BGH 29. Oktober 2020
IX ZR 212/19
BGB §§ 181, 812 Abs. 1 S. 1

Insichgeschäft; Missbrauch der Vertretungsmacht; Bereicherungsanspruch des Zuwendenden gegen den vermeintlichen Anweiser

letzte Aktualisierung: 30.4.2021
BGH, Urt. v. 29.10.2020 – IX ZR 212/19

BGB §§ 181, 812 Abs. 1 S. 1
Insichgeschäft; Missbrauch der Vertretungsmacht; Bereicherungsanspruch des Zuwendenden
gegen den vermeintlichen Anweiser

1. Ein im Außenverhältnis erlaubtes, aber internen Beschränkungen widersprechendes
Insichgeschäft ist nur dann unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht
unwirksam, wenn es für den Vertretenen nachteilig ist.
2. Bei Fehlen einer wirksamen Anweisung richtet sich der Bereicherungsanspruch des Zuwendenden
gegen den vermeintlich Anweisenden, wenn der Fehler der Anweisung darauf beruht, dass für den
vermeintlich Anweisenden ein Vertreter handelt, der dem Zuwendungsempfänger unbekannte
interne Beschränkungen seiner im Außenverhältnis unbeschränkten Vertretungsmacht missachtet.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Darlehensvertrag vom 24. Januar
2013 sei wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht des Geschäftsführers
der Komplementärin der Schuldnerin unwirksam. Die Komplementärin sei nur im
Außenverhältnis von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen, nicht
jedoch im Innenverhältnis. Die gemäß § 6 Nr. 1 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages
mögliche Befreiung auch im Innenverhältnis sei nicht erteilt worden. Soweit
die Klägerin im Berufungsverfahren erstmals behauptet habe, der Gesellschaftsvertrag
sei mit dem Eintritt der Komplementärin dahingehend geändert worden,
dass die Befreiung auch im Innenverhältnis gelte, werde dieser Vortrag gemäß
§ 529 Abs. 1, § 531 ZPO nicht zugelassen. Bei Abschluss des Darlehensvertrages
sei zudem gegen § 6 Nr. 4c des Gesellschaftsvertrages verstoßen worden.
Die Grenze von 200.000 DM sei im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits
überschritten gewesen. Da der für beide Vertragsparteien handelnde Geschäftsführer
die Beschränkung seiner Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis und das
Fehlen eines die Befreiung aussprechenden Gesellschafterbeschlusses gekannt
habe, könne sich die Klägerin nicht auf ein schützenswertes Vertrauen auf den
Bestand der Vertretungsmacht berufen.

Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB
seien ebenfalls nicht erfüllt. Die Anweisung, das Darlehen an die M.
GmbH auszuzahlen, habe gegen § 181 BGB verstoßen. Fehle eine Anweisung,
habe der bereicherungsrechtliche Ausgleich im Wege einer Nichtleistungskondiktion
zwischen dem Angewiesenen und dem Zahlungsempfänger zu erfolgen.
Dies gelte zwar nicht, wenn der Zahlungsempfänger das Fehlen einer wirksamen
Anweisung nicht gekannt habe, die Zahlung aus seiner Sicht eine Leistung
des vermeintlich Anweisenden dargestellt habe und dieser Rechtsschein
dem vermeintlich Anweisenden zuzurechnen sei. Im Fall eines Missbrauchs der
Vertretungsmacht seien diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. Der vom Geschäftsführer
missbräuchlich gesetzte Rechtsschein könne der Schuldnerin nicht
zugerechnet werden.

II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Anspruch der Klägerin
aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Rückzahlung des der Schuldnerin zur
Verfügung gestellten Darlehens nicht verneint werden. Der revisionsrechtlich
maßgebliche Sachverhalt lässt den Schluss auf einen Missbrauch der Vertretungsmacht
nicht zu.

a) E. , der Geschäftsführer der Komplementärin der
Schuldnerin, hat bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht gegen das Verbot
der Mehrfachvertretung gemäß § 181 Halbsatz 1 Fall 2 BGB verstoßen. Ausweislich
des die Schuldnerin betreffenden Handelsregisterauszuges, welchen der Beklagte
vorgelegt hat, war die Komplementärin befugt, im Namen der Schuldnerin
mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen
(vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Februar 1972 II
ZR 169/69, BGHZ 58, 115, 117). Die Beschränkungen gemäß § 6 Nr. 1 Satz 3, Nr. 4c des Gesellschaftsvertrages
hatten auf die im Außenverhältnis umfassende Vertretungsbefugnis
der Komplementärin grundsätzlich keinen Einfluss (Abstraktionsgrundsatz).

