Anspruch auf notarielles Nachlassverzeichnis trotz vorausgegangener eidesstattlicher Versicherung
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 3u36_10
letzte Aktualisierung: 13.5.2011
OLG Schleswig, 25.1.2011 - 3 U 36/10
Anspruch auf notarielles Nachlassverzeichnis trotz vorausgegangener eidesstattlicher
Versicherung
1. Die bloße Beurkundung von Erklärungen des Auskunftspflichtigen ist etwas anderes als ein
notarielles Nachlassverzeichnis. Ein notarielles Nachlassverzeichnis liegt gemessen an den
Anforderungen des
ermittelt hat und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum
Ausdruck bringt, für den Inhalt verantwortlich zu sein.
2. Das Verlangen des Klägers nach einem derartigen notariellen Nachlassverzeichnis ist auch
dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte bereits ein notariell protokolliertes Nachlassverzeichnis vorgelegt und dessen Richtigkeit an Eides statt versichert hat.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
3 U 36/10
Im Namen des Volkes
Urteil
verkündet am: 25. Januar 2011
6 O 105/10 Landgericht Lübeck
3. Zivilsenat
..., Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
...
hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die
mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht sowie den Richter am Oberlandesgericht Prof. und den Richter am
Oberlandesgericht für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 1. März 2010 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck, Aktenzeichen 6 O 105/10, geändert
und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den Bestand des Nachlasses des am 21. April 2008 in Lübeck verstorbenen durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Auskunft zu erteilen, das im Einzelnen, unter Angabe der genauen Bezeichnung sowie aller wertbildenden Faktoren der betreffenden Gegenstände und Forderungen sowie im Falle
des Unternehmens beziehungsweise der Unternehmensbeteiligung zusätzlich unter Vorlage
der entsprechenden Belege, umfasst:
a. alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen,
c. alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen gemäß der §§ 2050 ff.
BGB, die der Erblasser zu Lebzeiten an seine Abkömmlinge getätigt hat,
d. alle gemäß
Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Todesfall an die
Erben oder Dritte getätigt hat.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Die Kostenentscheidung I. Instanz
bleibt dem dortigen Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht im Wege einer Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beklagten geltend. In der ersten Stufe hat er zunächst beantragt, dass
der Beklagte zu Protokoll an Eides statt versichere, dass das von ihm am 28. August 2008
vor dem Notarvertreter ... abgegebene Nachlassverzeichnis nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses des am 21. April 2008 in Lübeck verstorbenen Vaters ... vollständig
angebe. Dieser Anspruch des Klägers ist durch das Teil-Versäumnisurteil des Landgerichts
Lübeck vom 20. Mai 2009 rechtskräftig tituliert worden (Bl. 70 f. d. A.). Die Versicherung
an Eides statt hat der Beklagte am 29. Oktober 2009 vor dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - Bad Segeberg abgegeben (Bl. 124 i d. A.). Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2009 hat der Kläger seine Klage erweitert und beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
ihm Auskunft über den Nachlassbestand durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen (Bl. 105 d. A.).
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils unter Einbeziehung sämtlicher dortiger Bezugnahmen verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der
Kläger, jedenfalls nachdem er am 29. Oktober 2009 vor dem Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - Bad Segeberg an Eides statt versichert habe, dass das von ihm am 28. Juli
2008 vor dem Notarvertreter ... abgegebene Nachlassverzeichnis nach seinem besten Wissen den Bestand des Nachlasses des am 21. April 2008 in Lübeck verstorbenen Erblassers
so vollständig angebe, als er dazu imstande sei, keinen Anspruch mehr gegen den Beklagten auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach
habe. Der Pflichtteilsberechtigte könne zwar die in
Verfahren zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verweisen zu lassen. Das Auskunftsverlangen des Klägers sei jedoch rechtsmissbräuchlich. Davon sei im Regelfall auszugehen, wenn der Erbe, der zunächst ein amtliches Verzeichnis erstellt habe, dann noch
auf ein privates Verzeichnis in Anspruch genommen werde. Diese Konstellation lasse sich
auch auf den vorliegenden Fall übertragen: Der Beklagte habe an Eides statt - und damit
nach
sperre das nachträgliche Verlangen nach einem amtlichen Nachlassverzeichnis.
Wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihm am 6. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger mit dem am 6. April
2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 4.
Mai 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des
Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses weiter. Er macht geltend: Rechtsirrig sei das Landgericht davon ausgegangen, dass ein amtliches Nachlassverzeichnis dem Pflichtteilsberechtigten nach erfolgter Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über Angaben in einem privatschriftlichen Verzeichnis durch den Erben keinen
zusätzlichen Nutzen bringen könne. Zu Unrecht habe es die Überlegungen zu der Frage,
weshalb nach einem notariellen Nachlassverzeichnis in der Regel kein privatschriftliches
mehr gefordert werden könne, auf diesen Fall übertragen.
Das notarielle Nachlassverzeichnis habe für ihn trotz Abgabe der Versicherung an Eides
statt durch den Beklagten einen Nutzen. Die Notare legten zwar ihren Ermittlungen die
Angaben des Erben zugrunde. Sie brächten aber auch ihre Sachkenntnis zur Anwendung
und arbeiteten damit dort weiter, wo der Laie mangels Kenntnis der Rechtslage ungenaue
oder gar keine Angaben mache. Der Notar habe Auskünfte einzuholen, rechtliche Schlussfolgerungen über den Bestand der Aktiva oder Passiva zu ziehen sowie Bewertungen vorzunehmen. Er habe den Nachlassbestand auch selbst zu ermitteln, zum Beispiel durch Begehung der Erblasserwohnung, Verzeichnung der dort befindlichen Gegenstände, Durchsicht der Unterlagen im Hinblick auf das Vorhandensein von Guthaben, Verbindlichkeiten
und Immobilien. Außerdem könnten Anfragen beim Grundbuchamt oder bei den ortsansässigen Banken geboten sein. Auch wisse der Notar üblicherweise, welche Angaben über
die einzelnen Nachlassgegenstände gemacht werden müssten, um dem Pflichtteilsberechtigten die wertbestimmenden Faktoren zugänglich zu machen. Der Notar ermittle den realen und fiktiven Bestand idealer Weise aus neutraler und sachkundiger Perspektive. Das
notarielle Nachlassverzeichnis gehe erheblich über die Angaben des Erben und damit auch
über dessen eidesstattliche Versicherung hinaus, da der Notar für die ermittelten Angaben,
Aussagen und Bewertungen die Verantwortung trage und nicht der Erbe.
Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Beklagte nur unwillig und aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung nach mehrfacher anwaltlicher Aufforderung ein Nachlassverzeichnis
abgegeben habe. Der Beklagte sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt
worden, da es eindeutige Hinweise darauf gebe, dass das Nachlassverzeichnis nicht mit der
erforderlichen Sorgfalt erstellt worden sei. Der Beklagte habe sich zunächst in die bewusste Säumnis begeben und habe dann den Einspruch gegen das Versäumnisurteil aufgrund der eindeutigen Aktenlage zurückgenommen. Eine Richtigstellung der aufgezeigten
Ungereimtheiten und Lücken sei nicht erfolgt. Der Gesetzgeber habe die Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten als dessen Waffen zur Durchsetzung seiner ZahlungsanBeim Erben sei die Versuchung groß, Informationen vorzuenthalten und Positionen zu verschleiern. Der Notar habe dabei die Funktion der neutralen Ermittlung des Nachlasses jenseits der Angaben des Erben. Der Zweck eines notariellen Nachlassverzeichnisses liege in
der annäherungsweisen Herstellung einer Waffengleichheit zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten durch einen neutralen Dritten. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren
mindere seine Rechte nicht. Es laufe in einem getrennten Rechtsweg.
