BGH 08. November 1998
II ZR 213/97
BGB §§ 705, 1030

Stimmrecht bei Nießbrauch am Gesellschaftsanteil

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Deutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 782
letzte Aktualisierung: 05. März 1999
782
BGH
II ZR 213/97
09.11.1998
BGB § 705


Die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, w elche die
Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, w ird ihm durch die
Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Gesellschaftsanteil grundsätzlich nicht
genommen.
T a t b e s t a n d :
Die Beklagte und ihre Schwester M. K. waren in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümerinnen des Wohnund Gewerbeanwesens Ko. straße 46 in Kr. . Am 10. August 1990 gründeten sie unter der Bezeichnung
"Grundstücksgemeinschaft K. " eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck es ist, das Grundstück
zu verwalten und zu vermieten. Die Geschäftsführung wurde der Beklagten übertragen. § 1 Abs. 2 des
Gesellschaftsvertrages enthält einen Katalog von Maßnahmen und Geschäften, für welche die Beklagte nur
gemeinsam mit ihrer Schwester geschäftsführungsbefugt war.
M. K. verstarb am 25. Juni 1994. Sie wurde aufgrund ihres Testaments von den Söhnen ihrer Schwester, Kl.
R. und H. R. (dem Kläger), beerbt. Diese bewilligten gemäß dem testamentarischen Vermächtnis von M. K.
zu Gunsten der Beklagten einen Nießbrauch auf Lebenszeit, der auch den von ihnen geerbten Anteil an der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts umfaßte und am 4. April 1995 in das Grundbuch eingetragen wurde.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte als geschäftsführende Gesellschafterin berechtigt ist, den
Rechnungsabschluß für das Jahr 1994 allein festzustellen, und ob die in § 1 Abs. 2 des
Gesellschaftsvertrages enthaltenen gemeinsamen Geschäftsführungsbefugnisse der Gesellschafter durch
die Bestellung des Nießbrauchs auf die Beklagte übergegangen sind. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte
zu verurteilen, die Zustimmung der Mitgesellschafter Kl.
R. und H. R. , handelnd in ungeteilter Erbengemeinschaft, zu dem Rechnungsabschluß der
Grundstücksgemeinschaft K. zum 31. Dezember 1994 einzuholen. Ferner hat er beantragt festzustellen, daß
die Beklagte verpflichtet ist, die Einwilligung der Mitgesellschafter Kl. R. und H. R., handelnd in ungeteilter
Erbengemeinschaft, zu allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften einzuholen, wie sie in § 1 Abs. 2 des
Gesellschaftsvertrages der Grundstückgemeinschaft K. vom 10. August 1990 aufgeführt sind. Das
Landgericht hat festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, die Zustimmung der Mitgesellschafter - jeweils
handelnd in ungeteilter Erbengemeinschaft - zu dem Rechnungsabschluß der Grundstücksgemeinschaft K.
zum 31. Dezember 1994 und deren Einwilligung zu allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften einzuholen,
wie sie in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 10. August 1990 aufgeführt sind. Auf die Berufung der
Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Die Revision führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
I. Die Brüder Kl. und H. R. sind durch die testamentarische Erbfolge nicht Gesellschafter der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts in ungeteilter Erbengemeinschaft, sondern jeder für sich geworden. Die einem
verstorbenen Mitglied einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts kraft seines Testaments in seine
Gesellschafterstellung folgenden Erben bilden insoweit keine ungeteilte Erbengemeinschaft, sondern sind
Einzelnachfolger des Erblassers (vgl. BGHZ 22, 186, 191 ff.; 68, 225, 237; 91, 132, 135; 98, 48, :0 f.; 108,
187, 192 f.; BGH, Beschl. v. 10. Januar 1996 - IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284, 1285 = WM 1996, 681, 683).
II. Der Kläger hat - entgegen den Darlegungen der Revisionserwiderung - ein rechtliches Interesse an den
von ihm begehrten Feststellungen (§ 256 Abs. 1 ZPO).
Ein Nießbrauch an dem Anteil einer Personengesellschaft ist rechtlich möglich (BGHZ 58, 316 ff., vgl. auch
BFH, Urt. v. 1. März 1994 - VIII R 35/92, NJW 1995, 1818, 1819 m.w.N.). Die mit ihm verbundene dingliche
Berechtigung kommt im Falle des Anteilsnießbrauchs darin zum Ausdruck, daß dem Nießbraucher die
Rechte aus dem Nießbrauch nicht nur gegen den Besteller, sondern auch gegen die Mitgesellschafter des
Bestellers zustehen (vgl. Staub/Ulmer, HGB, 4. Aufl., § 105 Rdn. 114). Umgekehrt kann der einzelne
Gesellschafter seine Gesellschafterrechte gegen den Nießbraucher geltend machen, ohne daß es dazu der
Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedürfte. Besteht zwischen einem Gesellschafter und dem
Nießbraucher, der im Einzelfall gleichzeitig auch Mitgesellschafter sein kann, Streit über den Inhalt und
Umfang der Rechte des Nießbrauchers, hat daher jeder von beiden ein rechtliches Interesse daran, diese
Frage in einem Feststellungsprozeß zu klären.
III. Ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft liegt nicht vor. Es handelt sich nicht - wie das
Berufungsgericht annimmt - um einen Prozeß, der nur zwischen allen Gesellschaftern geführt werden
könnte.