b) Handelt der Vertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht, führt dies
grundsätzlich zu einer rechtsgeschäftlichen Bindung des Vertretenen (Schäfer in
Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 167 Rn. 47). Das Risiko einer
missbräuchlichen Verwendung der Vollmacht hat grundsätzlich der Vertretene zu
tragen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1999 XI
ZR 277/98, NJW 1999, 2883). Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis des
Vertreters zum Vertretenen ergeben, wirkt sich erst dann im Außenverhältnis aus,
wenn die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden. Erst dann
spricht man von einem Vollmachtsmissbrauch im Rechtssinne, der sich auf die
Wirksamkeit des vom Vertreter geschlossenen Rechtsgeschäfts auswirkt (Staudinger/
Schilken, BGB, 2019, § 167 Rn. 91, 99). Das ist insbesondere dann der
Fall, wenn Vertreter und Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen
zusammenwirken oder wenn der Missbrauch der Vertretungsmacht dem Geschäftsgegner
bekannt ist oder wegen Evidenz des Missbrauchs ohne weitere
Nachforschungen hätte bekannt sein müssen. Das Vertrauen des Geschäftsgegners
auf den Bestand des Geschäfts ist nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder
wenn es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Vertreter seine Vertre-
tungsmacht missbraucht. In einem solchen Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht
kann der Geschäftsgegner aus dem formal durch die Vertretungsmacht
gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten.
Von den Fällen der Kollusion abgesehen, muss das Geschäft grundsätzlich
nicht notwendig nachteilig für den Vertretenen sein (BGH, Beschluss vom
10. April 2006 II ZR 337/05, NJW 2006, 2776 Rn. 2 f; Urteil vom 18. Oktober
2017 I ZR 6/16, WM 2018, 230 Rn. 22).

c) In dem hier gegebenen Fall der Mehrfachvertretung - ein und dieselbe
natürliche Person handelt für beide Vertragsparteien - kennt der Vertreter, auf
dessen Kenntnisstand es gemäß § 166 Abs. 1 BGB ankommt, stets etwaige Einschränkungen
seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis. Die oben dargestellten
Grundsätze würden stets zu einer Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führen,
auch dann, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer
Verbindlichkeit besteht. Dieses Ergebnis würde der Wertentscheidung des § 181
Halbsatz 2 BGB widersprechen. Wenn der die im Innenverhältnis geltende Beschränkung
seiner Vertretungsmacht überschreitende Vertreter zugleich den Geschäftsgegner
vertritt, gelten für den Missbrauch der Vertretungsmacht daher besondere
Regeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt
die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB unter dem Gesichtspunkt
des Missbrauchs der Vertretungsmacht voraus, dass es für den Vertretenen
nachteilig ist (BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 II
ZR 371/12, WM 2014, 628 Rn. 10; vom 18. Oktober 2017 I
ZR 6/16, WM 2018, 230 Rn. 25 mwN; Staudinger/
Schilken, BGB, 2019, § 167 Rn. 93; vgl. auch MünchKomm-BGB/
Schubert, 8. Aufl., § 164 Rn. 223, der für jeden Fall des Missbrauchs ein Handeln
verlangt, welches den objektiven Interessen des Vertretenen widerspricht und
sich nachteilig auswirkt).

d) Feststellungen dazu, ob der Darlehensvertrag vom 24. Januar 2013 für
die Schuldnerin nachteilig war, hat das Berufungsgericht nicht getroffen, weder
hinsichtlich der Darlehensbedingungen noch hinsichtlich der Aufnahme des Darlehens
als solcher. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen
eines Vollmachtsmissbrauchs ist derjenige, der sich darauf beruft (Erman/
Maier-Reimer/Finkenauer, BGB, 16. Aufl., § 167 Rn. 78; Frensch in Prütting/
Wegen/Weinreich, 15. Aufl., § 167 Rn. 57), hier also der Beklagte.

