OLG Nürnberg 24. Februar 1992
1 U 3542/91
BGB §§ 2316, 2057a

§ 2316 findet auch zu Ungunsten eines Pflichtteilsberechtigten Anwendung

solche Fallgestaltung nicht vorliegen. Das Grundbuchamt
hat die materielle" Rechtslage, die mit der formellen nicht
übereinstimmt, nur dann zu beachten, wenn sie klar erkennbar ist. Das ist aber bei dieser Konstellation nicht der Fall.
Das Grundbuchamt müßte hier zur Feststellung der materiellen Rechtslage Ermittlungen anstellen, wie es die
Rechtspflegerin mit der angefochtenen Zwischenverfügung
auch getan hat. Das sprengt aber den Rahmen der dem
Grundbuchamt obliegenden Pflicht, lediglich die formellen
Voraussetzungen der beantragten Eintragung zu überprüfen.
Auch für das Grundbuchamt gilt die Vermutung des § 891
Abs. 1 BGB, die besagt, daß dem im Grundbuch als Berechtigten eines Rechts Eingetragenen das Recht auch tatsächlich zusteht. Das weitere Erfordernis des Briefbesitzes bei
der hier vorliegenden Briefgrundschuld ist ebenfalls erfüllt.
13. BGB §§ 2316, 2057 a (§ 2316 findet auch zu Ungunsten
eines Pflichtteilsberechtigten Anwendung)
Besondere Mitarbeit oder Pflegetätigkeit eines Abkömmlings (§ 2057 a BGB) ist im Rahmen der Pflichtteilsberechnung gern. § 2316 BGB auch dann zu berücksichtigen, wenn
dieser Abkömmling testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt wurde. § 2316 BGB findet also nicht nur zugunsten
des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings Anwendung (a. A.
OLG Stuttgart, DNotZ 1989, 184).
(Leitsatz nicht amtlich)
OLG Nürnberg, Urteil vom 25.2.1992 — 1 U 3542/91 —
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ihre Schwester, einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von zuletzt 85.657,32 DM geltend.
Die Parteien sind die einzigen Kinder des am 22.1.1988 verstorbenen
Landwirts L. Die Mutter der Parteien und Ehefrau des L. war bereits
am 2.5.1976 verstorben.
Durch notarielles Testament vom 21.1.1988 wurde die Beklagte Alleinerbin ihres Vaters.
Wegen der näheren Umstände sowie des Sach- und Streitstands in
erster Instanz wird gem. § 543 Abs.2 Satz 2 ZPO auf das Urteil des
Landgerichts Amberg vom 9.10.1991 Bezug genommen, mit dem der
Klage in Höhe von 76.507,32 DM stattgegeben wurde.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Sie ist der Ansicht, ihre für den Hof des Erblassers und dessen Betreuung geleistete Arbeit im Rahmen des § 2057 a BGB sei so hoch
anzusetzen, daß überhaupt kein Pflichtteilsanspruch mehr verbleibe.
So habe sie seit ihrer Schulentlassung im Jahre 1967 bis zum Tod des
Erblassers in wechselndem Umfang auf dessen Hof mitgearbeitet,
ihm nach dem Tod der Mutter seinen Haushalt mitversorgt und ihn,
als er zunehmend gebrechlich wurde, gepflegt. Außerdem habe das
Landgericht fälschlich einen ihr gegen den Vater als dem Alleinerben
der Mutter zustehenden Pflichtteilsanspruch in Höhe von
8.000,00 DM nicht als Nachlaßverbindlichkeit berücksichtigt und zu'
Unrecht eine Ausstattung in Höhe von 15.000,00 DM zu ihrem Nachteil angerechnet.
Aus den Gründen:
Die Berufung der Beklagten führt zu einer Ermäßigung des
Pflichtteilsanspruchs der-Klägerin.
Der Senat kommt zu dem Ergebnis, daß der gemäß § 2316
Abs. 1 BGB berichtigte gesetzliche Erbteil der Klägerin
67.614,65 DM, mithin ihr Pflichtteilsanspruch 33.807,33 DM
beträgt (§ 2303 Abs. 1 BGB).
