OLG Saarbrücken 04. November 2021
4 U 7/21
ZPO §§ 314, 767, 794 Abs. 1 Nr. 5

Zwangsvollstreckung aus notarieller Urkunde gegen eine dritte Person

letzte Aktualisierung: 2.2.2022
OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.11.2021 – 4 U 7/21

ZPO §§ 314, 767, 794 Abs. 1 Nr. 5
Zwangsvollstreckung aus notarieller Urkunde gegen eine dritte Person

1. Richtet sich die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde gegen eine Dritte, kann diese
mit der Titelgegenklage analog § 767 ZPO geltend machen, nicht Vollstreckungsschuldner zu sein
und auch keine Unterwerfungserklärung abgegeben zu haben.
2. Wird im Urteilstatbestand als unstreitig behandelt, dass die Titelgegenklägerin sich der sofortigen
Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde unterworfen habe, kommt dem Tatbestand
keine Beweiskraft nach § 314 ZPO zu, wenn diese Feststellung im Widerspruch zu der konkret in
Bezug genommenen notariellen Urkunde steht.
3. Sollen neben der als Käuferin auftretenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auch deren
Gesellschafter sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde unterwerfen,
bedarf es insoweit eindeutiger Erklärungen.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.

Mit Urkunde des Notars J. B. mit dem Amtssitz zu B. vom 15.04.2019
(Urkundenrollennummer XXX/ /2019) kaufte die mit derselben Urkunde gegründete und
aus der Klägerin und einem Herrn A. O. aus T./Israel bestehende M. O. H. GbR 12
Grundstücke unter anderem in S.-H. zum Preis von 9.000.000 € von der J. G. GmbH & Co.
KG (Verkäufer 1), der Beklagten (Verkäuferin 2) und einem Herrn U. J. (Verkäufer 3). Die
Beklagte selbst veräußerte als „Kaufgegenstand 2“ zwei der 12 Grundstücke zu einem
Gesamtkaufpreis von 4.596.258 €. Der Kaufpreis sollte zum Monatsletzten nach
Fälligkeitsmitteilung durch den Notar, nicht jedoch vor Ablauf von 15 Bankarbeitstagen
und nicht vor dem 31.07.2019 fällig werden. Weiter heißt es in der notariellen Urkunde
unter 4.1:

„Wegen des Kaufpreisanspruchs und etwaiger Verzugszinsen unterwirft sich der Käufer als
Gesamtschuldner gegenüber dem Verkäufer als Gesamtgläubiger der sofortigen
Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.“.

Die Anbahnung des Kaufvertrags hatte auf Grund der Vermittlung des Zeugen Sch.
stattgefunden. Im Vorfeld des Kaufvertragsabschlusses führten der Geschäftsführer der
Klägerin, der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten und der Zeuge Sch.
Gespräche über eine Provision des Zeugen Sch. für die Vermittlung des Geschäfts und über
eine Beteiligung an einem Projekt der M2 Gruppe, der Unternehmensgruppe der Klägerin,
in der Stadt S.. Die genauen Umstände und der Inhalt dieser Gespräche sind zwischen den
Parteien streitig. Auf den verkauften Grundstücken in der G.-D.-Str. XX, S.-H., befinden
sich zwei im Jahre 1996 errichtete Hallen, die an die I. G. GmbH vermietet sind, welche
darin leere Getränkedosen lagerte. Diese Hallen weisen in streitigem Umfang
Dachundichtigkeiten auf, die dazu führten, dass sich vor allem bei Starkregen auf dem
Hallenboden Pfützen bildeten. Von den Dachundichtigkeiten setzte die Beklagte die
Klägerin vor dem Abschluss des Kaufvertrags nicht in Kenntnis. Im Oktober/November
2019 unterrichteten der Zeuge G. als Geschäftsführerin der Hallenmieterin sowie deren
Mitarbeiter, der Zeuge E., anlässlich eines Ortstermins den Zeugen Sch. über die
Dachundichtigkeiten, welcher diese Information Anfang November an den Geschäftsführer
der Klägerin weitergab.