Außerdem sei das vorgelegte Nachlassverzeichnis unvollständig, da der Beklagte in der
mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2010 erklärt habe, dass es Unterlagen über die
Gesellschaft und die Gesellschaftsbeteiligung in Händen des damaligen Liquidators nach
wir vor gebe, die ihm, dem Kläger, Auskunft über die wertbildenden Faktoren der Gesellschaft geben könnten. In dem vorgelegten Nachlassverzeichnis seien aber Belege zu dem
dort genannten angeblichen Wert der Gesellschaft von einem Euro nicht beigefügt worden.
Schließlich würde das Urteil des Landgerichts dazu führen, dass ihm das Prozessrisiko für
das Betragswertverfahren zu großen Teilen auferlegt würde.
Demgegenüber macht der Beklagte geltend, dass der Kläger, wie vom Landgericht zutreffend entschieden, keinen Anspruch auf Aufnahme eines (nochmaligen) notariellen Nachlassverzeichnisses habe. Er habe Auskunft durch ein notariell protokolliertes Nachlassverzeichnis erteilt. Das Vollstreckungsgericht habe zur Qualität dieses Verzeichnisses festgestellt, dass es eine geordnete Aufstellung nach Aktiva, Passiva und Zuwendungen zu Lebzeiten enthalte. Der Notar sei bei der Protokollierung eines Nachlassverzeichnisses mangels eigener Sachkenntnisse auf Auskünfte des Auskunftsverpflichteten angewiesen. Das
Verfahren könne sogar so ausgestaltet werden, dass ein auskunftspflichtiger Erbe in der
Beurkundungsverhandlung vertreten werden könne. Er, der Beklagte, habe zudem auf
Verlangen des Klägers an Eides statt versichert, dass das von ihm am 28. Juli 2008 vor
dem Notarvertreter ... abgegebene Nachlassverzeichnis nach seinem besten Wissen den
Bestand des Nachlasses des Erblassers so vollständig angebe, als er dazu imstande sei. Der
Kläger habe diese Versicherung zum Anlass genommen, gegen ihn Strafanzeige wegen der
Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung zu erstatten. Wenn der Kläger nun
nochmals die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses begehre, so sei dieses Verlangen in hohem Maße rechtsmissbräuchlich. Ein Notar sei kein Detektiv. Weitere Auskünfte könne er, der Beklagte, beim besten Willen nicht erteilen. Eine höhere Richtigkeitsgewähr als die Abgabe einer strafbewehrten eidesstattlichen Versicherung gebe es nicht.
Dies gelte umso mehr, als der Kläger gegen ihn bereits Strafanzeige erstattet habe. Ein
Notar könne die eidesstattliche Versicherung oder die Arbeit der Ermittlungsbehörden
nicht ersetzen. Der Vortrag des Klägers zur Gesellschaft und zur Gesellschaftsbeteiligung
werde bestritten; er könne zur liquidierten KG nicht mehr sagen, als im notariellen Protokoll vom 28. Juli 2008 zu Textabschnitt C von ihm erklärt worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
1. Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf
Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariellen
Nachlassverzeichnisses gemäß
und die Anteile des Erblassers daran umfasst der Auskunftsanspruch auch die Vorlage von
Nach
den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Zweck dieses Anspruchs ist es, der Beweisnot des
Pflichtteilsberechtigten abzuhelfen (BGH, Urt. v. 02.11.1960 - V ZR 124/59, BGHZ 33,
373 =
Gesetz gewährt den Auskunftsanspruch in verschiedenen Stärkegraden: Der Gläubiger
kann sich mit der Vorlage eines ohne seine Mitwirkung vom Erben privat hergestellten
Verzeichnisses begnügen (
Zuziehung bei der Aufstellung des Verzeichnisses (Satz 2 Halbsatz 1), die Ermittlung des
Wertes der Nachlassgegenstände (Satz 2 Halbsatz 2) und schließlich die Aufnahme des
Verzeichnisses durch eine Amtsperson verlangen (Satz 3). Diese unterschiedlichen Arten
von Auskunftsansprüchen stehen zueinander nicht in einem Wahlverhältnis derart, dass der
Gläubiger nur einen von diesen Ansprüchen geltend machen könnte und dadurch oder doch
durch seine Erfüllung die übrigen Ansprüche verlöre; sie stehen ihm vielmehr grundsätzlich gehäuft, also kumulativ, zu, so dass er sie neben- oder hintereinander geltend machen
kann (BGH a. a. O., bei juris Rn. 22). So kann der Pflichtteilsberechtigte ohne weiteres neben oder nach der Erstellung eines Privatverzeichnisses auch noch ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen, und zwar selbst dann, wenn er bei der Erstellung des Privatverzeichnisses zugegen und es im Klageweg erzwungen war (BGH a. a. O.).