Die Parteien gehen übereinstimmend in der Berufungsinstanz von einem Reinnachlaß in Höhe von 342.629,30 DM
aus, wobei allerdings die Frage der Bewertung des Pflichtteilsanspruchs der Beklagten gegen den Erblasser in Höhe
von 8.000,00 DM als Nachlaßverbindlichkeit noch streitig ist.
Nach Meinung des Senats liegt hier eine den Nachlaß
mindernde Verbindlichkeit vor. Der unstreitig beim Erbfall
bestehende Pflichtteilsanspruch der Beklagten gegen den
Erblasser ist infolge ihrer Alleinerbschaft durch Konfusion
untergegangen, was einer Erfüllung des Anspruchs gleichkommt. Gleichwohl bestand im Zeitpunkt des Erbfalles
diese Schuld, die zu einer Minderung des Nachlasses führte
(vgl. auch Münchener Kommentar, 2. Aufl., Rdnr.8 zu § 1976).
Somit ergibt sich ein endgültiger Reinnachlaß von
334.629,30 (342.629,30 DM ./. 8.000,00 DM).
Die Klägerin konnte nicht nachweisen, daß eine Ausstattung
im Sinne von §§ 2050, 1624 BGB gern. §§ 2316, 2055 BGB zu
ihren Gunsten anzurechnen ist. Für ihre bestrittene Behauptung, der Erblasser hätte der Beklagten 15.000,00 DM für den
Kauf einer Küche zur Verfügung gestellt, ist sie beweisfällig
geblieben. Die Beklagte hat lediglich allgemein eingeräumt,
5.000,00 DM vom Erblasser geschenkt bekommen zu haben.
Aus diesen Angaben ergibt sich jedoch nicht, daß eine Ausstattung im Sinne der oben genannten Vorschriften vorlag.
Bei der Berechnung des Pflichtteils ist gem. §§ 2316, 2057 a
BGB zugunsten der Beklagten eine Ausgleichung in Höhe
von 199.400,00 DM in Ansatz zu bringen.
§ 2316 BGB ist nicht nur zugunsten des Pflichtteilsberechtigten, sondern auch zugunsten des als Alleinerben eingesetzten Abkömmlings anwendbar (a. A. OLG Stuttgart,
DNotZ 89, 184 mit ablehnender Anmerkung Ciesiar sowie
Palandt, BGB, 51.Aufl., Rdnr.1 zu §2316). Der Wortlaut
dieser Vorschrift gibt für eine Beschränkung auf Einwendungen und Leistungen, die zugunsten des Pflichtteilsberechtigten wirken, nichts her. Sinn der Vorschrift ist,
§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB näher zu konkretisieren, und zwar
dergestalt, daß der (hypothetische) gesetzliche Erbteil in
dem Umfang zugrunde gelegt wird, den er unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten der §§ 2050 ff. und des
§ 2057 a. BGB erfährt (vgl. z. B. Staudinger/Fend/-Cies/ar,
12. Aufl., Rdnr. 3 zu § 2316). § 2316 BGB beantwortet also die
Frage, wie sich der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten
errechnet, wenn dieser im Falle der gesetzlichen Erbfolge
ausgleichungspflichtig oder ausgleichungsberechtigt geworden wäre (so Münchener Kommentar, 2. Aufl., Rdnr. 3 a. E
zu § 2315).
Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß bei
gesetzlicher Erbfolge (oder bei einer gewillkürten, bei der
der Erblasser die gesetzliche Erbfolge wählt, vgl. § 2052
BGB), der Ausgleichungsberechtigte unter Umständen mehr
erhält als bei einer Einsetzung als Alleinerbe. Beträgt z. B.
bei zwei Abkömmlingen der Nachlaß 100.000,00 DM und
sind 60.000,00 DM gern. § 2057 a BGB zur Ausgleichung zu
bringen, so bleiben bei gesetzlicher Erbfolge dem Ausgleichungsberechtigten A 80.000,00 DM und dem Verpflichteten B 20.000,00 DM. Ist A Alleinerbe, bekäme er unter
Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin nur
75.000,00 DM, weil B einen ungeschmälerten Pflichtteilsanspruch von 25.000,00 DM hätte.
Das Vorbringen der Klägerin zur Untermauerung, ihres
