OLG Düsseldorf 19. November 2000
9 U 88/00
WEG § 16 Abs. 2; BGB § 446

Haftung für Sonderumlage bei Veräußerung

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 1006
letzte Aktualisierung: 24.01.2001
9u8800
OLG Düsseldorf
9 U 88/00
20.11.2000

Haftung des Veräußerers für Sonderumlage bei Wohnungseigentum.
Bei Veräußerung des Wohnungseigentums haftet gegenüber der
Wohnungseigentümergemeinschaft für eine zuvor beschlossene und fällige Sonderumlage
grundsätzlich der im Wohnungsgrundbuch eingetragene Eigentümer.
Zahlt statt diesem der w erdende Wohnungseigentümer (Käufer) die Sonderumlage, so kann
ihm gegenüber dem (noch als Eigentümer eingetragenen) Verkäufer ein Ersatzanspruch
zustehen.
Sachverhalt
Die Kläger wenden sich mit der Zwangsvollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung der
Beklagten wegen einer unstreitigen Restkaufpreisforderung aus notariellem Kaufvertrag. Im
Berufungsrechtszug geht es nur noch um die Aufrechnung der Kläger gegen den Restkaufpreisanspruch der
Beklagten mit einer angeblichen Gegenforderung in Höhe von 4.648,80 DM.
Die Beklagten waren Eigentümer des Wohnungseigentumes ... in ... (387,40/1.000).
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte in ordentlicher Versammlung vom 7. Dezember 1998 u.a.
Beschlüsse zur Instandhaltung getroffen, hier geht es um den Beschluß unter TOP 5.3 „Erneuerung des
Eingangsweges“:
„Auch über diese Maßnahme wurde strittig diskutiert. Der Antrag grundsätzlich die Maßnahme
durchzuführen, wurde bei Gegenstimme ... angenommen.
Zunächst werden jedoch Angebote eingeholt und die Maßnahme um ein Jahr zurückgestellt.“
In TOP 6 dieser Versammlung wurde der Wirtschaftsplan 1998 angenommen und zusätzlich eine
Sonderzahlung in Höhe von 12.000 DM zahlbar bis 31. März 1999 beschlossen.
Mit Schriftsatz vom 5. Januar 1999 beanstandeten die Beklagten vor dem WEG-Gericht die Wirksamkeit dieses
Beschlusses zu TOP 6 u.a., weil am 11. Mai 1994 darüber eine verbindliche Regelung getroffen worden sei,
dass die Platten des Eingangsweges in Selbsthilfe auszutauschen seien. Im Termin vor dem Amtsgericht wurde
erörtert, dass die Maßnahme auf Grundlage – der Beklagten – Verpflichtung vom WEG-Gericht bestätigt
werde. Sie haben gemeint, da Fälligkeit erst zum 31. Dezember 1999 eingetreten sei, seien die Kläger als
Erwerber gemäß § 10 WEG zahlungspflichtig.


