Bewertung eines Erbvertrags nach vorheriger Grundstücksübertragung unter Vorbehalt von Nießbrauch und Rückforderungsrecht
letzte Aktualisierung: 9.10.2023
OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.3.2023 – 7 W 80/22
Bewertung eines Erbvertrags nach vorheriger Grundstücksübertragung unter Vorbehalt
von Nießbrauch und Rückforderungsrecht
Bei der Beurkundung eines Erbvertrags ist der Geschäftswert nach
Lässt ein Beteiligter unmittelbar nacheinander zunächst eine Grundstücksüberlassung unter
Vorbehalt eines Nießbrauchs und eines Rückforderungsrechts und sodann einen Erbvertrag
beurkunden, so ist für den Geschäftswert des Erbvertrags weder der Wert des übertragenen
Grundstücks noch der Nießbrauch oder das Rückforderungsrecht zu berücksichtigen.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1. wendete sich ursprünglich mit seinem Kostenprüfungsantrag vom
25.08.2020 gegen zwei Notarkostenrechnungen des Beschwerdeführers vom 13.08.2020
betreffend einen Erbvertrag mit Pflichtteilsverzichtsvertrag URNr. …1/20, beurkundet am
23.07.2020 (nachfolgend Erbvertrag genannt) und vom 17.08.2020 betreffend einen
Grundstücksübertragungsvertrag URNr. …2/20, beurkundet am 23.07.2020.
Der Beteiligte zu 1. beauftragte den Notar am 20.07.2020 mit Beurkundung eines
Grundstücksübertragungsvertrags. In diesem Zusammenhang wies der Notar ihn auf die
Möglichkeit der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamtes und die „Sinnhaftigkeit“ eines
Erbvertrages hin. Der Notar beurkundete sodann den Grundstücksübertragungsvertrag, mit dem
der Beteiligte zu 1. sein Grundstück an seine beiden Söhne verschenkte, sich ein Wohnrecht als
Nießbrauch und einen zeitlich begrenzten Rückübertragungsanspruch vorbehielt. Den Wert des
Grundstücks bezifferte der Notar mit 1.300.000 €. Anschließend erfolgte am selben Tag die
Beurkundung des Erbvertrages. Der Notar berechnete die Gebühren für die Beurkundung des
Erbvertrags, URNr. …1/20, aus einem Geschäftswert von 843.750,00 €. Diesem Geschäftswert
legte er Teilwerte des Nießbrauchsrechts und des Rückforderungsrechts zugrunde; das
Rückforderungsrecht bezifferte er mit 675.000 € (vgl. Blatt 13 GA). Von der Berücksichtigung
des Wertes des Grundstücks hat er abgesehen. Der Beteiligte zu 1. beanstandete in beiden
Rechnungen die jeweilige Höhe des Geschäftswertes als auch die Art und Weise der Beratung
und Vorgehensweise durch den Beschwerdeführer.
Nachdem der Notar und die Ländernotarkasse sich zu den Beanstandungen erklärt hatten,
führte der Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 26.07.2021 (Blatt 68 GA) aus, dass er sich nicht
gegen die Kostenrechnung zur Grundstücksübereignung wende und diese nicht beanstande,
sondern gegen die Kostenrechnung für den Erbvertrag.
Der Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, dass das zuvor von ihm mit dem
Grundstücküberlassungsvertrag verschenkte Grundstück nichts mehr in der
Bemessungsgrundlage für die Kostenrechnung des Erbvertrags zu suchen habe. Die Rechnung
sei neu zu erstatten.
Der Notar ist der Auffassung, dass für die Wertberechnung des Erbvertrags zu berücksichtigen
sei, dass der Grundstücksübertragungsvertrag sowohl einen Nießbrauch zugunsten des
Beteiligten zu 1. beinhalte, als auch unter bestimmten Voraussetzungen ihm die Möglichkeit der
Rückübertragung des Grundstücks eröffne. Sinngemäß trägt er weiter vor, dass die
Berücksichtigung von nicht vererblichen Nutzungsrechten geboten sei, weil die aus ihrer
potenziellen Verwertbarkeit begründbaren Nutzungen, Früchte oder sonstige Vorteile zu
berücksichtigen seien. Diese Auffassung finde in
weil auch Nutzungs- und Rückforderungsrechte einen Vermögenswert haben; § 52 GNotKG.