Rechtsstandpunktes, nämlich daß bei einer gewillkürten,
von der gesetzlichen abweichenden, Erbfolge der Erblasser
stets schon eine bei gesetzlicher Erbfolge bestehende Ausgleichungspflicht berücksichtigt habe, kann daher nicht
überzeugen.
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Zu Grund und Höhe der Ausgleichungspflicht hat der Senat
folgendes erwogen:
Die Beklagte hat durch Mitarbeit im Haushalt und Geschäft
des Erblassers während eines Zeitraums von mehr als
21 Jahren in besonderem Maße dazu beigetragen, das Vermögen des Erblassers zu erhalten und zu vermehren
(§ 2057 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Voraussetzungen für eine
Anrechnung der in den letzten Jahren erforderlichen Pflege
des Erblassers liegen hingegen nicht vor, weil diese nicht
unter Verzicht auf eigenes berufliches Einkommen geschah
(§ 2057 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Zu berücksichtigen sind neben
den übrigen Umständen in erster Linie Dauer und Umfang
der Leistungen sowie der Wert des Nachlasses (§ 2057 a
Abs.3 BGB), wobei auf eine Nachrechnung jeder Einzelheit
verzichtet werden und statt dessen eine pauschale Schätzung vorgenommen werden kann (vgl. z. B. Staudinger/
Werner, 12. Aufl., Rdnr.1 zu § 2057 a).
Es liegt nähe, die gesamte Mitarbeit der Beklagten in drei
Zeiträume zu gliedern und diese getrennt zu bewerten:
1. Juli 1967 bis Oktober 1970 (40 Monate)
Die Beklagte wurde im Juli 1967 aus der Hauptschule entlassen. Sie erlernte im Gegensatz zur Klägerin, die Kindergärtnerin wurde, keinen Beruf, sondern arbeitete bis November
1970 ganztags im Haushalt und auf dem 8 ha großen Hof des
Erblassers, der selbst als Maschinenwärter einer VollzeitBeschäftigung in einem Hüttenwerk nachging. Es bestand
bereits seinerzeit beim Erblasser eine 30%ige MdE. Die Ehefrau und Mutter der Beklagten litt seit 1963/64 an Herzbeschwerden. Von Frühjahr 1968 bis Sommer 1970 half die Beklagte außerdem noch bei der Aufstockung und dem Umbau
des elterlichen Anwesens. Während dieser Zeit hatte sie Verköstigung und Wohnung im Rahmen ihres Unterhaltsanspruchs frei. Daß sie gem. § 1619 BGB zur Mitarbeit verpflichtet war, steht der Ausgleichungspflicht nicht entgegen
(§ 2057 a Abs. 2 Satz 2 BGB).
Der Senat hält für diesen Zeitraum einen Ausgleichungsbetrag von 800,00 DM im Monat, das sind insgesamt
32.000,00 DM für angemessen.
2. November 1970 bis April 1976 (66 Monate)
Die Beklagte heiratete im November 1970 und zog auf den in
der Nähe gelegenen, ca. 20 ha großen Hof ihres Ehemannes,
der ebenfalls wie der Erblasser ganztags in abhängiger Stellung berufstätig war. Beim Erblasser bestand ab 1975 eine
MdE von 60%. Die Beklagte war in diesem Zeitraum in deutlich geringerem Umfang auf dem Hof des Erblassers tätig,
was sich schon daraus ergibt, daß sie den eigenen Hof weitgehend allein bewirtschaften und ihre Kinder versorgen
mußte. Allerdings erbrachte ihr Ehemann in gewissem -durch die eigene Erwerbstätigkeit beschränktem — Umfang
mit seinen landwirtschaftlichen Geräten ebenfalls Arbeitsleistungen auf dem Hof des Erblassers. Andererseits wurden aber auch umgekehrt Geräte von diesem Hof auf dem
Hof der Beklagten verwendet. Diese Leistungen des Ehemannes kann die Beklagte ebenfalls im Rahmen des
§ 2057 a BGB geltend machen (vgl. z. B. Münchener Kommentar, 2. Aufl., Rdnr. 20 zu § 2057 a). Der Senat bewertet die