Die Kaufpreisfälligkeitsmitteilung des Notars zur Urkunde vom 15.04.2019 erfolgte am
31.08.2019. Die Klägerin bekräftigte bei zwei Bankterminen am 05. und 09.12.2019 ihre
Zahlungsbereitschaft. Am 17.01.2020 kam es zu einem Ortstermin, bei dem der
Geschäftsführer der Klägerin die Dachundichtigkeiten nicht thematisierte. Mit Datum vom
31.01.2020 erteilte der Notar B. der Beklagten eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde
vom 15.04.2019 zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in Höhe von 4.596.258 € nebst
Zinsen seit dem 01.08.2019. Diese ließ die Beklagte der Klägerin am 18.02.2020 zustellen.
Mit Schreiben vom 25.02.2020 erklärte die M. O. H. GbR die Anfechtung des Kaufvertrags
wegen arglistiger Täuschung gegenüber der Beklagten sowie den beiden anderen
Verkäufern. Die Verkäufer erwiderten darauf mit Schreiben vom 27.02.2020 (Bd. I Bl. 149
d. A.). Im Laufe des Prozesses hat die Beklagte die Dachundichtigkeiten reparieren lassen.

Die Klägerin hat behauptet, es sei zu einer nicht beurkundeten Nebenabrede des
Kaufvertrags gekommen. So sei vereinbart worden, dass der Kaufpreis tatsächlich nur
8.250.000 € betrage. Die übrigen 750.000 € seien als Provision des Zeugen Sch. und des
Geschäftsführers der Komplementärin der Klägerin vorgesehen gewesen. Dieser habe sich
im Gegenzug zu einer Beteiligung an einem Projekt der M2 Gruppe in der Stadt S. bereit
erklärt.

Weiter hat die Klägerin behauptet, die Dachundichtigkeiten seien erheblich gewesen. Es
läge ein konstruktionsbedingter Mangel in der Bauweise der Dachentwässerung vor, der nur
mit großem Aufwand – insbesondere mit der Verbauung größerer Fallrohre – beseitigt
werden könnte. Für die Mangelbeseitigung sei ein Betrag zwischen 25.000 und 50.000 €
erforderlich. Wäre dies der Klägerin bekannt gewesen, hätte sie den Immobilienkauf nicht
bzw. nicht zu den ausgehandelten Bedingungen abgeschlossen. Auch bestünden die
Dachundichtigkeiten bereits seit geraumer Zeit und seien der Beklagten bei Abschluss des
Kaufvertrags bekannt gewesen, die dagegen jedoch nichts unternommen hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars J. B. in B. vom 15.04.2019,
Urkundenrollennummer XXX2019, für unzulässig zu erklären und

2. die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der vorbezeichneten Urkunde
ab Rechtskraft des Ausspruchs der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der
Urkunde an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, eine Provision sei lediglich anlässlich der Vertragsanbahnung im Sommer
2018, nicht hingegen anlässlich der konkreten Vertragsverhandlungen thematisiert worden.
Vielmehr sei dort immer nur die Rede von 9.000.000 € gewesen. Ungeachtet dessen hat die
Beklagte gemeint, ihr stehe die Verteilung eines Kaufpreises frei. Über eine künftige
Zusammenarbeit sei zwar gesprochen worden, jedoch sei dies eine bloße Absichtserklärung
gewesen, die nicht zur beurkundungsbedürftigen Bedingung des Kaufvertrags gemacht
worden sei.