e) Nichts anderes gilt, soweit der Missbrauchstatbestand aus einem Verstoß
gegen § 6 Nr. 4c des Gesellschaftsvertrages hergeleitet wird.

f) Weitere Voraussetzung eines Rückzahlungsanspruchs aus § 488 Abs. 1
Satz 2 BGB neben dem Zustandekommen eines Darlehensvertrages ist, dass
der Darlehensbetrag dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten
Form endgültig zugeführt worden ist (MünchKomm-BGB/Berger, 8. Aufl., § 488
Rn. 44). Nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerin ist diese Voraussetzung
ebenfalls erfüllt. Das Darlehen soll unmittelbar an die M.
GmbH zur Begleichung einer Verbindlichkeit der Schuldnerin ausgezahlt
worden sein. Gegenteilige Feststellungen haben die Vorinstanzen nicht getroffen.

2. Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin gegen die
Schuldnerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB können auf der Grundlage des
für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts nicht verneint werden.

a) Die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages wegen Vollmachtsmissbrauchs,
dessen tatsächliche Voraussetzungen bisher nicht festgestellt sind, und
der Anweisung, den Darlehensbetrag an die M. GmbH auszuzahlen,
wird im Folgenden ebenso unterstellt wie die von der Klägerin behauptete
und unter Beweis gestellte Auszahlung des Darlehensbetrags an die M.
GmbH. Zu entscheiden ist also die Rechtsfrage, ob sich bei Fehlen
einer wirksamen Anweisung der Bereicherungsanspruch des Zuwendenden gegen
den Zuwendungsempfänger oder gegen den vermeintlich Anweisenden richtet,
wenn der Fehler der Anweisung darauf beruht, dass für den vermeintlich Anweisenden
ein Vertreter handelt, der interne Einschränkungen seiner nach außen
hin unbeschränkten Vertretungsmacht missachtet.

b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen richtet sich der Bereicherungsanspruch
in dem genannten Fall gegen den Anweisenden, der im Verhältnis zum
Zuwendungsempfänger den Rechtsschein einer wirksamen Anweisung gesetzt
hat.

aa) Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ist zur Herausgabe verpflichtet,
wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat.
Diese Leistungskondiktion hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Vorrang vor der Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1
Fall 2 BGB (BGH, Urteil vom 31. Januar 2018 VIII
ZR 39/17, NJW 2018, 1079
Rn. 16 mwN).

bb) Unter einer Leistung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ist
die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen.
Wer Leistender und wer Empfänger einer Leistung ist, richtet sich in erster
Linie nach dem Zweck der Zuwendung. Maßgeblich ist grundsätzlich der Zweck,
welchen die Beteiligten im Zeitpunkt der Zuwendung mit dieser nach ihrem zum
Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen der
Beteiligten nicht überein, ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers
geboten. Es kommt darauf an, wie eine vernünftige Person in der
Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf
die Verkehrssitte verstehen musste und durfte.

cc) Das gilt grundsätzlich auch für den Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen
(BGH, Urteil vom 31. Januar 2018, aaO Rn. 17). Bei der
bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei
Personen beteiligt sind, verbietet sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung
jede schematische Lösung. Vielmehr sind für die sachgerechte bereicherungsrechtliche
Abwicklung stets die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen,
zu denen insbesondere Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes
und der Risikoverteilung zählen (BGH, Urteil vom 19. September 2014 V
ZR 269/13, WM 2014, 2269 Rn. 22 mwN; vom 31. Januar 2018, aaO Rn. 18).
Aus der Sicht der Zuwendungsempfängerin, der M.
GmbH, handelte es sich bei dem überwiesenen Darlehensbetrag um eine Leistung
der Schuldnerin. Diese war ihre Vertragspartnerin und schuldete ihr den
streitgegenständlichen Betrag. Mit der Klägerin verbanden sie dagegen keine
vertraglichen Beziehungen. Die Klägerin ihrerseits wollte mit der Zahlung an die
M. GmbH ihre Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag vom
24. Januar 2013 erfüllen, der Darlehensnehmerin - der Schuldnerin - den vereinbarten
Darlehensbetrag zur Verfügung zu stellen (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die
Schuldnerin ist hierdurch von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der M.
GmbH frei geworden. Dass der Darlehensvertrag nicht wirksam geworden
war, änderte hieran zunächst nichts. Die Zahlung stellte also eine Leistung der
Klägerin an die Schuldnerin und zugleich eine Leistung der Schuldnerin an die
M. GmbH dar.