1. Dem Feststellungsbegehren des Klägers liegt die Rechtsmeinung zugrunde, die Gesellschafter hätten
einen Anspruch darauf, daß die Beklagte ihre Zustimmung zu den Rechnungsabschlüssen der Gesellschaft
und zu Rechtsgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages einholt. Dieser Streit berührt
das Gesellschaftsverhältnis unmittelbar. Derartige Prozesse sind nicht zwischen der Gesellschaft und den
Gesellschaftern, sondern zwischen diesen auszutragen (vgl. Sen. Urt. v. 6. November 1989 - II ZR 302/88,
WM 1990, 309 m.w.N.). Dabei sind mehrere auf der Kläger- oder der Beklagtenseite beteiligte
Gesellschafter keine notwendigen Streitgenossen (vgl. BGHZ 30, 195, 197 f.).
2. Hieran ändert sich nichts, soweit es um die Zustimmung zu dem Rechnungsabschluß geht. Zwar ist für
diesen Feststellungsbeschluß Einstimmigkeit erforderlich, wenn - wie hier - der Gesellschaftsvertrag keine
Mehrheitsklausel für Grundlagengeschäfte enthält (vgl. Sen. Urt. v. 29. März 1996 - II ZR 263/94, WM 1996,
772, 776 f.). Besteht Streit zwischen den Gesellschaftern, so hat der Senat erwogen, ob auf der Aktiv- und
Passivseite eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, diese Frage aber letztlich offengelassen (Sen.
Urt. v. 10. Oktober 1983 - II ZR 181/82, WM 1983, 1279 f.). Sie bedarf weiterhin keiner abschließenden
Entscheidung. Jeder Gesellschafter kann die Zustimmung zu dem Rechnungsabschluß für sich und
unabhängig von dem Verhalten der anderen Gesellschafter erklären. Dementsprechend kann die Beklagte
die Zustimmung des Klägers getrennt von der seines Bruders einholen; der Kläger hat umgekehrt einen ihm
allein zustehenden Anspruch gegen die Beklagte.
IV. Die Klage erweist sich auch im übrigen als begründet.
1. Der Nießbraucher erhält ein dingliches Nutzungsrecht, wird aber nicht Gesellschafter. Ist er selber
Mitglied der Personengesellschaft, so wird seine Gesellschafterstellung durch die Rechte und Pflichten aus
dem ihm eingeräumten Nießbrauch angereichert. Inhalt seines Nutzungsrechts sind vor allem die Früchte
der Mitgliedschaft (§ 100 BGB). Inwieweit dem Nießbraucher auch Verwaltungsrechte zustehen können (vgl.
dazu näher Schön, ZHR 158, 229, 260 ff.), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn jedenfalls
die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen,
selber abzustimmen, wird ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Anteil grundsätzlich
nicht genommen (vgl. Münch. Komm. - Ulmer, BGB, .3. Aufl., § 705 Rdn. 83; Westermann, Hb. der
Personengesellschaften I 681 m.w.N.). Der Kläger hat deshalb einen Anspruch darauf, daß die Beklagte
seine Zustimmung zum Jahresabschluß 1994 und zu allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften im Sinne des
§ 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 10. August 1990 einholt.
Verwaltungsrechten, welche die Substanz der Mitgliedschaft berühren (vgl. Ulmer aaO § 721 Rdn. 4
m.w.N.). Die Feststellung des Jahresabschlusses ist Sache der Gesellschafter, was § 5 Abs. 2 des
Gesellschaftsvertrages vom 10. August 1990 ausdrücklich bekräftigt. Dieser Anspruch wird von einem
Nießbrauch grundsätzlich nicht erfaßt.
b) Anders als die Feststellung des Jahresabschlusses sind die in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages
aufgeführten Rechtsgeschäfte, für welche eine gemeinsame Geschäftsführungsbefugnis der
Gründergesellschafterinnen vorgesehen ist, zwar ihrer Natur nach keine Grundlagengeschäfte, sondern
Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung. Die Gründergesellschafterinnen haben sie jedoch wegen
ihrer besonderen Bedeutung und potentiellen Gefährlichkeit für die wirtschaftliche Substanz der
Beteiligungen in dem Gesellschaftsvertrag ausdrücklich aus den laufenden, von der Geschäftsführerin allein
zu erledigenden Angelegenheiten herausgelöst und den gemeinsam zu entscheidenden
Grundlagengeschäften zugeordnet. Auch sie werden deshalb von einem Nießbrauch am Gesellschaftsanteil
nicht erfaßt (vgl. dazu auch UImer aaO § 709 Rdn. 11).
2. Ob derartige Gesellschafterrechte durch ausdrückliche Anordnung auf den Nießbraucher übertragen
werden könnten, kann dahingestellt bleiben. Eine solche ausdrückliche Anordnung ist im vorliegenden Fall
nicht feststellbar. Mit der testamentarischen Verfügung "Meiner Schwester Ma. vermache ich die
lebenslängliche Nutznießung an meinem Nachlaß", hat M. K. den Nießbrauch in dem Umfang eingeräumt,
den das Gesetz vorsieht. Darüber hinausgehende Rechte haben der Kläger und sein Bruder nicht auf die
Beklagte übertragen; sie waren dazu auch nicht verpflichtet.
V. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen waren, konnte der Senat abschließend entscheiden.
Die im Urteil des Landgerichts gebrauchte Wendung "Kl. R. ..., handelnd in ungeteilter Erbengemeinschaft"
mußte aus Rechtsgründen entfallen (vgl. oben unter I.). Auswirkungen auf die Kostenentscheidung hat dies
nicht.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

08.11.1998

Aktenzeichen:

II ZR 213/97

Erschienen in:

DNotI-Report 1999, 42-43
MittBayNot 1999, 195-196
MittRhNotK 1999, 250-251
DNotZ 1999, 607-608
NJW 1999, 571-572
NJW-RR 1999, 826
Rpfleger 1999, 185-186
ZEV 1999, 71-72

Normen in Titel:

BGB §§ 705, 1030