Hinsichtlich der Dachundichtigkeiten hat die Beklagte behauptet, es handele sich um
altersbedingte Verschleißerscheinungen. Ein weiterer Schaden sei erst nach Abschluss des
Kaufvertrags aufgetreten bzw. bekannt geworden. Jedenfalls verursache die
Dachundichtigkeit nur eine geringe Feuchtigkeit und könnte mit geringem Aufwand
behoben werden, wobei eine Ausbesserung bereits im Jahr 2019 in die Wege geleitet
worden sei. Überdies sei der Zeuge Sch. bei dem Ortstermin als Vertreter der Klägerin
aufgetreten und habe zugesagt, die Undichtigkeiten innerhalb der nächsten 14 Tage beheben
zu lassen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G. G. (Bd. III Bl. 445
f. d. A.), M. E. (Bd. III Bl. 447 f. d. A.) und U. Sch. (Bd. III Bl. 451 f. d. A.) und hat die
Geschäftsführer der Klägerin und der Komplementärin der Beklagten als Partei angehört
(Bd. III Bl. 448 ff. d. A.). Mit dem am 21.12.2020 verkündeten Urteil, auf das Bezug
genommen wird (Bd. III Bl. 478 ff. d. A.), hat es die Klage abgewiesen.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung rügt die Klägerin, da die Schuldnerin der
Kaufpreisforderung nur die M. O. H. GbR sei und sich nur diese der sofortigen
Zwangsvollstreckung unterworfen habe, könne die Beklagte die Kaufpreisforderung nicht
aus der notariellen Urkunde gegen die Klägerin vollstrecken. Bei verständiger Würdigung
und fehlerfreier Ermittlung des Vertragsinhalts hätte das Landgericht zu dem Ergebnis
kommen müssen, dass die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin deswegen unzulässig sei.

Unter der innerprozessualen Bedingung, dass der erkennende Senat

a. annehme, die Eigenschaft der Klägerin als Käuferin neben der M. O. H. GbR sowie dass
die Klägerin sich neben der M. O. H. GbR der sofortigen Zwangsvollstreckung
unterworfen habe, sei ein beurkundungsbedürftiger Vertragsinhalt im Sinne von § 311b
BGB,
b. annehme, dass die streitbefangene notarielle Kaufvertragsurkunde nicht dahingehend
auszulegen sei, dass die Klägerin neben der M. O. H. GbR Käuferin und
Zwangsvollstreckungsschuldnerin sei,
c. annehme, dass wegen der fehlenden Mitbeurkundung der Klägerin als Käuferin und
Vollstreckungsschuldnerin in dem notariellen Kaufvertrag vom 15.04.2019,
Urkundenrollennummer XXX2019, dieser Kaufvertrag gemäß §§ 125, 139 BGB als
insgesamt formnichtig anzusehen sei und
d. deswegen unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Zwangsvollstreckung aus der
Urkunde des Notars J. B. aus B. vom 15.04.2019, Urkundenrollennummer XXX2019, für
unzulässig erkläre,
stelle die Klägerin die von der Beklagten in der Berufungserwiderung behauptete Tatsache
unstreitig, dass die Klägerin neben der M. O. H. GbR Käuferin der streitgegenständlichen
Kaufgegenstände sei und sich neben der GbR der sofortigen Zwangsvollstreckung
unterworfen habe. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die
Berufungsbegründung verwiesen (Bd. III Bl. 548 ff. d. A.).

Die Klägerin beantragt (Bd. III Bl. 549 d. A.),

1. unter Abänderung des am 21.12.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken,
Aktenzeichen 8 O 32/20, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars J. B. in B.
vom 15.04.2019, Urkundenrollennummer XXX2019, für unzulässig zu erklären und

2. die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der vorbezeichneten Urkunde
ab Rechtskraft des Ausspruchs der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der
Urkunde an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das erstinstanzliche Gericht habe mit tatbestandlicher Bindungswirkung festgestellt, dass
die Klägerin (gesamtschuldnerisch) Schuldnerin aus dem Kaufvertrag und damit auch
Vollstreckungsschuldnerin aus der Vollstreckungsklausel sei. Überdies sei bei der
Vertragsauslegung die Vorschrift des § 128 HGB mit heranzuziehen. Im Lichte dieser
Bestimmung lauf die Formulierung „als Gesamtschuldner“ keineswegs ins Leere. Im
Übrigen verteidigt die Beklagte die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und
Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom
04.11.2020 (Bd. III Bl. 444 ff. d. A.) und des Senats vom 19.08.2021 (Bd. IV Bl. 673 ff. d.
A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Das
Rechtsmittel ist nach Maßgabe der §§ 513, 529, 546 ZPO auch begründet.

