Dingliches Vorkaufsrecht an Miteigentumsanteil; Fortbestand an fiktivem Bruchteil; Nachweis der Nacherbfolge im Grundbuchverfahren
letzte Aktualisierung: 20.6.2024
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.2.2024 – 14 W 96/23 (Wx)
BGB §§ 1095, 2100 ff.; GBO §§ 18 Abs. 1, 35
Dingliches Vorkaufsrecht an Miteigentumsanteil; Fortbestand an fiktivem Bruchteil;
Nachweis der Nacherbfolge im Grundbuchverfahren
1. Ist ein dingliches Vorkaufsrecht wirksam an einem Miteigentumsanteil entstanden, lassen nachträgliche
Änderungen, die zum Erlöschen dieses Miteigentumsanteils führen, das entstandene
dingliche Vorkaufsrecht nicht untergehen, sondern führen dazu, dass es an einem fiktiven Bruchteil
des Grundstücks fortbesteht.
2. Der Anwendungsbereich des
Ausschluss von dinglichen Vorkaufsrechten an ideellen Grundstücksteilen, die nicht in einem
Miteigentumsanteil verselbständigt sind, nur auf den originären Bestellungsakt bezieht.
3. Der Nachweis der Nacherbfolge kann nicht durch Vorlage des Erbscheins für den Vorerben mit
Nacherbenvermerk geführt werden. Denn dieser bezeugt nur das Vorerbenrecht und muss nach
Eintritt des Nacherbfalls eingezogen werden.
Gründe
I.
Die Eigentümerin des Grundstücks, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, begehrt die
Löschung eines auf ihrem Grundstück (Grundbuch von … Blatt …, Flurst. Nr. …, …)
lastenden dinglichen Vorkaufsrechts.
Der am 29.11.1990 verstorbene Erblasser G. wurde aufgrund eigenhändigen gemeinschaftlichen
Testaments vom 08.10.1965 zunächst von seiner Ehefrau, der am 11.10.2018 verstorbenen …,
als befreite Vorerbin und sodann nach Eintritt des Nacherbfalls zu gleichen Teilen von den
gemeinschaftlichen Kindern F., C., M. und I. beerbt. F. ist am 06.05.2023 verstorben; er wurde
von seiner Ehefrau E. beerbt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 04.04.1973 (Notariat II Waldshut, II H 433/73; s.
Grundakten) veräußerte die Gemeinde H. das neugebildete Baugrundstück Lgb. Nr. … an den
Erblasser G. und dessen Ehefrau E. zu je einem Viertel und an deren Sohn F. zu hälftigem
Miteigentumsanteil. F. räumte dabei seinen Eltern ein gemeinschaftliches, dingliches
Vorkaufsrecht an seinem hälftigen Miteigentumsanteil ein, das vererblich sein und für alle
Verkaufsfälle gelten sollte (s. § 7 Abs. 2 der Urkunde).
Mit Antrag vom 02.05.2022 beantragte die Eigentümerin – vertreten durch die Gesellschafter –
unter Beifügung des entsprechenden notariell beglaubigten Grundbuchantrags vom 06.04.2022
beim Grundbuchamt unter anderem die Löschung des in Abt. II unter lfd. Nr. 3 zugunsten des
Erblassers G. und seiner Ehefrau E. gebuchten dinglichen Vorkaufsrechts.