Das Landgericht hat die Gegenforderung der Kläger in Höhe von 4.648,80 DM für gerechtfertigt erachtet und
die Zwangsvollstreckung der Beklagten insoweit für unzulässig erklärt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie behaupten, es sei ungeklärt, ob die zu
finanzierende Maßnahme überhaupt noch durchgeführt werde. Es bestehe kein Anspruch der Kläger aus IV/4,
weil die Sonderumlage nicht auf die Zeit bis zum Übergang des Besitzes entfalle, sondern auf eine künftige
Investition bezogen sei. Auch nach Sinn und Zweck sei es nicht gerechtfertigt, sie, die Beklagten, die Last
tragen zu lassen, weil sie nicht mehr in den Genuß des hergerichteten Weges kommen könnten. Ihre mündliche
Zusage habe sich allenfalls auf den Beschluß vom 7. Dezember 1998 bezogen, wonach eine Umlage bis zum
31. März 1999 zu zahlen gewesen sei. Diese Regelung sei ungültig gewesen und durch einen – neuen –
Beschluß des WEG-Gerichtes ersetzt worden.
Die Kläger bitten um Zurückweisung der Berufung. Sie meinen, die Umlage betreffe Kosten bzw. Lasten
bezogen auf die Zeit vor Besitzübergang, weil die Kostenschuld entstanden sei aufgrund des Beschlusses vom
7. Dezember 1998. Jedenfalls ergebe sich eine Zahlungspflicht der Beklagten aufgrund der Zusage, die die
Übernahme einer Zahlungspflicht im Innenverhältnis enthalte unter alleiniger Voraussetzung, dass sich ihre
Zahlungspflicht gegenüber der Eigentümergemeinschaft aus der beschlossenen Umlage als rechtswirksam
begründet erweisen würde. Die Maßnahme werde am 18. September 2000 begonnen. Die Verzögerung sei nicht
zuletzt deshalb eingetreten, weil eine anteilige Zahlung bislang nicht habe erfolgen können wegen
Zahlungsverweigerung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel der Beklagten ist unbegründet. Die Zwangvollstreckung aus dem notariellen Kaufvertrag
wegen des unstreitigen Restkaufpreises ist wegen des im Berufungsrechtszug noch streitigen Betrages von
4.84,80 DM unzulässig infolge wirksamer Aufrechnung der Kläger mit einem Gegenanspruch in dieser Höhe.
Den Klägern steht nämlich gegen die Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der an die
Wohnungseigentümergemeinschaft geleisteten Sonderumlage in Höhe von 4.684,80 DM zu. Rechtsgrundlage
dieses Anspruches ist ein Aufwendungsersatzanspruch der Kläger aus berechtigter Geschäftsführung ohne
Auftrag, 683, 670 BGB.
Die Kläger haben die Sonderumlage in Höhe von 4.684,80 DM bezahlt. Diese Tatsache ist unstreitig, nachdem
die Beklagten die entsprechende Behauptung des Klägers im Senatstermin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz
nicht bestritten haben.
Mit Bezahlen der Sonderumlage haben die Kläger ohne wirksamen Auftrag oder sonstige Berechtigung ein für
sie objektiv fremdes, nämlich ein Geschäft der Beklagten geführt. Denn gegenüber der WEG waren die
Beklagten verpflichtet, die Sonderumlage zu zahlen. Die Verpflichtung der Beklagten beruht auf dem Beschluss
der Eigentümerversammlung vom 7. Dezember 1998 unter TOP 6 in Verbindung mit dem Beschluss des AG
Wuppertal vom 5. Mai 1999 - 94 UR 11 3/99 WEG -. Danach ist der Beschluss der Eigentümerversammlung lediglich - insoweit ungültig, als die Fälligkeit dort auf den 31. März 1999 bestimmt war. Diese ungültige
Fälligkeitsbestimmung hat das Amtsgericht ersetzt durch den Termin vom 31. Dezember 1999. Die von den
Beklagten gegen die Zulässigkeit der Entscheidung des Amtsgerichtes vorgebrachten Bedenken können
dahinstehen, weil der Beschluss bindend geworden ist, § 45 Abs. 2 WEG.
Für die Pflichten aus diesem Beschluss hatten gegenüber der WEG die Beklagten einzustehen. Die Veräußerung
des Wohnungseigentumes an die Kläger steht dem nicht entgegen. Maßgebender Stichtag für den Übergang der
den Erwerber: Vorher fällig gewordene Lasten und Kosten trägt der Veräußerer, später fällig werdende der