1. Die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin aus der vorliegenden notariellen Urkunde ist
in Ermangelung einer Unterwerfungserklärung der Klägerin für unzulässig zu erklären.

a) Der Klageantrag zu 1 ist in erster Linie als Titelgegenklage aufzufassen und als solche
statthaft und im Übrigen zulässig.

aa) Die Unwirksamkeit der Vollstreckungsunterwerfung als solche kann (auch) mit der
Titelgegenklage geltend gemacht werden (BGH NJW-RR 2004, 1135, 1136; NJW 2015,
1181 Rn. 7). Bei Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung ist die Vollstreckung aus der
Urkunde schlechthin für unzulässig zu erklären (BGH NJW 2015, 1181, 1182 Rn. 7). Nichts
Anderes gilt, wenn sich die Vollstreckung – wie hier – ausschließlich gegen einen Dritten
richtet, der nicht Vollstreckungsschuldner ist und auch keine Unterwerfungserklärung
abgegeben hat.

bb) Streitgegenstand der Titelgegenklage ist die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels
(BGHZ 118, 229, 236; BGH NJW-RR 2004, 472, 474) und somit ein anderer als derjenige
der auf Beseitigung der Vollstreckungsfähigkeit des titulierten Anspruchs gerichteten
Vollstreckungsabwehrklage (BGH NJW-RR 2015, 915, 916 Rn. 15). Macht der
Titelschuldner – wie hier die Klägerin als vermeintliche Titelschuldnerin – sowohl materiellrechtliche
Einwände gegen den titulierten Anspruch als auch Einwände gegen die
Wirksamkeit des Titels geltend, kann die Vollstreckungsabwehrklage mit einer
Titelgegenklage analog § 767 ZPO verbunden werden (BGH NJW 2015, 1181 Rn. 6);
zulässig ist aber auch eine ausschließliche Titelgegenklage (BGH NJW-RR 2007, 1724, 1725
Rn. 10). Obwohl mit beiden Klagen beantragt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel
für unzulässig zu erklären, reicht es für das vollständige Obsiegen nicht aus, dass der Kläger
mit einer Begründung Erfolg hat, sofern er den Einwand der Unwirksamkeit des Titels und
den Einwand gegen den titulierten Anspruch nicht in ein Eventualverhältnis gestellt hat.
Der BGH verlangt vielmehr konsequent eine Teilabweisung, wenn nur eine der beiden
Klagen begründet ist (BGH NJW 2005, 1576, 1577). Diese Folge wird vermieden, wenn der
Antrag als Hauptantrag verstanden wird, soweit er auf die Unwirksamkeit des Titels gestützt
wird, und als Hilfsantrag, soweit materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch
vorgebracht werden (OLG Köln NJW-RR 1999, 22; Preuß in Vorwerk/Wolf, BeckOK
ZPO, 41. Edition Stand: 01.07.2021, § 767 Rn. 58). In diesem Sinne ist das Klagebegehren
aufzufassen; denn die Klägerin stützt sich auch in der Berufungsinstanz in erster Linie auf
die ihrer Meinung nach bestehende Unwirksamkeit des Titels und im Übrigen auf materiellrechtliche
Einwendungen gegen den titulierten Anspruch. Ihr Klageantrag zu 1 ist deshalb
dahin auszulegen, dass sie hauptsächlich die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung
geltend macht (§ 767 ZPO analog) und sich hilfsweise auf gegen den titulierten Anspruch
selbst gerichtete Einwendungen beruft (§ 767 ZPO).