Mit Zwischenverfügung nach
Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen hinsichtlich des Antrags auf Löschung des
Vorkaufsrechts auf das Fehlen des Nachweises der Nacherbenstellung (nach G.) durch Vorlage
eines Erbscheins (
entgegenstehe. Zur Behebung dieses Hindernisses hat das Grundbuchamt eine Frist bis zum
12.06.2023 bewilligt und im Falle des ergebnislosen Fristablaufs die kostenpflichtige
Zurückweisung des Antrags angekündigt. Zur Begründung hat das Grundbuchamt unter
anderem ausgeführt, das zur Löschung beantragte Vorkaufsrecht sei gemäß der Bewilligung des
Rechts vererblich und zudem für alle Verkaufsfälle bestellt. Zwar sei das für eine natürliche
Person bestellte Vorkaufsrecht grundsätzlich von Gesetzes wegen weder vererblich noch
übertragbar (
Bestimmungen durch die Beteiligten getroffen werden, welche grundsätzlich im Grundbuch
eingetragen werden müssten; die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung genüge der
Eintragung der Vererblichkeit jedoch. Das Recht sei auch nicht deswegen erloschen, weil es auf
einem Miteigentumsanteil lastet, der als solcher nicht mehr im Grundbuch existent sei. § 1095
BGB stehe dem Fortbestand eines Vorkaufsrechts nicht entgegen, wenn das Vorkaufsrecht
einmal wirksam an einem Miteigentumsanteil entstanden sei. Das Verbot des
beziehe sich nur auf den erstmaligen Entstehungszeitpunkt; nachträgliche Änderungen
berührten den Bestand des Vorkaufsrechts nicht. Erwirbt ein Miteigentümer die übrigen
Miteigentumsanteile, entstehe in der Person des Erwerbers ein einziger Miteigentumsanteil; das
bestehende Vorkaufsrecht erfasse dann nur einen fiktiven Teil des nunmehr verbundenen
Miteigentumsanteils. Da das Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle bestellt sei, erlösche es –
anders als ein lediglich schuldrechtliches Vorkaufsrecht – auch nicht, wenn der Berechtigte es in
einem Einzelfall nicht ausübe. Der Berechtigte könne dann vielmehr bei einem Verkauf durch
den neuen Eigentümer zugreifen. Da das Recht nach allem nicht erloschen sei, bedürfe es daher
der Bewilligung der Nacherben des verstorbenen G. Diese hätten ihre Nacherbenstellung durch
Erbschein nachzuweisen. Der vorgelegte Erbschein nach G. weise lediglich die Vorerbin als
Erbin aus. Dieser Erbschein bescheinige dagegen weder das Nacherbenrecht noch die
Nacherben. Der dem Vorerben erteilte Erbschein sei mit dem Nacherbfall unrichtig geworden
und durch das Nachlassgericht von Amts wegen gemäß
müsse sein Erbrecht durch Vorlage eines neuen, auf ihn lautenden Erbscheins nachweisen.
Mit Schriftsatz vom 07.11.2023 hat die Eigentümerin gegen die Zwischenverfügung vom
08.05.2023 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, die
Einreichung eines Erbscheins, welcher die Erben des G. nach Eintritt des Nacherbfalls ausweist,
sei aus Rechtsgründen nicht erforderlich. Das ursprünglich an dem hälftigen Miteigentumsanteil
des Abkömmlings F. bestehende Vorkaufsrecht sei mit der Eintragung der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts am 24.04.1996 als Eigentümerin des im Grundbuch von H., Blatt ..,
gebuchten Grundbesitzes untergegangen und setze sich insbesondere nicht an dem
Gesellschaftsanteil desselben Abkömmlings fort, da zwischen Miteigentumsanteil und
Gesellschaftsanteil weder vom Umfang noch vom Rechtscharakter her Identität bestehe.Mit
Eintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Nachweis des Todes des
Vorkaufsberechtigten G. sei der Unrichtigkeitsnachweis geführt.Soweit das Grundbuchamt
darauf abstelle, dass sich
nachträgliche Änderungen das belastete Recht aber unberührt ließen, verkenne es, dass der
belastete Miteigentumsanteil gerade nicht ein fiktiver Teil eines „nunmehr verbundenen
Miteigentumsanteils“ sei, sondern als Miteigentumsanteil nicht mehr bestehe, und zwar weder
real noch fiktiv. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes sei das Vorkaufsrecht mangels
ausdrücklichen Grundbucheintrags nicht als vererblich anzusehen; die Bezugnahme auf die
Bewilligung genüge dem Publizitätsprinzip der
Mit Nichtabhilfebeschluss vom 21.11.2023 hat das Amtsgericht – Grundbuchamt – Villingen-
Schwenningen der Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 vom 07.11.2023 nicht abgeholfen und
die Akten dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Das Grundbuchamt
weist in seiner Nichtabhilfeentscheidung unter anderem darauf hin, dass die von der
Beschwerdeführerin angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom
19.10.1988 - 15 W 174/88, juris) deren Auffassung, wonach die Bezugnahme auf die Bewilligung
dem Publizitätsprinzip nicht genüge, gerade nicht stütze.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß
Zutreffend ist das Grundbuchamt davon ausgegangen, dass der Löschung des dinglichen
Vorkaufsrechts das Fehlen des erforderlichen Nachweises über die Nacherbfolge des
Berechtigten als Hindernis im Sinne des
1. Das unter anderem zugunsten des Erblassers G. begründete dingliche Vorkaufsrecht besteht
fort. Es ist vererblich (dazu a) und nicht infolge Nichtausübung erloschen (dazu b). Die
Vorschrift des
(dazu c).