Erwerber. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der entschieden hat (NJW 1983, 1615,
1616), dass der im Grundbuch eingetragene Wohnungseigentümer – auch wenn er einen Veräußerungsvertrag
geschlossen und die Nutzung des Wohnungseigentumes dem Erwerber bereits überlassen hat – weiterhin
verpflichtet bleibt, gemäß § 16 Abs. 2 WEG die Lasten und Kosten zu tragen. Weiter hat der Bundesgerichtshof
diese Entscheidung später (NJW 1989, 2697, 2698) dahin ergänzt, dass der werdende Eigentümer auch dann
nicht in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG für Verbindlichkeiten haftet, die vor seinem
Eigentumserwerb begründet worden und fällig geworden sind, wenn für ihn eine Auflassungsvormerkung
eingetragen war und er die Wohnung in Besitz genommen hatte (sogenannter faktischer Wohnungseigentümer).
Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an, die der Bundesgerichtshof bekräftigt (NJW 1994, 3352,
3353) und die – jedenfalls für den Fall der Einzelveräußerung einer Wohnung nach Entstehung der
Wohnungseigentümergemeinschaft – auch in der Literatur (MüKo/Röll, WEG, 3. Aufl., § 16, 22; Müller,
Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rndr. 292; Niedenführ/Schulze, Handbuch und
Kommentar zum WEG, 2. Aufl., § 16 WEG, 24) Zustimmung gefunden hat.
Danach haften gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft hier die Beklagten, weil die Sonderumlage am
31. Dezember 1999 fällig geworden und das Eigentum erst am 20. Juli 2000 umgeschrieben worden ist.
Auch im Innenverhältnis der Parteien waren die Beklagten zahlungspflichtig.
Auf der Grundlage des Vortrages der Kläger, wonach die Beklagten auf das WEG-Verfahren vor dem
Amtsgericht nicht hingewiesen haben, stellt es sich so dar, dass nach dem – anzunehmenden –
bestandskräftigen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 7. Dezember 1998 die Sonderumlage bindend
beschlossen und aus Sicht der Kläger bis zum 31. März 1999 zu zahlen war. Dann aber hatten die Kläger natürlich - damit im Innenverhältnis nichts mehr zu tun, weil der Kaufvertrag erst am 8. April 1999 beurkundet
wurde. Die Beklagten wären daher verpflichtet gewesen, die Kläger aufzuklären, wenn und soweit hiervon
abweichend tatsächlich Kosten dennoch auf die Kläger hätten zukommen können. Davon aber mussten die
Beklagten infolge ihres Antrages vor dem WEG-Gericht ausgehen, denn die Instandsetzung des Weges war von
der Eigentümerversammlung wirksam unter TOP 5.3 auf der Sitzung vom 7. Dezember 1998 beschlossen
worden, so dass die hierfür anfallenden Kosten zwangsläufig entstehen mussten, auch wenn der Beschluss über
die Sonderumlage unter TOP 6 vom Amtsgericht aufgrund des Antrages der Beklagten für unwirksam erklärt
worden wäre. Ohne einen entsprechenden Hinweis auf dieses Verfahren hätten die Beklagten daher eine ihnen
obliegende Aufklärungspflicht verletzt, so dass den Klägern aus Verschulden bei Vertragsschluss ein
Schadensersatzanspruch entstanden wäre.
Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Beklagten haben
zugestanden, den fraglichen Betrag der Sonderumlage zu entrichten, für den Fall, dass sie rechtlich verpflichtet
seien, ihn zu zahlen.
Diese Zusage - inzwischen jedenfalls gemäß § 313 Satz 2 BGB formwirksam ist nur so zu verstehen, wie es
auch das Landgericht getan hat -, dass die Beklagte in jedem Falle die Sonderumlage anteilig zahlen würden,
wenn eine solche Sonderumlage im Ergebnis zu entrichten sein würde und zwar unabhängig von der Frage der
Fälligkeit dieser Umlage. Denn zwischen den Parteien stand nicht in Frage, ob die Kläger oder die Beklagten
die Sonderumlage tragen müßten; hierüber sollte auch nicht das Amtsgericht im WEG-Verfahren entscheiden.