a) Das vom Beklagten vorgelegte notariell protokollierte Nachlassverzeichnis vom 28. Juli
2008 sperrt demnach nicht das Verlangen des Klägers nach einem notariellen Nachlassverzeichnis. Ein notariell protokolliertes Nachlassverzeichnis genügt nicht den Anforderungen, die an ein notarielles Nachlassverzeichnis im Sinne von
stellen sind. Die bloße Beurkundung von Erklärungen des Auskunftspflichtigen ist etwas
anderes als ein notarielles Nachlassverzeichnis. Ein derartiges Verzeichnis soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten und genügt deshalb den Anforderungen des
Nachlassbestand selbst und eigenständig - wenn auch zunächst ausgehend von Angaben
des Auskunftspflichtigen - ermittelt hat und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses
als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, für den Inhalt verantwortlich zu sein
(OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.04.2010 - 5 W 81/10,
Beschl. des Senats in der Sache 3 U 66/08, S. 2 f.). Der Notar darf sich dabei nicht darauf
beschränken, Angaben des Erben wiederzugeben und von diesem vorgelegte Belege auf
Plausibilität zu prüfen, selbst wenn er den Erben über seine Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht belehrt hat (OLG Saarbrücken, a. a. O.; OLG Celle, Beschl. v. 21.01.2002 - 4
W 318/01,
Die notarielle Urkunde vom 28. Juli 2008 ist zwar mit „Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses“ überschrieben, doch enthält sie lediglich die zu notariellem Protokoll abgegebene Erklärung des Beklagten. Dementsprechend ist der Text auch in der 1. Person Singular abgefasst („Ich gebe hiermit ... zu Protokoll“, usw.). Am Ende wird der Text als „Protokoll“ bezeichnet, das dem Erschienenen vom Notarvertreter vorgelesen, von ihm (also
dem Erschienenen, d. h. dem Beklagten) genehmigt und eigenhändig unterschrieben worden sei. Die Urkunde ist von dem Beklagten und dem Notarvertreter unterschrieben worden. Sie enthält keine Belehrung darüber, dass sich der Kläger vollständig und wahrheitsgemäß erklären müsse, noch lässt sie erkennen, dass der Notar(vertreter) die Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben übernehmen wollte. Auch ist eine irgendwie geartete
Einflussnahme des Notars auf den Inhalt des Textes nicht erkennbar.
eines privaten (oder notariell protokollierten) und eines notariellen Verzeichnisses nebeneinander bestehen. Zu denken wäre an eine Erfüllung durch die eidesstattliche Versicherung. Das BGB versteht die eidesstattliche Versicherung als die Erfüllung eines privatrechtlichen materiellen Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten auf Bekräftigung
(MüKo/Lange, BGB, 5. Aufl., 2010, § 2314, Rn. 26). Soweit man die eidesstattliche Versicherung als Erfüllung auffassen möchte, wird man darin aber lediglich eine Erfüllung des
Auskunftsanspruchs nach
c) Das Verlangen des Klägers nach einem notariellen Nachlassverzeichnis, obwohl der Beklagte bereits ein notariell protokolliertes Nachlassverzeichnis vorgelegt und dessen Richtigkeit an Eides statt versichert hat, ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.
aa) Im Regelfall ist das Verlangen eines amtlichen Nachlassverzeichnisses nach Vorlage
eines Privatverzeichnisses nicht rechtsmissbräuchlich. Zur Bejahung bedarf es besonderer
Umstände im Einzelfall (BGH a. a. O., bei juris Rn. 28 im Anschluss an RG, Urt. v.