Mitarbeit in diesem Zeitabschnitt mit durchschnittlich
400,00 DM im Monat, so daß sich ein Ausgleichsbetrag von
insgesamt 26.400,00 DM ergibt.
MittBayNot 1992 Heft 5
3. Mai 1976 bis Januar 1988 (141 Monate)
Im Mai 1976 starb die Ehefrau des Erblassers und Mutter der
Beklagten. Der Erblasser war ab 1976 nicht mehr berufstätig
und bezog eine Rente in Höhe von etwa 400,00 DM, die sich
bis 1988 auf rund 650,00 DM erhöhte. 1984 wurde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Erblassers um 70% festgestellt. Außerdem lagen die Voraussetzungen des Merkzeichens „G" (= Gehbehinderung) im Sinne des Schwerbehindertengesetzes vor. Krankenhausaufenthalte von
mehrwöchiger Dauer häuften sich.
Die Beklagte versorgte in diesem Zeitraum vollständig den
Haushalt des Erblassers, der bis zehn Monate vor seinem
Tod in seinem Anwesen, danach bei der Beklagten wohnte.
Mit zunehmendem Alter und dem Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit des Erblassers vermehrte sich
auch der Einsatz der Beklagten und ihres Ehemannes in der
Landwirtschaft des Vaters. Daß die Leistungen der Beklagten nicht nur der Erhaltung des Vermögens des Erblassers,
sondern auch der Vermehrung dienten, zeigt der Umstand,
daß letzterer von 1979 bis 1988 trotz seiner niedrigen Rente
ein Guthaben von rund 74.000,00 DM ansparen konnte. Der
Erblasser konnte nämlich noch 1979, als die Klägerin ihren
Pflichtteilsanspruch nach dem Tod der Mutter gerichtlich
geltend machte, diesen nur in monatlichen Raten von
220,00 DM erfüllen.
Der Senat hält daher für die Mitarbeit auf dem Hof und dem
Haushalt des Erblassers im Durchschnitt einen Ausgleichsbetrag von 1.000,00 DM im Monat, das sind zusammen
141.000,00 DM, für angemessen.
Der gesamte Ausgleichsbetrag beläuft sich demnach auf
199.400,00 DM. Dies ergibt einen gem. § 2057 a BGB berichtigten gesetzlichen Erbteil im Wert von 67.614,65 DM
(334.629,30 .1. 199.400,00 = 135.229,30 : 2 = 67.614,65 DM)
und einen Pflichtteil von 33.807,33 DM.
B.
Handelsrecht einschließlich Registerrecht
14. FGG § 20 Abs.2; AktG 1965 §§ 36 Abs.1, 23 Abs.3 Nr. 2
(Zulässigkeit offener Vorratsgründung von Aktiengesellschaften)
a) Auch die erstmalige Anmeldung der Aktiengesellschaft
zum Handelsregister durch die in § 36 Abs. 1 AktG
genannten Personen erfolgt im Namen der Gesellschaft.
Die Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, ist
daher auch beschwerdeberechtigt i. S. des § 20 Abs. 2
FGG (Ergänzung zu BGHZ 105, 324).
b) Die Gründung von Vorrats-Aktiengesellschaften ist zulässig, wenn die Bestimmung der Gesellschaft, als sog.
Mantel für die spätere Aufnahme eines Geschäftsbetriebs zu dienen, bei der Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes deutlich klargestellt wird (sog.
offene Vorratsgründung). Ausreichend dafür ist die Angabe „Verwaltung des eigenen Vermögens". Eine wegen
der Angabe eines unzutreffenden Unternehmensgegenstandes unwirksame sog. verdeckte Vorratsgründung
liegt auch dann vor, wenn der angegebene Unternehmensgegenstand nicht in absehbarer Zeit verwirklicht
werden soll.
BGH, Beschluß vom 16.3.1992 — ll ZB 17/91 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Vorsitzender Richter am BGH

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Nürnberg

Erscheinungsdatum:

24.02.1992

Aktenzeichen:

1 U 3542/91

Erschienen in:

MittBayNot 1992, 338-339

Normen in Titel:

BGB §§ 2316, 2057a