H.Winter/Seibt in Scholz,
GmbHG 10. Aufl. § 15 Rdn. 50 i.V.m. Rdn. 93; nicht differenzierend Hueck/
GmbHG 4. Aufl. § 15 Rdn. 38; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG
16. Aufl. § 15 Rdn. 15).
2. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Es kann nicht anerkannt werden,
dass in allen Fällen, in denen das Halten von GmbH-Anteilen der Haupt- oder
alleinige Zweck einer GbR ist, ein derartiger Umgehungsfall vorliegt. Der
Schutzzweck des § 15 Abs. 4 GmbHG, auf den es in diesem Zusammenhang
allein ankommt, erfordert nicht die Einhaltung der notariellen Form für den Kauf
eines solchen GbR-Anteils. Selbst wenn man im Ansatz der teilweise in der Literatur vertretenen Gegenansicht folgen wollte, wäre der Anteilskaufvertrag hier
schon deswegen nicht wegen Formverstoßes nichtig, weil der Zweck der GbR
nicht auf das Halten und Verwalten des GmbH-Anteils beschränkt ist, vielmehr
dem legitimen Ziel der Mitarbeiterbeteiligung dient.
a) Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 GmbHG wird von einem Anteilskaufvertrag wie dem vorliegenden nicht tangiert.
aa) Die Wahrung der Form des § 15 Abs. 4 GmbHG dient zwei Zielen:
Da das Mitgliedschaftsrecht in einer GmbH in der Regel einer besonderen Verbriefung in Gestalt eines Anteilsscheins ermangelt, dient es im Hinblick auf § 16
GmbHG der Beweiserleichterung, wenn die Rechtsübertragung dem Formzwang unterstellt ist (BGHZ 13, 49, 52). Weiterer - und nach dem Willen des
historischen Gesetzgebers (stenografische Berichte über die Verhandlungen
des Reichstags, 8. Legislaturperiode - I Zession 1890/92, 5. Anlagenband 1892,
Aktenstück 660, 3729) vorrangiger - Zweck ist es, den leichten und spekulativen
Handel mit GmbH-Anteilen zu unterbinden bzw. ihn jedenfalls zu erschweren.
Die Anteilsrechte an einer GmbH sollen nicht Gegenstand des freien Handelsm.w.Nachw.; so auch schon RGZ 135, 70, 71).
bb) Die Beweisfunktion des § 15 Abs. 4 GmbHG ist bei einem Gesellschafterwechsel auf Seiten der den Anteil haltenden GbR nicht tangiert. Im Sinne des § 16 GmbHG Inhaberin des Geschäftsanteils ist unverändert die GbR
aufgrund des auf sie übertragenen Geschäftsanteils. Ein Wechsel in der personellen Zusammensetzung der GbR ändert hieran nichts. Ebenso wenig wird der
GmbH-Anteil als solcher zum Gegenstand des freien Handelsverkehrs, wenn
sich die Zusammensetzung der Gesellschafter auf Seiten der GbR ändert. Der
GmbH-Anteil bleibt dadurch unverändert dem Rechtsträger, der GbR, zugeordnet. Mit ihm wird nicht "gehandelt". Deshalb bedarf nur der Vertrag, in dem sich
die GbR zur Übertragung des von ihr gehaltenen GmbH-Geschäftsanteils an
einen Dritten verpflichtet, der notariellen Form des § 15 Abs. 4 GmbHG.
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass die Gründung der L-O GbR auf eine Umgehung der Formvorschrift
des § 15 Abs. 4 GmbHG unter Ausnutzung der personengesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten abzielt, also nach der konkreten Ausgestaltung
des Vertragswerks kein Umgehungsfall vorliegt.
aa) Die Errichtung der L-O GbR diente dem legitimen Ziel, einerseits die
Mitarbeiter der L-O GmbH durch eine - mittelbare - Beteiligung am Gewinn der
GmbH in ihrer Leistungsbereitschaft zu motivieren, andererseits aber auch dazu, die schützenswerten Interessen der Gründungsgesellschafter zu wahren,
indem den Mitarbeitern kein unmittelbarer Einfluss auf die Entscheidungen in
der GmbH eingeräumt wird, um dadurch auf der Ebene der GmbH unbeeinflusst die Geschäftspolitik bestimmen zu können.
bb) Einem unkontrollierten "Handel" mit der Beteiligung beugt das Vertragswerk vor: Anteile an der L-O GbR können nur Mitarbeiter der L-O GmbH
und damit an dem wirtschaftlichen Erfolg der GmbH interessierte Personen erwerben. Im GbR-V ist der freie Handel mit den Gesellschaftsanteilen der Mitarbeiter dadurch ausgeschlossen, dass eine Übertragung nur an Mitgesellschafter
oder an Mitarbeiter der GmbH möglich ist, weil nur in diesen Fällen die für die
Übertragung erforderliche Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung
erteilt wird. Hierdurch wird u.a. der Nachweis der Zusammensetzung der
GbR-Gesellschafter und damit der Zusammensetzung des Inhabers des
GmbH-Geschäftsanteils erleichtert. Zugleich wird sichergestellt, dass nur an
dem geschäftlichen Erfolg der GmbH interessierte Personen mittelbar an dieser
beteiligt sind.
cc) Entgegen der Ansicht der Revision spricht der Umstand, dass § 10
(8) GbR-V für den Fall einer Missachtung des Zustimmungserfordernisses zu
einer "Verfügung" über den Gesellschaftsanteil i.S. des § 10 GbR-V eine
Zahlungsverpflichtung des verfügenden Gesellschafters von mindestens
50.000,00 € vorsieht, nicht für, sondern gegen eine freie Handelbarkeit der
GbR-Anteile und erst recht des von der L-O GbR gehaltenen GmbH-Geschäftsanteils. Auch das Erfordernis der notariellen Beurkundung in § 15 Abs. 4
GmbHG kann den Handel mit Geschäftsanteilen nicht ausschließen, sondern
nur erschweren. Eine vergleichbare "Abschreckungswirkung" wird durch § 10
(8) GbR-V bewirkt und zwar in dem Sinn, dass sogar der Versuch eines
zu verfügen, mit einer Vertragsstrafe belegt ist.
Goette
Kraemer
Caliebe
Strohn
Reichart
Vorinstanzen:

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

09.03.2008

Aktenzeichen:

II ZR 312/06

Rechtsgebiete:

GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2008, 94
DNotZ 2008, 785-787
NJW-RR 2008, 773-774
NotBZ 2008, 304-305

Normen in Titel:

GmbHG § 15 Abs. 4; BGB § 125