cc) Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin in der Klage vorgetragen hat, sie erhebe
zwei materiell-rechtliche Einwendungen gegen den vermeintlich bestehenden
Kaufpreiszahlungsanspruch der Beklagten (Bd. I Bl. 43 d. A. unter 2.2). Eine allfällige
Klageänderung in eine Titelgegenklage verbunden mit einer hilfsweise erhobenen
Vollstreckungsklage ist allerdings auch in der Berufungsinstanz gemäß § 533 Nr. 1 Fall 2
ZPO ohne Einwilligung des Gegners zulässig, wenn das Gericht dies für sachdienlich hält.
Die Beurteilung der Sachdienlichkeit, bei der dem Berufungsgericht ein Ermessensspielraum
zusteht, erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen
Interessen. Dabei ist entscheidend, ob und inwieweit die Zulassung der geänderten Klage
den Streit im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt, so dass sich ein weiterer
Prozess vermeiden lässt. Eine Klageänderung ist danach nicht sachdienlich, wenn ein völlig
neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung gestellt wird, ohne dass dafür das
Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden kann (BGH NJW 2018, 2550,
2555 Rn. 52). Nach diesem Maßstab ist die Sachdienlichkeit der Klageänderung zu bejahen;
denn die Zulassung ist geeignet, unter Berücksichtigung des bereits angefallenen
Prozessstoffs, insbesondere der vorliegenden notariellen Urkunde vom 15.04.2019, den
anhängigen Rechtsstreit auszuräumen.

b) Die Titelgegenklage ist begründet, weil es an einer Unterwerfungserklärung der Klägerin
fehlt.

aa) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung hat das Landgericht insoweit keine
den Senat im Berufungsrechtszug bindenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Denn
dem Tatbestand kommt keine Beweiskraft nach § 314 ZPO zu, wenn und soweit er
Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten aufweist, die sich aus dem Urteil selbst ergeben
(BGH NJW-RR 2018, 873, 874 Rn. 18). Diesem Erfordernis ist genügt, wenn ein
Widerspruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen und einem konkret in Bezug
genommenen schriftsätzlichen Vorbringen einer Partei (BGH WM 2015, 1562, 1568 Rn.
48) oder einer Anlage (BGH ZfIR 2021, 321, 324 Rn. 22) besteht. Nach diesen
Grundsätzen kommt den tatbestandlichen Feststellungen im vorliegenden Fall keine
Beweiskraft zu. Im unstreitigen Teil des Tatbestands wird zunächst zutreffend festgestellt,
dass Käuferin des Grundstücks die aus der Klägerin und einem Herrn O. bestehende
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist. Obgleich damit von einer einzigen Käuferin
auszugehen ist, führt das Landgericht sodann aus, hinsichtlich des Kaufpreises habe
Gesamtschuldnerschaft auf Käuferseite bestanden. Weiter wird ohne Erwähnung der
Käuferin festgestellt, hinsichtlich des Anspruchs der Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises
habe sich die Klägerin (also nicht die Käuferin?) der sofortigen Zwangsvollstreckung
unterworfen (Bd. III Bl. 479 d. A.). Im Widerspruch dazu heißt es in der im
Urteilstatbestand konkret in Bezug genommenen Urkunde des Notars J. B. vom 15.04.2019
(Urkundenrollennummer XXX/ /2019, Anlage K 1 im Anlagenbd. der Klägerin) unter
„Zwangsvollstreckungsunterwerfung“ in Ziffer 4.1, dass sich „der Käufer als
Gesamtschuldner“ der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Als Käufer ist in der
Urkunde die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts definiert; die Klägerin wird somit in der
in Bezug genommenen Urkunde nicht (ausdrücklich) erwähnt.