dd) Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung hat grundsätzlich im
Rahmen der jeweiligen fehlerhaften Leistungsbeziehung zu erfolgen (BGH, Urteil
vom 16. Juni 2015 XI ZR 243/13, BGHZ 205, 377 Rn. 17; vom 31. Januar 2018
VIII ZR 39/17, NJW 2018, 1079 Rn. 30 mwN). Fehlerhaft war hier nur das Deckungsverhältnis,
nämlich der Darlehensvertrag zwischen der Schuldnerin und
der Klägerin. Das Valutaverhältnis wies dagegen keine Fehler auf. Dass die
Schuldnerin der M. GmbH den Betrag von 27.122,82 € schuldete,
hat keine Partei in Zweifel gezogen. Der Schuldnerin steht danach grundsätzlich
kein Bereicherungsanspruch gegen die genannte Gesellschaft zu. Ein
Bereicherungsanspruch der Klägerin unmittelbar gegen die M.
GmbH aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB kommt wegen des Vorrangs der Leistungs-
vor der Eingriffskondiktion grundsätzlich ebenfalls nicht in Betracht.
ee) Die genannten Grundsätze gelten allerdings uneingeschränkt nur
dann, wenn eine wirksame, fehlerfreie Anweisung vorliegt. Fehlt eine Anweisung
oder weist sie Mängel auf, ist zu unterscheiden.

(1) Im Anwendungsbereich des § 675u BGB führt jeder Fehler der Anweisung
dazu, dass der Zahlungsdienstleister den Zahlungsbetrag im Wege der
Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) vom Zahlungsempfänger
herausverlangen kann (BGH, Urteil vom 16. Juni 2015 - XI ZR 243/13, BGHZ
205, 377 Rn. 21 ff).

(2) In allen anderen Fällen ist nach der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, an welcher der Senat festhält (ebenso etwa Wendehorst in
Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 812 Rn. 214; offengelassen von
BGH, Urteil vom 16. Juni 2015, aaO Rn. 22; vom 31. Januar 2018 VIII
ZR 39/17, NJW 2018, 1079 Rn. 34), aufgrund einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung
einer Veranlasser- und Rechtsscheinhaftung zu entscheiden.

(a) Der Angewiesene hat einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch aus
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine
wirksame Anweisung gänzlich fehlt. In diesen Fällen hat der Angewiesene lediglich
erfolglos versucht, eine Leistung an den Anweisenden zu erbringen. Der Zuwendungsempfänger
ist daher in sonstiger Weise auf Kosten des Angewiesenen
bereichert und deshalb dessen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion ausgesetzt.
Das gilt unabhängig davon, ob der Anweisungsempfänger das Fehlen einer
wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte oder nicht kannte
(BGH, Urteil vom 16. Juni 2015, aaO Rn. 18 mwN; vom 31. Januar 2018 VIII
ZR 39/17, NJW 2018, 1079 Rn. 32). Ebenso ist der Fall zu behandeln, wenn der
Anweisende geschäftsunfähig war (BGH, Urteil vom 16. Juni 2015, aaO mwN).
Der Geschäftsunfähige hat die Anweisung zwar veranlasst; gemäß den Wertungen
der §§ 104, 105 BGB geht sein Schutz demjenigen des Zuwendungsempfängers
jedoch vor.

(b) Ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch des Angewiesenen gegen
den Zuwendungsempfänger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB kommt dagegen
nicht in Betracht, wenn der Anweisende die Anweisung mit veranlasst und gegenüber
dem Zunwendungsempfänger den zurechenbaren Rechtsschein einer
Leistung gesetzt hat. Nach der früheren Rechtsprechung des Bankensenats galt
dies insbesondere in Fällen, in denen die Bank den Widerruf einer Überweisung
oder eines Dauerauftrags oder die Kündigung eines Überweisungsauftrags irrtümlich
nicht beachtet oder versehentlich eine Zuvielüberweisung vorgenommen
hatte. Anderes gilt wiederum dann, wenn der Anweisende die Anweisung zwar
mit veranlasst hatte, der Zuwendungsempfänger aber wusste, dass die Anweisung
widerrufen worden war oder einen geringeren Betrag betraf (BGH, Urteil
vom 31. Januar 2018 VIII ZR 39/17, NJW 2018, 1079 Rn. 34 ff).