a) Zutreffend hat das Grundbuchamt im angegriffenen Beschluss darauf hingewiesen, dass das
für eine natürliche Person bestellte Vorkaufsrecht zwar gesetzlich weder vererblich noch
übertragbar ist (
Tode des Berechtigten erlischt, abweichende Bestimmungen durch die Beteiligten jedoch
getroffen werden können. Diese müssen im Grundbuch eingetragen werden, wobei dem
Eintragungserfordernis nach ganz herrschender Meinung durch Bezugnahme auf die
Eintragungsbewilligung genügt ist (vgl. nur OLG Hamm, Beschluss vom 19.10.1988 - 15 W
174/88, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.11.2020 - 20 W 156/20, Rn. 9, juris;
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2022, Rn. 1428, beck-online mit weiteren
Nachweisen aus Rspr. und Lit.). Denn auch das zulässigerweise in Bezug Genommene ist als im
Grundbuch eingetragen anzusehen,
Zwar ist vorliegend die Vererblichkeit des dinglichen Vorkaufsrechts in Abt. II, lfd. Nr. 3, im
Grundbuch nicht gebucht. Sie ergibt sich jedoch aus der Bezugnahme auf die Bewilligung vom
04.04.1973 in dieser Grundbucheintragung,
Bewilligung (Bl. 1 ff. der Grundakte H., GB 301, notarieller Kaufvertrag vom 04.04.1973,
Notariat II Waldshut, II H 433/73 - § 7 Abs. 2 in Verbindung mit der Grundbucherklärung
Ziffer 3) ist geregelt, dass der Käufer F. seinen Eltern ein gemeinschaftliches dingliches
Vorkaufsrecht einräumt und dieses Vorkaufsrecht vererblich ist und für alle Verkaufsfälle gilt.
Durch die Bezugnahme auf diese Bewilligung vom 04.04.1973 ist die – abweichend von §§ 1098
Abs. 1 Satz 1, 473 Satz 1 BGB – vereinbarte Vererblichkeit des Vorkaufsrechts zum Gegenstand
der Grundbucheintragung geworden.
Soweit die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme der genannten Entscheidung des
Oberlandesgerichts Hamm die Eintragung der Vererblichkeit im Grundbuch selbst für
erforderlich und die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung für nicht ausreichend hält, hat
das Grundbuchamt zu Recht darauf hingewiesen, dass sich aus dem Beschluss des
Oberlandesgerichts Hamm gerade Gegenteiliges ergibt.
b) Dass das zugunsten des Erblassers G. (und seiner zwischenzeitlich ebenfalls verstorbenen
Ehefrau E.) bestellte gemeinschaftliche dingliche Vorkaufsrecht im Sinne des
alle Verkaufsfälle bestimmt ist, ergibt sich sowohl unmittelbar aus dem Grundbuch als auch aus
der Bewilligungserklärung vom 04.04.1973. Es ist daher auch nicht deswegen erloschen, weil der
Berechtigte es in früheren Verkaufsfällen nicht ausgeübt hat; der Vorkaufsberechtigte kann
vielmehr bei jedem weiteren Verkauf durch den jeweils aktuellen Eigentümer zugreifen
(MüKoBGB/Westermann, 9. Aufl. 2023, BGB § 1097 Rn. 5).