Vielmehr gingen die Beklagten von einer Unwirksamkeit des Beschlusses und der Unzulässigkeit einer
Sonderumlage aus. Letztlich war für alle Beteiligten klar: Wenn die Sonderumlage zu zahlen war, traf diese
Verpflichtung die Beklagten. Gegen diese Überlegung lassen sich auch die von den Beklagten angeführten
Gerechtigkeitserwägungen nicht ins Feld führen. Sie haben gemeint, es entspreche materieller Gerechtigkeit,
Grundlage des Beschlusses vom 7. Dezember 1998 wären die Beklagten nicht mehr in den Genuss des
erneuerten Weges gekommen. Im übrigen diente die Sonderumlage lediglich der Beseitigung eines Mangels.
Auch die Ansicht der Beklagten, im Grunde habe das WEG-Gericht einen neuen Beschluss gefasst, überzeugt
nicht. Diese Auffassung ist bereits auf formalen Gründen falsch, weil das WEG-Gericht lediglich den von der
Eigentümerversammlung bereits gefassten und grundsätzlich bestehenden Beschluss in einem Teilpunkt,
nämlich der Frage der Fälligkeit, geändert hat.
Aufgrund dieses für die Kläger objektiv fremden Geschäftes besteht eine tatsächliche Vermutung für das
Bewusstsein und den Willen der Kläger zur Fremdgeschäftsführung (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 59. Aufl. § 677,
4). Auch wenn die Kläger sich zur Zahlung der Sonderumlage für verpflichtet gehalten haben sollten, würde
dies nicht die Annahme hindern, dass sie zugleich ein Geschäft der Beklagten besorgt haben (vgl. BGH NJWRR 1989, 970 m. N.).
Die Übernahme dieses Geschäftes der Beklagten entsprach auch deren jedenfalls mutmaßlichen Willen. Da die
Beklagten ihren tatsächlichen Willen bis zum Zeitpunkt der Zahlung weder ausdrücklich noch konkludent
geäußert haben, kann als mutmaßlich der Wille angenommen werden, der objektiv dem Interesse der Beklagten
entsprach (vgl. BGH NJW-RR 1989, 970 m. N.). Danach mussten den Beklagten daran gelegen sein, die durch
den bindenden Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal festgestellte Sonderumlage ordnungsgemäß gegenüber
der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfüllen. Die Beklagten können sich jetzt nicht mit Erfolg darauf
berufen, sie hätten gegenüber der WEG eine Änderung deshalb durchgesetzt, weil das
Wohnungseigentümerkonto ein Guthaben ausgewiesen habe und deshalb eine Sonderumlage nicht erforderlich
gewesen sei. Ein etwaiges Guthaben auf dem Wohnungseigentümerkonto stellte jedoch lediglich die bei ordnungsgemäßer Verwaltung zu bildende Rücklage für andere Maßnahmen dar und war gerade nicht für die
Instandsetzung des Weges vorgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen dafür, den Klägern gemäß § 97
Abs. 2 ZPO ausnahmsweise die Kosten des Rechtsmittelverfahrens trotz Obsiegens aufzuerlegen, sind nicht
gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob diese Vorschrift auch für den obsiegenden Berufungsbeklagten gilt. Sie
ist hier jedenfalls deshalb nicht anwendbar, weil es den Klägern nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, dass
sie die Tatsache der Zahlung der Sonderumlage nicht bereits in erster Instanz in den Rechtsstreit eingeführt
haben. Ein schuldhaft säumiges Verhalten einer Partei, das zur Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO führen würde,
ist dann zu verneinen, wenn die Partei in der berechtigten Erwartung, ihr Vortrag werde ihren Anspruch
rechtfertigen, den Vortrag weiterer Klagegründe unterlässt. Im übrigen kam es auf der Grundlage der
Rechtsauffassung des Landgerichtes auf den Umstand der Zahlung nicht an (vgl. BGH.NJW 1960, 818).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren und Beschwer der Beklagten:
4.684,80 DM

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

19.11.2000

Aktenzeichen:

9 U 88/00

Erschienen in:

DNotI-Report 2001, 26-27
MittBayNot 2001, 73

Normen in Titel:

WEG § 16 Abs. 2; BGB § 446