(c) Wird die Anweisung von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht erteilt,
kann sie dem Vertretenen nicht zugerechnet werden. Das gilt auch dann, wenn
die Anweisung von einem nur gesamtvertretungsberechtigten Vertreter allein und
damit zivilrechtlich unwirksam erteilt worden ist. Zweck der Regeln über die Gesamtvertretung
ist es gerade, dass der Vertretene grundsätzlich nur durch übereinstimmende
Willenserklärungen aller gesetzlichen oder rechtsgeschäftlich bestellten
Vertreter verpflichtet oder berechtigt werden kann. In einem solchen Fall
hat der Vertretene nicht den Anschein erweckt, die in seinem Namen handelnde
Person sei alleinvertretungsberechtigt. Damit hat er keine Ursache für den Anschein
gesetzt, die Zahlung sei seine Leistung. Der Bereicherungsausgleich hat
daher im Wege einer Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB)
zwischen dem Empfänger der vermeintlichen Weisung und dem Leistungsempfänger
zu erfolgen (BGH, Urteil vom 20. März 2001 XI
ZR 157/00, BGHZ 147, 145, 149 f).

(d) Im vorliegenden Fall stammte die Weisung, den Darlehensbetrag an
die M. GmbH auszuzahlen, vom gesetzlichen Vertreter der
Komplementärin der Schuldnerin, die ausweislich der Eintragung im Handelsregister
uneingeschränkt zur Vertretung der Schuldnerin berechtigt war. Damit hat
die Schuldnerin die in Frage stehende Anweisung jedenfalls mit veranlasst. Sie
hat die Komplementärin mit einer nach außen unbegrenzten Vollmacht ausgestattet.
Sie trägt deshalb grundsätzlich auch das Risiko einer missbräuchlichen
Verwendung der Vollmacht. Auf die oben dargestellten Grundsätze des Vollmachtsmissbrauchs
kann sich die Schuldnerin im Verhältnis zur Zuwendungsempfängerin,
der M. GmbH, nicht berufen. Diese kannte die
internen Beschränkungen der Vertretungsmacht der Komplementärin nicht und
brauchte sie auch nicht zu kennen. Ihr Schutz verdient Vorrang vor demjenigen
der Schuldnerin, welche die nach außen unbeschränkte Vollmacht erteilt hat, aufgrund
derer die Anweisung erfolgt ist. Eine Rückabwicklung hat daher im Verhältnis
der Schuldnerin und der Klägerin zu erfolgen, in welchem der von der Schuldnerin
zurechenbar veranlasste Fehler aufgetreten ist. Die Schuldnerin ist gemäß
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB zur Rückgewähr des Darlehensbetrages an
die Klägerin verpflichtet. Ein Anspruch der Klägerin gegen die M.
GmbH aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB besteht dagegen nicht.

III.
Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie
ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif
ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1
ZPO). Ob ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB
besteht, hängt davon ab, ob die Klägerin die Auszahlung des Darlehensbetrages
beweisen kann. Der Anspruch besteht nicht, wenn der Beklagte die oben erläuterten
Voraussetzungen eines Vollmachtsmissbrauchs darlegen und beweisen
kann. Voraussetzung eines Herausgabeanspruchs der Klägerin gegen die
Schuldnerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ist ebenfalls die von der Klägerin
zu beweisende Auszahlung des Darlehensbetrages. Eine als Forderung aus Dar-
lehensvertrag zur Tabelle angemeldete Forderung kann, wenn ein Vertragsmangel
gegeben ist, im Forderungsfeststellungsverfahren als Forderung aus ungerechtfertigter
Bereicherung verfolgt und festgestellt werden (BGH, Beschluss
vom 12. November 2015 - IX ZR 313/14, WM 2016, 46 Rn. 3 f; vgl. auch Urteil
vom 25. Juni 2020 IX ZR 47/19, WM 2020, 1443 Rn. 19 ff).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

29.10.2020

Aktenzeichen:

IX ZR 212/19

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
In-sich-Geschäft
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 181, 812 Abs. 1 S. 1