c) Der Anwendungsbereich des
Danach kann ein Bruchteil eines Grundstücks mit einem dinglichen Vorkaufsrecht nur belastet
werden, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht. Schon der Wortlaut dieser
Vorschrift zeigt, dass sich der Ausschluss von dinglichen Vorkaufsrechten an ideellen
Grundstücksteilen, die nicht in einem Miteigentumsanteil verselbständigt sind, nur auf den
originären Bestellungsakt bezieht („kann … nur belastet werden“).
mehr restriktiv ein, sobald das Vorkaufsrecht wirksam an einem Miteigentumsanteil entstanden
ist, da sich das Verbot des
nachträgliche Änderungen, die zum Erlöschen des ursprünglichen Miteigentumsanteils führen,
lassen das einmal entstandene dingliche Vorkaufsrecht mithin nicht erlöschen, sondern führen
dazu, dass es an einem fiktiven Bruchteil des Grundstücks fortbesteht (BayObLG, Beschluss
vom 15.02.1996 - 2Z BR 102/95, Rn. 17 ff., juris;BeckOGK/Omlor, Stand: 01.01.2024, BGB
§ 1095 Rn. 7, 7.1). Der Miteigentumsanteil muss im Zeitpunkt der Entstehung des dinglichen
Vorkaufsrechts in der Gestalt vorhanden sein, in der er belastet werden soll; dabei genügt es,
dass der zukünftige Miteigentumsanteil hinreichend bestimmt ist (BeckOGK/Omlor, a. a. O.,
Eintragung der Eigentumsänderungen sowie des bestellten dinglichen Vorkaufsrechts in das
Grundbuch von H. ist das dingliche Vorkaufsrecht an dem hälftigen Miteigentumsanteil des F.
somit entstanden. Dass der ursprüngliche Miteigentumsanteil des F. heute nicht mehr besteht,
da die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Alleineigentümerin geworden ist, ist nach allem
unschädlich.
2. Der dem Grundbuchamt vorgelegte Erbschein nach dem Erblasser G. ist als Nachweis über
die Nacherbfolge ungeeignet, weshalb die erforderliche Erklärung des Vorkaufsberechtigten,
dass er das Recht aufgebe, nicht nachgewiesen ist.
a) Gemäß
Erklärung des Berechtigten, dass er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechts im
Grundbuch erforderlich. Die Erklärung ist dabei dem Grundbuchamt oder demjenigen
gegenüber abzugeben, zu dessen Gunsten sie erfolgt. Gemäß
Nachweis der Erbfolge – von im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen –
nur durch einen Erbschein geführt werden.
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Löschung des
dinglichen Vorkaufsrechts nicht vor. Denn dass die Nacherben Berechtigte im Sinne des § 35
Abs. 1 GBO sind, ist nicht mittels Erbscheins nachgewiesen. Insbesondere konnte der
Nachweis der Nacherbfolge – worauf das Grundbuchamt zutreffend hingewiesen hat – nicht
durch Vorlage des Erbscheins nach Ableben des Erblassers G. geführt werden. Denn ein
Erbschein für den Vorerben mit Nacherbenvermerk (vgl.
Vorerbenrecht und muss nach Eintritt des Nacherbfalls eingezogen werden (OLG Hamm,
Beschluss vom 08.07.1974 - 15 Wx 42/74,
Stand: 01.11.2023,
3. Die Kostenentscheidung folgt aus
auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:14.02.2024
Aktenzeichen:14 W 96/23 (Wx)
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dingliches Vorkaufsrecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
BGB §§ 1095, 2100 ff.; GBO §§ 18 Abs. 1, 35