Deshalb seien der Wert des Nießbrauchs und der Wert des Rückforderungsrechts zu
berücksichtigen. Von der Berücksichtigung des noch nicht das Eigentum gewechselten
Grundstückes habe er abgesehen.
Die Ländernotarkasse hält in ihrer Stellungnahme vom 28.06.2021 die Beanstandung des
Beteiligten zu 1. für berechtigt. Weder fließe der Wert des übertragenen Grundstücks noch der
Nießbrauch und das Rückforderungsrecht in die Wertberechnung ein. Sie führt aus, dass sich
ihre Prüfungsabteilung, Leipziger Kostenspiegel, 3. Auflage 2021, in Rn. 19.14, nunmehr
dahingehend positioniert habe, das übertragene Grundstücke nicht zu berücksichtigen seien,
auch wenn der Testierende bis zum Vollzug des Übertragungsvertrags noch als Eigentümer im
Grundbuch eingetragen sei. Nur wenn für die Übertragung ein Entgelt gezahlt werde, sei dieses
wiederum als Vermögenswert bei der letztwilligen Verfügung maßgebend.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25.03.2022, dem Notar am 28.04.2022 formlos
zugegangen, dessen Kostenrechnung vom 13.08.2020 für die Beurkundung des Erbvertrags
vom 23.07.2020 zur URNr. …2/20 aufgehoben und dem Notar aufgegeben, die Kostenrechnung
unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu erstellen. Ferner hat es das übrige
Kostenprüfungsgesuch des Antragstellers zurückgewiesen. Das Landgericht hat sich der
Auffassung der Ländernotarkasse angeschlossen.
Mit seiner nicht weiter begründeten Beschwerde vom 14.05.2022, bei dem Landgericht am
18.05.2022 eingegangen, wendet sich der Notar gegen den Beschluss vom 25.03.2022. Das
Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11.07.2022 nicht abgeholfen.
II.
1.
Die gemäß
mit der vom Landgericht vertretenen Auffassung. Der Beschwerdeführer hat den Geschäftswert
für den Erbvertrag mit Pflichtteilsverzichtsvertrag (nachfolgend weiter: Erbvertrag) nicht am Wert
des übertragenen Grundstückes bemessen, sondern am Nießbrauch und
Rückübertragungsanspruch und hiervon einen Teilbetrag angenommen. Diese Frage hat das
Landgericht mit einem Satz (Beschlussabschrift Seite 2 letzter Satz im ersten Absatz)
beantwortet.
1.1.
Der Beschwerdeführer darf seiner Kostenrechnung nicht den Wert/Teilwert des Nießbrauchs
oder den Wert des Rückübertragungsanspruchs der Kostenrechnung für den beurkundeten
Erbvertrag zu Grunde legen.
Gemäß
Kosten (Gebühren und Auslagen) für die von ihm vorgenommene Amtshandlung; hier die
Beurkundung des Erbvertrags mit Pflichtteilsverzichtsvertrag. Die Höhe der Kosten richtet sich
gemäß
(Geschäftswert) hat; ein Ausnahmetatbestand (z.B. Festgebühren, Betragsrahmengebühren
oder Jahresgebühren) liegt nicht vor.
Für die Bestimmung des Geschäftswertes der Beurkundung des Erbvertrags ist
maßgebend, weil unter § 102 I bis III GNotKG tatbestandsmäßig auch Erbverträge nach § 2274
BGB fallen (vgl. Korintenberg, Gerichts- und Notarkostengesetz, 22. Auflage 2022, Rn. 12,-
beck-online; Bormann/Diehm/Sommerfeldt/Pfeiffer, GNotKG, 4. Auflage, § 102, Rn. 2,- beckonline).
Der Geschäftswert bei der Beurkundung des Erbvertrags ist danach der Wert des
Vermögens über das verfügt wurde. Verfügt hat der Beteiligte zu 1. über sein gesamtes
Vermögen.