bb) Nach dem sich im Berufungsrechtszug darstellenden Sach- und Streitstand ist eine
Zwangsvollstreckungsunterwerfung der Klägerin nicht gegeben. Insoweit zeigt die
Berufungserwiderung im Schriftsatz vom 21.10.2021 (Bd. IV Bl. 701 ff. d. A.) keinen
rechtserheblichen Grund zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 156, 525
Satz 1 ZPO) auf. Die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wesentlichen Gesichtspunkte
waren bereits in der Berufungsbegründung vom 22.03.2021 (insbesondere Bd. III Bl. 565 ff.
d. A.) und in der Berufungserwiderung vom 26.05.2021 (insbesondere Bd. IV Bl. 606 ff. d.
A.) kontrovers diskutiert und sind in der Berufungsverhandlung vom 19.08.2021 mit den
Parteien eingehend erörtert worden (Bd. IV Bl. 673 ff. d. A.). Neue rechtserhebliche
Gesichtspunkte oder Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts vermag
der Senat insoweit nicht zu erkennen. Den Beklagten kann auf Grund der gegebenen
Endentscheidungsreife (§§ 300 Abs. 1, 525 Satz 1 ZPO) über die bereits eingeräumte Frist
von mehr als zwei Monaten nach der Berufungsverhandlung hinaus auch keine Frist zur
weiteren Stellungnahme und etwaigen vergleichsweisen Einigung bis zum 31.01.2022 (Bd.
IV Bl. 701 d. A.) eingeräumt werden, zumal die hierzu angehörte Klägerin diesem Antrag
entgegengetreten ist.

(1) Nach Maßgabe des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bedingt die Zwangsvollstreckung aus einer
notariellen Urkunde unter anderem, dass der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu
bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Mit dem
Erfordernis der Bezeichnung des Anspruchs ist ein Konkretisierungsgebot vorgesehen, das
mit dem Bestimmtheitsgebot nicht gleichzusetzen ist, sondern eine zusätzliche formelle
Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel darstellt und durch eine
Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung z. B. wegen „etwaiger
Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldbeträge“ nicht erfüllt wird (BGH NJW-RR
2012, 1342, 1343 Rn. 14, 18). Ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot führt zur
Nichtigkeit der Unterwerfungserklärung (BGH NJW 2015, 1181, 1182 Rn. 13 ff.).

(2) Eine Unterwerfungserklärung ist, wenn auch in Grenzen, auslegungsfähig (BGH NJW
1980, 1050, 1051; 2008, 3363 Rn. 7). Bei der Auslegung hat der Tatrichter jedenfalls den aus
der Urkunde hervorgehenden Zweck (BGHZ 109, 19, 22), die daraus ersichtliche
Interessenlage der Parteien (BGH NJW 2003, 2235, 2236; NJW-RR 2003, 1053, 1054) und
ihre sprachlichen Gepflogenheiten zu berücksichtigen (BGH NJW 2008, 3363, 3364 Rn. 7).

(3) Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände fehlt es an einer
Unterwerfungserklärung der Klägerin.

(3.1) Diese war an der Beurkundung insoweit beteiligt, als sie mit Herrn O. zunächst eine
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit dem Namen „M. O. H. GbR“ errichtete. In der
notariellen Urkunde (S. 2/3) wird auf die unmittelbar vorangegangene Gründung dieser
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und der Feststellung des der Urkunde als Anlage
beigefügten, deutsch- und englischsprachigen Gesellschaftsvertrags aufbauend als „Käufer“
ausschließlich die mit gleicher Urkunde gegründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts
genannt, die Klägerin ist als Mitgesellschafterin der Käuferin genannt und wird an keiner
Stelle der Urkunde selbst als „Käufer“ bezeichnet.