10.01.1910 - Rep. IV 81/09,
Nachlassverzeichnis vorgelegt worden ist, begründet noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs, da der Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis daneben besteht und
die beiden Ansprüche auch hintereinander geltend gemacht werden können.
bb) Auch ist es nicht rechtsmissbräuchlich, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen, wenn bereits ein notariell protokolliertes Nachlassverzeichnis vorliegt und außerdem
dessen Richtigkeit an Eides statt versichert worden ist. Grundsätzlich gilt zunächst, dass
der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf ein notarielles Nachlassverzeichnis nicht
durch die Möglichkeit, eine eidesstattliche Versicherung verlangen zu können, ausgeschlossen wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.09.1994 - 7 U 198/93,
1239; LG Essen, Urt. v. 14.12.1961 - 4 O 358/60,
juris Rn. 22; Staudinger/Haas, a. a. O., § 2314, Rn. 39; MK/Lange, BGB, 5. Aufl., § 2314,
Rn. 29; Palandt/Edenhofer, BGB, 70. Aufl., 2011, § 2314, Rn. 7). Der vorliegende Fall
weist nun die Besonderheit auf, dass es nicht nur um die bloße Möglichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geht, sondern dass diese auch tatsächlich bereits abgegeben worden ist.
Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass sich der Kläger zwar nicht auf die eidesstattliche Versicherung verweisen lassen müsse, dass er aber, wenn er diesen Weg gewählt habe, nicht noch zusätzlich ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen dürfe. Dabei überträgt das Landgericht den Gedanken, dass das Verlangen nach einem privaten
Nachlassverzeichnis regelmäßig rechtsmissbräuchlich sei, wenn bereits ein notarielles
Nachlassverzeichnis vorliege, auf die vorliegende Konstellation, in der die Richtigkeit eines notariell protokollierten Nachlassverzeichnisses durch eine eidesstattliche Versicherung bestätigt worden ist. Diese Argumentation rückt somit den Aspekt der größtmöglichen Richtigkeitsgewähr in den Mittelpunkt.
Diese Argumentation ist lediglich in ihrem Ausgangspunkt, soweit nämlich auf die größtmögliche Richtigkeitsgewähr abgestellt wird, zutreffend. Gerade wenn man auf die größtRichtigkeit eines notariell protokollierten Verzeichnisses bereits an Eides statt versichert
worden ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
(1) Die Auskunftsansprüche auf ein privates (bzw. wie hier lediglich notariell protokolliertes) und ein notarielles Nachlassverzeichnis bestehen kumulativ neben- bzw. hintereinander. Dementsprechend muss sich der Kläger nicht auf eine eidesstattliche Versicherung
verweisen lassen. Wollte man ihm aber die Möglichkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses versagen, würde dies praktisch darauf hinauslaufen, dass er eben doch allein
auf die eidesstattliche Versicherung verwiesen würde. Führt man den (in Rechtsprechung
und Lehre unbestrittenen) Grundsatz von der Trennung der unterschiedlichen Arten von
Auskunftsansprüchen nach
dieser einzelnen Ansprüche konsequent weiter, dann bezieht sich eine eidesstattliche Versicherung auf die Richtigkeit eines privaten (bzw. notariell protokollierten) oder eines notariellen Verzeichnisses. Dementsprechend muss ein Anspruch auf ein notarielles Verzeichnis auch dann noch möglich sein, wenn ein privates (bzw. notariell protokolliertes)
bereits durch eine eidesstattliche Versicherung bekräftigt worden ist.