Der Begriff des Vermögens in
Nachlasses im Sinne des BGB. Er ist also der Inbegriff der vererbbaren Rechtsverhältnisse des
Erblassers. Zum Vermögen gehört alles Bewertbare und Vererbbare (vgl. Korintenberg/Tiedtke,
GNotKG, § 102 Rn. 36, - beck-online; Toussaint/Uhl, Kostenrecht, 52. Auflage 2022, § 102, Rn
6, - beck-online). Nicht vererbliche Gegenstände werden nicht berücksichtigt (vgl. nur
Bormann/Dieh/Sommerfeld/Pfeiffer, aaO, Rn. 4, mwN.). Nicht vererbbar sind indes vorliegend
der Nießbrauch und Rückübertragungsanspruch aus dem Grundstücksübertragungsvertrag.
Denn mit dem Tod des Berechtigten erlöschen die an seine Person gebundene Rechte
(Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Auflage 2023, § 1922, Rn. 36).
So ist die Rechtslage hier. Verstirbt der Beteiligte zu 1., erlöschen Nießbrauch und sein
Rückübertragungsanspruch aus dem Grundstücksveräußerungsvertrag, weil es sich nicht um
vererbliche Gegenstände seines Aktivvermögens handelt. Der Senat vermag keinen Ansatz zu
erkennen, weshalb der Vermögensbegriff vorliegend der Modifizierung bedarf. Es liegt auf der
Hand, dass die Erbschaft nur aus dem vererblichen Vermögen des Erblassers bestehen kann
und er nur hierüber letztwillig verfügen kann.
1.2.
Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen selbst davon ausgegangen ist, dass das übertragene
Grundstück wertmäßig nicht zu berücksichtigen sei, teilt der Senat diese Auffassung vorliegend
im Ergebnis. Zwar gehörte zum Vermögen des Beteiligten zu 1. zum Zeitpunkt der Beurkundung
des Erbvertrags noch das zuvor am selben Tag von ihm übertragene Grundstück, weil der
Vollzug der Urkunde und damit die Eigentumsumschreibung noch ausstand. Nach § 102 I
GNotKG wäre das Grundstück als Vermögen des Beteiligten zu 1. zum Zeitpunkt des
Erbvertrags auch zu berücksichtigen. Jedoch wäre gleichermaßen die Gegenforderung, nämlich
der Anspruch der Beschenkten auf Vollzug der Schenkung des Grundstücks zu berücksichtigen.
Nach § 102 I Satz 2 GNotKG werden Verbindlichkeiten des Erblassers abgezogen, jedoch bis
zur Hälfte des Werts des Vermögens.
Die Prüfabteilung der Ländernotarkasse (Leipziger Kostenspiegel, 3. Auflage 2021, Rn. 19.14)
vertritt die Ansicht, dass das übertragene Grundstück für die Wertbemessung unberücksichtigt
bleibt auch wenn der Testierende bis zum Vollzug des Übertragungsvertrags noch als
Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Ferner wird die Auffassung in der Literatur vertreten,
wonach unvollzogene gegenseitige Verträge im Sinne von
vermögensneutral einzustufen seien, also nicht bzw. zu null zu bewerten seien (vgl. Diehn,
Notarkostenberechnungen, 8. Auflage 2022, Rn. 1667a). Der Verfasser meint, dass es vor
Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten nicht angemessen erscheint, Forderung und
Gegenforderung jeweils nach
Der Senat teilt diese Einschätzung für die Bewertung des Geschäftswertes des vorliegenden
Erbvertrags. Es wäre nicht angemessen, wenn der Beschwerdeführer den Grundstückswert für
die Bemessung des Wertes des Erbvertrages heranziehen würde. Hierbei wäre zu
berücksichtigen, dass er die beiden Beurkundungen in einem engen Zusammenhang
vorgenommen hat und es nur der Dauer der Grundbucheintragung - des Vollzugs der eigenen
Urkunde - geschuldet war, dass der Beteiligte noch Eigentümer des Grundstücks war, als der
Beschwerdeführer den Erbvertrag beurkundete. In den Fällen erscheint es jedenfalls
unangemessen, wenn der Beschwerdeführer den Wert des Grundstückes oder einen Teilwert
hiervon dem Geschäftswert zu Grunde legen würde.
2.
Es entspricht der Billigkeit, dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen, weil seine
Beschwerde keinen Erfolg hat; § 84 FamFG (vgl. zur Frage wer die gerichtlichen und
außergerichtlichen Kosten des Verfahrens nach
Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 10.12.2018, 2 W 97/18,- juris, Rn 8).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:24.03.2023
Aktenzeichen:7 W 80/22
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GNotKG § 102