(3.2) Die Formulierung in der Zwangsvollstreckungsunterwerfung, wonach „sich der Käufer
als Gesamtschuldner“ unterwirft (S. 9 der Urkunde unter Ziffer 4.1), ist insoweit ungereimt,
als es laut Urkunde nur eine Käuferin gibt, eine Gesamtschuld aber eine Mehrheit von
Schuldnern voraussetzt. Die Berufungserwiderung meint, die Formulierung sei im Lichte
des § 128 HGB zu sehen. Nach der auf die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts analog
anzuwendenden Vorschrift des § 129 Abs. 4 HGB kann aus einem gegen die Gesellschaft
gerichteten Schuldtitel nicht gegen die Gesellschafter vollstreckt werden (BGH WM 2016,
220, 223 Rn. 34; Gummert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, 5.
Auflage 2019, § 20 Rn. 33, 35). In der Rechtspraxis kommt es somit darauf an, präzise
zwischen einem Titel gegen die Gesellschaft und einem solchen gegen die Gesellschafter zu
unterscheiden (Gummert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, aaO, Rn. 34),
was in einer notariellen Urkunde ohne Weiteres erwartet werden kann. Die bloße
Verwendung des auf die Käuferin und Gesellschaft bezogenen Zusatzes „als
Gesamtschuldner“ ohne auch nur ansatzweise Nennung der Gesellschafter erlaubt indessen
nicht den Schluss, dass sich die Klägerin als Mitgesellschafterin, die weder selbst
Vertragspartnerin war noch als Dritte vertragliche Verpflichtungen in der Urkunde
übernommen hatte, der Zwangsvollstreckung unterworfen hätte. Wäre es den
Kaufvertragsparteien auf die sofortige Zwangsvollstreckung nicht nur in das Vermögen der
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, sondern auch in dasjenige ihrer Gesellschafter
angekommen, so wäre zu erwarten gewesen, dass deren persönliche Haftung in der
Urkunde thematisiert worden wäre, was jedoch nicht der Fall ist.

(3.3) Im Übrigen ist eine (generelle) Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen des
Kaufpreiszahlungsanspruchs in der der notariellen Urkunde beigefügten Vollmacht des
Herrn O. für den Geschäftsführer der Klägerin nicht vorgesehen (vgl. Anlagebd. Klägerin,
Vollmacht vom 28.03.2019, S. 2). Denn diese Vollmacht erfasst die Befugnis, zur
Finanzierung des jeweiligen Kaufpreises für den Vollmachtgeber eine persönliche Haftung
zu übernehmen oder abstrakte Schuldversprechen abzugeben und den Vollmachtgeber
insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen.
Dass die vorliegende, ausdrücklich auf den Kaufpreisanspruch bezogene Unterwerfung zur
Finanzierung des Kaufpreises erforderlich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

cc) Die Titelgegenklage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen
Rechtsausübung (§ 242 BGB) unbegründet. Dies käme eventuell in Betracht, wenn dem
Kläger vorgeworfen werden kann, sich schuldrechtlich zur Abgabe der
Unterwerfungserklärung verpflichtet zu haben (Preuß in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO,
aaO, § 767 Rn. 57.2). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil die Klägerin nicht
Vertragspartei war. Dass die Klägerin, wie vom Landgericht festgestellt, nach der notariellen
Beurkundung bei zwei Bankterminen ihre Zahlungsbereitschaft bekräftigt haben mag (Bd.
III Bl. 480 d. A. zweitletzter Abs.), kann sich materiell-rechtlich auswirken, ermöglicht aber
nicht die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde trotz Fehlens einer entsprechenden
Zwangsvollstreckungsunterwerfung.

2. Der mit dem Berufungsantrag zu 2 weiterverfolgte Titelherausgabeantrag hat auf der
Grundlage der eingehenden Erörterungen in der Berufungsverhandlung und entgegen der
Auffassung der Beklagten (Bd. IV Bl. 702 ff. d. A.) ebenfalls Erfolg.

a) Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung einer vollstreckbaren
Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
jedenfalls dann zulässig, wenn entweder über eine Vollstreckungsabwehrklage bereits
rechtskräftig zu Gunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist oder wenn die
Erfüllung der dem Titel zu Grunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig
ist (BGH WM 1994, 650, 652). Nichts Anderes gilt, wenn die Herausgabeklage, wie hier, mit
der Titelgegenklage verbunden wird. Denn auch dann ist, worauf es entscheidend ankommt
(vgl. BGHZ 127, 146, 148), eine Umgehung von deren Voraussetzungen nicht zu
befürchten (BGH NJW 2015, 1181, 1183 Rn. 23).

b) Die Klage ist auch begründet.

aa) Der Vollstreckungsgläubiger ist dem Vollstreckungsschuldner analog § 371 BGB zur
Herausgabe eines Vollstreckungstitels verpflichtet, falls die Vollstreckung aus dem Titel auf
Grund einer auf materiell-rechtliche Einwände gegen den titulierten Anspruch gestützten
Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt wird. Der Anspruch
besteht in diesem Fall aber nicht schon, wenn und weil die Vollstreckung aus dem Titel für
unzulässig erklärt worden ist, sondern erst, wenn die Schuld mit Sicherheit erloschen ist
oder von Anfang an nicht bestanden hat. Denn das Urteil beseitigt nur die Vollstreckbarkeit
der Urkunde, besagt aber nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen des zu
vollstreckenden Anspruchs (BGHZ 127, 146, 149; BGH NJW-RR 2008, 1512 Rn. 12).

bb) Die entsprechende Anwendung von § 371 BGB auf die Herausgabe des
Vollstreckungstitels ist ferner geboten, wenn die Vollstreckung aus dem Titel auf Grund
einer auf formelle Einwände gegen den Titel gestützten Titelgegenklage insgesamt und
endgültig für unzulässig erklärt worden ist. Denn auch in diesem Fall enthält das Gesetz
eine planwidrige Lücke. Der Schuldner könnte zwar durch Vorlage einer Ausfertigung des
in dem Titelgegenklageverfahren ergangenen Urteils die Einstellung der
Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 ZPO erreichen. Er könnte damit allein aber nicht
verhindern, dass die Vollstreckung trotz des Urteils erst einmal versucht wird und
womöglich auch zunächst Erfolg hat, weil die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung etwa
dem nicht informierten Personal des Schuldners unbekannt ist oder mangels Ausfertigung
des Urteils nicht sofort nachgewiesen werden kann. Ein solcher Missbrauch des Titels kann
nur mit einem Anspruch auf dessen Herausgabe verhindert werden, den das Prozessrecht
aber auch für die Titelgegenklage nicht vorsieht. Diese Lücke muss nach dem aus §§ 775
Nr. 1, 757 ZPO zum Ausdruck kommenden Plan des Gesetzes durch eine auf die
Rechtsfolge beschränkte entsprechende Anwendung des § 371 BGB geschlossen werden.
Denn bei einer allein auf formelle Einwände gestützten Titelgegenklage kann der
Titelherausgabeanspruch nicht von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs
abhängen, sondern nur von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Titels (BGH NJW
2015, 1181, 1183 Rn. 26). Eine Unterwerfungserklärung der Klägerin ist hier zu verneinen,
wie bereits vorstehend unter 1. ausgeführt worden ist. Dem Umstand, dass die Klägerin in
der vom Notar erteilten Vollstreckungsklausel nicht ausdrücklich genannt wird, kommt, wie
mit den Parteien erörtert, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Andernfalls könnte die
Klägerin als nicht am Kaufvertrag beteiligte Dritte die unzulässige Zwangsvollstreckung aus
der Urkunde gegen sie nicht wirksam und vollständig unterbinden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

4. Die Revision ist entgegen dem Antrag der Beklagten (Bd. IV Bl. 702 d. A.) gemäß § 543
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Saarbrücken

Erscheinungsdatum:

04.11.2021

Aktenzeichen:

4 U 7/21

Rechtsgebiete:

Unternehmenskauf
Allgemeines Schuldrecht
OHG
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

ZPO §§ 314, 767, 794 Abs. 1 Nr. 5