(2) Für das Bestehen des Anspruchs des Klägers spricht zudem auch der Gedanke der
größtmöglichen Richtigkeitsgewähr, um den es bei
notarielles Nachlassverzeichnis ist im Vergleich zu einem lediglich notariell protokollierten ein aliud. Es hat aus mehreren Gründen eine höhere Beweiskraft und damit auch eine
größere Richtigkeitsgewähr als ein privates (oder ein lediglich notariell protokolliertes)
Nachlassverzeichnis (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.08.2006 - 15 W 23/06, ZEV 2007,
329): Die Aufnahme durch den Notar soll eine besondere Gewähr dafür bieten, dass der
Schuldner die Angaben wahrheitsgemäß erteilt, da er von ihm nachhaltig über die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben belehrt wird (OLG Celle, a. a. O., DNotZ 2003,
62). Der Notar trägt zudem - als unbeteiligter Dritter - die Verantwortung für die Durchführung und die sachgerechte Gestaltung der Aufnahme der einzelnen Vermögensgegenstände und damit für den Inhalt des Verzeichnisses; er entscheidet nach seinem Ermessen,
auf welche Weise er die Vollständigkeit feststellt (OLG Celle, a. a. O.,
Senat, Beschl. v. 27.03.2009 - 3 U 66/08; van der Auwera, Die Rechte des Pflichtteilsberechtigten im Rahmen seines Auskunftsanspruchs nach
Die größere Richtigkeitsgarantie eines notariellen Nachlassverzeichnisses wird auch nicht
durch die eidesstattliche Versicherung des notariell protokollierten Verzeichnisses kompensiert oder ersetzt. Zunächst ist die Funktion eines Notars, der ein Protokoll lediglich
beurkundet, eine völlig andere als die eines Notars, der selbst ein Verzeichnis aufnimmt.
Die eidesstattliche Versicherung bezieht sich ausschließlich auf das vom Kläger selbst erstellte Verzeichnis, ohne dass die Beteiligung einer unabhängigen dritten Person, auf die
der Kläger gemäß
der Erbe sonst durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung den Anspruch des
Pflichtteilsberechtigten auf ein notarielles Nachlassverzeichnis vereiteln könnte.
(3) Auch die Anzeige des Klägers gegen den Beklagten wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung hindert ihn nicht, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen. Ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren dient nicht dem Ziel, privatrechtliche
Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten zu sichern. Gerade die Kombination einer Strafanzeige wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung und des Verlangens nach
einem notariellen Nachlassverzeichnis ist geeignet, um eine möglichst hohe Richtigkeitsgewähr zu erreichen. In Kenntnis der erstatteten Strafanzeige wird ein Notar mit besonde(4) Schließlich spricht für die Zulassung des Auskunftsanspruchs in Form eines notariellen
Nachlassverzeichnisses auch noch nach der Versicherung an Eides statt über die Richtigkeit eines notariell protokollierten Verzeichnisses der Gedanke der Waffengleichheit zwischen Pflichtteilsberechtigten und Erben. Der Pflichtteilsberechtigte befindet sich regelmäßig gegenüber dem Erben in der schwierigen Situation, den Nachlassbestand nicht genau
zu kennen. Der Erbe kann vergleichsweise einfach Vermögensgegenstände aus dem
Nachlass entfernen, ohne dass der Pflichtteilsberechtigte davon Kenntnis erlangen kann.
Eine Beeinträchtigung der Rechte des Pflichtteilsberechtigten droht vor allem dann, wenn
Erblasser und Erbe schon zu Lebzeiten des Erblassers zusammenwirken, um den Pflichtteilsanspruch möglichst gering zu halten. Die vom Kläger vorgelegten Schreiben des Erblassers an den Beklagten weisen deutlich darauf hin, dass der Erblasser den Pflichtteil des
Klägers beschränken wollte (Schreiben vom 03.05.2002, Bl. 47 d. A.: „Ich muss alles, was
ich besitze, verstecken. Ich habe das Deiner Mutter versprochen. Und nur so kommt der X
in F. nicht an das Pflichtteil, das jedem Kind zusteht, ob der Vater will oder nicht.“; s. a.
die Schreiben vom 11.01.2004, Bl. 48 d. A., und vom 09.04.2004, Bl. 49 d. A.). Um in
derartigen Situationen gleichwohl ansatzweise eine Waffengleichheit zwischen Erben und
Pflichtteilsberechtigten herzustellen, hat der Gesetzgeber u. a. die Auskunftsansprüche in §
2314 BGB geschaffen, ohne die sich das - soweit es um die Ansprüche der Kinder geht grundrechtlich geschützte Pflichtteilsrecht gar nicht realisieren ließe. Um der Beweisnot
des Pflichtteilsberechtigten abzuhelfen, ist eine weite Interpretation des
Aspekt dafür, dem Kläger den Anspruch auf Auskunftserteilung durch ein notarielles Verzeichnis zuzusprechen, obwohl der Beklagte die Richtigkeit des notariell protokollierten
Verzeichnisses bereits an Eides statt erklärt hat.
cc) Die Erweiterung des Auskunftsbegehrens auf die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt rechtsmissbräuchlich, dass an der
Richtigkeit und Vollständigkeit des notariell protokollierten Verzeichnisses keine Zweifel
angebracht wären. Dass der Kläger Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit hat,
zeigt bereits die Strafanzeige, die er erstattet hat und die offenbar nicht völlig mutwillig
und ins Blaue hinein erfolgte. Die Zweifel des Klägers sind angesichts der bereits erwähnten Äußerungen des Erblassers in der Korrespondenz mit dem Beklagten durchaus nachvollziehbar (Bl. 46-49 d. A.). Soweit es dem Kläger möglich ist, hat er auch recht konkret
Angaben in dem notariell protokollierten Nachlassverzeichnis vom 28. Juli 2008 hinterfragt. Dies gilt vor allem für einige der im Schriftsatz des Klägers vom 20. März 2009 aufgeführten Positionen (Bl. 39-43 d. A.), insbesondere für die dort genannten diversen Konten und die Anteile an der ... KG. Dass zumindest aus der Sicht des Klägers insoweit Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der notariell protokollierten Nachlassverzeichnisses bestehen, ist nicht verwunderlich. Auch enthält dieses Verzeichnis offensichtlich
keine Belege, etwa zu den Anteilen an der KG. Der Auskunftsanspruch umfasst aber auch
die Vorlage von Belegen (BGH, a. a. O., bei juris Rn. 19). Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass der Beklagte die angesprochenen Ungereimtheiten und Lücken bisher nicht
richtiggestellt und die Hinweise darauf, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen
Sorgfalt erstellt worden sei, nicht ausgeräumt habe.
dd) Schließlich ist das Begehren auch nicht wegen einer etwaigen Verzögerung des Verfahrens durch die Geltendmachung der diversen Auskunftsansprüche rechtsmissbräuchlich.
Eine Verfahrensverzögerung ist nicht ersichtlich und im Übrigen auch gar nicht im Interesse des Klägers, dessen Klage letztlich auf die baldige Durchsetzung seines ZahlungsanNachlassverzeichnisses nicht den Rechtsstreit in die Länge ziehen, vielmehr strebt er angesichts seiner nicht völlig unbegründeten Zweifel hinsichtlich der Angaben des Beklagten
eine möglichst große Richtigkeitsgewähr an.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 91 Abs.
1 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Schleswig
Erscheinungsdatum:24.01.2011
Aktenzeichen:3 U 36/10
Rechtsgebiete:Pflichtteil
Erschienen in:
NJW-RR 2011, 946-948
NotBZ 2011, 189
ZEV 2011, 376-379
BGB § 2314